Rudolf Steiner

Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte

Das Sechstagewerk im l. Buch Moses

 

Ein Zyklus von zehn Vorträgen und ein einleitender Vortrag

München vom 16. bis 26. August 1910

(GA 122)

 

ERSTER VORTRAG    2

ZWEITER VORTRAG    13

DRITTER VORTRAG    22

VIERTER VORTRAG    33

FÜNFTER VORTRAG    43

SECHSTER VORTRAG    52

SIEBENTER VORTRAG    61

ACHTER VORTRAG    72

NEUNTER VORTRAG    81

ZEHNTER VORTRAG    91

ELFTER VORTRAG    101

 

 


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ERSTER VORTRAG

München, 16. August 1910

Wir stehen vor einem wichtigen Vortragszyklus, und es darf wohl vorausgeschickt werden, daß dieser VortragszykIus erst jetzt unternommen werden kann, da wir Jahre hindurch gearbeitet haben auf dem geisteswissenschaftlichen Felde. Und es darf weiter gesagt werden, daß die großen Ideen, denen wir uns in den nächsten Tagen werden hinzugeben haben, in einer gewissen Beziehung jene Stimmung brauchen, die uns werden konnte durch die beiden in den letzten Tagen erfolgten Aufführungen. Diese Aufführungen sollten ja unser Herz hineinführen in jene Stimmung, in jene Gefühlsverfassung, welche notwendig ist, damit das, was uns auf anthroposophischem Gebiete entgegentreten soll, durchdrungen werde von der richtigen Wärme und von der richtigen Innigkeit. oftmals durfte es ja betont werden, wie die abstrakten Gedanken, die Ideen selbst, die uns auf unserem Felde entgegentreten, ihre volle Wirkungskraft erst dann in unserer Seele entfalten können, wenn sie eintauchen in diese warme Innigkeit des Erlebens. Sie erst läßt unsere Seele empfinden, daß wir uns durch unsere anthroposophischen Ideen Gebieten des Daseins nähern, nach denen wir nicht nur eine gewisse Erkenntnissehnsucht haben sollen, sondern denen auch unser Herz sich zuwendet, denen gegenüber wir die Stimmung haben können, die wir im vollsten Sinn des Wortes als eine heilige Stimmung bezeichnen. Und vielleicht war es mir selber die ganzen Jahre her nicht so ums Herz als gerade in diesem Augenblick, da wir vor einem Vortragszyklus stehen, von dem man vielleicht nicht mit Unrecht sagen darf, daß er sich vermißt, menschliche Gedanken ein wenig dem zu nähern, was wie Urworte seit Jahrtausenden durch Menschenherzen gezogen ist und Menschengeister beschäftigt hat, Menschenherzen und Menschengeister hinaufzulenken zu dem, was der Mensch als das Höchste, als das Gewaltigste, was es für ihn geben kann, empfinden soll: den eigenen Ursprung in seiner Größe.

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Bevor dieser Vortragszyklus beginnen soll, darf ich heute nach den beiden vorangegangenen Tagen vielleicht etwas Anthroposophisch-Familiäres berühren, eben weil wir die Vorbereitung zu diesem Zyklus an uns haben vorübergehen lassen können. Schon am Beginne des vorjährigen Zyklus durfte ich darauf hinweisen, wie symbolisch bedeutsam gerade diese unsere Münchener Veranstaltungen für unser anthroposophisches Leben sind. Und ich durfte darauf hinweisen, wie uns durch Jahre hindurch dasjenige getragen hat, was wir in echt anthroposophischem Sinn nennen könnten die Geduld des Wartens, bis uns zu irgendeiner Arbeit die Kräfte herangereift sind. Und noch einmal lassen Sie mich daran erinnern, daß die Vorstellung der «Kinder des Luzifer», die wir im vorigen Jahr haben zustande bringen dürfen und die wir so glücklich waren, in diesen Tagen zu wiederholen, sieben Jahre in Geduld von uns mußte erwartet werden. Die Arbeit der sieben Jahre auf dem anthroposophischen Felde mußte dieser Darstellung vorangehen. Im vorigen Jahre durfte ich daran erinnern, daß am Ausgangspunkte unserer deutschen Sektionsgründung in Berlin von mir ein Vortrag gehalten worden ist, anknüpfend an dieses Drama «Die Kinder des Luzifer», und daß es mir dazumal wie ein Ideal vor der Seele schwebte, dieses Drama einmal auf der Bühne zeigen zu dürfen. Nach siebenjähriger anthroposophischer Arbeit ist dies gelungen, und wir dürfen sagen: Diese Darstellung im vorigen Jahre bedeutete in gewisser Beziehung einen Markstein in unserem anthroposophischen Leben. Wir durften eine künstlerische Ausgestaltung anthroposophischen Fühlens und anthroposophischen Denkens vor das geistige Auge unserer lieben Freunde hinstellen. Und wir fühlen uns ja gerade in solchen Augenblicken so recht in unserem anthroposophischen Milieu, wenn wir empfinden das Uns-Übergreifen und Uns-Durchdringen anthroposophischen Lebens. Der Verfasser der «Kinder des Luzifer», den wir schon im vorigen Jahre das Glück hatten, hier zu sehen bei jener Aufführung und bei dem vorjährigen Zyklus, und dessen Gegenwart wir uns auch in diesem Jahre wiederum erfreuen, er hat für das geistige Leben der Gegenwart in seinem epochalen Werke «Die großen Eingeweih-

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ten» ein Ideengefüge geschaffen, dessen Wirkung für Seelen und Gemüter der Gegenwart erst die Zukunft in das richtige Licht wird stellen können.

Sie würden sich gewiß vielfach wundern, wenn Sie die Schätzung, die man heute geistigen Kräften und geistigen Arbeiten der Vergangenheit in dieser oder jener Zeit angedeihen läßt, vergleichen würden mit derjenigen, welche in dem Bewußtsein der damaligen Zeitgenossen geherrscht hat. Man verwechselt so leicht die Art, wie man selber über Goethe, über Shakespeare, über Dante denkt, mit dem, was die Zeitgenossen fähig waren zu durchschauen und zu überblicken von den geistigen Kräften, die durch solche Persönlichkeiten dem fortschreitenden Menschengeist einverleibt worden sind. Und wir müssen uns insbesondere als Anthroposophen zum Bewußtsein bringen, daß der Mensch in seiner eigenen Gegenwart am allerwenigsten ermessen kann, wie bedeutsam, wie kräftigend die geistigen Arbeiten der Zeitgenossen für die Seelen sind. Wenn man sich besinnt, wie eine Zukunft die Dinge ganz anders beurteilen wird, als es die Gegenwart vermag, dann darf es wohl gesagt werden, daß das Erscheinen der «Großen Eingeweihten» für den, geistigen Inhalt und für die geistige Vertiefung unserer Zeit einstmals als etwas ungeheuer Bedeutungsvolles angesehen werden wird. Denn es strahlen heute schon aus vielen Seelen im weitesten Umkreise der Kultur unserer Gegenwart die Seelenechos, die dadurch möglich wurden, daß diese Ideen in die Herzen unserer Zeitgenossen Eingang gefunden haben. Und diese Echos sind wahrhaft bedeutsam für unsere Zeitgenossen, denn unzähligen bedeuten sie Sicherheit im Leben, Trost und Hoffnung in den schwierigsten Augenblicken dieses Lebens. Und nur dann, wenn wir uns in der richtigen Weise an solcher großen Geistestat der Gegenwart zu erfreuen verstehen, dann dürfen wir sagen, daß wir anthroposophisches Empfinden und anthroposophische Stimmung in einem etwas größeren Stile in unserer Brust tragen. Und aus jener Seelentiefe heraus, aus welcher die Ideen der «Großen Eingeweihten» leuchteten, sind auch geformt und geprägt die Gestalten der «Kinder des Luzifer», die uns eine große Zeit der Menschheit vor das Seelenauge

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führen, eine Zeit, in welcher Altgewordenes und Neuerblühendes im Weltenwerden zusammenstoßen. Und Anthroposophen sollten es verstehen, wie in diesem Drama zweierlei zusammenstrahlt: menschliches Leben, menschliche Arbeit und menschliches Wirken auf dem physischen Plan, wie es ausgeführt wird durch die Gestalten, die uns in den «Kindern des Luzifer» entgegentreten, und in dieses Arbeiten, in dieses Wirken hinein leuchtet dasjenige, was wir die Erleuchtung aus den höheren Welten nennen. Und indem wir ein Drama auf die Bühne stellten, in dem nicht nur gezeigt wird, wie Menschenstreben und Menschenkräfte im Herzen und im Kopfe wurzeln, sondern wie hereindringen die Inspirationen aus den heiligen Stätten, aus den Weihestätten der Tempel, wie die unsichtbaren Mächte die menschlichen Herzen durchglühen und durchgeisten - indem wir dieses Ineinander-sich-Verweben übersinnlicher Welten mit unserer Sinneswelt zeigten, haben wir einen Markstein hinstellen dürfen in unserer anthroposophischen Bewegung.

Denn das darf ich auch in diesem Jahre beim Ausgangspunkte unseres Vortragszyklus wiederholen: Das Allerwichtigste, das Allerwesentlichste bei einer solchen Unternehmung, das sind die Herzen derer, die Verständnis haben, ein solches Werk aufzunehmen. Das ist der große Irrtum unserer Zeit, daß man glauben kann, ein Werk könne geschaffen werden und es müsse wirken. Es kommt nicht nur darauf an, daß die gewaltigen Werke Raffaels oder Michelangelos in der Welt sind; es kommt darauf an, daß in der Welt Herzen leben, Seelen existieren, welche den Zauber aus diesen Werken in sich beleben können. Raffael und Michelangelo haben nicht für sich allein geschaffen, sie haben geschaffen im Widerhall mit denen, die von jener Kultur erfüllt waren, die fähig waren entgegenzunehmen, was sie der Leinwand anvertrauten. Unsere Gegenwartskultur ist chaotisch, unsere Gegenwartskultur hat keine Einheitlichkeit der Empfindung. Lassen Sie die größten Werke auf eine solche Kultur wirken: sie werden die Herzen unberührt lassen. Das muß das Eigenartige unserer anthroposophischen Bewegung sein, daß wir als ein Kreis von Menschen uns versammeln, in denen gleichartige

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Empfindungen leben, die beseelt sind von gleichartigen Gedanken, in denen möglich wird eine gleichartige Begeisterung. Auf den Brettern spielt sich ein Drama im Bilde ab; in den Herzen der Zuschauer spielt sich ab ein Drama, dessen Kräfte der Zeit angehören. Das, was die Herzen im Zuschauerraum fühlten, was in jedem Herzen wurzelte, das ist ein Keim für das Leben der Zukunft. Fühlen wir das, meine lieben Freunde, und fühlen wir vor allen Dingen nicht allein eine Befriedigung darüber, das wäre vielleicht billig, fühlen wir die Verantwortung, die wir damit auf unsere Seele laden. Jene Verantwortung, die uns sagt: Seid vorbildlich für das, was geschehen muß, für das, was möglich werden muß, daß die Zeitkultur der Menschheit imprägniert wird von dem Bewußtsein, daß der Mensch hier auf dem physischen Plan der Mittler ist zwischen physischen Taten, physischem Werden und dem, was nur durch ihn einströmen kann aus den übersinnlichen Welten in diese Welten des physischen Planes herunter.

So sind wir in gewissem Sinne erst eine geistige Familie dadurch, daß wir uns zuneigen dem gemeinsamen väterlichen Urprinzip, das in unseren Herzen lebt und das eben in diesem Augenblick von mir versucht worden ist zu charakterisieren. Und wenn wir in dieser Weise mit unserem Herzen, mit unserer ganzen Seelenstimmung auffassen, was wir erleben, wenn wir es auffassen, indem wir es als Zugehörige unserer anthroposophischen Familie fühlen, dann empfinden wir auch im rechten Sinn das Glück und sehen es mit innigster Befriedigung, daß wir den Autor der «Kinder des Luzifer» nunmehr bei den beiden Aufführungen und in den darauffolgenden Tagen unter uns haben durften.

Nehmen Sie das so auf, daß wir dadurch in der Tat fühlen können: Es leben die lebendigen anthroposophischen Kräfte der Gegenwart in dem Kreise, aus dem heraus dasjenige erfließen durfte, was wir in den letzten Tagen durch unsere Seele haben ziehen lassen.

Meine lieben Freunde, mir ist es schon im vorigen Jahre eine liebe Pflicht gewesen, hinzuweisen gerade auf diejenige Arbeitsstätte, auf welcher wir solch einen Markstein unserer anthroposophischen Tätigkeit entwickeln durften. Und es war mir eine liebe

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Pflicht - und ich betone dabei das Wort «liebe» und möchte ausdrücklich bemerken, daß Sie «Pflicht» nicht in trivialem Alltagssinn nehmen dürfen -, es war mir und es ist mir eine liebe Pflicht, auch in dieser Stunde darauf hinzuweisen, wie hier zum Zustande kommen dieser unserer anthroposophischen Veranstaltungen unsere Freunde nicht nur mit Eifer, sondern mit Hingebung aller ihrer Kräfte arbeiteten.

Wer solche Aufführungen sieht, denkt vielleicht nicht immer daran, daß es lange dauert, bis das, was zuletzt sich dem Auge in wenigen Stunden darbietet, wirklich auf der Bühne steht. Und die Art und Weise, wie unsere lieben Freunde hier an diesem Orte zusammenarbeiteten, um das Werk zustande zu bringen, sie darf in einer gewissen Beziehung immer wieder für die anthroposophische Arbeit, vielleicht auch für das menschliche Zusammenwirken, als Vorbild bezeichnet werden. Insbesondere deshalb, weil es einem richtigen anthroposophischen Empfinden widerstreben würde, bei dieser Arbeit in irgendeiner Weise zu kommandieren. Da ist ein Fortschritt nur dann möglich, wenn die einzelnen Freunde mit ihrem Herzen voll dabei sind, in ganz anderer Weise, als das auf einem ähnlichen künstlerischen Felde jemals der Fall sein könnte. Und dieses Voll-dabei-Sein, nicht nur in den wenigen Wochen, die uns zur Verfügung stehen, um die Aufführungen vorzubereiten, sondern dieses Voll-dabei-Sein, dieses freie herzliche Zusammenwirken, es dauerte Jahre hindurch. Und da wir ja bei dieser Gelegenheit aus den verschiedensten Gegenden uns versammelt haben und die Anthroposophen sich nicht nur dadurch kennenlernen sollen, daß sie sozusagen ein paar Worte miteinander wechseln, sondern daß sie voneinander wissen, was einem jeden in der Arbeit heilig ist, deshalb darf wohl gerade bei dieser Gelegenheit mit einigen Worten darauf hingewiesen werden, wie Jahre hindurch hier gearbeitet worden ist, um im entsprechenden Augenblick zusammenzugruppieren, was notwendig war, um eine anthroposophische Leistung auf die Füße zu stellen, wie wir sie in den letzten Tagen geben durften. Und wenn es auch nicht allein durch äußere Umstände geboten wäre, so würde mein Herz mich drängen, in

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dieser Stunde hinzuweisen auf die hingebungsvolle Arbeit unserer Freunde, die uns das ermöglicht hat, was wir erleben durften. Denn Sie dürfen es glauben: nur durch diese hingebungsvolle Arbeit ist es möglich geworden.

Ich sagte, ich will den Vortragszyklus beginnen mit einer Art familiärer Besprechung dessen, was uns auf dem Herzen liegen kann. Da dürfen wir vor allen Dingen der jahrelangen hingebungsvollen Arbeit der beiden Damen gedenken, die hier zielbewußt und in innigem Einklang wirken mit dem, was man auf anthroposophischem Felde nur wollen kann. Seit vielen Jahren haben Fräulein Stinde und die Gräfin Kalckreuth ihre Gesamtkräfte der anthroposophischen Arbeit hier an diesem Orte gewidmet Und daß nur durch dieses hingebungsvoIle, zielbewußte Wirken im innigen Einklang mit den anthroposophischen Impulsen das möglich geworden ist, was wir zu unserer Befriedigung geben durften, das weiß vor allen Dingen ich am allerbesten. Und daher werden Sie es um so begreiflicher finden, daß ich bei dieser Gelegenheit aus dankerfülltem Herzen heraus diese Worte für die beiden Mitarbeiterinnen hier in München spreche. Dann kommen dazu die hingebungsvollen Arbeiten derer, die sozusagen unmittelbar ihre Kräfte exponieren in denjenigen Wochen, die unseren Arbeiten gewidmet sind.

Wir versuchten gestern in einem künstlerischen Bilde vor Ihre Augen hinzustellen den Weg zu den Höhen, auf denen der Mensch erfahren kann das, was durch die anthroposophische Entwickelung fließen soll, das, was sozusagen der Seelenforscher erleben muß. Es wird sich vielleicht in Anknüpfung an mancherlei, was in diesem Vortragszyklus zu sagen ist, Gelegenheit finden, auf dieses oder jenes hinzuweisen, was gestern vor Ihr Seelenauge geführt werden sollte. Es mußte das Leben dessen, der zu der geistigen Erkenntnis hinaufstrebt, gezeigt werden, es mußte gezeigt werden, wie er aus dem physischen Plan herauswächst, wie schon hier auf dem physischen Plan alles das, was um ihn herum geschieht und was vielleicht einem anderen Menschen als etwas recht Alltägliches erscheinen könnte, ihm bedeutsam wird. Herauswachsen muß die Seele des Geistsuchers aus Ereignissen des physischen Planes. Und dann

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mußte gezeigt werden, was diese Seele erleben muß in sich selber, wenn sich in sie ergießt alles, was an Menschenschicksal, an Menschenleid, an Menschenlust, an Menschenstreben und an Menschenillusionen um uns herum vorgeht; wie diese Seele zermalmt und zerschmettert werden kann, wie die Kraft der Weisheit sich hindurchringen kann durch diese Zerschmetterung, und wie dann erst, wenn der Mensch glaubt, in einer gewissen Beziehung fremd geworden zu sein der sinnlichen Welt, die großen Täuschungen an ihn herantreten.

Ja, mit den Worten, die Welt sei Maja oder Illusion, oder: «Durch die Erkenntnis dringen wir zur Wahrheit», mit diesen Worten ist vieles und doch auch wieder recht wenig gesagt. Das, was damit gesagt wird, muß jeder auf individuelle Weise erleben. Daher konnte auch das, was im allgemeinen gilt, so recht, man möchte sagen, seelisch bluterfüllt nur gezeigt werden, indem man es im Durchleben einer einzelnen Gestalt zeigte. Nicht wie ein jeder zur Initiation hinauf sich nähert, sondern wie die ganz individuelle Gestalt des Johannes Thomasius aus ihren Bedingungen heraus der Pforte der Erkenntnis sich nähern kann, das sollte gezeigt werden.

Und es wäre durchaus unrichtig, wenn jemand glauben wollte, daß er das Ereignis, das im Meditationszimmer gezeigt ist, den Aufstieg der Maria aus dem irdischen Leib heraus in das Devachan, als ein allgemeines Ereignis hinstellen dürfte. Das Ereignis ist absolut real, spirituell-real, aber es ist ein Ereignis, durch das gerade eine so geartete Persönlichkeit, wie der Johannes Thomasius sie darstellt, den Impuls erhalten sollte, hinaufzusteigen in die geistigen Welten.

Und ich möchte Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf den Augenblick hinlenken, wo gezeigt wird, wie die Seele dann, wenn sie im Grunde genommen schon die Kraft gefunden hat, über die gewöhnliche Illusion hinwegzugehen, wie sie dann erst der Möglichkeit der großen Täuschungen gegenübersteht. Nehmen Sie an, daß Johannes Thomasius nicht in der Lage wäre, zu durchschauen - wenn er es auch gar nicht bewußt tut, sondern es nur mit einem inneren Auge durchfühlt, daß in der Gestalt, die im Meditationszimmier zurückbleibt und dem Hierophanten den Fluch entgegen-

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schleudert, nicht mehr dieselbe Individualität enthalten ist, der er zu folgen hat. Nehmen Sie an, es könnte der Hierophant oder auch Johannes Thomasius einen Augenblick darüber in Unruhe kommen. Dann wäre es für unabsehbare Zeiten unmöglich, den Erkenntnispfad für Johannes Thomasius in irgendeiner Weise weiterzuführen. Dann würde in diesem Augenblicke das Ganze aus sein, und nicht nur für Johannes Thomasius, sondern auch für den Hierophanten, der dann nicht imstande gewesen wäre, die starken Kräfte in Johannes Thomasius zu entfalten, welche ihn über diese Klippe hinwegführen können. Abtreten müßte der Hierophant von seinem Amte, und verloren wären ungeheure Zeiträume für Johannes Thomasius in seinem Aufstiege. Wenn Sie versuchen, die Szenen, die gerade diesem Momente vorangehen, und die Gefühle, die in der Seele des Johannes Thomasius gewirkt haben, sich vor Augen zu rücken, die besondere Art der Schmerzen, die besondere Art der Erlebnisse: dann werden Sie vielleicht zu dem Urteil gelangen, daß die Kraft der Weisheit, ohne daß er selbst es vielleicht weiß, so stark in ihm geworden ist, daß er diesen gewaltigen Ruck in seinem Leben überstehen kann. All diese Erlebnisse, die sich abspielen, ohne daß vor dem Seelenauge etwas sichtbar schwebt, die müssen vorausgehen, bevor in einer richtigen Weise das folgen darf, was uns objektiv vor die Seele, zunächst in bildhafter Art, die geistige Welt vor das geistige Auge stellt. Das geschieht dann in den nächsten Szenen. Der Schmerz ist es, der zunächst den Menschen ganz durchrüttelt; die Gewalt des Impulses ist es, die davon herrührt, daß er der Möglichkeit einer größten Täuschung widersteht. Das alles entwickelt sich zu einer Spannkraft in der Seele, welche unser Schauen, wenn wir so sagen dürfen, umkehrt und das, was vorher nur subjektiv war, mit der Gewalt des Objektiven vor unsere Seele hintreten läßt.

Das, was Sie in den nächsten Szenen sehen, was mit spirituell-realistischer Art zu schildern versucht ist, stellt dar, was der nach und nach in die höheren Welten Hinaufwachsende fühlt als das äußere Spiegelbild dessen, was er zuerst in seiner Seele selber an Gefühlen durchlebt hat, und was wahr ist, ohne daß derjenige, der

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es erlebt, schon voll wissen kann, wieviel davon wahr ist. Da wird der Mensch zunächst hinaufgeführt, zu sehen, wie die Zeit, in der wir als Sinnesmenschen leben, in bezug auf ihre Ursachen und Wirkungen überall angrenzt an anderes. Da sieht man nicht bloß jenen kleinen Ausschnitt, den die Sinneswelt vorführt, sondern da lernt man begreifen, daß das, was uns in der Sinneswelt vor Augen tritt, nur der Ausdruck eines Geistigen ist. Daher sieht Johannes Thomasius mit seinem geistigen Auge den Mann, der ihm zuerst auf dem physischen Plan entgegengetreten ist, Capesius, nicht wie er jetzt ist, sondern wie er Jahrzehnte vorher war als junger Mann. Und er sieht den anderen, den Strader, nicht in der Gestalt, die er in der Gegenwart hat, sondern er sieht ihn prophetisch voraus, wie er werden muß, wenn er sich in derselben Art weiterentwickelt, wie er eben in jener Gegenwart ist. Erst dann verstehen wir den Augenblick, wenn wir diesen Augenblick über die Gegenwart hinauszudehnen verstehen in die Vergangenheit und in die Zukunft hinein. Dann aber tritt uns entgegen dasjenige, woran wie mit Geistesfäden alles Geschehen der Gegenwart hängt: dann tritt uns entgegen die geistige Welt, mit der der Mensch immer in Beziehung ist, wenn er es auch mit seinem äußeren physischen Verstand, mit seiner äußeren Sinnlichkeit nicht zu durchschauen vermag.

Glauben Sie es mir, es ist nicht etwa ein Bild, nicht etwa ein Symbol, es ist realistisch geschildert, wenn in der Szene, wo der junge Capesius aus voller, für die Sinneswelt berechtigter Herzensempfindung heraus seine Ideale entwickelt - die aber gegenüber der geistigen Welt das eine haben, daß sie eben bloß in der äußeren, durch die Sinne wahrnehmbaren Welt wurzeln -, wenn da gezeigt wird, daß das, was er und was Strader sagen, die Elemente aufrüttelt, den Blitz und Donner entfesselt. Der Mensch ist kein isoliertes Wesen. Das, was der Mensch in seinem Worte ausspricht, in seinem Gedanken wirksam hat, was in des Menschen Gefühlen lebt, das steht mit dem ganzen Kosmos im Zusammenhang, und jedes Wort, jedes Gefühl, jeder Gedanke setzt sich fort. Ohne daß es der Mensch weiß, ist sein Irrtum, sein falsches Gefühl zerstörerisch in den Elementarreichen unseres Daseins. Und was sich dem, der den Weg

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zur Erkenntnis geht, vor allen Dingen auf die Seele legt aus diesen ersten Erfahrungen in der geistigen Welt heraus, das ist das große Verantwortlichkeitsgefühl, ,das uns sagt: «Was du als Mensch tust, das ist nicht bloß auf dem isolierten Platze getan, auf dem sich deine Lippen bewegen, auf dem du denkst, auf dem dein Herz schlägt: das gehört der ganzen Welt an. Ist es fruchtbar, so ist es fruchtbar in der ganzen Welt; ist es ein zerstörender Irrtum, so ist es eine zerstörende Kraft in der ganzen Welt.»

Alles das, was wir in dieser Weise durchleben können beim Aufstieg, das wirkt wiederum weiter in unserer Seele. Hat es in der richtigen Weise gewirkt, dann drängt es uns hinauf in höhere Regionen des geistigen Lebens, wie sie versucht worden sind zu schildern in dem devachanischen Gebiete, in das die Seele der Maria mit ihren Genossinnen dem Johannes Thomasius vorausgegangen ist. Nehmen Sie es nicht als abstrakten Gedanken, sondern als eine spirituelle Realität, wenn ich sage, daß diese drei Helferinnen, Philia, Astrid und Luna, die Kräfte sind, die wir in abstracto, wenn wir für den physischen Plan reden, als Empfindungsseele, Verstandesseele und Bewußtseinsseele bezeichnen. Aber geben Sie sich nicht jener Illusion hin, daß damit etwas getan ist, wenn man in einem künstlerisch gedachten Werk die einzelnen Gestalten mit abstrakten Begriffen zu symbolisieren versucht. So sind sie nicht gemeint. Sie sind als reale Gestalten, als wirksame Kräfte gedacht. Sie finden im Devachan nicht etwa Tafeln, auf denen steht Empfindungsseele, Verstandesseele, Bewußtseinsseele; Sie finden dort wirkliche Wesenheiten, so real für die Geisteswelt, wie nur immer ein Mensch in Fleisch und Blut auf dem physischen Plan sein kann. Der Mensch sollte sich bewußt sein, daß er den Dingen ihren Reichtum nimmt, wenn er alles mit symbolischen Abstraktionen zu belegen versucht. Johannes Thomasius hat in der Welt, die er bis dahin durchschritten hat, nur das durchlebt, was man nennen könnte: in Bildform breitete sich vor seinem Seelenauge aus die geistige Welt. ob er nun selbst als subjektive Wesenheit der Veranlasser ist dieser Welt, ob sie eine in sich begründete Wahrheit hat, das konnte er bis dahin nicht entscheiden. Wieviel von dieser Welt Illusion,

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wieviel Wirklichkeit ist, das mußte er erst in jenem höheren Gebiete, in dem er der Seele der Maria begegnete, zur Entscheidung bringen.

Denken Sie sich einmal, Sie würden in einer Nacht, wenn Sie eingeschlafen sind, plötzlich in eine ganz andere Welt versetzt und Sie könnten nichts, aber auch gar nichts in dieser anderen Welt finden, was Ihnen einen Anknüpfungspunkt böte an das, was Sie vorher schon erlebt haben. Da wären Sie überhaupt nicht derselbe Mensch, dasselbe Wesen. Sie müssen die Möglichkeit haben, irgend etwas hinüberzunehmen in die andere Welt und es dort wiederzuschauen, so daß Ihnen die Wahrheit verbürgt ist. Das kann man für die Geisteswelt nur dadurch, daß man sich schon in dieser Welt einen festen Stützpunkt erwirbt, der einem Wahrheits-Sicherheit gibt. In dramatischer Darstellung sollte das so gegeben werden, daß Johannes Thomasius auf dem physischen Plane nicht nur mit seinen Affekten, mit seinen Leidenschaften, sondern mit seinen Herzenstiefen verbunden ist der Wesenheit der Maria, so daß er ein Geistigstes in dieser Verbindung erlebt schon auf dem physischen Plan. Nur daher konnte das jener Schwerpunkt auch in der geistigen Welt sein, von dem aus sich alles übrige in der geistigen Welt bewahrheitet. Dadurch strömt Wahrheits-Sicherheit über alles übrige in der geistigen ,Welt aus, daß Johannes Thomasius einen Stützpunkt findet, den er schon in der physischen Welt anders als durch die bloßen Trugbilder der Sinnlichkeit oder des Verstandes kennengelernt hat. Dadurch verknüpfen sich ihm die beiden Welten, dadurch wird er reif, in realer Weise sein Gedächtnis auszudehnen über verflossene Lebensläufe und damit seelisch hinauszuwachsen über die Sinneswelt, wie sie uns umgibt.

Deshalb tritt an diesem Punkte etwas auf, was, wenn man so sagen darf, ein gewisses Mysterium der geistigen Welt umschließt. Theodora, die auf dem physischen Plan in die Zukunft sieht und das bedeutsame Ereignis, vor dem wir stehen, die neue Erscheinung der Christus-Gestalt, vorauszusehen in der Lage ist - auf dem geistigen Plane ist sie fähig, die Bedeutung des Vergangenen vor die Seele zu rufen. Alles muß, wenn es realistisch dargestellt wird, in

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der spirituellen Welt so dargestellt werden, wie es wirklich verläuft. Die Vergangenheit wird mit ihren Kräften in ihrer Bedeutung für die Wesen, die im Devachan leben, dadurch bedeutsam, daß die entgegengesetzten Kräfte dort entfaltet werden, die wir hier auf dem physischen Plan als prophetische Kräfte wahrnehmen. Es ist eine realistische Schilderung, daß die Theodora auf dem physischen Plan die Seherin in die Zukunft, auf dem geistigen Plan das Gewissen und die Gedächtnis-Erweckerin für das Vergangene ist und so jenen Moment herbeiführt, durch den Johannes Thomasius in seine eigene Vergangenheit zurückschaut, in der er schon verbunden war mit der Individualität der Maria. So ist er vorbereitet, dann in seinem weiteren Leben alles das durchzumachen, was ihn zu einem bewußten Erkennen der geistigen Welt führt. Und Sie sehen, wie auf der einen Seite die Seele zu etwas ganz anderem wird, wenn sie durchflossen, durchströmt ist mit den Erfahrungen der geistigen Welten, wie alle Dinge in einem neuen Licht erscheinen. Wie das, was uns sonst Qualen und Schmerzen verursacht, wenn wir es als anderes Selbst im eigenen Selbst erleben, uns Trost und Hoffnung gibt, wie das Ausgeflossensein in die Welt uns groß und bedeutsam macht; und wir sehen, wie der Mensch sozusagen hineinwächst in jene Teile des Weltenalls. Wir sehen aber auch, wie der Mensch durchaus nicht hochmütig werden darf, wie der Irrtum, die Irrtumsmöglichkeit durchaus noch nicht von seiner Seite gewichen ist und wie es möglich ist, daß Johannes Thomasius, der schon vieles, vieles erkannt hat von den geistigen Welten, dennoch in dem Augenblick geistig so empfinden konnte, als wenn der leibhafte Teufel zur Tür hereinkäme, während ihm sich nähert sein größter Wohltäter, Benedictus.

Wie das möglich ist, so sind auf dem geistigen Plane unzählige Täuschungen der verschiedensten Art möglich. Das darf niemanden kleinmütig machen; das muß aber jeden so stimmen, daß er auf der einen Seite die Vorsicht gebrauchen muß gegenüber der geistigen Welt, daß er auf der anderen Seite mutvoll und kühn auch der Möglichkeit eines Irrtums entgegenschauen muß und keineswegs kleinmütig werden darf, wenn irgendwie sich etwas darbietet, was

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wie ein irrtümlicher Bericht aus einer geistigen Welt heraus sich zeigt. Durch alle diese Dinge muß der Mensch ganz real durchgehen, wenn er sich wirklich dem nähern will, was man nennen kann den Tempel der Erkenntnis, wenn er zum wirklichen Verständnis derjenigen vier großen Gewalten der Welt aufsteigen will, welche das Weltenschicksal in einer gewissen Beziehung lenken und leiten und die repräsentiert sind durch die vier Hierophanten des Tempels.

Wenn wir ein Gefühl davon erhalten, daß die Seele solches durchmachen muß, ehe sie fähig ist, zu schauen, wie aus der geistigen, aus der spirituellen Welt heraus die sinnliche fließt, und wenn wir uns so stimmen, daß wir die Urgründe der Welt nicht in banaler Weise mit alltäglichen Worten bezeichnen wollen, sondern daß wir den inneren Wert der Worte uns erst aneignen wollen, dann nur können wir eine Ahnung davon erhalten, wie die Urworte gemeint sind, mit denen uns im Beginn der Bibel die Schöpfung charakterisiert wird. Wir müssen fühlen, daß wir uns abgewöhnen müssen die gewöhnliche Bedeutung, die wir in unserer Seele tragen von den Worten «Himmel und Erde», «schaffen», «Licht und Finsternis> und all den anderen Worten. Wir müssen uns abgewöhnen die Empfindungen, die wir im Alltage gegenüber diesen Worten hegen, und wir müssen uns ein wenig entschließen, für diesen Vortragszyklus neue Empfindungsnuancen, neue Wortwerte in unsere Seele zu legen, damit wir nicht bloß das hören, was in den Ideen liegt, sondern damit wir es so hören können, wie es gemeint ist und wie es nur aufgefaßt werden kann, wenn wir dem, was aus dunklen Weltgebieten zu uns hereinspricht, mit einer eigens dazu gestimmten Seele begegnen.

In einer ganz kurzen Wortskizze versuchte ich Ihnen zu sagen, was wir Ihnen gestern gezeigt hatten. Daß wir das unter verhältnismäßig schwierigen Umständen zeigen konnten, das war wiederum nur möglich durch die treue, hingebungsvolle Arbeit vieler unserer anthroposophischen Freunde. Und lassen Sie mich es auch aussprechen, was mir das tiefste Herzensbedürfnis ist, daß ich selbst und wohl alle, die etwas davon wissen, nicht genug danken können

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allen, welche mit uns zusammen gearbeitet haben, um diesen Versuch, denn ein Versuch sollte es nur sein, einmal wagen zu dürfen. Er wurde wirklich nicht unter den leichtesten Verhältnissen gewagt; es mußten diejenigen, die mitarbeiteten, durch Wochen hindurch und insbesondere noch in der letzten Woche mit vollem Einsatz ihrer Kräfte arbeiten, hingebungsvoll arbeiten. Und wir dürfen es als eine schöne Errungenschaft unseres anthroposophischen Lebens bezeichnen, daß wir in unserer Mitte Künstler haben, welche uns jetzt schon durch zwei Jahre hindurch treu mit ihrer künstlerischen Kraft zur Seite stehen. Da lassen Sie mich vor allen Dingen unseres lieben Freundes Doser gedenken, der nicht nur im vorigen und in diesem Jahre sich der schwierigen Aufgabe unterzogen hat, den Phosphoros auf die Bühne zu bringen, sondern der es auch übernommen hat, in diesem Jahre diejenige Gestalt darzustellen, die mir ganz besonders auf dem Herzen lag und die für das, was wir gestern zu zeigen versuchten, unendlich wichtig ist: die Gestalt des Capesius. Vielleicht werden Sie erst nach und nach spüren, warum gerade diese Capesiusgestalt eine ganz besonders wichtige ist. Und auch die andere Gestalt, die Gestalt des Strader, die unser lieber Seiling brachte, der .uns nun schon zwei Jahre treu zur Seite steht, auch diese Gestalt ist insbesondere in diesem Zusammenhang von großer Wichtigkeit. Dabei darf ich nicht unerwähnt lassen, wie unser lieber Herr Seiling durch seine ganz eigenartige Stimmbegabung, ich kann sie nicht anders nennen, uns da zur Seite steht, wo es sich darum handelt, sinnbildlich hereinspielen zu lassen die geistige Welt in die physische. All das Liebe und herrlich Befriedigende, das Sie in den Geisterstimmen vernehmen konnten, verdanken wir ja dieser ganz außerordentlichen Begabung insbesondere nach dieser Richtung hin.

Und es obliegt mir, vor allen Dingen zu danken denjenigen, die in den Hauptrollen ihre volle Kraft eingesetzt haben, trotzdem sie auf dem anthroposophischen Felde noch mancherlei anderes in dieser Zeit und überhaupt die ganzen Jahre hindurch zu tun hatten. Es darf gesagt werden, daß vielleicht nur auf anthroposophischem Felde die Kraft so erwachsen kann, die Fräulein von Sivers instand

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setzte, in zwei aufeinanderfolgenden Tagen zwei so große Rollen, wie die Kleonis und die Maria es sind, auf die Bretter zu bringen. Derlei ist nur möglich bei Einsetzung der vollen Kräfte, die ein Mensch einzusetzen hat. Und mit ganz besonders dankerfülltem Herzen möchte ich der Darstellerin des Johannes Thomasius selbst an diesem Orte gedenken, und es wird mir insbesondere eine tiefe Befriedigung gewähren, wenn diese Gestalt des Johannes Thomasius, in der ja sehr, sehr viel von dem, was wir anthroposophisches Leben nennen, liegt, wenn diese Gestalt ein wenig verknüpft bleibt mit der ersten Darstellerin dieses Johannes Thomasius. Daß das überhaupt möglich geworden ist unter den hier nicht weiter zu charakterisierenden schwierigen Umständen, das ist nur der ganz intensiven, hingebungsvollen Art zu verdanken, welche unser liebes Fräulein Waller für die anthroposophische Sache empfindet. Und wenn ich Ihnen erzählen würde, unter welchen Schwierigkeiten, wegen der Kürze der Zeit, Fräulein Waller sich in diese Rolle des Johannes Thomasius hineinleben mußte, Sie würden wahrscheinlich recht sehr erstaunen. Alle diese Dinge, die unter uns passieren> die in unserer anthroposophischen Arbeit sich vollziehen, sie gehen uns an, da wir in geistigem Sinn eine anthroposophische Familie sind. Daher sollen wir uns denen zu Dank verpflichtet fühlen, die sich für uns alle in einer so hingebungsvollen Weise solcher Aufgabe widmeten, einer Aufgabe, die in dieser Weise zu lösen vielleicht - ich bitte immer wieder zu berücksichtigen, daß der Außenstehende die schwierigen Verhältnisse gar nicht zu beurteilen vermag - einer anderen Persönlichkeit überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Und an diesen Worten mögen Sie die ganze Größe, die Hingebung, die die Darsteller in den letzten Tagen und Wochen entwickelt haben, erkennen und ermessen, wie berechtigt es ist, auch von einem tiefen Danke gerade in diesem Augenblick hier zu sprechen.

Ich würde lange, lange sprechen müssen, wenn ich all derer im einzelnen gedenken wollte, die zu dieser Arbeit des gestrigen Tages sich mit uns vereint haben. Lassen Sie einmal vor allen Dingen uns des Mannes gedenken, der da, wo es in unseren Reihen gilt, etwas

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im Sinne der Anthroposophie zu tun, immer mit dem, worauf es ankommt, mit dem vollsten Herzen und seinem ganzen Können auf dem Platze ist, lassen Sie uns unseres lieben Freundes Arenson gedenken, der uns sowohl im vorigen Jahre wie auch diesmal mit seinem schönen musikalischen Können unterstützt hat und der es möglich gemacht hat, daß wir sowohl «Die Kinder des Luzifer» wie auch das, was wir gestern versuchten, an den entsprechenden Stellen in würdiger Weise überleiten konnten in etwas, was nur aus der Tonwelt heraus zu empfinden ist. Und lassen Sie mich gedenken unserer lieben künstlerischen Freunde hier in München. Sie hatten reichlich Gelegenheit, in den beiden Tagen zu sehen, wie versucht worden ist, alles auch für das äußere Auge in Einklang zu bringen mit dem gesprochenen Worte und der gehörten Musik. Sie haben gesehen, wie bis auf den letzten Farbenfleck hin, bis auf die letzte Form hin versucht worden ist, alles zu einer Einheit zu gestalten. Wenn das in irgendeiner Weise möglich geworden ist, so danken wir es der verständnisvollen Art, mit welcher unsere künstlerischen Freunde hier, Herr Volkert, Herr Linde, unser lieber Herr Haß, herzlichst bei allem, um was es sich, handelte, mitarbeiteten, um das, was getan werden sollte, in einer würdigen Art geschehen zu lassen.

Und solche Dinge sind ja nur dann möglich, wie ich schon im Eingang sagte, wenn jeder aus freiem hingebungsvollem Herzen arbeitet. Auch in diesem Jahre darf in ganz besonderer Weise gedacht werden der Arbeit, die kaum leicht überschaut werden kann, die aber durch Wochen einen ganzen Menschen, eine ganze Seele und ein ganzes Herz in Anspruch nahm, der Arbeit, all das, was an Kostümen erforderlich war, in der richtigen Weise zu erstellen. Und das hat ebenso wie im vorigen Jahre auch diesmal ganz allein auf unserem lieben Fräulein von Eckardtstein gelastet. Dem hat sie sich gewidmet, und nicht nur mit Hingebung, sondern, worauf es ankommt, auch mit intensivstem Verständnis für alles einzelne und für alles Große, das man dabei niemals aus dem Auge verlieren darf.

Das alles sind aber nur kleine Andeutungen dessen, was, wie gesagt, aus dem anthroposophischen Familiengefühl heraus heute

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einmal gesagt werden mußte, damit jeder einzelne von uns weiß, wie dieses Zusammenarbeiten und dieses Zusammenwirken gemeint ist. Und wenn Sie vorgestern und gestern einige Befriedigung für Ihre Seele und für Ihr Gemüt empfunden haben, dann lassen Sie die Empfindungen, die Ihre Seele durchdringen, ein wenig hinströmen zu denen, deren Namen jetzt genannt worden sind, und zu denjenigen, die Sie als Ihnen wohlbekannte Freunde auf der Bühne gesehen haben.

Wir wollten mit diesem, wenn ich so sagen darf, Markstein unseres anthroposophischen Wirkens gleichsam sagen, wie zu denken ist das Hineinfließen der anthroposophischen Ideen, des anthroposophischen Lebens in die Kultur. Und ist die heutige Menschheit auch noch nicht geneigt, in die übrige äußere Kultur aufzunehmen das, was aus dem spirituellen Leben fließen kann, so möchten wir wenigstens im künstlerischen Bilde zeigen, wie Leben werden kann, was uns an Gedanken, an innerem Leben in der Seele strömt und uns in der Seele durchdringt. Entzünden können sich solche Gefühle an dem Vorgefühle, daß die Menschheit dennoch aus ihrer Gegenwart einer Zukunft entgegengehen wird, in der sie wird fühlen können das Herabströmen spirituellen Lebens durch die geistigen und seelischen Adern des Menschen auf dem physischen Plan; daß diese Menschheit entgegengehen wird einer Zeit, in der sich der Mensch empfinden wird als Vermittler zwischen der geistigen Welt und der physischen Welt. Und daß dieses Vorgefühl erwachen könne, dazu waren die Veranstaltungen gemacht.

Und wenn wir ein solches Vorgefühl haben, dann werden wir auch die Möglichkeit finden, abgebrauchte Worte, die den Menschen heute mit Empfindungswerten vor die Seele treten, die es ihm unmöglich machen, ihren vollen Hinweis zu verstehen, wieder zurückzuversetzen in ihr ursprüngliches Licht, in ihren ursprünglichen Glanz. Aber niemand wird verstehen das Monumentale, das in den Worten liegt, die den Ausgangspunkt der Bibel bilden, wenn er den Worten jene Prägung gibt, die sie heute haben. Wir werden selbst in Gedanken hinaufsteigen müssen in die Höhen, zu denen wir Johannes Thomasius versuchten hinaufsteigen zu lassen, dorthin,

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wo spirituelles Leben pulst, wenn wir das physische Leben auf der Erde verstehen wollen. In gewisser Beziehung muß in diesen geistigen Welten in einer ganz anderen Sprache gesprochen werden. Wir Menschen aber müssen den Worten, die uns hier zur Verfügung stehen, wenigstens neue Werte, neue Empfindungsnuancen geben können, etwas anderes verspüren können, wenn sie bedeuten sollen das, wovon uns die ersten Sätze der Bibel sprechen, wenn wir verstehen wollen den geistigen Ursprung unserer physischen Welt.


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ZWEITER VORTRAG

München, 17. August 1910

Wenn derjenige, welcher auf dem Boden der Geisteswissenschaft steht und einiges von dem aufgenommen hat, was aus der Anthroposophie heraus über die Entwickelung unserer Welt gesagt werden kann, vorzudringen vermag zu jenen gewaltigen Worten, die am Ausgangspunkte unserer Bibel stehen, so sollte ihm etwas aufgehen können wie eine völlig neue geistige Welt Es ist wohl kaum irgendeinem Dokumente der Menschheitsentwickelung gegenüber die Möglichkeit, sich von dem wahren Sinn zu entfernen, eine 50 große wie bei diesem Dokumente, das man gewöhnlich die Genesis, die Beschreibung des sogenannten Sechs- oder Siebentagewerks nennt.

Wenn der moderne Mensch in irgendeiner Sprache, die jetzt dem Menschen geläufig sein kann, Worte in seiner Seele wachruft, wie etwa, sagen wir in der deutschen Sprache, «Im Urbeginne schufen die Götter die Himmel und die Erde», so ist das, was in diesen Worten liegt, kaum ein schwacher Abglanz, kaum ein Schattenbild zu nennen von dem, was lebendig war in den Seelen derer, die im hebräischen Altertum die Eingangsworte der Bibel auf sich haben wirken lassen. Denn es kommt diesem Dokumente gegenüber wahrlich zum allergeringsten Teil darauf an, daß wir imstande sind, moderne Worte an die Stelle der alten zu setzen. Es kommt vielmehr darauf an, daß wir uns durch unsere anthroposophische Vorbereitung in den Stand setzen, wenigstens einiges von dem Stimmungsgehalt nachzufühlen, der bei einem alten hebräischen Schüler im Herzen und in der Seele lebte, wenn er die Worte in sich lebendig machte: B`reschit bara eIohim et haschamajim w`et ha`arez.
Eine ganze Welt lebte in den Augenblicken, da ihm solche Worte durch die Seele zuckten. Was für eine Welt? Womit können wir die Innenwelt, die in der Seele eines solchen Schülers lebte, vergleichen? Nur mit dem können wir sie vergleichen, was in der Seele des Menschen vorgehen kann, der jene Bilder geschildert erhält, die

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der Seher erlebt, wenn er in die geistigen Welten selber hineinschaut.

Was wird uns denn schließlich geschildert in dem, was wir die geisteswissenschaftliche Lehre nennen? Wir wissen, die Quellen dieser Lehre sind die Ergebnisse des Sehertums, sind die lebendigen Anschauungen, die der Seher empfängt, wenn er sich in seiner ganzen Auffassung freimacht von den Bedingungen der sinnlichen Wahrnehmung und des an den physischen Leib gebundenen Verstandes, wenn er mit geistigen Organen in die geistige Welt hineinschaut. Das, was er da schaut in der geistigen Welt, er kann es, wenn er es in die Sprachen der physischen Welt übersetzen will, nur in Bildern ausdrücken, aber in Bildern, welche, wenn die Fähigkeit des seherhaften Darstellers hinreicht, in entsprechender Weise eine Vorstellung davon hervorrufen können, was der Seher selbst erschaut in den geistigen Welten. Dann kommt allerdings etwas zustande, was nicht verwechselt werden darf mit irgendeiner Beschreibung von Dingen oder Ereignissen der physisch-sinnlichen Welt, es kommt etwas zustande, bei dem man sich fortdauernd bewußt sein muß, daß man es mit einer ganz anderen Welt zu tun hat, mit einer Welt, die der sinnlichen zwar zugrunde liegt, die aber im eigentlichen Sinne sich in keiner Art deckt mit den Vorstellungen, Eindrücken und Wahrnehmungen der gewöhnlichen Sinneswelt.

Will man sich den Ursprung dieser unserer Sinneswelt einschließlich des Menschen vor die Seele hinmalen, dann kann man mit seinem Vorstellen nicht innerhalb der Sinneswelt verbleiben. Alle Wissenschaften, welche zu den Ursprüngen gehen wollen und nichts mitbringen als Vorstellungen, die aus der Sinneswelt entnommen sind, können nicht zu den Ursprüngen des sinnlichen Daseins gelangen. Denn das sinnliche Dasein wurzelt in dem übersinnlichen Dasein, und wir können zwar geschichtlich oder meinetwillen geologisch eine lange Strecke weiter und immer weiter zurückgehen; wollen wir aber bis zu den Ursprüngen dringen, dann müssen wir uns bewußt sein, daß wir von einem bestimmten Punkte ab in urferner Vergangenheit das Feld des Sinnlichen verlassen und hinaufdringen müssen in Gebiete, die nur übersinnlich zu fassen sind. Dasjenige, was man die Genesis nennt, beginnt nicht mit der Darstellung

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irgendeines Sinnlichen, nicht mit der Darstellung von irgend etwas, was Augen sehen könnten in der äußeren physischen Welt. Und wir werden im Verlaufe der Vorträge uns hinlänglich davon überzeugen, wie irrtümlich es wäre, wenn man die Worte der ersten Partien der Genesis auf Dinge oder Ereignisse beziehen wollte, die ein äußerliches Auge sehen kann, die wir erleben können, wenn wir mit den äußeren Sinnesorganen unseren Umblick in der Welt halten. Solange man daher mit den Worten «Himmel und Erde» noch irgend etwas verbindet, was einen Rest enthält von sinnlich Sichtbarem, so lange ist man nicht da angekommen, wohin die ersten Partien der Genesis zielen. In der Gegenwart ist es kaum möglich, anders hineinzuleuchten in die Welt, auf die hiermit hingedeutet wird, als durch die Geisteswissenschaft. Aber durch diese Geisteswissenschaft gibt es in gewissem Sinne auch eine Möglichkeit, heranzutreten an das, was man nennen mochte das Mysterium der Urworte, mit denen die Bibel beginnt, und etwas nachzufühlen von dem, was in diesen Urworten liegt.

Worin besteht denn eigentlich das ganz Eigenartige dieser Urworte? Wenn ich mich zunächst abstrakt ausdrücken darf, so muß ich sagen, es besteht darin, daß sie in hebräischer Sprache geschrieben sind, in einer Sprache, die ganz anders auf die Seele wirkt, als irgendeine moderne Sprache wirken kann. Wenn diese Sprache, in der die ersten Partien der Bibel uns zunächst vorliegen, heute auch nicht mehr so wirkt, einstmals hat sie so gewirkt, daß, wenn ein Buchstabe durch die Seele lautete, ein Bild in ihr wachgerufen wurde. Vor der Seele dessen, der mit lebendigem Anteil die Worte auf sich wirken ließ, tauchten in einer gewissen Harmonie, ja in einer organischen Form Bilder auf, die sich vergleichen lassen mit dem, was der Seher heute noch sehen kann, wenn er von dem Sinnlichen zum Übersinnlichen vorschreitet. Man möchte sagen, die hebräische Sprache, oder besser gesagt die Sprache der ersten Partien der Bibel, war eine Art von Mittel, aus der Seele herauszurufen bildhafte Vorstellungen, welche nahe heranrückten an die Gesichte, die der Seher erhält, wenn er fähig wird, leibfrei zu schauen in die übersinnlichen Partien des Daseins.

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Deshalb wird, um diese gewaltigen Urworte der Menschheit einigermaßen lebendig vor die Seele hinzustellen, notwendig sein, daß man absieht von allem Schattenhaften, von allem Blassen, das irgendeine moderne Sprache in ihren Wirkungen auf die Seele hat, und daß man sich einen Begriff verschafft von dem gewaltig Lebensvollen, dem Aufrüttelnden und Schöpferischen, das irgendeine Lautfolge in dieser alten Sprache hatte. Und so ist es von unendlicher Wichtigkeit, daß wir im Verlaufe dieser Vorträge auch versuchen, ein wenig vor unsere Seele hinzustellen jene Bilder, die da auftauchten in dem althebräischen Schüler, wenn der betreffende Laut schöpferisch in seiner Seele wirkte und ein Bild vor diese Seele hinstellte. Sie sehen daraus, daß es einen ganz anderen Weg geben muß, in diese Urkunde einzudringen, als alle die Wege, die heute gewählt werden, um irgendwelche alte Urkunden zu verstehen.

Damit habe ich einiges von den Gesichtspunkten angegeben, welche uns leiten werden. Wir werden nur langsam und allmählich vordringen können zu dem, was uns eine lebendige Vorstellung dessen geben kann, was in dem althebräischen Weisen gelebt hat, wenn er jene gewaltigsten Worte auf sich wirken ließ, die wir als Worte wenigstens noch in der Welt haben. So wird es unsere nächste Aufgabe sein, so wenig wie möglich an Bekanntes anzuknüpfen und so viel wie möglich uns freizumachen von alledem, was wir bisher uns vorstellten, wenn wir von Himmel und Erde, von Göttern, von Erschaffen und Schaffen und von einem Urbeginne sprechen. Und je mehr wir uns freimachen können von dem, was wir bisher gefühlt haben bei solchen Worten, desto besser werden wir in den Geist eines Dokumentes eindringen, das aus ganz anderen Seelenbedingungen heraus sich entwickelt hat, als sie in der Gegenwart herrschen. Vor allen Dingen aber müssen wir uns darüber verständigen, wovon wir denn eigentlich geisteswissenschaftlich reden, wenn wir von den Einleitungsworten der Bibel sprechen.

Sie wissen ja, aus dem, was heute der seherischen Forschung mögIich ist, können wir den Hergang, die Entwickelung unserer Erde und des Menschendaseins in gewissem Sinn beschreiben. Und es ist von mir versucht worden in meinem Buche «Die Geheimwissen

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schaft», aus den drei unserem Erdendasein vorausgehenden Stufen der Entwickelung, aus dem Saturn-, Sonnen- und Mondendasein, nach und nach das Erdendasein, die Erde, als den Schauplatz, als den planetarischen Schauplatz des Menschen zu beschreiben. Und Sie haben gewiß gegenwärtig, wenigstens in großen Zügen, was da beschrieben worden ist. Es fragt sich nun: Wohin sollen wir das stellen, was mit dem gewaltigen B`reschit an unsere Seele heranrückt? Wohin sollen wir das stellen in unserer geisteswissenschaftlichen Beschreibung? Wohin gehört es?

Machen wir uns einmal klar in bezug auf einen gewissen Gesichtspunkt, wie wir uns das Saturn-, Sonnen- und Mondendasein vor Augen malen können. Wenn wir kurz den Blick zurückwenden auf den alten Saturn, dann steht er vor unserer Seele bildhaft als ein Weltenkörper, der noch nichts von dem hat, was wir gewohnt sind, das stoffliche Dasein um uns herum zu nennen. Er ist ein Welterikörper, der von aIIedem, was wir in unserer Umgebung haben, eigentlich nur das Element der Wärme in sich hat. Wärme oder Feuer, in sich webendes Wärmeelement, noch nichts von Luft, nichts von Wasser, nichts von fester Erde ist zu finden auf dem alten Saturn, so daß da, wo er am dichtesten ist, er lebende, webende Wärme ist. Und wir wissen, daß dann das Dasein vordringt zum sogenannten Sonnendasein. Da haben wir dann zu der webenden, lebenden Wärme eine Art luft- oder gasförmiges Element hinzukommend, und wir stellen uns bildhaft den planetarischen Zustand der Sonne richtig vor, wenn wir uns ihn, soweit er als elementarischer Zustand in Betracht kommt, denken als ein Ineinanderweben und Ineinanderleben gasiger, luftförmiger Elemente und Wärmeelemente. Wir haben dann als dritten Zustand in der Entwickelung unseres Erdendaseins den sogenannten Mondenzustand zu betrachten. Bei diesem kommt zur Wärme und zur Luft dasjenige hinzu, was wir den wässerigen elementarischen Zustand nennen können. Noch nichts von dem, was wir in unserem heutigen irdischen Dasein das erdige, das feste Element nennen, ist während dieses alten Mondenzustandes vorhanden. Aber ein Eigentümliches tritt auf während dieses alten Mondendaseins: es teilt sich die frü-

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here Einheit, in der unser planetarisches Dasein verlaufen ist. Wenn wir auf den alten Saturn blicken, so erscheint er uns als eine Einheit von in sich webender Wärme. Noch die alte Sonne erscheint uns als in sich webende Gas- und Wärmeelemente. Während des Mondendaseins tritt eine Spaltung eines Sonnenhaften und eines Mondhaften auf. Und erst dann, wenn wir zu der vierten Stufe unserer planetarischen Entwickelung kommen, sehen wir, wie zu den früheren elementarischen Zuständen, zu dem feurigen oder wärmehaften, zu dem luftförmigen, zu dem wässerigen Elemente das in sich feste, das erdhafte Element hinzutritt. Damit dieses feste Element in unserem planetarischen Dasein auftreten konnte, mußte sich die Spaltung, die schon während des Mondendaseins stattgefunden hatte, wiederholen. Das Sonnenhafte mußte noch einmal herausgehen aus unserem planetarischen Erdenhaften. So daß wir einen gewissen Zeitpunkt in der Entwickelung unseres Planeten haben, wo aus einem gemeinsamen planetarischen Zustande, in dem noch ineinander verwoben sind die Elemente des Feuers, der Luft und des Wassers, auseinandertreten das dichtere erdige Element und das feinere luftartige Sonnenelement. Und nur in diesem Erdhaften konnte sich das bilden, das sich verdichten, was wir heute als das Feste bezeichnen.

Halten wir einmal diesen Moment fest, wo aus einem gemeinsamen planetarischen Verhältnis das Sonnenhafte heraustritt und fortan von at1ßen seine Kräfte unserem Erdhaften zusendet. Halten wir daran fest, daß damals auch die Möglichkeit gegeben war, daß sich in dem Erdhaften das Feste, das, was wir heute im stofflichen Sinne das Feste nennen, vorbereitete, sich in dem Erdhaften gleichsam verdichtete. Halten wir diesen Moment fest, dann haben wir denjenigen Zeitpunkt, in dem die Genesis, die Bibel, einsetzt. Von diesem Zustand spricht sie. Wir dürfen mit dem ersten Worte der Genesis durchaus nicht verbinden jenes Abstrakte, Schattenhafte, was man heute im Auge hat, wenn man etwa das Wort «Im Anfang» oder «Im Urbeginne» ausspricht. Damit würde man gegenüber dem, was der alte hebräische Weise empfand, etwas unsäglich Armseliges zum Ausdruck bringen. Alles das, was man sich nur

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vorstellen kann in jener Zweiheit, welche entstand durch die Auseinandergliederung des Sonnenhaften und des Erdhaften, alles das, was sozusagen im Moment dieser Trennung vorhanden war, was sich eben in die Zweiheit gliederte, alles das muß vor unserer Seele auftauchen, wenn wir B`reschit, das «Im Anfang», «Im Urbeginn» in der richtigen Weise vor unsere Seele hinstellen wollen. Und nicht nur das allein darf in unserer Seele auftauchen, sondern wir müssen uns bewußt sein, daß in dieser ganzen Entwickelung, die wir die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung nennen, geistige Wesenheiten die Lenker und Leiter und auch die Träger der ganzen Entwickelung waren, und daß dasjenige, was wir das Wärme-, das Luft-, das Wasserelement nennen, immer nur der äußere Ausdruck, das äußere Kleid ist für die geistigen Wesenheiten, die die Wirklichkeit der Entwickelung sind. Auch dann, wenn wir hinblicken auf jenen Zustand, der bei der Trennung des Sonnenhaften von dem Erdenhaften vorhanden war, und uns ihn in einem von Stoffesvorstellungen erfüllten Bilde denken, auch dann müssen wir uns bewußt sein, daß wir in alledem, was wir da unter dem Bilde des elementarischen Wassers, der Luft, des Feuers vor unsere Seele hinmalen, nur das Ausdrucksmittel für webende Geistigkeit haben, für webende Geistigkeit, die durch die vorangehenden drei Stufen, durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenstufe, gestiegen ist und an diesem Zeitpunkt, den ich eben charakterisiert habe, auf einer gewissen Entwickelungsstufe ihres Daseins angelangt ist.

Stellen wir einmal vor unsere Seele dieses Bild von in sich webendem wässerigem, luft- oder gasförmigem und feurigem Elemente wie eine gewaltige Weltenkugel, die sich auseinandetspaltet in ein sonnenhaftes und in ein erdenhaftes Element; stellen wir uns aber vor, daß alles das, was wir in diesem Elementarisch-Stofflichen in der Vorstellung haben, nur das Ausdrucksmittel für Geistiges ist. Stellen wir uns vor, daß aus diesem Stoffgehäuse, das gewoben ist aus einem wässerigen, luftförmigen und einem Wärmeelement, uns anblicken die Antlitze von geistigen Wesenheiten, die da drinnen weben, die in diesem durch Stoffesvorstellungen für unsere Seele repräsentierten Element sich manifestieren, sich offenbaren. Stellen

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wir uns vor, daß wir geistige Wesenheiten vor uns haben, die uns gleichsam ihr Antlitz zuwenden und die da arbeiten mit Hilfe von Wärme, Luft und Wasser, um Weltenkörper durch die Kraft ihres Geistig-Seelischen zu organisieren. Stellen wir uns einmal dieses Bild vor!

Da haben wir das Bild einer elementarischen Hülle, einer Hülle, die wir uns etwa vorstellen können wie ein Schneckenhaus, wenn wir uns eine recht grobe sinnliche Vorstellung bilden wollen, einer Hülle aber, die nicht aus den festen Stoffen geformt ist wie das Schneckenhaus, sondern die aus feinsten wäßrigen, luft- oder gasförmigen und feurigen Elementen gewoben ist. Da drinnen denken wir uns ein Geistiges, das uns anblickt wie Antlitze, die gerade durch diese Hülle sich offenbaren und eine Kraft der Offenbarung selber sind, eine Kraft, die sozusagen aus dem übersinnlich Verborgenen in das Offenbare sich herausstachelt, wenn ich das Wort gebrauchen darf.

Rufen Sie sich dieses Bild, das ich eben zu malen versuchte, vor die Seele, dieses lebendige Weben eines Geistigen in einem Stofflichen, und rufen Sie sich vor die Seele die innere seelische Kraft, welche das Weben im Stoffe, das Organisieren im Stoffe bewirkt, und sehen Sie einen Augenblick ab von allem übrigen: dann haben Sie vor sich das, was etwa in der Seele eines althebräischen Weisen lebte, wenn die Laute B`reschit diese Seele durchdrangen. Bet, der erste Buchstabe, rief hervor das stoffliche Weben des Gehäuses, Resch, der zweite Mitlaut, rief hervor das Antlitzhafte der geistigen Wesenheiten, die in diesem Gehäuse drinnen woben, und Schin, der dritte Laut, rief hervor die stachelige Kraft, die aus dem Inneren sich emporarbeitet, um sich zu offenbaren.

So ungefähr kommen wir zu dem Prinzip, das solch einer Beschreibung zugrunde liegt. Und wenn wir zu diesem Prinzip vordringen, dann können wir zugleich etwas empfinden von dem Geiste dieser Sprache, die, wie gesagt, etwas Schöpferisches in der Seele hatte, wovon der moderne Mensch bei seinen abstrakten Sprachen gar keine Ahnung mehr hat.

Stellen wir uns jetzt einmal so recht in den Moment hinein, der

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sozusagen vor der physischen Koagulierung, vor der physischen Verdichtung unseres Erdendaseins liegt, denn so war der Moment, den ich im Auge habe. Stellen wir uns diesen Moment recht lebendig vor, dann werden wir sagen müssen: Wollen wir das, was da geschieht, beschreiben, dann dürfen wir nichts verwenden von all den Vorstellungen, die wir anwenden, wenn wir heute die äußeren Sinnesvorgänge beschreiben wollen. - Daher ist es unendlich dilettantisch, wenn man das zweite der Worte, mit denen wir es zu tun haben in der Genesis, so auffaßt, daß man irgendeine äußere Tatsache, und sei sie noch so sehr anklingend an das, was wir heute unter und verstehen, an das Wort heranbringt. Damit kommen wir nicht an das zweite Wort der Genesis heran. Wohin können wir uns nun wenden? Es ist mit diesem Worte etwas gemeint, was in der Tat hart an die Grenze herantritt, wo das Sinnliche unmittelbar schon in das Übersinnlich-Geistige hinein übergeht. Und der Mensch, der sich eine Vorstellung von dem machen will, was man so gewöhnlich mit «schuf» übersetzt: «Im Urbeginne schufen die Götter», der darf in keiner Weise dieses Wort an irgend etwas heranbringen, was mit Augen, mit gewöhnlichen sinnlichen Augen als eine schöpferische Betätigung, als eine hervorbringende Betätigung geschaut werden kann.

Schauen Sie, meine lieben Freunde, in Ihr Inneres. Versuchen Sie sich einmal in eine Lage zu versetzen, so daß Sie etwa, sagen wir, eine Weile geschlafen haben, dann aufwachen und, ohne daß Sie den Blick auf eine äußere Tatsache richten, in sich auferwecken durch die innere Seelentätigkeit gewisse Vorstellungen in Ihrer Seele. Vergegenwärtigen Sie sich diese innere Tätigkeit, dieses produktive Sinnen, das aus dem Seeleninneren einen Seeleninhalt hervorzaubert. Gebrauchen Sie meinetwillen das Wort «Ersinnen» für dieses Hervorzaubern eines Seeleninhaltes aus den Seelenuntergründen in das bewußte Blickfeld Ihrer Seele hinein, und denken Sie sich jetzt das, was der Mensch nur kann mit seinen Vorstellungen, als eine Tätigkeit, die nun wirklich kosmisch-schöpferisch ist. Denken Sie sich statt Ihres Sinnens, statt Ihres innerlichen denkerischen Erlebens ein kosmisches Denken, dann haben Sie das, was in

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diesem zweiten Worte der Genesis, bara, drinnen liegt. So geistig, als Sie es nur denken können, so nahe Sie es nur heranbringen können an das Gedankenmäßige, das Sie sich in Ihrem eigenen Sinnen vor Augen führen, so nahe Sie das nur heranbringen können!

Und jetzt stellen Sie sich vor, daß Sie während dieses Sinnens in der Seele gleichsam zweierleiVorstellungsgruppen vor Ihre Seele hinleiten. Nehmen wir einmal, um möglichst deutlich eine solche fernliegende Sache zu schildern, einen Menschen, der aufwacht und dem zweierlei einfällt, der also zweierlei ersinnt. Das eine, was er ersinnt, sei das Bild von irgendeiner Tätigkeit oder einem äußeren Ding oder Wesen; das tritt nicht durch äußere Anschauung, nicht durch Wahrnehmung, sondern durch Sinnen, durch schöpferische Tätigkeit der Seele in das Blickfeld des Bewußtseins. Das aber, was als zweiter Vorstellungskomplex auftreten soll bei einem so Aufwachenden, das sei eine Begierde, irgend etwas, was der Mensch wollen kann nach seiner ganzen Anlage und Seelenverfassung. So haben wir ein vorstellungsmäßiges und ein begierdenhaftes Element, das auftaucht vor unserer Seele durch inneres Sinnen. Nunmehr stellen Sie sich statt der Menschenseele, die also in sich sinnt, dasjenige vor, was in der Genesis die Elohim genannt wird. Denken Sie sich statt der Einheit der Menschenseele eine Mehrheit sinnender geistiger Wesenheiten, die aber in einer ähnlichen Weise aus ihrem Inneren hervorrufen durch Ersinnen zwei Komplexe, die ich vergleichen möchte mit dem, was ich Ihnen eben beschrieben habe, mit einem rein vorstellungsmäßigen und einem begierdenhaften Komplex. Wir denken uns also statt der sinnenden Menschenseele eine kosmische Organisation von Wesenheiten, die in sich in ähnlicher Weise wachrufen, nur daß ihr Sinnen ein kosmisches ist, zwei solche Komplexe, einen vorstellungsartigen, das heißt einen solchen, der irgend etwas offenbart, der also nach außen hin sich auslebt, der nach außen hin erscheint, und einen anderen Komplex, der begierdenhaft ist, der durch innerliche Regsamkeit lebt, ein innerlich sich Regendes, ein innerlich von Regsamkeit Durchsetztes. Wir denken uns also jene kosmischen Wesenheiten, die als die Elohim bezeichnet werden, wir denken sie uns so sinnend, und dieses Sinnen vergegenwärtigen wir

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uns bei dem Worte «sie schufen», bara. Und dann denken wir uns, daß durch dieses schöpferische Sinnen zwei solche Komplexe entstehen, ein Komplex, der mehr darauf hingeht, ein sich äußerlich Offenbarendes, ein nach außen sich Kundgebendes zu sein, und ein anderer Komplex, ein innerlich Regsames, ein innerlich Lebendiges; dann haben wir ungefähr jene zwei Vorstellungskomplexe, welche auftauchten in der Seele des althebräischen Weisen, wenn die Worte, für die heute «die Himmel und die Erde» stehen, seine Seele durchklangen, haschamajim und ha'arez. Suchen wir womöglich zu vergessen, was der moderne Mensch unter Himmel und Erde sich denkt, versuchen wir die beiden Vorstellungskomplexe vor die Seele zu führen, den Komplex des nach außen sich Kundgebenden, des sich Offenbarenden, den Komplex dessen, was da drängt, nach außen irgendwelche Wirkung hervorzurufen, und jenen anderen Komplex des innerlich Regsamen, dessen, was sich selbst im Inneren erleben will, was sich im Inneren lebendig regt, dann haben wir das haschamajim und das andere Wort, ha'arez.

Und die Elohim selber - wir werden sie im Verlaufe der Vorträge noch genauer kennenlernen und sie übersetzen in unsere geisteswissenschaftliche Sprache, jetzt aber wollen wir versuchen, einigermaßen an den Sinn der Urworte heranzudringen -, die Elohim selber, was sind sie für Wesenheiten? Wer sich eine Vorstellung machen will, was in der Seele des althebräischen Weisen lebte, wenn er dieses Wort gebrauchte, der muß sich klar sein, daß in jener Zeit ganz lebendig der Sinn dafür vorhanden war, daß unsere Erdenentwickelung eben einen bestimmten Sinn, ein bestimmtes Ziel hat. Welches ist dieser Sinn, welches ist dieses Ziel unserer Erdenentwickelung?

Unsere Erdenentwickelung hat einen Sinn, ein Ziel nur dann, wenn innerhalb ihrer etwas auftritt, was vorher nicht da war. Eine ewige Wiederholung, eine Wiederkehr dessen, was schon da war, wäre ein sinnloses Dasein, und als ein solches sinnloses Dasein hätte vor allen Dingen der althebräische Weise die Erdengenesis empfunden, wenn er nicht hätte denken können, daß die Erde, nachdem sie sich herausentwickelt hat aus anderen Zuständen,

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etwas Neues, gegenüber allem Früheren Neues bringen müsse. Durch dieses Erdendasein wurde ein Neues möglich: daß nämlich der Mensch gerade so wurde, wie er innerhalb des Erdendaseins sich zeigt. So wie der Mensch innerhalb des Erdendaseins auftritt als das Wesen, das er heute schon ist, als das Wesen, zu dem er sich entwickeln wird in immer weiter und weitergehender Zukunft, so war dieser Mensch in allen früheren Entwickelungsstadien nicht vorhanden, so war er auch in den früheren Entwickelungsstadien nicht möglich. Und anders geartet als der Mensch - wir wollen jetzt nicht den Begriff des Niederen und des Höheren einführen - waren diejenigen geistigen Wesenheiten, welche die äußere Entwickelung führten und trugen, die wir als Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung bezeichnen. Jene Wesenheiten, die da woben in den elementarischen Daseinsstufen des Feurigen, Gasigen, Wäßrigen, die da woben ein Saturn-, ein Sonnen-, ein Mondendasein, die da woben an dem Beginn des Erdendaseins, wie lernen wir sie am besten in bezug auf ihre Wesenheit kennen? Wie kommen wir ihnen nahe?

Wir mußten allerdings vieles, vieles beschreiben, wenn wir diesen Wesenheiten einigermaßen nahekommen wollten. Wir können sie aber nach einer Seite hin zunächst kennen lernen, und das wird genügen, um uns wenigstens einen Schritt näher zu bringen dem gewaltigen Sinn der biblischen Urworte. Wir wollen sie einmal betrachten, diese Wesenheiten, die dem Menschen in gewisser Beziehung am nächsten standen, als er selbst herausgebildet wurde aus dem, was sich heranentwickelt hatte aus dem alten Saturn-, Sonnen- und Mondendasein. Wir wollen sie einmal befragen, diese Wesenheiten, nach dem, was sie eigentlich wollten. Wir wollen sie nach ihrem Willen befragen, nach ihrer Absicht gleichsam. Dann werden wir wenigstens eine kleine Vorstellung von ihrer Wesenheit erhalten können. Was wollten sie, diese Wesenheiten? - Sie konnten vieles, sie hatten sich ein Können im Verlaufe der Entwickelung, die sie durchgemacht hatten, nach der einen oder anderen Richtung erworben. Der eine konnte dies, der andere jenes. Aber wir stellen uns ihr Wesen am besten vor, wenn wir uns sagen: In

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jenem Zeitpunkt, den wir eben ins Auge gefaßt haben, wirkte in einer Gruppe von solchen Wesenheiten ein gemeinsames Ziel, ein gemeinsames Motiv. - Es ist auf einer höheren Stufe etwa so, wie wenn eine Gruppe von Menschen heute zusammenkäme, von denen jeder eine bestimmte Geschicklichkeit hat. Ein jeder von ihnen kann etwas, und nun sagen sie sich gegenseitig: Du kannst dies, ich kann das, der dritte jenes. Wir wollen alle unsere Tätigkeiten jetzt zusammenfließen lassen, um ein gemeinsames Werk zu tun, wo eines jeden Tätigkeit angebracht werden kann. - Nehmen wir also eine solche Gruppe von Menschen an, von denen ein jeder etwas anderes kann, die aber ein gemeinsames Ziel haben. Das, was da entstehen soll, ist noch nicht da. Die Einheit, an der sie arbeiten, lebt zunächst überhaupt erst als Ziel, sie ist noch gar nicht vorhanden. Es ist eine Vielheit da, die Einheit lebt zunächst als ein Ideal. Nun denken Sie sich eine Gruppe von geistigen Wesenheiten, die sich entwickelt haben durch Saturn, Sonne und Mond, von denen eine jede etwas ganz Bestimmtes kann, und die in dem Moment, den ich charakterisiert habe, den Entschluß fassen: Wir wollen unsere Tätigkeiten gruppieren zu einem gemeinsamen Ziel, wir wollen uns eine einheitliche Richtung geben. - Und vor dem Blick eines jeden tauchte das Bild dieses Zieles auf. Und was war das Ziel? Der Mensch, der Erdenmensch.

So lebte der Erdenmensch als Ziel in einer Gruppe von göttlich-geistigen Wesenheiten, die beschlossen hatten, ihre verschiedenen Künste zusammenwirken zu lassen, um das zu erreichen, was sie selber gar nicht hatten, was ihnen selber nicht eignete, was sie aber hervorbringen konnten durch gemeinschaftliche Arbeit. Wenn Sie das alles nehmen, was ich Ihnen beschrieben habe als elementarische Hülle, als darin wirkende, kosmisch sinnende, geistige Wesenheiten, als zwei Komplexe, einen begierdenhaften, innerlich regsamen und einen nach außen sich offenbarenden, wenn Sie das alles nehmen und dann jenen geistigen Wesenheiten, die gleichsam aus dem Elementarischen heraus mit ihrem Antlitz blicken, dieses gemeinsame Ziel zuschreiben, das ich soeben charakterisiert habe, dann haben Sie das, was da lebte in dem Herzen eines althebräischen

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Weisen bei dem Worte EIohim. Und jetzt haben wir in bildhafter Weise zusammengetragen, was in diesen aIlgewaltigen Urworten lebt.

Vergessen wir also zunächst einmal alles das, was ein moderner Mensch fühlen und denken kann, wenn er ausspricht die Worte «Im Urbeginne schufen die Götter die Himmel und die Erde». Versuchen wir unter Berücksichtigung alles dessen, was heute gesagt worden ist, vor unser Auge folgendes Bild hinzustellen: Da ist webendes elementarisches Element, darinnen webt Feuriges, Gasförmiges, Wässeriges. Innerhalb dieses Elementarischen, Wirksamen, Webenden leben geistige Wesenheiten, eine Gruppe von geistigen Wesenheiten, die sinnen. Im produktiven Sinnen sind sie begriffen, und durch ihr produktives Sinnen hindurch dringt das Ziel, zum Menschenbild hin die ganze Wirksamkeit zu lenken. Und als erstes tritt auf aus diesem Sinnen die Vorstellung eines sich nach außen Offenbarenden, sich Kundgebenden, und eines innerlich Regsamen, eines innerlich in sich Belebten: In dem elementarischen Gehäuse ersannen die Urgeister das nach außen hin Erscheinende, das nach innen Regsame.

Versuchen Sie einmal, in diesen Worten sich zu vergegenwärtigen, was in der ersten Zeile der Bibel gesagt wird, dann werden Sie die Grundlage haben für das, was wir in den weiteren Tagen uns vor die Seele zu führen haben als den wahren Sinn dieser alIgewaltigen Urworte, durch die der Menschheit ein Größtes, nämlich ihr eigener Ursprung, geoffenbart ist.


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DRITTER VORTRAG

München, 18. August 1910

Bei mancherlei von dem, was in diesem Vortragszyklus gesagt werden muß und was überhaupt im Verlaufe unserer anthroposophischen Unterredungen zur Sprache kommt, könnte es scheinen, namentlich der Außenwelt, die noch wenig bekannt ist mit den Empfindungen, die in unseren Kreisen herrschen, als ob es mir eine gewisse Befriedigung und Freude machte, wenn ich gedrängt bin, dieses oder jenes scheinbar im Gegensatz zu der modernen Wissenschaft zu sagen. Ich möchte wirklich gerade in diesem Punkt nicht gern mißverstanden sein. Sie dürfen alle überzeugt davon sein, daß es mich stets eine harte Überwindung kostet, mich in Gegensatz zu stellen zu dem, was man heute wissenschaftliche Behauptung nennt, und daß ich es an keinem anderen Punkte jemals tun würde als da, wo es mir genau möglich ist, selbst das wirklich zu entwickeln, was Wissenschaft heute zu sagen hat in bezug auf das jeweilig in Rede Stehende. Ich fühle das Verantwortlichkeitsgefühl, nichts vorzubringen im Gegensatz zur modernen Wissenschaft, wo es mir nicht auch möglich wäre, überall anzuführen, was diese moderne Wissenschaft in dem betreffenden Punkte zu sagen hat Und man kann sich, wenn man von diesem Gesichtspunkte ausgeht, solch wichtigen Kapiteln wie das, was wir in diesen Tagen zu besprechen haben, nur nähern, wenn man es tut mit einer gewissen heiligen Scheu und eben mit einem entsprechenden Verantwortlichkeitsgefühl.

Es muß ja leider gesagt werden, daß in bezug auf Fragen, die dabei berücksichtigt werden müssen, moderne Wissenschaft ganz und gar versagen muß, daß moderne Wissenschafter nicht einmal in der Lage sind, zu wissen, warum ihre Ausgangspunkte versagen müssen, daß sie nicht in der Lage sind einzusehen, warum den wirklichen, großen Fragen des Lebens und des Daseins gegenüber gerade moderne Wissenschaft so intensiv dilettantisch sein muß, wie

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nur irgend möglich ist. Also ich bitte Sie recht sehr, das, was gesagt wird, immer so aufzunehmen, daß im Hintergrunde ein volles Bewußtsein von alledem steht, was in dem betreffenden Punkte moderne Wissenschaft zu sagen hätte. Nur kann natürlich in einer kurzen Vortragsreihe nicht verlangt werden, daß etwa polemisch in den Einzelheiten alles berücksichtigt werde, was zur Widerlegung dieser oder jener modernen Anschauung über den betreffenden Punkt zu sagen wäre. Ich muß mich so viel als irgend möglich auf das Positive beschränken und darauf vertrauen, daß in einem Kreise von Anthroposophen die Voraussetzung, die ich eben gemacht habe, wirklich auch in allen Einzelheiten gemacht wird.

Ich versuchte Ihnen gestern zu zeigen, wie jene urgewaltigen Worte, die am Ausgangspunkte der Bibel stehen und die uns in einer Sprache vorliegen, die ganz anderer Natur ist als die modernen Sprachen, wie diese urgewaltigen Worte nur dann richtig gedeutet werden können, wenn wir versuchen, alles das zu vergessen, was in unseren Empfindungen, in unseren Gefühlen auflebt bei den gebräuchlichen Übersetzungen und Übertragungen dieser Worte in moderne Sprache. Denn die Sprache, in der ursprünglich diese urgewaltigen Schöpfungsworte uns gegeben sind, hat wirklich die Eigentümlichkeit, daß sie durch den Charakter ihrer Laute Herz und Sinn hinlenkt zu den Bildern, die vor dem Seherauge auftauchen, wenn es sich hinrichtet auf den Punkt, wo aus dem Übersinnlichen das Sinnliche unserer Welt hervorquillt. Und es liegt eine Gewalt und eine Kraft in allen einzelnen Lauten, in denen, wenn wir so sagen dürfen, der Urbeginn unseres Erdendaseins vor uns hingestellt wird. Wir werden noch öfter im Verlaufe dieser Vorträge gerade auf den Charakter dieser Sprache hinzuweisen haben. Heute aber möchte ich auf einiges für uns zunächst notwendige Sachliche eingehen.

Sie wissen ja, daß in der Bibel nach den Worten, die ich gestern versuchte ein wenig im Bilde vor Ihre Seele hinzumalen, Eigenschaften von dem einen Komplex stehen, der da auftauchte aus dem göttlichen Sinnen, aus dem produktiven Sinnen heraus. Ich sagte Ihnen, daß wir uns vorzustellen haben, daß wie aus einer kos-

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mischen Erinnerung heraus zwei Komplexe auftauchten. Der eine war ein Komplex, der sich etwa vergleichen läßt mit dem Vorstellungscharakter, der in uns auftauchen kann, der andere war ein Komplex, der mit einem Begierden- oder Willenscharakter verglichen werden kann. Der eine enthält alles das, was sich nach außen offenbaren, ankündigen will, gleichsam nach außen hin kraften will, haschamajim. Der andere Komplex, ha`arez, enthält das innerlich Regsame, das innerlich von Begehren Durchdrungene, das innerlich Belebende, sich Regende. Von diesem innerlich Belebenden, sich Regenden werden uns dann Eigenschaften angeführt, und diese Eigenschaften werden in der Bibel angedeutet mit charakteristischen Lautcharakteren. Es wird uns gesagt, daß dieses sich innerlich Regende in einem Zustand war, der bezeichnet wird als tohu wabohu, was in der deutschen Sprache gewöhnlich ja wiedergegeben wird mit . Verstehen aber können wir es nur dann, wenn wir uns wiederum genau den bildhaften Charakter dessen vor Augen malen, was eigentlich mit dem tohu wabohu gemeint ist Und wir kommen nur darauf, was gemeint ist, wenn wir aus unserer geisteswissenschaftlichen Erkenntnis heraus uns vergegenwärtigen, was da eigentlich, sagen wir, im Raume durcheinanderwogte, als alles das, was früher durchschritten. hatte das Saturn-, Sonnen- und Mondendasein, als das Erdendasein, als planetarischer Erdenzustand wieder auftauchte.

Ich machte Sie gestern darauf aufmerksam, daß das, was wir den festen Zustand nennen, also was einen Widerstand auf unsere Sinne ausübt, während des Saturn-, Sonnen- und Mondenzustandes noch nicht vorhanden war, daß da nur das Element des Feurigen oder der Wärme, das Element des Gasigen oder Luftförmigen und das Element des Wässerigen vorhanden war. Und im Grunde genommen fügt sich erst mit dem Aufgehen des planetarischen Erdenzustandes das Feste zu den früheren eIementarischen Zuständen hinzu. Also in jenem Moment, wo das ins Dasein trat, was wir gestern charakterisiert haben, wo auch sozusagen die Tendenz auftritt, daß sich das Sonnenhafte von dem Erdhaften abspaltet, da haben wir, wenn wir das elementarische Weben ins Auge fassen, es mit einem

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sich gegenseitig Durchdringen der Elemente Wärme, Luft und Wasser zu tun. Das wogte und webte durcheinander. Wie das zunächst durcheinanderwogte und -webte, wie wir es uns vorzustellen haben, wenn wir es uns vor den geistigen Sinn hinmalen, das deuten uns diese Worte an, die im Deutschen etwa wiedergegeben werden mit «wüste und wirr», aber natürlich nur in ganz ungenauer Weise, und die prägnant bezeichnet werden durch das, was die Lautzusammenfügung ist tohu wabohu. Denn was bedeutet dieses tohu wabohu? Wenn wir uns bildhaft vor die Seele führen, was in der Seele angeregt werden kann durch diese Laute, dann ist es etwa das Folgende.

Der Laut, der da unserem T sich vergleichen läßt, der regt an ein Bild des Auseinanderkraftens von einem Mittelpunkt nach allen Seiten des Raumes, nach allen Richtungen des Raumes. Also in dem Augenblick, wo man den T-Laut anschlägt, wird angeregt das Bild von einem aus dem Mittelpunkt nach allen Richtungen des Raumes Auseinanderkraften, ins Unbegrenzte hin Auseinanderkraften. So daß wir uns also vorzustellen haben das Ineinandergewobensein der Elemente Wärme, Luft und Wasser und da drinnen ein Auseinanderkraften wie von einem Mittelpunkt aus nach allen Seiten, und wir würden dieses Auseinanderkraften haben, wenn nur der erste Teil des Lautgefüges da wäre, tohu. Der zweite Teil, was soll er ergeben? Er ergibt nun genau das Entgegengesetzte von dem, was ich eben gesagt habe. Der regt an durch seinen Lautcharakter - durch alles das, was wach wird in der Seele bei dem Buchstaben, der sich mit unserem B vergleichen läßt, Bet -, der regt an alles das, was Sie im Bilde bekommen, wenn Sie sich eine mächtig große Kugel, eine Hohlkugel denken, sich selbst im Inneren vorstellen und nun von allen Punkten, von allen inneren Punkten dieser Hohlkugel wiederum Strahlen nach innen sich denken, nach dem Mittelpunkt hereinstrahlend. Also Sie denken sich dieses Bild, einen Punkt inmitten des Raumes, von da aus Kräfte nach allen Richtungen des Raumes ausstrahlend, tohu; diese Strahlen sich gleichsam an einem äußeren Kugelgehäuse verfangend, zurückstrahlend in sich selber, von allen Richtungen des Raumes wieder zurück, dann haben Sie das bohu. Dann, wenn Sie sich diese

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Vorstellung machen und sich all die Kraftstrahlen erfüllt denken von dem, was gegeben ist in den drei elementarischen Wesenheiten Wärme, Luft und Wasser, wenn Sie sich diese Kraftstrahlen denken, wie sie sich gleichsam in diesen drei durcheinanderwogenden Elementen bilden, dann haben Sie die Charakteristik dessen, was das innerlich Regsame ist. So also wird uns durch diese Lautzusammenstellung die Art angedeutet, wie das elementarische Dasein dirigiert wird durch die Elohim.

Was ist denn aber mit dem Ganzen jetzt überhaupt gesagt? Wir werden nicht den ganzen großartigen dramatischen Vorgang der sieben Schöpfungstage verstehen, wenn wir uns diese Einzelheiten nicht vor die Seele führen. Führen wir sie uns vor die Seele, dann wird uns das Ganze als ein wunderbares, gewaltiges kosmisches Drama erscheinen. Was soll eigentlich gesagt werden? Da erinnern wir uns noch einmal daran, daß wir es in all dem, was zum Beispiel durch das Zeitwort bara gemeint ist - in den Urbeginnen «schufen» die Götter —, mit einer seelisch-geistigen Tätigkeit zu tun haben. Ich verglich das gestern damit, daß innerhalb der Seele Vorstellungskomplexe heraufgerufen werden. So denken wir uns in den Raum hineingelagert die Elohim, und wir denken uns das, was angedeutet ist mit «schuf», bara, als eine kosmisch-seelische Tätigkeit eines Ersinnens. Was sie ersinnen, das ist dann angegeben mit haschamajim und ha'arez, das nach außen Strahlende und das innerlich Regsame. Aber jetzt wird auf etwas anderes Bedeutsames hingewiesen. Versetzen sie sich, damit Sie einen möglichst guten Vergleich haben, in den Zustand des Aufwachens. Es dringen in Ihre Seele herauf Vorstellungskomplexe. So dringen in der Seele der Elohim herauf haschamajim und ha'arez.

Nun wissen wir aber, das haben wir ja schon gestern hervorgehoben, daß diese Elohim herüberkamen in ihrer eigenen Entwickelung von dem Saturn-, Sonnen- und Mondenzustand. So war das, was sie ersannen, wirklich in einer ähnlichen Lage wie Ihre Vorstellungskomplexe, wenn Sie aufwachen und sie in Ihre Seele heraufrufen. Dann können Sie sie gleichsam seelisch-geistig anschauen, Sie können sagen, wie sie sind. Sie können sagen: Wenn

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ich am Morgen aufwache und wiederfinde, was früher in meiner Seele sich gelagert hat und was ich mir heraufrufe, dann kann icIi beschreiben, wie es ist. - So konnte für die Elohim beschrieben werden, was sich jetzt ergab, nachdem sie etwa, wenn ich es sehr grob ausdrücken würde, sich sagten: Wir wollen jetzt einmal ersinnen, was in unsere Seele tritt, wenn wir uns alles das zurückrufen, was während des alten Saturn-, Sonnen- und Mondenzustandes sich zu- getragen hat. Wir wollen sehen, wie das in der Erinnerung sich ausnimmt. - Und es nahm sich so aus, daß es bezeichnet wird mit den Worten tohu wabohu, daß es bezeichnet werden konnte durch ein Bild, wie ich es eben jetzt schilderte mit den Strahlen, die von einem Mittelpunkt ausgehen in den Raum hinaus und wieder zurück, so daß die Elemente in diesen Kraftstrahlen ineinanderwogen. Also konnten die Elohini etwa sagen: So also nimmt es sich aus, nachdem wir es bis zu diesem Punkt geführt haben. So hat es sich wieder hergestellt.

Nun aber, um das Folgende zu verstehen, was in den modernen Sprachen gewöhnlich so ausgedrückt wird: «Finsternis war über den flutenden Stoffen» oder «über den Wassern», um das zu verstehen, müssen wir uns noch ein anderes vor Augen führen. Wir müssen den Blick wiederum zurückwenden auf den Hergang der Entwickelung, bevor das Erdendasein gekommen war.

Da haben wir zuerst das Saturndasein hereinwebend im feurigen Element. Dann kommt dazu das Sonnendasein mit dem luftartigen Element. Sie können es aber in meiner «Geheimwissenschaft» nachlesen, daß mit diesem Hinzukommen der Luft noch ein anderes verknüpft ist. Es kommt ja nicht nur zu dem Wärmeelement das gasige oder luftförmige Element hinzu. Das ist sozusagen die Vergröberung des Wärmeelementes. Das feine Wärmeelement des alten Saturn vergröbert sich zu dem gasigen Elemente. Aber ein jedes solches Vergröbern ist verbunden mit dem Hervorgehen eines Feineren. Wenn das Vergröbern zu dem gasigen Element gleichsam ein Heruntersteigen ist, so ist auf der anderen Seite das Hinaufsteigen zu dem Lichtelement gegeben. So daß, wenn wir von dem alten Saturn zur alten Sonne herüberkommen, wir sagen

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müssen: Der alte Saturn ist noch ganz im Wärmeelement webend; während des Sonnenzustandes kommt dazu etwas Verdichtetes, das Gasige, dann aber auch das Lichtelement, das da macht, daß sich die Wärme und das Gasige nach außen hin erstrahlend offenbaren kann.

Wenn wir nun den einen der Komplexe nehmen, die da auftreten, denjenigen, der angedeutet wird mit ha`arez, das, was gewöhnlich übersetzt wird mit arez einseitig geworden. Es hatte das Licht nicht mitgenommen, sondern nur die dichteren Elemente, das wäßrige, das Iuftförmige und das Wärmeelement. ES fehlte das Licht allerdings nicht in dem, was mit haschamajim angedeutet wird, aber haschamajim ist das Sonnenhafte, das sich herausbewegt aus dem anderen Komplex. In diesem anderen Komplex fehlten die Verfeinerungen der Elemente, fehlte das Licht. So daß wir sagen können: In dem einen der Komplexe wogten so, wie wir es eben mit dem tohu wabohu bezeichnet haben, durcheinander die Wärme-, Luft- und Wasserelemente. Und sie waren entblößt; ihnen fehlte, was im alten Sonnendasein in die Entwickelung eingetreten ist, das Lichtelement. Sie waren also dunkel geblieben, sie hatten nichts Sonnenhaftes. Das war mit dem haschamajim herausgezogen aus ihnen. So bedeutet also der Fortschritt zur Erdenentwickelung nichts anderes als: Dasjenige, was als Licht in dem alten Sonnenhaften enthalten war, solange dieses noch mit dem verbunden war, was wir Erde nennen, das war herausgezogen, und ein dunkles Gewebe der Elemente Wärme, Luft und Wasser war als das ha`arez zurückgeblieben.

Damit haben wir also das, was die Elohim ersannen, noch genauer vor unsere Seele hingestellt. Wir werden es uns aber niemals in der richtigen Weise vorstellen können, wenn wir uns nicht immer bewußt bleiben, daß alles das, was wir als elementarisches Dasein

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bezeichnen, Luft, Wasser und auch Wärme, im Grunde genommen auch die äußere Ausdrucksform von geistigen Wesenheiten ist. Es ist nicht ganz richtig, zu sagen das Kleid, man muß es vielmehr als eine äußere Kundgebung auffassen. Also alles, was man so bezeichnet als Luft, Wasser, Wärme, ist im Grunde genommen Maja, Illusion, ist zunächst nur für den äußeren Anblick, auch des Seelenauges, vorhanden. In Wahrheit, wenn man auf seine eigentliche Wesenheit eingeht, ist es Seelisch-Geistiges, ist es äußere Ankündigung des Seelisch-Geistigen der Elohim. Wenn wir aber diese Elohim betrachten, dann dürfen wir sie uns noch nicht irgend menschenähnlich vorstellen, denn das war ja gerade ihr Ziel, den Menschen zu gestalten, den Menschen ins Dasein zu rufen in Seiner eigenartigen Organisation, die eben jetzt von ihnen ersonnen ist. Menschlich also dürfen wir sie uns nicht denken. WohI aber müssen wir in gewisser Beziehung bei diesen Elohim schon eine Art von Scheidung in ihrer Wesenbeit ins Auge fassen. Wenn wir heute vom Menschen sprechen, so können wir ihn ja gar nicht verstehen, wenn wir seine Wesenheit nicht scheiden in ein Leibliches, ein Seelisches und ein Geistiges. Und Sie wissen ja, wie sehr es uns gerade auf dem anthroposophischen Felde beschäftigt, die Wirksamkeit und Wesenheit dieser Trinität des Menschen, dieses Leiblichen, Seelischen und Geistigen, genauer kennen zu lernen. So zu unterscheiden, in dieser Dreiheit eine Wesenheit zu erkennen, dazu sind wir allerdings erst beim Menschen genötigt, und wir würden natürlich den größten Fehler machen, wenn wir die Wesenheit der Vormenschheit, die also in der Bibel als die Elohim bezeichnet wird, in ähnlicher Weise uns denken würden wie den Menschen. Aber wir müssen bei ihnen doch schon unterscheiden eine Art Leibliches und eine Art Geistiges.

Nun werden Sie, wenn Sie beim Menschen den Unterschied machen zwischen seinem Leiblichen und seinem Geistigen, sich ja durchaus bewußt sein, daß auch in der äußeren Gestalt, als die sich Ihnen der Mensch darbietet, seine Wesenheit in verschiedener Weise wohnt. Wir werden zum Beispiel nicht versucht sein, in der Hand oder in den Beinen das eigentIich Geistige des Menschen zu lokali-

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sieren, sondern wir sagen: Im wesentlichen ist das Leibliche zum Beispiel im Rumpfe, in den Beinen, in den Händen. Das Geistige hat seine Organe im Kopf, im Gehirn; da hat es seine Werkzeuge. - Wir unterscheiden also innerhalb der äußeren Gestalt des Menschen so, daß wir gewisse Teile mehr als den Ausdruck des Leiblichen, gewisse Teile mehr als den des Geistigen begreifen.

Ein solches müssen wir nun auch in bezug auf die Elohim, wenn auch nicht in gleicher, doch in ähnlicher Weise tun. Im Grunde genommen ist das ganze Gewebe und Gewoge, von dem ich gesprochen habe, nur dann richtig verstanden, wenn wir es auffassen als die Leiblichkeit des Geistig-Seelischen der Elohim. Also alles das, was sich als elementarisches Weben des Luftigen, des Wärmehaften, des Wäßrigen dargestellt hat, ist die äußere Leiblichkeit der Elohim. Aber wir müssen die Teile der Elohim wieder in verschiedener Weise an diese elementarischen Glieder verteilen, wir müssen an das Wäßrige und an das Luftförmige mehr das Leibliche, das Gröbere der Elohim geknüpft denken. Und in alledem, was als Wärmeelement das Gasige und das Wäßrige durchsetzte, was dieses tohu wabohu als das Wärmeelement durchdrang, was es durchwogte als wogende Wärme, in dem wirkte das, was wir nennen können das Geistige der Elohim. Ebenso wie wir sagen, im Menschen wirkt das mehr Leibliche in seinem Rumpf, in den Beinen und den Händen, das mehr Geistige in seinem Kopfe, so können wir sagen, wenn wir den ganzen Kosmos auffassen als eine Leiblichkeit der Elohim: In dem Luft- und in dem Wasserelemente lebte das mehr Leibliche der Elohim, und in dem Wärmeelemente webte das Geistige. - Damit haben Sie dann den Kosmos selbst aufgefaßt als eine Leiblichkeit der Elohim. Und nachdem das äußerIich Leibliche charakterisiert ist als etwas, was ein tohu wabohu der elementarischen Wesenheiten war, haben Sie in dem, was als Wärme diese elementarischen Wesenheiten durchdrang, den webenden Geist der Elohim lokalisiert.

Nun gebraucht die Bibel ein merkwürdiges Wort, um das Verhältnis dieses Geistigen der Elohim zu den Elementen auszudrücken: «Ruach Elohim m'rachephet.» Ein merkwürdiges Wort, auf das wir

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näher eingehen müssen, wenn wir verstehen wollen, wie der Geist der Elohim die anderen Elemente durchwebte. Dieses Wort, racheph, wir können es nur verstehen, wenn wir sozusagen alles zu Hilfe nehmen, was in der damaligen Zeit durch die Seele zog, wenn dieses Wort ausgesprochen wurde. Wenn man sagt: «Und der Geist der Götter webte auf sich ausbreitenden Stoffmassen» oder «auf den Wassern», so ist damit gar nichts gesagt. Denn zu der richtigen Deutung dieses Zeitwortes, racheph, kommen wir nur, wenn Sie sich denken - ich muß es durch einen etwas, ich möchte sagen groben, anschaulichen Vergleich charakterisieren -, ein Huhn sitzt auf den Eiern, und die Brutwärme von dem Huhn strahlt aus über die Eier, die darunter sind. Und wenn Sie sich nun denken die Tätigkeit dieser Brutwärme, die von dem Huhn in die Eier strahlt, um da die Eier zum Ausreifen zu bringen, diese Tätigkeit der Wärme, dieses Strahlen der Wärme von dem Huhn in die Eier hinein, dann haben Sie einen Begriff von dem Zeitwort, das da steht und uns sagt, was der Geist im Wärmeelemente tut. Es wäre natürlich durchaus ungenau ausgedrückt, wenn man sagen würde, der Geist der Elohim «brütet», weil nicht das gemeint ist, was man sich heute unter der sinnlichen Tätigkeit des Brütens vorstellt; es ist vielmehr die Aktivität der ausstrahlenden Wärme damit gemeint. So wie die Wärme vom Huhn strahlt, so strahlte in die anderen elementarischen Zustände, in den luftförmigen und den wäßrigen, durch das Wärmeelement der Geist der Elohim hinein. Wenn Sie sich das denken, dann haben Sie das Bild dessen, was gemeint ist, wenn gesagt wird: «Und der Geist der Elohim brütete über den Stoffmassen, über den Wassern.»

Nun haben wir aber auch bis zu einem gewissen Grade uns das BiId konstruiert, das vor der Seele des althebräischen Weisen schwebte, wenn er an diesen Urzustand dachte. Wir haben uns konstruiert einen Komplex, der in der Art, wie ich Ihnen das tohu wabohu charakterisiert habe, sozusagen kugelig ineinanderwogende Wärme, Luft und Wasser hatte, von dem sich abgesondert hatte alIes lichtartige Element in dem haschamajim, und wir haben dieses Ineinanderwogen der elementarischen drei Zustände von Finsternis

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innerlich durchsetzt. Wir haben in dem einen Element, in dem Wärmehaften, wogend und webend das Geisthafte der Elohim, das nach allen Seiten mit der sich verbreitenden Wärme wie wogend sich selber verbreitet und zur Reifung bringt, was zunächst unreif ist in dem finsteren Elemente.

So stehen wir, wenn wir bis zum Ende dieses Satzes kommen, der gewöhnlich angedeutet wird mit den Worten: «Und der Geist der Elohim brütete über den Wassern», sozusagen innerhalb einer Charakteristik dessen, was im ersten Vers der Bibel in dem ha`arez angedeutet wird mit dem Worte «Erde». Wir haben charakterisiert, was da sozusagen zurückgeblieben ist, nachdem das haschamajim abgezogen war.

Fassen wir jetzt noch einmal die früheren Zustände ins Auge. Wir können zurückgehen von der Erde zum Mondenzustand, zum Sonnen- und zum Saturnzustand. Gehen wir einmal zum alten Sonnenzustand zurück. Wir wissen, daß damals von einer Trennung des heute Erdenhaften von dem Sonnenhaften noch nicht die Rede sein konnte, also auch nicht davon, daß das Erdenhafte von außen vom Lichte bestrahlt wird. Das ist ja das Wesentliche unseres Erdenlebens, daß das Licht von außen kommt, daß die Erde von außen bestrahlt wird. Sie müssen sich die Erdkugel eingeschlossen in die Sonne denken, einen Teil der Sonne selber bildend und also nicht Licht empfangend, sondern selber zu demjenigen Wesen gehörend, das Licht in den Raum hineinstrahlt, dann haben Sie den alten Sonnenzustand. Dieser alte Sonnenzustand ist nur dadurch zu charakterisieren, daß man sagt: alles Erdenhafte ist nicht ein Lichtempfangendes, es gehört zu dem Lichtverbreitenden, es ist selber eine Lichtquelle.

Fassen Sie jetzt den Unterschied ins Auge! Der alte Sonnenzustand: die Erde beteiligt sich an der Ausstrahlung des Lichtes; der neue Zustand, der Erdenzustand: die Erde beteiligt sich nicht mehr daran. Die Erde hat aus sich herausgehen lassen alles das, was lichtverbreitend ist. Sie ist darauf angewiesen, von außen das Licht zu empfangen. Das Licht muß in sie einstrahlen. Das ist der charakteristische Unterschied des neuen Erdenzustandes im Laufe

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der Entwickelung von dem alten Sonnenzustand. Mit der Abtrennung des Sonnenhaften, des haschamajim, ist mitgegangen das Lichthafte. Das ist jetzt außerhalb der Erde. Und das elementarische Dasein, das im ha`arez durcheinanderwogt als tohu wabohu, das hat keinen eigenen Lichtzustand, das hat nur etwas, was man nennen kann «durchbrütet sein von dem Geist der Elohim». Aber das machte es nicht in sich selber hell, das ließ es in sich dunkel.

Fassen wir jetzt das Ganze des elementarischen Daseins noch einmal ins Auge. Sie wissen ja aus früheren Vorträgen: Wenn wir das, was wir die elementarischen Zustände nennen, innerhalb unseres Erdendaseins aufzählen, so fangen wir mit dem Festen an, gehen dann nach dem Wäßrigen, nach dem Gas- oder Luftförmigen und nach dem Wärmeelemente. Damit haben wir sozusagen die dichtesten Stoffzustände angegeben. Aber damit sind diese Zustände noch nicht erschöpft. Wenn wir weiter hinaufgehen, so finden wir feinere Zustände, die nicht viel charakterisiert sind, wenn man sie als «feinere Stofflichkeit» bezeichnet. Es kommt darauf an, daß wir sie als feinere Zustände gegenüber den gröberen des Gasigen, Wärmehaften und so weiter erkennen. Man nennt sie gewöhnlich ätherische Zustände. Und wir haben ja immer unterschieden in diesen feineren Zuständen als erstes das Lichthafte. Wenn wir also von der Wärme hinuntergehen ins Dichtere, kommen wir zum Gasigen, wenn wir weiter hinaufgehen, zum Lichthaften. Wenn wir noch weiter hinaufgehen von dem Lichthaften, so kommen wir zu einem noch feineren Ätherzustand; dann kommen wir schon zu etwas, was eigentlich in der gewöhnlichen Sinneswelt nicht unmittelbar gegeben ist. Es ist uns in der Sinneswelt nur ein äußerer Abglanz gegeben von dem, was wir bezeichnen können als einen feineren Ätherzustand gegenüber dem Lichtäther. Okkultistisch kann man davon sprechen, daß die Kräfte in diesem feineren Äther dieselben sind, welche das chemische Anordnen, das Ineinanderfügen der Stoffe dirigieren, das Organisieren des Stoffes in der Art, wie man es etwa ausdrücken kann, wenn man auf eine Platte feinen Staub legt, die Platte dann mit einem Violinbogen streicht und so die sogenannten ChIadnischen KIangfiguren bekommt. Was der grobe

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sinnliche Ton da bewirkt in dem Staub, das geschieht überhaupt im Raum. Der Raum ist in sich differenziert, wird durchwogt von solchen Kräften, die feiner sind als die Lichtkräfte und die im Geistigen das darstellen, was im Sinnlichen der Ton ist. So daß wir von einem chemischen oder Klangäther als einem feineren Elemente sprechen können, wenn wir aufwärtsgehen von der Wärme zum Licht, von da zu diesem feineren Äther, der die Kräfte enthält, die den Stoff differenzieren, trennen und zusammenfügen, der aber in Wirklichkeit tonartige, klangartige Wesenheit hat, von dem der sinnliche Klang, den das sinnliche Ohr hört, nur ein äußerer Ausdruck, nämlich ein durch die Luft hindurchgegangener Ausdruck ist. Das bringt uns nahe diesem feineren Elemente, das oberhalb des Lichtes liegt. Wenn wir also davon sprechen, daß mit dem haschamajim das sich äußerlich Offenbarende herausgetreten ist aus dem ha`arez, dann müssen wir uns nicht nur das durch das Lichthafte sich 0ffenbarende denken, sondern auch das, was sich offenbart durch das feinere Ätherhafte des Klanghaften, des Tonhaften, das dieses Licht wiederum durchsetzt.

Ebenso wie wir von der Wärme abwärtsgehen zu dem Gasigen und von da zum Wässerigen, so können wir nach aufwärts von der Wärme zum Licht, vom Licht zum Tonhaften, zum chemisch Ordnenden gehen. Und vom Wässerigen können wir nach abwärts schreiten zum Erdigen. Wohin kommen wir nun, wenn wir von dem Klanghaften zu noch feinerem, höherem Ätherischen steigen, das also wiederum mit dem haschamajim hinausgegangen ist? Da kommen wir zu etwas, was sozusagen als der feinste ätherische Zustand wiederum weht in dem eben beschriebenen Ton- oder Klanghaften, in dem chemisch Ordnenden. Wenn Sie das geistige Ohr richten nach diesem Ätherzustand, den ich eben beschrieben habe, dann hören Sie natürlich nicht einen äußeren Luftklang, aber Sie hören den Ton, der den Raum differenziert, der ihn durchsetzt und die Materien ordnet, wie der Ton, der durch den Bogen an der Platte hervorgerufen wird, die Chladnischen Klangfiguren ordnet. Aber in dieses Dasein hinein, das durch den Klangäther geordnet ist, ergießt sich eben der höhere Ätherzustand. Der durchdringt,

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durchsetzt das Klangätherische so, wie in uns den Klang, den unser Mund ausspricht, der Sinn des Gedankens durchdringt, das was den Klang zum Worte macht. Das fassen Sie ins Auge, was den Klang zum sinnvollen Worte macht, dann bekommen Sie eine Vorstellung von dem, was den Klangäther durchwebt als das feinere ätherische Element, was kosmisch durchwebt und Sinn gibt dem ordnenden Weltenklang: das den Raum durchwogende Wort. Und dieses den Raum durchwogende Wort, das sich hineinergießt in den Klangesäther, das ist zu gleicher Zeit der Ursprung des Lebens, das ist wirklich webendes, wogenJes Leben. Das also, was mit dem haschamajim herausgezogen ist aus dem ha`arez, was in das Sonnenhafte gegangen ist gegenüber dem anderen, Niederen, dem Erdenhaften, gegenüber dem tohu wabohu, das ist etwas, was sich äußerlich ankündigen kann als Lichthaftes. Hinter diesem steht aber ein geistig Klanghaftes, hinter diesem das kosmische Sprechen. Deshalb dürfen wir sagen: In der brütenden Wärme lebt sich zunächst aus das niedrige Geistige der Elohim, so wie etwa unsere Begierden sich in unserem niederen Seelenhaften ausleben. Das höhere Geistige der Elohim, das ist hinausgegangen mit dem haschamajim, das lebt im Lichthaften, geistig Klanghaften, geistig Worthaften, in dem kosmischen Worte. Alles das, was in dieses Sonnenhafte hinausgegangen ist, das kann allein von außen wieder hereinstrahlen in das tohu wabohu.

Versuchen wir jetzt, uns das Ganze biIdhaft vor Augen zu führen, was vor der Seele des althebräischen Weisen schwebte als das ha`arez, das haschamajim. Was da als geistig Lichthaftes, Klanghaftes, Sprechendes, Wortbildendes hinausgezogen ist, wenn das wiederum hereinstrahlt, wie wirkt es dann? Es wirkt wie ein aus dem Sonnenhaften heraus sich sprechendes Licht, als ein Licht, hinter dem das kosmische Sprechen steht. Also denken wir uns alles das, was wir im tohu wabohu gegeben haben in seiner Finsternis, in seinem Durcheinanderwogen des Wärmehaften, des Gasigen, des Wässerigen, denken wir es in seiner sozusagen lichtverlorenen Finsternis. Und nun denken wir uns aus der Tätigkeit der Elohim heraus von außen einstrahlen durch das schöpferische Wort, das als die

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höchste Äther-Entität zugrunde liegt, von außen hereinstrahlen mit dem Licht das, was aus dem Wort herausströmt. Wie soll man das bezeichnen, was da vorgeht? Man kann es nicht treffender bezeichnen, als wenn man das monumentale Wort hinstellt, das besagt: Die Wesenheiten, die mit dem haschamajim ihr Höchstes in das Ätherische hinausgetrieben hatten, erstrahlten zurücksprechendes Licht aus dem Weltenraum in das tohu wabohu hinein! - Damit haben Sie den Tatbestand dessen gegeben, was in den monumentalen Worten liegt Und die Götter sprachen: Es werde Licht! und es ward Licht in dem, was Finsternis war, in tohu wabohu. - Da haben Sie das Bild, das dem althebräischen Weisen vorschwebte.

So müssen wir uns die Wesenheit der Elohim über den ganzen Kosmos ausgedehnt denken, diesen ganzen Kosmos uns wie den Leib denken; das, was das elementarische Dasein ist in dem tohu wabohu als die niedrigste Gestalt des Leiblichen, das Wärmehafte als etwas höhere Gestalt, als die Gestalt des höchsten Geistigen das haschamajim, das hinausgegangen ist und jetzt von außen herein schaffend wirkt in die ganze Gestaltung des tohu wabohu.

Nun können Sie sagen: Damit führst du uns eigentlich vor, daß durch das kosmisch gesprochene lichtstrahlende Wort das tohu wabohu, das Durcheinanderwogen des Elementarischen, geordnet wurde, zu dem gemacht wurde, was es später wurde. Von wo aus wird nun aber die menschliche Gestalt organisiert? - Es kann keine solche menschliche Gestalt geben, wie wir sie haben, die auf zwei Beinen aufrecht geht, die die Hände gebraucht, wie wir sie gebrauchen, ohne daß sie von den im Gehirn veranlagten und von dort ausstrahlenden Kräften organisiert wird. Von den höchsten geistigen Kräften, die da ausstrahlen von unserem Geistigen, wird unsere Gestalt organisiert. Immer wird das Niedrige von dem Höheren organisiert. So wurde das ha‘arez gleichsam als der Leib der Elohim, als das Niedrige, von dem höheren Leiblichen, von dem haschamajim und dem darin wirkenden Geistigen der Elohim Organisiert. Also von dem, was hinausgegangen ist, nimmt das höchste Geistige der Elohim Besitz und organisiert es, wie es sich ausdrückt in den Worten: «Das durch das kosmische Sprechen sich offen-

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barende Licht strömt ein in die Finsternis.» Dadurch wird das tohu wabohu organisiert, aus der Unordnung der Elemente herausgehoben. Wenn Sie sich also denken in dem haschamajim gleichsam den Kopf der Elohim und in dem Elementarischen, das zurückgeblieben ist, den Rumpf und die Gliedmaßen, und durch die Macht des Kopfes nunmehr organisiert Rumpf und Gliedmaßen, das Elementarische, dann haben Sie den tatsächlichen Vorgang, dann haben Sie gleichsam den Menschen vergrößert zum Kosmos; und in diesem Kosmos wirkt er organisierend von den Organen des Geistes aus, die im haschamajim liegen. Einen sich organisierenden makrokosmischen Menschen, das dürfen wir uns als ein Bild vor die Seele malen, wenn wir uns all die Kräftestrahlungen denken, die von dem haschamajim nach dem ha`arez herunterströmen.

Und jetzt fassen wir einmal unseren heutigen Menschen auf, um uns das Bild noch genauer vor die Seele malen zu können. Fragen wir uns einmal: Ja, wodurch ist denn der Mensch für die Geisteswissenschaft - nicht für die dilettantische Wissenschaft von heute - so geworden, wie er heute ist? Wodurch hat er denn die bestimmte Gestalt, die ihn ja doch unterscheidet von allen übrigen Lebewesen in seiner Umgebung; was macht ihn denn eigentlich zum Menschen? Was webt denn da durch diese menschliche Gestalt hindurch? - Es ist ungeheuer leicht, wenn man sich keine Binde vor die Augen legt, zu sagen, was den Menschen zum Menschen macht. Dasjenige, was er hat und alle übrigen Wesen um ihn herum im irdischen Dasein nicht haben, die Sprache, die in Lauten zum Vorschein kommt, das macht ihn zum Menschen. Denken Sie sich die tierische Gestalt. Wodurch kann sie zur Menschengestalt herauforganisiert werden? Was muß hineinschlagen in sie, damit sie zur menschlichen Gestalt wird? Stellen wir die Frage so: Denken wir uns eine tierische Gestalt, und wir müßten sie mit etwas durchströmen, mit einem Hauch durchströmen - was müßte dieser Hauch enthalten, daß dadurch diese Gestalt anfangen würde zu sprechen? - Sie müßte innerlich sich so organisiert fühlen, daß sie Lauthaftes von sich ausstrahlte! Das Lauthafte schafft aus der tierischen Gestalt die menschliche Gestalt.

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Wie kann man daher den Kosmos sich bildhaft vorstellen, innerlich erfühlen? Wie kann man alles das, was ich Ihnen in Bildern vor die Seele geschrieben habe, in umständlicher Weise Bild für Bild aus dem Elementarischen herauskonstruiert habe, wie kann man das erfühlen, wie kann man die Gestalt des makrokosmischen Menschen gleichsam innerlich erfühlen? Wenn man anfängt zu fühlen, wie der Laut in die Gestalt schießt! Man lerne fühlen am Laut A, wenn er dahinsaust durch die Luft, nicht bloß den Ton, man lerne fühlen, wie sich dieser Laut gestaltet, so wie sich der Staub gestaltet durch den Ton des Fiedelbogens, der die Platte streicht. Man lerne fühlen das A und lerne fühlen das B, wie sie durch den Raum hinweben! Man lerne sie nicht bloß als Lautstrahl fühlen, sondern als sich Gestaltendes, dann fühlt man so, wie der althebräische Weise fühlte, wenn er sich in Lauten anregen ließ zu den Gestalten der Bilder, die ich Ihnen hingestellt habe vor das geistige Auge. So wirkte der Laut. Deshalb mußte ich sagen: Das Bet regte an etwas sich Umschließendes, etwas wie ein Gehäushaftes, etwas sich Abschließendes und im Inneren einen Inhalt Einschließendes. Dasjenige, was mit dem Resch angedeutet wurde, das regte an etwas, was man fühlte, wie man sich fühlt, wenn man sein Haupt fühlt Und das Schin regte etwas an, was ich bezeichnete mit dem Aufstacheln. - Das ist eine durchaus objektive Sprache, eine Sprache, die in ihrer Lauthervorbringung sich zum Bilde kristallisiert, wenn die Seele sich von ihr anregen läßt. Daher liegt auch in diesen Lauten selber die hohe Schule, die den Weisen hinführte zu den Bildern, die sich vor die Seele des Sehers drängen, wenn er ins Übersinnliche hineintritt. So setzt sich Laut in Geistgestalt um und zaubert vor die Seele Bilder, welche sich so zusammenfügen, wie ich es Ihnen beschrieben habe. Das ist das ungeheuer Bedeutsame an dieser alten Urkunde, daß sie in einer Sprache erhalten ist, welche in ihren Lauten gestaltenschaffend ist, deren Laute sich in der Seele kristallisieren zu Gestalten. Und diese Gestalten sind die Bilder, die man gewinnt, wenn man zum Übersinnlichen vordringt, aus dem sich das Sinnliche unseres physischen Erdenplanes herausentwickelt hat. Wenn man das ins Auge faßt,

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dann gelangt man dazu, jene tiefe, ungeheure Scheu und Ehrfurcht zu empfinden vor dem, wie die Welt sich entwickelt, und man lernt empfinden, wie es wahrhaft kein Zufall ist, daß dieses große, dieses urgewaltige Dokument des Menschendaseins gerade in dieser Schrift uns übermittelt ist, in einer Schrift, die in ihren Charakteren selber imstande ist, den Geist in der Seele bildhaft zu erwecken und uns hinzuführen zu dem, was der Seher in unserer Zeit wiederum herausholen soll. Das ist die Empfindung, die der Anthroposoph sich aneignen sollte, wenn er sich dieser alten Urkunde nähert, die am Ausgangspunkte des Alten Testamentes steht.


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VIERTER VORTRAG

München, 19. August 1910

Wir haben gestern vor unsere Seele bildhaft hingemalt denjenigen Augenblick, der mit den bedeutsamen Worten der Bibel angedeutet wird: Damit haben wir auf ein Ereignis hingewiesen, das für uns ja auf einer höheren Stufe eine Wiederholung vorhergehender Entwickelungszustände unseres Erdenwerdens darstellt. Immer wieder muß ich Sie verweisen auf das Bild von einem Menschen, der da aufwacht und aus der Seele heraufholt einen gewissen seelischen Inhalt So etwa sollen wir uns vorstellen, wie aus der Seele der Elohim hervorsprießt in einer neuen Gestalt, in einer abgeänderten Gestalt das, was sich langsam und allmählich im Verlauf der Entwickelung herangebildet hat durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit. Und im Grunde genommen ist alles das, was im sogenannten Sechs- oder Siebentagewerk der Bibel berichtet wird, ein Wiedererwecken vorhergehender Zustände, nicht aber ein Wiedererwecken in derselben Form, sondern in einer neuen Form, in einer neuen Gestalt. Und die nächste Frage, die wir uns werden stellen dürfen, ist diese: Wie haben wir überhaupt die Realität dessen, was uns da erzählt wird im Verlauf des Sechs- oder Siebentagewerks, aufzufassen?

Wir werden uns über diese Frage am besten verständigen, wenn wir sie so stellen: Könnte ein Auge, wie die gewöhnlichen Augen sind, könnten überhaupt Sinnesorgane, wie die heutigen Sinnesorgane sind, äußerlich sinnengemäß verfolgen, was im Sechstagewerk berichtet wird? - Das könnten sie nicht. Denn die Ereignisse, die Tatsachen, die uns da berichtet werden, verlaufen im wesentlichen in der Sphäre dessen, was wir das elementarische Dasein nennen können. So daß also, um diese Vorgänge anzuschauen, ein gewisser Grad hellseherischer Erkenntnis, hellseherischer Wahrnehmung nötig wäre. Es ist eben durchaus wahr, daß die Bibel uns

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erzählt von dem Hervorgehen des Sinnlichen aus dem Übersinnlichen und daß die Tatsachen, die sie an die Spitze stellt, übersinnliche Tatsachen sind, wenn auch nur um einen Grad höher liegend als unsere gewöhnlichen sinnlichen Tatsachen, die ja aus diesen anderen eben charakterisierten hervorgegangen sind. Wir blicken also in gewisser Beziehung in ein hellseherisches Gebiet hinein mit all dem, was wir da im Sinne des Sechstagewerks eigentlich beschreiben. In Ätherform und in elementarischer Form tauchte wieder auf, was früher da war. Halten wir das nur recht genau fest, sonst werden wir uns nicht in genügender Weise orientieren über all das, was mit den monumentalen Worten der Genesis eigentlich gemeint ist. So dürfen wir also erwarten, daß wir in einer neuen Art auftauchen sehen alles das, was während des alten Saturn-, Sonnen- und Mondendaseins sich nach und nach entwickelt hat.

Fragen wir uns deshalb zuerst einmal: Wie waren denn die eigenartigen Zustände, in weIche die Entwickelung durch diese drei planetarischen Formen eingetaucht war? - Wir können sagen: Auf dem alten Saturn, das können Sie ja in meiner «Geheimwissenschaft» nachlesen, war alles in einer Art mineralischen Zustandes. Das, was dort als erste Anlage vom Menschen vorhanden war, was überhaupt die gesamte Masse des alten Saturn ausmachte, war in einer Art mineralischen Zustandes. Dabei dürfen Sie nicht an die mineralische Form von heute denken, denn der alte Saturn war durchaus noch nicht im Element des Wassers oder des Festen vorhanden; er war nur ineinanderwebende Wärme. Aber die Gesetze, welche in diesem Wärmeplaneten herrschten, das also, was da die Differenzierung bewirkte, was das Ineinanderweben organisierte, das waren die gleichen Gesetze, die heute in dem dichten, in dem festen Mineralreich herrschen. Wenn wir also sagen, der alte Saturn und auch der Mensch waren im mineralischen Zustande, dann müssen wir uns dessen bewußt sein, daß es nicht ein mineralischer Zustand wie der heutige war, mit festen Formen, sondern ein Zustand innerhalb der webenden Wärme, aber mit mineralischen Gesetzen.

Dann kommt der Sonnenzustand. Diesen müssen wir noch immer so auffassen, daß von der Sonnenmasse noch keine Abtrennung

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dessen stattgefunden hat, was später das Erdenhafte wurde. Ein gemeinsamer Leib sozusagen ist alles das, was heute zur Erde und zur Sonne gehört, ein kosmischer Leib ist das zur alten Sonnenzeit. Innerhalb dieser alten Sonne hat sich gegenüber dem früheren Saturnzustand als Verdichtung herausgebildet ein Gasiges, so daß wir außer dem ineinanderwebenden Wärmehaften ein durcheinanderströmendes, gesetzmäßig sich ineinanderfügendes Gas- oder Luftförmiges haben. Aber zu gleicher Zeit haben wir eine Neubildung nach oben hin, gleichsam eine Verdünnung des Wärmehaften nach dem Lichthaften, ein Ausstrahlen eines Lichthaften in den Weltenraum. Dasjenige, was wir nun als die Wesen unserer planetarischen Entwickelung bezeichnen können, ist während dieses alten Sonnenzustandes fortgeschritten bis zum Pflanzenhaften. Wieder dürfen wir uns nicht denken, daß während des alten Sonnenzustandes Pflanzen in der heutigen Form vorhanden waren, sondern wir müssen uns klar sein darüber, daß nur die Gesetze, die im heutigen Pflanzenreich wirken, jene Gesetze, die da bedingen, daß ein Wurzelhaftes nach abwärts und ein Blütenhaftes nach aufwärts treibt, innerhalb des alten Sonnenzustandes in dem Element des Luftförmigen und des Wärmehaften sich geltend machen. Natürlich konnte keine feste Pflanzenform entstehen, sondern die Kräfte, die die Blüte nach oben und die Wurzeln nach unten trieben, muß man sich denken in einem luftartigen Gebilde webend, so daß man den alten Sonnenzustand sich vorzustellen hat als ein lichtartiges Aufblitzen von Blütenformen nach oben. Denken Sie sich eine Gaskugel und da drinnen webendes Licht, lebendiges Licht, das aufsprießt, das nach oben im Aufsprießen das Gasige wie Lichtblütenformen aufschießen läßt und wiederum das Bestreben hat, nach unten zu halten, was da aufblitzen will, das wiederum die alte Sonne nach dem Mittelpunkte zusammenhält: dann haben Sie das innere Weben von Licht, Wärme und Luft im alten Sonnenzustande. Das mineralische Gesetzmäßige wiederholt sich, das pflanzliche Gesetzmäßige kommt dazu, und das, was vom Menschen vorhanden ist, ist selbst erst in einem Zustand des Pflanzenhaften.

Wo würden wir denn heute etwas finden, was sich, wenn auch

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nicht ganz, doch in einer gewissen Beziehung vergleichen ließe mit diesem pflanzenhaften Weben in der alten Gas-Wärme-Lichtkugel der Sonne? Wenn man die Sinne, die der Mensch heute hat, in dem Weltenraum herumschweifen ließe, würde man freilich nichts finden, was sich damit vergleichen ließe. Zu einer gewissen Zeit der alten Sonne war das alles auch physisch vorhanden, das heißt physisch bis zur Gasdichtigkeit Heute kann es überhaupt physisch nicht vorhanden sein. Die Gestalt des Wirkens, die dazumal auch physisch vorhanden war, heute ist sie für den Menschen nur vorhanden, wenn das hellseherische Wahrnehmungsvermögen sich in das Gebiet der übersinnlichen Welt richtet, da wo heute die geistigen Grundwesenheiten unserer äußeren physischen Pflanzen sind, das, was wir im Laufe der Jahre als die Gruppenseele der Pflanzen kennen gelernt haben. Wir wissen ja, daß diesem äußeren Pflanzlichen, das heute dem physischen Sinne sich vorstellt, etwas zugrunde liegt, was wir die Gruppenseelen nennen können. Heute können sie nur durch das hellseherische Bewußtsein im Geistgebiete gefunden werden. Da sind diese Gruppenseelen der Pflanzen nicht in einzelnen Pflanzenindividuen vorhanden wie die äußerlichen Pflanzen, die aus dem Erdboden herauswachsen, sondern da ist ungefähr für jede Art, also für die Rosenart, für die 'Veilchenart, für die Eichenart, eine Gruppenseele vorhanden. Wir haben also im Geistgebiete nicht irgendein geistiges Wesen für jede einzelne Pflanze zu suchen, sondern für die Arten haben wir die Gruppenseelen zu suchen. Diese Arten von Pflanzen sind für das heutige Denken, für dieses arme, abstrakte Denken der Gegenwart eben Abstraktionen, Begriffe. Sie waren es schon im Mittelalter, und weil man auch damals schon nichts mehr wußte von dem, was im Geistigen webt und lebt als Grundlage des Physischen, kam der berühmte Streit auf zwischen Realismus und Nominalismus, das heißt, ob das, was als Arten existiert, bloßer Name ist oder etwas real Geistiges. Für das hellseherische Bewußtsein hat dieser ganze Streit nicht den allergeringsten Sinn, denn wenn es sich richtet über die Pflanzendecke unserer Erde hin, so dringt es durch die äußere physische Pflanzenform in ein geistiges Gebiet, und in diesem geistigen

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Gebiete, da leben als wirkliche reale Wesen die Gruppenseelen der Pflanzen. Und diese Gruppenseelen sind einerlei Realität mit dem, was wir die Arten der Pflanzen nennen. Zu der Zeit, als die Luft-Wärme-Lichtkugel der alten Sonne in ihrer vollen Blüte war, als das dort spielende Licht an die Gasoberfläche herauswarf die lichtfunkelnden Blütenformen des Pflanzendaseins, damals waren diese Formen dasselbe, und zwar in physischer Gasgestalt, was heute nur noch im Geistgebiete als die Arten der Pflanzen zu finden ist. Halten wir dieses nur recht gut fest, daß dazumal während des alten Sonnendaseins die Arten der Pflanzen, die Arten dessen, was heute als Grünendes, als Blühendes, als Baum- und Strauchförmiges unsere Erde bedeckt, die alte Sonne durchsetzte ganz im Sinne der Gruppenseelenhaftigkeit, im Sinne der Arten.

Soweit der Mensch damals war, befand er sich auch in einem pflanzenhaften Zustand. Er war nicht imstande, in seinem Inneren als Vorstellungen wachzurufen, in Bewußtseinszuständen zu erwecken, was um ihn herum vorging, ebensowenig wie heute die Pflanze in Bewußtseinszuständen wiedererwecken kann, was um sie herum vorgeht. Der Mensch war selber in einem pflanzenhaften Dasein, und zu den auf- und abspielenden Lichtformen, welche in dem gasigen Sonnenball spielten, gehörte auch die Leiblichkeit des damaIigen Menschen. Zu der Entstehung der primitivsten Form des Bewußtseins gehört nämlich im Kosmos etwas ganz Besonderes. Solange unser Erdenhaftes noch mit dem Sonnenhaften verbunden war, solange also nicht, sagen wir, grob gesprochen, das Licht der Sonne von außen auf den Erdball fiel, so lange konnte sich das, was man ein Bewußtsein nennen kann, nicht bilden innerhalb der Wesen des Erdenhaften. So lange konnte auch nicht den physischen und den Ätherleib durchdringen ein astralischer Leib, der die Grundlage des Bewußthaften ist Soll ein Bewußthaftes auftreten, dann muß eine Trennung, eine Spaltung stattfinden, dann muß sich aus dem Sonnenhaften ein anderes absondern. Und das geschah während des dritten Entwickelungszustandes unserer Erde, während des alten Mondenzustandes. Als der alte Sonnenzustand vorüber war, durch eine Art kosmischer Nacht durchgegangen war, da

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tauchte von neuem auf das ganze Gebilde, jetzt aber so, daß es reif geworden war, als eine Zweiheit zu erscheinen, daß alles Sonnenhafte sich herausgliederte als ein Weltenkörper, und der alte Mond, auf dem sich von unseren elementarischen Zuständen nur das Wässerige, Luft- und Wärmehafte befand, als ein außerhalb des Sonnenhaften Befindliches zurückblieb. Der alte Mond war das damalige Erdenhafte, und nur, weil die Wesen auf ihm von außen her die Kraft der Sonne empfangen konnten, nur dadurch konnten sie in sich aufnehmen einen astralischen Leib und in sich entwickeln das Bewußthafte, das heißt, widerspiegeln in innerern Erleben, was um sie herum vorging. Ein Tierhaftes, ein innerlich lebendig Tierhaftes, ein Wesenhaftes, das Bewußtsein in sich trägt, ist also daran gebunden, daß innerhalb des Erden- und des Sonnenhaften eine Trennung eintritt. Das Tierhafte trat während der alten Mondenzeit auf, und der Mensch selbst war heraufgebildet in bezug auf seine Leiblichkeit bis zum Tierhaften. Das Genauere darüber haben Sie ja in meiner «Geheimwissenschaft» beschrieben.

So sehen wir also, wie diese drei Zustände, die unserem Erden werden vorangegangen sind und die die Bedingungen dieses Erdenwerdens sind, gesetzmäßig zusammenhängen. Und im Mondenzustand ist hinzugekommen zum Gasigen ein Flüssiges, ein Wässeriges auf der einen Seite und ein Tonhaftes, ein Klanghaftes nach der anderen Seite, ein Klanghaftes, wie ich es Ihnen gestern charakterisiert habe als eine Verfeinerung des Lichtzustandes. Das ist ungefähr eine Wiedergabe der Entwickelung. Das, was da geschehen war durch diese drei Zustände hindurch, tauchte nun wie die Erinnerung der Elohiin wieder auf, tauchte auf, wie wir gestern gesehen haben, zunächst in einem verworrenen Zustand, der bezeichnet wird in der Bibel mit den Worten, die ich gestern genauer charakterisiert habe, mit den Worten tohu wabohu. In den KraftstrahIen, die von einem Mittelpunkt nach auswärts und vom Umfange her nach einwärts strahlten, schlossen sich ein in einem Ineinanderwirken zunächst die drei elementarischen Zustände, die Luft, die Wärme und das Wässerige. Sie waren jetzt ungeschieden; früher waren sie schon geschieden gewesen. Auf der Sonne schon waren sie geschieden, als

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ein Gasförmiges von dem Wärmehaften sich abgetrennt hatte, und auch während des alten Mondenzustandes, wo die drei Formen des Wärmehaften, des Gashaften und des Wasserhaften voneinander geschieden waren. Jetzt waren sie in buntem Durcheinander während des tohu wabohu, sprudelten ineinander, so daß man in jener ersten Zeit des Erdenwerdens nicht unterscheiden konnte zwischen dem Wasserhaften, Gashaften und Wärmehaften. Das wirkte alles ineinander.

Das erste, was nun eintrat, war, daß in dieses Durcheinander hineinschlug das Lichthafte. Und dann entwickelte sich aus jener seelenhaften, geisthaften Tätigkeit, die ich Ihnen wie ein kosmisches Sinnen beschrieben habe, eine Tätigkeit heraus, die zuerst in dem Durcheinander des Elementarischen das alte Gasförmige von dem alten Flüssigen schied. Diesen Moment, der sozusagen auf die Lichtwerdung folgte, bitte ich ganz genau festzuhalten. Würden wir es in nüchterne Prosa übersetzen, was da geschehen ist, so müßten wir sagen: Nachdem eingeschlagen hat das Licht in das tohu wabohu, da schieden die Elohim das, was schon früher ein Gasiges war, von dem, was früher ein Wäßriges war, so, daß man wieder unterscheiden konnte das, was gasförmigen Zustand hatte, von dem, was im früheren Sinne in wäßrigem Zustand war. Also in der Masse, welche ein Durcheinander war aller drei elementarischen Zustände, wurde jetzt geschieden, und zwar so, daß zweierlei auftrat, eines mit dem Charakter des Luftigen, mit dem Charakter, sich nach allen Seiten hin zu verbreiten, und ein anderes mit dem Charakter des Zusammenhaltens, des Sichzusammendrängens. Das ist das Wäßrige. Nun waren aber die beiden Zustände in der Zeit, von der hier gesprochen wird, noch nicht so, daß wir sie mit dem, was wir heute Gas- oder Luftförmiges und Wasser nennen, vergleichen könnten. Das Wasser war ein wesentlich dichteres; wir werden gleich sehen warum. Dagegen war aber auch das, was luftförmig war, so, daß, wenn wir genau den Sinn seiner damaligen Beschaffenheit treffen wollen, wir kein besseres Beispiel finden können, als wenn wir heute den Blick von der Erde aufwärts richten, wo sich im Luftförmigen das Wäßrige zu Gasigem, Dampfförmigem bildet

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und das Bestreben hat, in Wolkenform aufzusteigen, um dann als Regen wieder niederzufallen; also das eine Element als ein aufsteigendes, das andere als ein absteigendes. Wäßriges haben wir in beiden, nur hat das eine Wäßrige die Tendenz, dampfförmig zu werden, als Wolken nach aufwärts zu gehen, und das andere die Tendenz, abwärts sich zu ergießen, sich in Oberflächengestalt niederzuschlagen. Das ist natürlich nur ein Vergleich, denn was ich da schildere, spielte sich ja im EIementarischen ab.

Wollen wir aIso das, was weiter geschah, charakterisieren, so müssen wir sagen: Die Elohim bewirkten durch ihr kosmisches Sinnen, daß in dem tohu wabohu eine Scheidung eintrat von zwei elementarischen Zuständen. Der eine hatte die Tendenz, nach aufwärts zu dringen, dampfförmig zu werden, das ist Wäßriges in Gasiges sich umbildend. Der andere hatte die Tendenz, nach unten sich zu ergießen, das ist Wäßriges, das immer dichter und dichter sich zusammenschließt. - Das ist der Tatbestand, der gewöhnlich in den modernen Sprachen dadurch ausgedrückt wird, daß man zum Beispiel im Deutschen sagt: «Die Götter machten etwas zwischen den Wassern oben und den Wassern unten.» Ich habe Ihnen eben jetzt geschildert, was die Götter machten. Sie bewirkten innerhalb der Wasser, daß das eine Elementare die Tendenz hatte, nach aufwärts zu kommen, und das andere die Tendenz, nach innen zum Mittelpunkt zu gelangen. Mit dem, was dazwischen ist, ist nichts gemeint, was man mit der Hand anfassen kann, sondern es ist eine Scheidung vollzogen in bezug auf zwei Kraftcharaktere, die ich Ihnen eben charakterisiert habe. Will man einen äußeren Vergleich dafür haben, so kann man sagen: Die Elohim bewirkten, daß die Wasser nach der einen Seite nach aufwärts gingen, nach Wolkenform strebten, in den Weltenraum hinausstrahlen woIlten, und daß sie nach der anderen Seite sich sammeln wollten auf der Erdoberfläche. - Die Scheidung war also eine Art ideelle. Deshalb ist das Wort, das in der Genesis steht für diese Scheidung, auch ideell aufzufassen. Sie wissen ja, daß die lateinische Bibel das Wort Firmamentum an dieser Stelle hat. Dafür steht in der Genesis das Wort rakia. Dieses Wort bezeichnet durchaus nicht etwas, was man in

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äußerer sinnenfälliger Weise deuten soll, sondern es bezeichnet eben die Auseinanderscheidung zweier Kraftrichtungen.

Damit haben wir das getroffen, was als ein zweiter Moment in der Genesis geschildert wird. So daß wir, wenn wir es in unsere Sprache übersetzen wollten, sagen müßten: Die Elohim trennten zunächst innerhalb der durcheinanderwirbelnden elementarischen Zustände die Luft von dem Wasserhaften. - Das ist auch die ganz genaue Wiedergabe dessen, was gemeint ist. Das in die Luft Strebende, das natürlich das Gasig-Wäßrige in sich begreift, und das zum Festeren sich Hinballende, das trennten die Elohim. Das ist der zweite Moment in der Schöpfungsgeschichte.

Nun schreiten wir zu dem nächsten Momente vor. Was geschieht da? Dasjenige, was da hinausgeschickt worden ist, was da hinausstrahlt, was nach Wolkenbildung drängt, das hat einen Zustand erreicht, der in gewisser Weise die Wiederholung eines früheren Zustandes ist, eines Zustandes in einer gröberen Form, als er auf der alten Sonne war. Das, was nach innen gestrebt hat, was in gewisser Beziehung wiedergibt das zum Wäßrigen Verdichtete des alten Mondenhaften, wird jetzt weiter differenziert, und diese weitere Scheidung bildet das, was als der dritte Moment im Erdenwerden auftritt. Wir können sagen, daß im zweiten Momente die Elohim geschieden haben das Luftförmige vom Wäßrigen. So scheiden sie im dritten Momente innerhalb des Wasserhaften das, was wir jetzt als Wasser kennen, und etwas, was vorher noch nicht da war, eine neue Verdichtung, das Feste. Jetzt erst ist das Feste gegeben. Während des alten Mondenzustandes war dieses Feste, dieses Erdenhafte noch nicht vorhanden. Jetzt wird es ausgeschieden aus dem Wasser- haften. Wir haben also im dritten Momente des Erdenwerdens einen Verdichtungsprozeß und müßten sagen: So wie die Elohim im zweiten Momente geschieden haben die Luftelemente von den wässerigen, so scheiden sie jetzt im dritten Momente innerhalb der alten Mondensubstanz das neue Wasserhafte ab von dem Erdenhaften, das jetzt als etwas ganz Neues auftritt. - Alles das im Grunde genommen, was ich Ihnen bisher geschildert habe, war schon früher vorhanden, wenn auch in anderer Gestalt. Ein Neues ist erst das

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Erdenhafte, das Feste, das jetzt im dritten Momente der Genesis auftritt. Das aus dem Wasserhaften herausgesonderte Erdenhafte, das ist das Neue. Das erst gibt die Möglichkeit, daß sich das vorher Vorhandene in einer erneuerten Gestalt zeigt.

Was bildet sich nun zuerst? Es ist das, was sich schon in der alten Sonne gebildet hatte, was wir beschrieben haben in dem dünnen gasigen Elemente des Sonnenhaften als aufsprießendes Pflanzenhaftes, was sich dann im Wäßrigen auf dem alten Monde wiederholt hat, wo ja die Pflanzenformen im heutigen Sinne auch noch nicht vorhanden waren. Und erst im dritten Momente wiederholt es sich eben in dem Erdenhaften selber. Das Pflanzenhafte wiederholt sich innerhalb des Erdenhaften zunächst. Das wird nun in der Bibel in wunderbarer Weise geschildert. Was die Tage zu gelten haben, werde ich später schildern; jetzt spreche ich von dem Lichteinschlag, von dem Lufteinschlag, von der Sonderung des Wassers von dem Festen. Das Feste bringt jetzt aus sich selbst eine Wiederholung des Pflanzenhaften hervor. In wunderbar anschaulicher Art wird uns das geschildert, indem uns gesagt wird, daß Pflanzenhaftes hervorsprießt aus dem Erdenhaften, nachdem die Elohim das Erdenhafte abgetrennt haben von dem Wasserhaften. Das Hervorsprießen des Pflanzenhaften am sogenannten dritten Schöpfungstage ist also im Festen eine Wiederholung dessen, was schon während des alten Sonnenzustandes vorhanden war, gleichsam eine kosmische Erinnerung. In dem kosmischen Sinnen der Elohim tauchte auf, was in der alten Sonne im gasigen Zustand als Pflanzenhaftes vorhanden war, jetzt aber im festen Zustande.

Alles wiederholt sich in einer anderen Form. Noch immer ist es in einem Zustande, wo es noch nicht individuell ist wie auf unserer heutigen Erde. Ich habe deshalb ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die einzelnen individuellen Pflanzenformen, die wir heute in der Sinneswelt draußen ergreifen, während des alten Sonnenzustandes noch nicht da waren, auch noch nicht während des alten Mondenzustandes und auch jetzt im Erdenzustand nicht, da, wo sich dieses Pflanzenhafte im Erdenhaften wiederholt. Was da vorhanden war, das waren die Gruppenseelen der Pflanzen, das, was

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wir heute die Arten der Pflanzen nennen, was für das seherische Bewußtsein nichts Abstraktes ist, sondern etwas im Geistgebiete Vorhandenes. Dazumal zeigte es sich in einem übersinnlichen Gebiete als Wiederholung. Daher wird es uns auch so geschildert. Es ist merkwürdig, wie wenig die BibeIausleger mit dem Worte anzufangen wissen, das gewöhnlich in der deutschen Sprache so übersetzt ist: «Die Erde brachte hervor allerlei Kraut und Sprossen nach ihrer Art.» Man müßte sagen: artgemäß! Hier haben Sie die Erklärung dafür. Es war in der Gestalt der Gruppenseelen, artgemäß vorhanden, noch nicht individuell wie heute. Die ganze Schilderung des Hervorsprießens des Pflanzlichen am sogenannten dritten Schöpfungstage werden Sie nicht verstehen, wenn Sie nicht diese Gruppenseelenhaftigkeit zu Hilfe nehmen. Sie müssen sich klar sein darüber, daß da keine Pflanzen im heutigen Sinn hervorsprossen, sondern daß aus einer seelischen, kosmisch sinnenden Tätigkeit heraussprossen die Artformen, mit anderen Worten, daß ein Gruppenseelenhaftes des Pflanzlichen heraussproß. So finden wir also, daß in dem Momente, wo uns am sogenannten dritten Schöpfungstage geschildert wird, wie die Elohim aus dem Wäßrigen heraus das Feste, den vierten elementarischen Zustand absondern, in diesem festen Zustande, der allerdings in seiner elementarischen Grundform für ein äußeres Auge noch nicht sichtbar gewesen wäre, sondern nur für das hellseherische Auge, wiederholen die Artformen des Pflanzlichen.

Das Tierische kann sich noch nicht wiederholen. Wir haben es ja charakterisiert, daß es erst auftreten konnte während des alten Mondenzustandes, als eine Zweiheit eingetreten war, als das Sonnenhafte von außen hereinwirkte. Eine Wiederholung dieses Vorganges der Mondentrennung mußte also erst eintreten, bevor die Entwickelung von dem Pflanzenhaften zum Tierischen hinaufsteigen konnte. Daher wird jetzt nach dem dritten Schöpfungstag darauf hingedeutet, wie im Umkreis des Erdenhaften das äußere Sonnenhafte, Mondenhafte, Sternenhafte zu wirken beginnt, wie das, was von außen hereinstrahlt, was seine Kräfte von außen hereinsendet, zu wirken beginnt. Während wir früher die Wirkung zu

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sehen haben als ein Heraussprießen aus dem planetarischen Zustand selber, haben wir jetzt, zu dieser Wirkung hinzutretend, von außen hereinstrahlend etwas, was aus dem Himmelsraume kommt. Mit anderen Worten, der entsprechende Vorgang müßte nun weiter etwa so geschildert werden: Zu den Kräften des Erdballs selber, der nur soviel wiederholen konnte aus seiner Einheit heraus, als er früher als Einheit hervorgebracht hatte, machten die Elohim wirksam in ihrem kosmischen Sinnen die Kräfte, die vom äußeren Weltenraume auf den Planeten niederströmten. Zum irdischen Dasein ward das kosmische hinzugefügt. Sehen wir vorläufig nichts anderes in dem, was im sogenannten vierten Schöpfungstag geschildert wird.

Was war nun durch dieses von außen Bestrahltwerden geschehen? Nun, es konnten sich naturgemäß die Vorgänge wiederholen, die schon während des alten Mondenzustandes da waren, nur in veränderter Form. Während des alten Mondenzustandes hatte sich ja herausgebildet, was an Tierischem möglich war im luftförmigen und wässerigen Elemente. Was in Luft und Wasser leben konnte, das hatte sich als Tierisches herausgebildet; das konnte sich jetzt zunächst wiederholen. In wunderbar sachgemäßer Weise wird dem halb am sogenannten fünften Schöpfungstage in der Genesis erzählt, wie das Gewimmel beginnt in Luft und Wasser. Da haben wir die Wiederholung der alten Mondenzeit, nur auf einer höheren Stufe, aus dem Erdenhaften heraus, in einer neuen Form.

Sehen Sie, solche Dinge gehören zu denjenigen, wo sich unser anthroposophisches Streben umwandelt in eine ungeheure Ehrfurcht gegenüber diesen alten Urkunden, wo man so ganz aus den anthroposophischen Anschauungen heraus zum Gefühl übergehen möchte der innigen Verehrung und Anbetung gegenüber diesen alten Urkunden. Das, was das hellseherische Bewußtsein findet, es wird in einer grandiosen, in einer urgewaltigen Sprache wiedergegeben in diesen alten Urkunden. Wir finden es wieder, was wir zuerst hellseherisch gewußt haben: daß, nachdem die Bestrahlung von außen eingetreten ist, sich wiederholen kann, was im alten Mondenzustande in dem luftförmigen und wäSserigen Elemente vorhanden war. Was bedeuten gegenüber solch einer Erkenntnis,

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die alle unsere Seelenkräfte aufrüttelt, all die verstandesmäßigen Einwände, die so oft gegen diese Dinge gemacht werden! Was bedeutet vor allen Dingen der Einwand, der darauf hinauszielt, daß diese Urkunden in primitiven Zeitaltern geschaffen worden seien und daß eigentlich die Menschenerkenntnis damals auf kindlichem Standpunkte stand? Schöner kindlicher Standpunkt, wenn wir das Höchste, wozu wir uns aufschwingen können, wiederfinden in diesen Urkunden! Müssen wir nicht dieselbe Geistigkeit, die heute einzig und allein sich hinauffinden kann zu dieser Offenbarung, auch denen zuschreiben, die uns diese Urkunden gegeben haben? Sprechen nicht die alten Hellseher eine deutliche Sprache, indem sie uns diese Dokumente hinterlassen haben? Die Erkenntnis dessen, was in diesen Dokumenten liegt, gibt uns selber den Beweis dafür, daß alte inspirierte Hellseher die 'Verfasser dieser Urkunden waren. Wir brauchen wahrhaft keinen historischen Beweis. Wir können den Beweis nur dadurch liefern, daß wir erkennen lernen, was in diesen Urkunden steht.

Wenn wir die Sache so auffassen, dann sagen wir uns: In alledem, was nun auf diesen fünften Moment, den sogenannten fünften Schöpfungstag, folgte, da erst konnte etwas Neues eintreten. Denn das, was sich wiederholen mußte, hatte sich nun wiederholt. Das Erdenhafte selber, das als ein neues Element hervorgetreten war, konnte jetzt mit dem Tierischen und alledem, was sich als Neubildung herausentfaltete, bevölkert werden. Daher sehen wir mit einer grandiosen Sachlichkeit geschildert, wie im sogenannten sechsten Schöpfungstage dasjenige auftritt, was sozusagen mit seinem Dasein an das Erdenhafte gebunden ist als ein neues Element. Jenes Tierische, von dem wieder gesagt wird, daß es am sechsten Schöpfungstage in der Welt seine Entstehung hat, das ist an das Erdenhafte gebunden, das tritt als ein neues Element auf. So sehen wir, daß wir bis zum fünften Schöpfungstage eine Wiederholung des Früheren auf einer höheren Stufe haben, in einer neuen Gestalt, daß aber mit dem sechsten Schöpfungstage erst eigentlich das Wesenhafte des Erdigen eintritt, daß da hinzukommt, was erst durch die Bedingungen des Erdenhaften möglich ist.

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Damit habe ich Ihnen sozusagen einen Grundriß gegeben der sechs Schöpfungstage. Ich habe Ihnen gezeigt, wie denen, die ihre große Weisheit in diese sechs Schöpfungstage hineingeheimnißt haben, wirklich bewußt sein mußte, was als ein Neues aufsproß. Und bewußt war ihnen auch ferner, wie erst innerhalb dieses Erdenhaften einschlagen konnte das, was die Wesenhaftigkeit des Menschen ausmacht. Wir wissen, daß alles das, was der Mensch durchmachte während des alten Saturn-, Sonnen- und Mondenzustandes, Vorbereitungsstadien waren für die eigentliche Menschwerdung. Wir wissen, daß während des alten Saturndaseins am Menschen erst die Anlage zum physischen Leib ausgebildet worden ist. Während des alten Sonnenzustandes kam hinzu die Anlage zum Äthereder Lebensleib, während des alten Mondenzustandes die des astralischen Leibes. Was sich wiederholte bis zum Ende des sogenannten fünften Schöpfungstages hin, das hatte Astralisches an sich. Alles Wesenhafte hatte Astralisches an sich. Das Ich, das vierte Glied der menschlichen Wesenheit, einzugießen einem Wesen in diesem ganzen Entwickelungskomplex, das war erst möglich, nachdem die Bedingungen des Erdenhaften voll geschaffen waren. So wiederholten die Elohim durch die fünf sogenannten Schöpfungstage hindurch auf einer höheren Stufe die früheren Zustände und bereiteten in dieser Wiederholung das Erdenhafte vor. Dann erst hatten sie, weil die Wiederholung eben in neuer Form war, ein Wesensgefäß, in das sie hineinprägen konnten die Menschenform, und das war die Krönung der ganzen Entwickelung.

Wäre eine bloße Wiederholung erfolgt, so hätte das Ganze nur vorschreiten können bis zum Astralisch-Tierischen. Da aber immer, vom Anfang an, in die wiederholenden Momente etwas hineingegossen wurde, was sich schließlich als Erdenhaftes enthüllte, so kam zuletzt etwas heraus, in das die sieben Elohim hineingießen konnten alles das, was in ihnen lebte. Ich habe schon charakterisiert, wie es in ihnen lebte: so, wie wenn man etwa sieben Menschen in einer Gruppe hat; die haben alle etwas anderes gelernt, sind in dem, was sie können, verschieden, arbeiten aber alle auf ein Ziel hin. Eine einzige Sache wollen sie machen. Ein jeder soll das geben,

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was er am besten kann. Dadurch entsteht ein gemeinsames Werk. Der einzelne für sich allein hat nicht die Kraft, dieses Werk zu machen; zusammen haben sie die Kraft. Was könnten wir von solchen sieben Menschen sagen, die irgendein gemeinsames Produkt formen? Man könnte sagen: sie prägen dieses Produkt so aus, daß es im Sinne des Bildes ist, das sie sich von ihrem Werke gemacht haben. - Das müssen wir uns auch als ein durchaus Charakteristisches vor Augen halten, daß die sieben Elohim zusammenwirkten, um zuletzt die Krönung dieses Wirkens zustande zu bringen: hineinzugießen menschliche Form in das, was entstehen konnte aus der Wiederholung des Früheren, weil allem ein Neues eingeprägt war. Daher wird plötzlich in der Genesis eine ganz andere Sprache gesprochen. Früher ist alles in ganz bestimmter Weise ausgedrückt: «die Elohim schufen», «die Elohim sprachen», und so weiter. Wir haben es zu tun mit etwas, von dem man das Gefühl hat: es ist von vorneherein bestimmt. Jetzt wird eine neue Sprache gesprochen da, wo die Krönung des Erdenwerdens auftreten soll: «Lasset uns» — wenn wir es in der gewöhnlichen Übersetzung geben — «lasset uns den Menschen machen.» Das klingt wie eine Beratung der Sieben zusammen, wie man es eben macht, wenn man ein gemeinsames Werk vollbringen will. So ergibt sich, daß wir in dem, was zuletzt als die Krönung des Entwickelungswerkes auftritt, ein Produkt des Zusammenwirkens der Elohim zu sehen haben; daß sie dasjenige, was einzeln ein jeder kann, beisteuern zu diesem gemeinsamen Werke und daß zuletzt die menschliche ätherische Form erscheint als ein Ausdruck dessen, was die Elohim sich an Fähigkeiten und Kräften angeeignet haben während der alten Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit.
Damit haben wir etwas außerordentlich Wichtiges angedeutet. Damit haben wir sozusagen gerührt an das, was als die menschliche Würde zu bezeichnen ist. Das religiöse Bewußtsein mancherlei Epochen hat in den Empfindungen, die es bei gewissen Worten hatte, viel genauer als heute gefühlt, wie die Sache eigentlich steht. Und auch der althebräische Weise hat das gefühlt. Wenn er seine Empfindungen hingerichtet hatte zu den sieben Elohim, so war es ihm

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so, als ob er in aller Demut und Verehrung, mit der man da aufblickt, doch sich sagen mußte: Der Mensch ist etwas Gewaltiges in der Welt, weil sieben Tätigkeiten zu einer Gruppe zusammenfließen mußten, um ihn zustande zu bringen. Ein Ziel für Götter ist die Menschenform auf der Erde. - Fühlen Sie das ganze Gewicht dieser Worte: Ein Ziel für Götter ist die Menschenform auf der Erde! Denn wenn Sie das ganze Gewicht dieses Wortes fühlen, dann werden Sie sich sagen: Diese Menschenform ist etwas, demgegenüber die einzelne Seele eine ungeheure Verantwortung hat, eine Verpflichtung, es so vollkommen als möglich zu machen. - Die Möglichkeit der Vervollkommnung war in dem Momente gegeben, als die Elohim den gemeinsamen Entschluß faßten, alles, was sie konnten, in ein Ziel zusammenströmen zu lassen. Das, was ein Erbe von Göttern ist, das ist dem Menschen übertragen worden, daß er es immer höher und höher ausbilde in ferne Zukunftszeiten hinein. Dieses Ziel zu fühlen in Geduld und Demut, aber auch in Kraft, das muß eines der Resultate sein, die aus der kosmischen Betrachtung fließen, die wir anknüpfen können an die monumentalen Worte am Anfang der Bibel. Unseren Ursprung enthüllen uns diese Worte, unser Ziel, unser höchstes Ideal weisen sie uns zugleich. Wir fühlen, daß wir göttlichen Ursprungs sind, wir fühlen aber auch das, was anzudeuten versucht worden ist im Rosenkreuzerdrama, da wo der Eingeweihte eine gewisse Stufe überschritten hat, wo er sich sozusagen in dem fühlt. Wohl fühlt er da seine menschliche Schwachheit, aber vor sich sein göttliches Ziel. Er vergeht nicht mehr, er verdorrt nicht mehr innerlich, sondern gehoben, innerlich erlebt fühlt er sich, indem er sich erlebt, wenn er sich erleben kann in dem andern Selbst, das ihm durchströmt ist von etwas, was seiner Seele verwandt ist, weil es sein eigenes Gottesziel ist.


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FÜNFTER VORTRAG

München, 20. August 1910

Wir haben darauf hingewiesen, wie in der Schilderung des Erdenwerdens durch die sogenannte Genesis zunächst eine Wiederholung jener früheren Zustände der Entwickelung gegeben ist, die heute nur durch die hellseherische Forschung, also das, was wir als die Quelle der anthroposophischen Weltanschauung bezeichnen, gewonnen werden können. Wenn wir uns noch einmal vor die Seele rücken, was wir so über die Entwickelungszustände gewonnen haben, in Zeitläufen, da von unserem Erdenhaften noch nichts vorhanden war, dann weisen wir darauf hin, daß das, was später unser Sonnensystem geworden ist, dazumal beschlossen war in einem planetarischen Dasein, das wir als den alten Saturn bezeichnen.

Und wir halten recht fest im Auge, daß dieser alte Saturn ein Ineinanderweben von bloßen Wärmezuständen war, ein Ineinanderweben von Wärmeverhältnissen. Derjenige, welcher nach unseren gegenwärtigen physikalischen Begriffen etwa Anstoß daran nehmen könnte, daß von einem Weltenwesen geredet wird, das nur in Wärme ist, den verweise ich auf das, was ich vorgestern gesagt habe, daß nämlich alle Einwände sogenannter moderner Wissenschaftlichkeit, die gegen das, was heute und auch sonst hier gesagt wird, erhoben werden können, von mir selbst erhoben werden könnten. Nur ist nicht die Zeit, in diesen Vorträgen alles das, was gutgIäubige moderne Wissenschaft sagen kann, auch wirklich zu berühren. Den Quellen der geisteswissenschaftlichen Forschung gegenüber nimmt sich das, was aus diesem ganzen Umfange der modernen Wissenschaft gesagt werden könnte, recht dilettantisch aus. Ich werde ja, um gerade mancherlei, was von dieser Seite auftaucht, zu berücksichtigen, einmal damit beginnen, und zwar zunächst wohl von meinem Prager Zyklus an, der im Verlaufe des nächsten Frühlings gehalten werden soll, nicht nur von all dem zu sprechen, womit man Anthroposophie begründen kann, sondern,

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damit die modernen Gemüter sich dann beruhigen können, auch von dem, womit man Anthroposophie widerlegen kann. Deshalb werden meinem Prager Vortragszyklus zwei öffentliche Vorträge vorangehen, von denen der erste heißt «Wie widerlegt man Anthroposophie?» und der zweite «Wie begründet man Anthroposophie?» Und diese Vorträge werde ich dann an anderen Orten halten, und es werden dann die Menschen schon sehen, daß von uns selbst alles das gesagt werden kann, daß uns selbst voll bewußt ist, was etwa von dieser oder jener Seite eingewendet werden kann gegen das, was auf anthroposophischem Boden gelehrt wird. Anthroposophie ist in sich ganz fest begründet, und diejenigen, die da glauben sie widerlegen zu können, die kennen sie eben noch nicht. Das wird im Laufe der Zeit hinlänglich gezeigt werden. In bezug auf jenen Wärmezustand des alten Saturn darf ich auch noch auf einige Bemerkungen verweisen, die ich in meiner «Geheimwissenschaft» gemacht habe, durch die sich auch diejenigen einigermaßen beruhigen können, die sich gezwungen fühlen, nach ihrer wissenschaftlichen Erziehung Einwendungen dagegen zu machen.

Nach Voraussetzung dieser Worte will ich also wiederum ganz frank und frei von anthroposophischem Gesichtspunkte aus sprechen ohne Rücksicht auf das, was etwa, gut gemeint, gegen diese Dinge vorgebracht werden kann.

Ein Ineinanderweben also von Wärmezuständen war im alten Saturndasein vorhanden. Das wollen wir einmal ganz fest ins Auge fassen. Im Sinne der Genesis wiederholt sich innerhalb des Erdenwerdens dieser alte Saturnzustand, der, wie gesagt, ein Ineinanderweben von Wärme- oder Feuerverhältnissen ist. Das ist das erste, was wir festhalten wollen im elementarischen Dasein. Und ich bitte Sie, dabei durchaus zu berücksichtigen, in welchem Sinne wir bei einem so hohen Daseinszustand, wie es der des alten Saturn ist, von Wärme oder Feuer sprechen. Dem, was wir da als Wärme oder Feuer bezeichnen, kommen wir nicht nahe, wenn wir etwa ein Streichholz oder eine Kerze anzünden und die Wärme oder das Feuer im physischen Dasein studieren. Wir müssen uns vielmehr das, was wir hier Wärme, was wir hier Feuer nennen, viel geistiger

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oder, besser gesagt, seelischer denken. Wenn Sie sich durchfühlen als ein in sich Wärme tragendes Wesen, wenn Sie sozusagen Eigenwärme fühlen, seelisch Eigenwärme erleben, dann wird es gut sein, wenn Sie dieses Eigenerlebnis, dieses Gefühlserlebnis als etwas betrachten, was Ihnen eine ungefähre 'Vorstellung von dem Ineinanderweben der Wärmeverhältnisse im alten Saturn geben kann.

Dann dringen wir vorwärts bis zum alten Sonnenzustand, dem zweiten der Entwickelungszustände unseres Planeten, und sprechen innerhalb des elementarischen Daseins davon, daß sich die Wärme verdichtet hat zu dem, was wir gasig oder luftförmig nennen können. Wir haben also im elementarischen Dasein der alten Sonne Wärme und Gas- oder Luftförmiges zu unterscheiden. Wir haben aber schon darauf hingewiesen, daß mit der Verdichtung der Wärme in das Luftförmige hinein, also mit einem Hinuntersteigen der elementarischen Zustände nach dem Dichteren, verknüpft ist ein Hinaufsteigen, wenn wir es so nennen dürfen, nach dem Dünneren, nach dem mehr Ätherischen, so daß, wenn wir den nächsten elementarischen Zustand unterhalb der Wärme als luftartig bezeichnen, wir den nächsten Zustand oberhalb der Wärme als lichtartig bezeichnen müssen, als lichtartigen Äther. Wenn wir also die gesamten elementarischen Verhältnisse während des alten Sonnenzustandes ins Auge fassen, dann wollen wir sagen: Es ist in der alten Sonne vorhanden gewesen ein Durcheinanderweben von Wärme, Licht und Luft, und alles das, was da gelebt hat während dieses alten Sonnenzustandes, das offenbarte sich innerhalb dieser Zustände von Wärme, Licht und Luft. Nun müssen wir uns noch einmal klarmachen, daß wenn wir den Blick bloß auf diese elementarischen 0ffenbarungen von Wärme, Licht und Luft richten, daß wir dann sozusagen nur die Außenseite, die Maja, die Illusion dessen haben, was eigentlich vorhanden ist. In Wahrheit sind es geistige Wesenheiten, die sich mittels der Wärme, des Lichtes und der Luft nach außen hin kundgeben. Es wäre etwa so, wie wenn wir unsere Hand in einen erwärmten Raum hineinstreckten und uns sagten: daß da Wärme ist in diesem Raum, hat seinen Grund darin,

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daß da ein Wesen ist, das Wärme verbreitet und in der Wärmeverbreitung ein Mittel der Offenbarung hat.

Wenn wir nun zum alten Monde vorschreiten, dann haben wir den mittleren Zustand wiederum als die Wärme, nach unten die Verdichtung der Wärme in Luft- oder Gasförmiges und noch weiter unten die Verdichtung ins Wäßrige. Das Licht wird wiederum herübergenommen. Wir haben dann gleichsam über dem Licht liegend als einen feineren, mehr ätherischen Zustand das, was ich schon charakterisiert habe, indem ich sagte: Was innerhalb unserer Materien als jenes ordnende Prinzip wirkt, das die chemischen Verbindungen und die chemischen Zerspaltungen zustande bringt, das, was der Mensch mit seinen äußeren Sinnen nur dann erkennt, wenn es sich durch das Instrument der Luft überträgt, was aber in einer geistigen Art allem Dasein zugrunde liegt, das können wir als einen Klang- oder Schalläther bezeichnen oder auch, weil ja dieser geistige Schall das materielle Dasein ordnet nach Maß und Zahl, als den Zahlenäther. - Wir sagen also: Wir steigen auf vom Licht zum Schall, verwechseln diesen Schall aber nicht mit dem äußeren Schall, der durch die Luft vermittelt wird, sondern sehen in ihm etwas, das nur wahrnehmbar ist, wenn der hellseherische Sinn des Menschen in gewisser Weise erweckt ist. - Innerhalb dieses alten Mondes also, in allem, was da ist im alten Monde selbst und was da wirkt von außen her, in all dem haben wir zu sehen an elementarischen Zuständen Wärme, Luft, Wasser, Licht, Schall.

Indem wir dann zum vierten Zustand aufsteigen, zum eigentlichen Erdenwerden, da fügen sich hinzu als neue Verdichtungen und Verdünnungen dieser elementarischen Zustände nach unten und nach oben das Erdige oder das Feste und das, was wir den eigentlichen Lebensäther nennen, einen noch feineren Äther als den Tonärher. So daß wir das elementarische Dasein des Erdenhaften so schildern können: Die Wärme ist wiederum als der mittlere Zustand vorhanden, als Verdichtungszustände haben wir Luftförmiges, Wäßriges und Festes, als Verdünnungszustände aber Licht-, Schall- und Lebensäther. - Ich mache ausdrücklich noch einmal, damit gar nichts undeutlich bleibt in dieser Auseinandersetzung, klar, daß das,

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was als Erdiges oder als Festes bezeichnet wird, nicht verwechselt werden darf mit dem, was die heutige Wissenschaft als Erdiges bezeichnet. Was hier in unseren Auseinandersetzungen so bezeichnet wird, das ist etwas, was in unserer Umgebung nicht unmittelbar zu sehen ist. Im Sinne des Okkultismus ist allerdings das, worauf wir schreiten, wenn wir den Boden unserer Erde überschreiten, Erde, insofern es fest ist, aber auch Gold und Silber und Kupfer und Zinn sind Erde. Alles das, was Fest-Stoffliches ist, ist im Sinne des Okkultismus Erde. Der heutige Physiker wird natürlich von seinem Gesichtspunkt aus sagen: Diese ganze Unterscheidung ist nichts; wir unterscheiden unsere verschiedenen Elemente, aber von dem, was diesen Elementen gleichsam wie ein Urstoff, wie ein Erdiges zugrunde liegen soll, davon wissen wir nichts. - Erst wenn der seherische Blick dasjenige durchdringt, was in den äußeren Elementen der Wissenschaft, in den etlichen siebzig Elementen gegeben ist, und nach dem Grunde der festen Elemente sucht, nach den Kräften, die die Materie in den festen Zustand fügen, erst wenn man also hinter das sinnliche Dasein dringt, dann findet man jene Kräfte, die das Feste, das Flüssige, das Luftförmige im Sinne des Okkultismus konstruieren, bilden, zusammensetzen. Und von dem ist hier die Rede. Und davon ist auch die Rede in der Genesis, wenn man sie recht versteht. Von diesen vier Zuständen müssen wir also dann sagen, zum Verständnis der Genesis, daß sich die drei ersten in unserem Erdendasein in irgendeiner Weise wiederholen müssen, der vierte aber als ein neuer auftritt innerhalb unseres Erdendaseins.
Versuchen wir einmal, daraufhin unsere Genesis zu prüfen. Versuchen wir sie zu prüfen mit den Mitteln, die wir uns schon angeeignet haben in den vorangegangenen Tagen. Wir müßten also in unserem Erdenwerden eine Art Wiederholung des alten Saturnzustandes finden. Wir müßten, mit anderen Worten, die alte Saturnwärme wiederfinden, wie sie wirkt als Ausdruck eines Geistig-Seelischen. Und wir finden sie, wenn wir die Genesis in richtiger Weise verstehen. Ich habe Ihnen gesagt, daß die Worte, die da gewöhnlich übersetzt werden «Der Geist der Elohim brütete über den Wassern», eigentlich bedeuten, daß das Geistig-Seelische der

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Elohim sich ausbreitet und daß jenes wärmehafte Element, das wir im Brüten hinunterstrahlend uns denken müssen vom Huhn in die Eier hinein, daß dieses Element durchzieht, was damals vom elementarischen Dasein vorhanden war. In den Worten «Der Geist der Elohim durchstrahlte wärmebrütend das elementarische Dasein, oder die Wasser» haben Sie angedeutet die Wiederholung der alten Saturnwärme.

Gehen wir weiter. Der nächste Zustand müßte derjenige sein, der eine Wiederholung des alten Sonnendaseins darstellt. Nehmen wir jetzt zunächst nicht Rücksicht auf das, was wir im elementarischen Sonnendasein als einen Verdichtungszustand haben, was von der Wärme zur Luft wurde, sondern auf das, was als Verdünnung auftrat, auf das Lichtelement. Nehmen wir also die Tatsache, daß während des Sonnenhaften das Licht in unseren kosmischen Raum einschlägt, dann wird die Wiederholung dieses alten Sonnenzustandes im Erdenwerden das Einschlagen des Lichtes sein. Das ist gegeben in den urgewaltigen Worten «Und die Elohim sprachen: Es werde Licht! Und es ward Licht.»

Die dritte Wiederholung wird dadurch gegeben werden müssen, daß in bezug auf die feineren elementarischen Zustände das, was wir ordnenden Schall- oder Klangäther nennen, unser Erdenwerden durchstrahlt. Fragen wir uns also, ob auch dieser Mondenzustand in irgendeiner Weise in seiner Wiederholung angedeutet ist. Wie müßte er denn angedeutet sein in der Genesis? Etwa so, daß in die elementarischen Stoffverhältnisse des Erdenwerdens der Schall in ähnlicher Weise ordnend eingreift, wie wir es sehen, wenn wir mit dem Violinbogen eine Platte streichen, die mit feinem Staub bestreut ist, und dann die Sogenannten Chladnischen Klangfiguren entstehen. Es müßte so etwas im Wiederholungszustand auftreten, was uns sagte: Es griff der Ton- oder Klangäther ein und ordnete die Materie in einer gewissen Weise. - Was aber wird uns von jenem Momente unseres Erdenwerdens gesagt, der auf die Lichtwerdung folgt? Da wird uns gesagt, daß etwas erregt wurde durch die Elohim inmitten der stofflichen elementarischen Massen, wodurch sich diese elementarischen Massen, wie ich Ihnen gestern

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charakterisiert habe, ordneten, indem sie nach oben strömten und nach unten sich sammelten. Ein ordnendes Kraftelement dringt ein und ordnet die elementarischen Massen, geradeso, wie der Schall hineindringt in die Staubmassen und die Chladnischen Klangfiguren bewirkt. Wie da der Staub sich ordnet, so ordnen sich die elementarischen Massen, indem sie nach oben strahlen und sich nach unten sammeln. Das Wort rakia, das da steht, um zu bezeichnen, was die Elohim da hineinfügten in die elementarischen Stoffmassen, ist ein schwer zu übersetzendes Wort, und die gebräuchlichen Übersetzungen reichen nicht hin, es in der richtigen Weise wiederzugeben. Wenn man alles zusammennimmt, auch rein philologisch, was heute zusammengetragen werden kann, Um dieses Wort zu erklären, so muß man sagen: Es ist mit der Übersetzung Firmament oder auch Gezelt oder auch Ausdehnung nicht viel getan, denn in diesem Worte liegt etwas Aktives, etwas Erregendes. Und eine genauere Philologie würde finden, daß in diesem Worte gerade das liegt, was hier angedeutet worden ist: Die Elohim erregten in den elementarischen Stoffmassen etwas, was sich vergleichen läßt mit dem, was in den Staubmassen der Chladnischen Klangfiguren erregt wird, wenn der Klang ordnend eingreift. Wie da der Staub sich ordnet, so wird nach aufwärts und nach abwärts die elementarische Stoffmasse geordnet am sogenannten zweiten Schöpfungstage. - So sehen wir also das Eingreifen des Klangäthers nach dem Lichtäther innerhalb der Genesis, und wir haben ganz sachgemäß mit dem sogenannten zweiten Schöpfungstage dasjenige vor uns, was wir in einer gewissen Beziehung als eine Wiederholung des Mondendaseins auffassen müssen.

Sie werden schon sehen, wie die Wiederholungen nicht in ganz eindeutiger Weise geschehen können, sondern wie sie gleichsam übereinandergreifen. Und was in scheinbarem Widerspruch in den heutigen Auseinandersetzungen zu den gestrigen erscheinen könnte, das wird sich schon klären. Die Wiederholungen geschehen so, daß zunächst eine Wiederholung stattfindet, wie ich sie jetzt erzähle, und dann eine umfassendere, wie ich sie schon gestern charakterisiert habe.

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Wir müssen nun erwarten, daß nach dem Moment des Erdenwerdens, wo also der Schalläther die Materien so geordnet hat, daß die einen nach oben strahlen und die anderen nach unten sich sammeln, nun etwas eingreift, was wir als einen feineren Zustand, als den eigentlichen erdenhaften, bezeichnet haben, das was wir das Leben, den Lebensäther genannt haben. Es müßte also auf den sogenannten zweiten Schöpfungstag etwas folgen, was uns anzeigen würde, daß in die elementarischen Massen unserer Erde Lebensäther einströmte, so wie zuerst Licht und ordnender SchaIläther eingeströmt sind. Wir müßten etwas haben in der Genesis, was uns andeutete: da zuckte hinein Lebensäther und brachte das Leben zur Erregung, zur Entfaltung. - Sehen Sie sich den dritten Moment an im Erdenwerden in der Genesis. Da wird Ihnen erzählt, wie die Erde hervorsprossen läßt das Grüne, das Lebende, das Kraut- und Baumartige - wie ich gestern gesagt habe: artgemäß. Da haben Sie lebendig dargestellt das Hineinströmen des Lebensäthers, der das alles hervorruft, was für den dritten Tag gesagt wird.

So haben Sie in der Genesis alles, was der Okkultismus durch die seherischen Kräfte zutage fördern kann und was wir erwarten müssen, wenn die Genesis wirklich von einem solchen okkulten Wissen stammt. Das sehen wir bestätigt, wenn wir sie nur richtig verstehen wollen. Es ist wunderbar, wie wir dasjenige, was wir zuerst unabhängig von jeder Urkunde erforschen, bestätigt finden durch die Genesis. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß in der Art, wie das Erdenwerden dargestellt worden ist als eine Wiederholung des alten Saturn, der alten Sonne, des alten Mondes in meiner , ganz absichtlich und gewissenhaft alles ferngehalten worden ist, was irgend aus der Genesis hätte entnommen werden können. Da sind nur diejenigen Resultate verzeichnet, welche unabhängig von jeder äußeren Urkunde gefunden werden können. Wenn Sie aber dann dieses so unabhängig von den Urkunden Gefundene mit der Genesis vergleichen, dann finden Sie, daß diese Genesis uns als ein Dokument entgegentritt, das uns dasselbe sagt, was wir aus unserer Forschung heraus uns haben sagen können. Das ist jener wunderbare Zusammenklang, auf den ich

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schon gestern hindeutete, wo gleichsam das, was wir selber sagen können, uns entgegentönt von Seherorganen, die vor Jahrtausenden zu uns gesprochen haben.

Wenn wir also die mehr feineren Elemente unseres Erdenwesens betrachten, so sehen wir in dem, was die drei ersten Schöpfungstage genannt wird, eine aufeinanderfolgende Wirksamkeit von Wärme, Licht, Schalläther und Lebensäther, und in dem in sich Erregten, in sich Belebten sehen wir gleichzeitig die Verdichtungzustände sich entfalten, aus der Wärme die Luft, dann das Wasser und das Feste, das Erdige, in der Art, wie ich es Ihnen dargestellt habe. So weben ineinander die Verdichtungs- und Verdünnungszustände, und ein einheitliches Weltbild unseres Erdenwerdens erringen wir uns so. Und wenn wir so von den dichteren Zuständen, von Wärme, Luft, Wasser, Erde, oder von den dünneren Zuständen, von Licht-, Schall-, Lebensäther, sprechen, dann haben wir es zu tun mit 0ffenbarungsweisen, mit äußeren Kleidern seelisch-geistiger Wesenheiten. Von diesen seelisch-geistigen Wesenheiten treten uns im Sinne der Genesis zunächst vor das seelische Auge die Elohim, und da muß uns im Sinne unserer anthroposophischen Weisheit die Frage aufstoßen: Welcher Art waren denn eigentlich die Elohim, was waren das für Wesenheiten? - Wir müssen, um uns vollständig zu orientieren, diese Wesenheiten 'sozusagen in unsere Hierarchienordnung einreihen können. Sie erinnern sich wohl alle aus dem, was im Verlaufe der Jahre Ihnen vorgetragen worden ist oder was Sie in meiner «Geheimwissenschaft» lesen können, daß wir in der hierarchischen Ordnung, wenn wir von oben anfangen, zunächst eine Dreiheit unterscheiden, die wir bezeichnen als Seraphime, Cherubime, Throne. Sie wissen, daß wir dann eine nächste Dreiheit anerkennen, die wir bezeichnen als Kyriotetes oder Herrschaften, Dynamis oder Mächte, und Exusiai oder Offenbarungen, Gewalten. Wenn wir dann die niederste Dreiheit nehmen und die christlichen Ausdrücke gebrauchen, so sprechen wir von Archai oder Urkräften, Urbeginnen oder Geistern der Persönlichkeit, von Archangeloi oder Erzengeln, von Angeloi oder Engeln, das heißt von denjenigen geistigen Wesenheiten, die dem Menschen am aller-

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nächsten stehen. Dann erst kommen wir in der Ordnung der Hierarchien zum Menschen selber als dem zehnten Gliede innerhalb unserer hierarchischen Ordnung. Und wir müssen uns fragen: An welche Stelle dieser Ordnung gehören denn die Elohim?

Da müssen wir unseren Blick auf die zweite der Dreiheiten richten, auf diejenigen Wesenheiten, die wir Exusiai oder Gewalten, Geister der Form nennen. Dann haben wir die Rangordnung der Elohim. Wir wissen aus dem, was wir im Laufe der Jahre dargestellt haben, daß während des alten Saturndaseins die Archai, die Geister der Persönlichkeit, auf jener Menschheitsstufe standen, auf der wir heute stehen. Während des alten Sonnenzustandes standen die Erzengel oder Archangeloi auf der Menschheitsstufe, während des alten Mondendaseins die Engel oder Angeloi, und während des Erdendaseins steht der Mensch auf der Menschheitsstufe. Einen Grad über den Geistern der Persönlichkeit haben wir die Geister der Form, die Exusiai, dieselben, die wir die Elohim nennen. Das sind also geistige Wesenheiten, die, als unser planetarisches Dasein mit dem alten Saturn begonnen hat, schon über das Menschendasein hinausgeschritten waren; hohe, erhabene geistige Wesenheiten, die ihre Menschheitsstufe schon vor der alten Saturnzeit durchgemacht haben. Dadurch, daß wir uns das vor der Seele vergegenwärtigen, bekommen wir einen Begriff von der Erhabenheit dieser Elohim und wissen, daß sie sozusagen um vier Grade in der hierarchischen Ordnung über der Menschheitsstufe stehen. Was also da wob, was da, wenn ich das Wort wieder gebrauchen darf, kosmisch sann und aus dem Sinnen heraus unser Erdendasein bewirkte, das steht um vier Grade in der hierarchischen Ordnung höher als der Mensch, das kann mit seinem Sinnen schöpferisch wirken, wie der Mensch nur schöpferisch wirken kann in bezug auf seine GedankengebiIde. Weil es um vier Grade höher steht als das menschliche, ist dieses Sinnen der Elohim nicht bloß ein Ordnen und Bilden und Schaffen innerhalb einer Gedankenwelt, sondern dieses Sinnen der Elohim ist ein Wesengestalten und ein Wesenschaffen.

Nun muß, nachdem wir dieses vorangeschickt haben, die Frage in uns auftauchen: Wie verhält es sich mit den anderen Wesenheiten

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der Hierarchien? Zunächst wird uns interessieren, was im Sinne der Genesis mit denen geschehen ist, die wir eben bezeichnet haben als Archai oder Geister der Persönlichkeit. Sie sind ja die nächsten nach unten gehenden Wesenheiten im Sinne unserer hierarchischen Ordnung. Wir wollen uns also noch einmal vorhalten, daß wir in den Elohim hocherhabene Wesenheiten vor uns haben, die schon zur Zeit des alten Saturndaseins über die Menschheitsstufe hinausgeschritten waren. Diese Wesenheiten der Elohim begleiteten schaffend und ordnend das alte Saturn-, Sonnen- und Mondendasein und griffen auch in das Erdendasein ein. Was können wir nun erwarten von jener Hierarchie, die unmittelbar unter der Hierarchie der Elohim steht, von den Geistern der Persönlichkeit? Erzählt uns von ihnen die Genesis gar nichts? Wenn wir die Elohim als die im Sinn der Genesis für uns erkennbaren hohen, erhabenen Wesenheiten betrachten, so müßten wir eigentlich erwarten, daß gleichsam wie dienende Wesenheiten diese Urkräfte, Urbeginne oder Geister der Persönlichkeit wirkten. Sagt uns etwa die Genesis etwas davon, daß, nachdem die Elohim die großen schöpferischen Tätigkeiten entfaltet hatten, daß sie sich nun zu den niedrigeren Tätigkeiten wie ihrer Diener der Archai oder Urbeginne bedienten? Die hauptsächlichsten, die umfassendsten Tätigkeiten übten die Eiohim aus. Wenn aber so die Elohim die großen Linien zogen, die großen schöpferischen Kräfte entfalteten, stellten sie dann in der rechten Weise an den Ort hin zum Beispiel die Archai oder Geister der Persönlichkeit?

Wenn wir uns die Frage beantworten wollen, ob die Genesis etwas darüber sagt, daß sich die Elohim solcher für sie untergeordneter Wesenheiten bedienten und sie an ihre Stelle hinstellten, dann müssen wir die Genesis wiederum erst in der richtigen Weise verstehen. Es gibt nun einen Punkt im Verständnis der Genesis, der eine wahre Crux, ein wahres Kreuz ist für alle äußere Exegese, und zwar aus dem Grunde, weil seit Jahrhunderten schon diese äußeren Kommentatoren der Bibel ganz und gar keine Rücksicht genommen haben auf das, was die okkulte Forschung über den eigentlichen Sinn der Worte am Anfang unserer Bibel zu sagen hat. Ein

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Kreuz in der Auslegung der Genesis ist es. Sie brauchen nur die Literatur, wie sie sich seit langer Zeit entfaltet hat, einmal durchzugehen, und Sie werden das bestätigt finden. Da steht in der Genesis, was in den modernen Sprachen so gegeben wird, daß es etwa in unserer deutschen heißt: «Und die Elohim schieden das Licht von der Finsternis», und es wird dann dargestellt, wie gleichsam Licht und Finsternis wechselten. Ich werde auf die Worte noch genauer zurückkommen. Ich will jetzt stellvertretend die Worte der modernen Sprache gebrauchen; sie sind ja nicht richtig und sollen nur vorläufig gebraucht werden. Es steht da an einer bestimmten Stelle: «Und es ward Abend und es ward Morgen, ein Tag», und weiter steht: «Und die Elohim nannten das Licht Tag.» Die äußere Literatur hat nun hier wirklich ihr Kreuz. Was ist denn ein Schöpfungstag? Der naive Verstand, der sieht in einem Tag etwas, was vierundzwanzig Stunden dauert, was ebenso zwischen Licht und Finsternis abwechselt wie unsere Tage, während deren wir wachen und schlafen. Nun wissen Sie gewiß alle, wieviel Spott aufgehäuft worden ist gegen diese naive Vorstellung des Schaffens der Welt in sieben solchen Tagen. Sie wissen vielleicht auch, welche Mühe, und man darf sagen dilettantische Mühe, aufgewendet worden ist, um die Schöpfungstage in irgendeiner Weise zu deuten als längere oder kürzere Perioden, als geologische Perioden und so weiter, so daß solch ein Schöpfungstag irgendeine längere Zeitperiode bedeute.

Die erste Schwierigkeit entsteht natürlich dann, wenn man sein Augenmerk auf den sogenannten vierten Schöpfungstag hin richtet, wo im Sinne der Genesis selber erst davon die Rede ist, daß Sonne und Mond als das, was die Zeit ordnet, eingerichtet wird. Nun weiß doch jedes Kind heute, daß die Ordnung unseres vierundzwanzigstündigen Tages von dem Verhältnis der Erde zur Sonne abhängt. Wenn das aber erst am vierten Tag eingerichtet worden ist, so kann vorher von solchen Tagen nicht die Rede sein. Derjenige, der also den naiven Glauben festhalten wollte, daß man es in der Genesis mit vierundzwanzigstündigen Tagen zu tun habe, der würde gegen die Genesis selber sündigen. Es mag ja solche Geister geben, aber man muß ihnen entgegnen, daß sie sich ganz gewiß

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selber nicht auf die Offenbarung stützen, wenn sie behaupten, man habe es mit Tagen in unserem Sinne zu tun. - Auf all die WillkürIichkeiten nun einzugehen, welche bei denen aufgetaucht sind, die ein Auskunftsmittel suchen, um diese Tage der Genesis geologisch zu deuten, das lohnt wirklich nicht einmal der Mühe. Denn es gibt nirgends im weiten Umkreise der Literatur auch nur das Geringste, was als Beleg dafür dienen könnte, daß man es da, wo das Wort jom steht in der Bibel, zu tun hat mit irgend so etwas wie einer geologischen Periode. Dagegen entsteht allerdings jetzt für uns die Frage: Was bedeutet dieses Wort jom, das gewöhnlich mit «Tag» übersetzt wird?

Was damit gemeint ist, können nur diejenigen ermessen, die imstande sind, mit ihrer ganzen Empfindung sich zurückzuleiten in alte Bezeichnungsweisen, in alte Nomenklaturen. Man muß ein ganz anderes Fühlen und Empfinden haben, als man es heute hat, wenn man sich in alte Nomenklaturen zurückversetzen will. Aber ich möchte Sie, damit ich Sie nicht zu stark überrasche, sozusagen Schritt für Schritt zurücklenken. Da möchte ich Sie zuerst hinlenken auf eine alte Lehre, die im Sinne der Gnostiker vorhanden ist. Da hat man gesprochen von Mächten, welche sich an der Entwickelung unseres Daseins beteiligen, die nacheinander in diese Entwickelung unseres Daseins eingreifen, und man nannte diese Mächte, diese Wesenheiten Äonen. Man sprach von den Aonen im Sinne der Gnostiker. Mit diesen Aonen sind nicht Zeiträume gemeint, sondern Wesenheiten. Das ist gemeint, daß ein erster Äon wirkt und das, was er zu wirken vermag, auswirkt, dann von einem zweiten abgelöst wird und dieser, nachdem er mit seinen Kräften gewirkt hat, wiederum abgelöst wird von einem dritten und so weiter. Solche die Entwickelung leitenden, aufeinanderfolgenden, einander abIösenden Wesenheiten meinten die Gnostiker, wenn sie von Äonen sprachen, und nur sehr spät ist der rein abstrakte Zeitbegriff mit dem verbunden worden, was das Wort Äon ursprünglich bedeutet. Äon ist etwas Wesenhaftes, etwas lebendig Wesenhaftes. Und in demselben Sinne lebendig Wesenhaftes, wie es Äon ist, ist auch das, was mit dem hebräischen Worte jom bezeichnet wird. Da

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hat man es nicht zu tun mit einer bloßen abstrakten Zeitbestimmung, sondern mit etwas Wesenhaftem. Jom ist eine Wesenheit. Und wenn man es mit aufeinanderfolgenden sieben solcher jamim zu tun hat, dann hat man es mit sieben einander ablösenden Wesenheiten oder meinetwillen Wesensgruppen zu tun.

Wir haben hier dasselbe, was sich hinter einer anderen Wortähnlichkeit verbirgt. Sie haben da in den mehr arischen Sprachen die Wortverwandtschaft von deus und dies, «Gott» und «Tag». Das ist innerlich wesensverwandt, und in älteren Zeiten hat man die Verwandtschaft von «Tag» und einer Wesenheit durchaus gefühlt, und wenn man von Wochentagen gesprochen hat, wie wir von Sonntag, Montag, Dienstag und so weiter sprechen, so hat man damit nicht nur Zeiträume gemeint, sondern es waren mit den «dies» zugleich gemeint die in Sonne, Mond, Mars wirkenden Wesensgruppen. Fassen Sie einmal das Wort jom, das da in der Genesis steht und das gewöhnlich wiedergegeben wird mit «Tag», als geistige Wesenheit auf, dann haben Sie diejenigen Wesenheiten, die in der Hierarchie um eine Stufe unter den Elohim stehen, deren die Elohim sich bedienen als untergeordnete Geister. Da, wo die Elohim durch ihre höheren, ordnenden Kräfte gewirkt hatten, daß Licht werde, da stellten sie an seinen Platz jom, die erste Wesenheit, den ersten der Zeitgeister oder Archai im Sinne dieser Urworte. So sind diese geistigen Wesenheiten, die wir Geister der Persönlichkeit oder Urbeginne nennen, dasselbe, was da als Zeiträume, als «Tag», als jom genannt wird. Es sind die dienenden Geister der Elohim, diejenigen, die gleichsam ausführen, was vom höheren Gesichtspunkte aus die Elohim anordnen. Diejenigen von Ihnen, welche meine Vorträge gehört haben, die ich vor kurzem in Christiania gehalten habe, werden sich erinnern, daß ich da die Archai auch als die Zeitgeister bezeichnet habe, daß ich da charakterisiert habe, wie noch jetzt diese geistigen Wesenheiten als die Zeitgeister wirken. Das waren die dienenden Wesenheiten der Elohim; die stellten die Elohim gleichsam an, damit sie ausführten, was sie selber in großen Linien, dem Plane nach, ordneten. So ordnet sich aber auch für unsere Weisheit alles in ein großes System zusam-

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men. Allerdings erst, wenn Sie jahrelang verfolgen, was gesagt wird, werden Sie einen rechten Überblick bekommen von der Art, wie sich wirklich restlos alles zusammenordnet.

Wir können also sagen: Als erhabene Wesenheiten griffen in dieses Ineinanderweben der verschiedenen Äöther, von Luft, Wasser und Erde die Elohim ein. Sie stellten sich als Diener an, wenn wir diesen trivialen Ausdruck gebrauchen dürfen, die unter ihnen befindlichen Wesenheiten. Sie übertrugen ihnen gleichsam Befehle. In dem Momente, wo sie das Licht hineinergossen hatten in das Dasein, da übertrugen sie die weitere Ausarbeitung dessen, was sie angeordnet hatten, diesen Wesenheiten. - So dürfen wir sagen: Nachdem die Elohim das Licht geschaffen, stellen sie an seinen Platz den ersten ihnen dienenden Zeitgeist hin. Der verbirgt sich hinter dem gebräuchlichen Worte «der erste Tag». — Wir werden allerdings das, was in noch tieferem Sinn mit diesem «ersten Tag» gemeint ist, erst verstehen, wenn wir das andere verstehen, was in der Umgebung dieses Satzes steht: «Es wurde Abend, es wurde Morgen, der erste Tag.» Es trat also in die Wirksamkeit der erste der Zeitgeister, und verbunden war damit dasjenige, was man darstellen kann als einen Wechselzustand von ereb und boker. Ereb ist nicht dasselbe, was mit «Abend», und boker nicht dasselbe, was mit «Morgen» wiedergegeben wird. Wollen wir einigermaßen passende Worte dafür auffinden, so müssen wir sagen: «Und es wurde ereb, das Verworrene, und es folgte darauf boker, das Geordnete.» Wir müßten sagen: «Und es stellte sich dar Verworrenheit und es folgte ihr die Ordnung, die Harmonie, und darin wirkte der erste der Zeitgeister.»

Saturn

Sonne

Mond

Erde

Leben

Schall

Schall

Licht

Licht

Licht

Wärme (Feuer)

Wärme

Wärme

Wärme

Luft

Luft

Luft

Wasser

Wasser

Erde

 


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SECHSTER VORTRAG

München, 21. August 1910

Wenn wir noch einmal zurückblicken auf das, was sich uns als Schilderung der ersten Momente des Erdenwerdens ergeben hat, so können uns dabei mancherlei noch ungeklärte Dinge ins Auge fallen. Nach all dem, was wir jetzt miteinander betrachtet haben, ergibt es sich ja, daß wir viel mehr, als es nach den gebräuchlichen Bibelübersetzungen der Fall ist, Wesenhaftes in den Wortbezeichnungen der Genesis zu suchen haben.

Wir haben gestern darauf hingewiesen, daß das Wort jom, «Tag», nicht das Abstraktum ist, das Zeitabstraktum, das wir heute als Tag bezeichnen, sondern daß mit diesem Worte hingedeutet wird auf Wesenhaftes, nämlich auf diejenigen Wesenheiten, die wir in der Ordnung der Hierarchien als Geister der Persönlichkeit, als Zeitgeister, Archai, bezeichnen. Den Ausspruch, der hier schon öfter getan worden ist: daß wir hinter diesem Weben und Leben des elementarischen Daseins, das uns in der Genesis geschildert wird, Seelisch-Geistiges allüberall zu sehen haben, diesen Ausspruch dürfen wir somit noch tiefer nehmen, als wir ihn vielleicht bisher nahmen. Und wir dürfen auch hinter mancherlei anderem, was uns in der Genesis vor die Seele tritt, nicht leere Abstraktionen, sondern Wesenhaftes erblicken. Leicht wird es ja sein, Wesenhaftes zu sehen, wenn da steht: der Geist der Elohim, Ruach Elohim. Aber wenn wir den Sinn der alten Überlieferungen treffen wollen, dürfen wir nicht nur bei solchen Ausdrücken Wesenhaftes suchen, wo vielleicht auch ein heutiges Gemüt sich noch entschließt, Wesenhaftes zu sehen, sondern wir müssen diesem Wesenhaften überall nachspüren. Und so wird es nicht unberechtigt erscheinen, wenn die Frage entsteht: Wie haben wir es mit dem zu halten, was sich verbirgt zum Beispiel hinter dem Ausdruck «Und das innerlich Regsame war tohu wabohu», wie ich es Ihnen charakterisiert habe, «und Finsternis war über dem elementarischen stofflichen Dasein»? Haben wir

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vielleicht auch hinter dem, was hier mit «Finsternis» bezeichnet wird, irgend etwas Wesenhaftes zu sehen? - Wir können nämlich die Genesis gar nicht verstehen, wenn wir uns solche Fragen nicht beantworten. So wie wir hinter allem, was sonst im elementarischen Dasein sozusagen als das Positive auftritt, wie Licht, Luft, Wasser, Erdiges, Wärme, wie wir in all dem nur die Offenbarungen zu sehen haben für ein Geistiges, so werden wir auch vielleicht in den mehr negativen Ausdrücken nur die äußere Offenbarung von etwas tieferem Wesenhaftem zu sehen haben.

Um hinter diese Sache zu kommen, wird es wiederum notwendig sein, auf das älteste Verfolgbare in unserem planetarischen  Werden zurückzublicken. Wir haben ja oft gesagt, daß wir das alte Saturndasein als ein reines Wärmedasein anzusehen haben, daß dann beim Herübergehen zum alten Sonnendasein auf der einen Seite die Verdichtung zum Luft- oder Gasförmigen, auf der anderen Seite eine Art Verdünnung nach dem mehr Ätherischen, zum Lichtäther stattfindet. Und wir haben gesehen, wie eine Art Wiederholung dieses lichtätherischen Zustandes da stattfindet, wo die Worte erklingen: «Und die Elohim sprachen: Es werde Licht! Und es ward Licht.»

Wir können nun fragen: War die Finsternis von selber da, oder ist auch hinter ihr ein geistig Wesenhaftes verbergen? - Wenn Sie das entsprechende Kapitel in meiner «Geheimwissenschaft» nachlesen, dann wird Ihnen etwas auffallen, was außerordentlich wichtig ist zum Begreifen alles Werdens, daß nämlich auf jeder Stufe der Entwickelung gewisse Wesenheiten zurückbleiben. Nur eine gewisse Anzahl von Wesenheiten erreicht ihr Ziel. Ich habe das oftmals mit dem banalen, drastischen Vergleich bezeichnet, daß ich sagte: Nicht nur in unseren Schulen bleiben zur Sorge der Eltern die Schüler sitzen, sondern tatsächlich bleiben auch im kosmischen Werden gewisse Wesenheiten auf einer früheren Stufe stehen, erreichen sozusagen nicht das entsprechende Ziel. - So also dürfen wir sagen, daß gewisse Wesenheiten während der alten Saturnentwickelung nicht ihr eigentliches Entwickelungsziel erreicht haben, daß sie zurückgeblieben sind, daß sie, als das alte Sonnendasein schon

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da war, in gewisser Beziehung noch immer auf dem Saturnstandpunkt standen.

Wie werden sich nun während des alten Sonnendaseins solche Wesenheiten, die ja eigentlich noch Saturnwesen waren, angekündigt haben? Dadurch, daß sie vor allen Dingen das Wesenhafte des alten Sonnendaseins, daß sie die Lichtnatur nicht erreicht haben. Weil sie nun aber einmal vorhanden waren, deshalb hatte dies alte Sonnendasein, das ich Ihnen beschrieben habe als In-sich-Webendes von Licht, Wärme und Luft, es hatte neben dem Licht, gleichsam eingesprengt in dieses, die Finsternis in sich verwoben. Und diese Finsternis war ebenso der Ausdruck der auf der Saturnstufe zurückgebliebenen Wesenheiten, wie das webende Licht der Ausdruck derjenigen Wesenheiten war, die in regulärer Weise die alte Sonnenstufe erreicht hatten. So woben, äußerlich betrachtet, am äußeren Sonnendasein ineinander Saturnwesen, die zurückgeblieben waren, und Sonnenwesen, die richtig vorgeschritten waren. InnerIich betrachtet also, woben diese Wesenheiten ineinander, und äußerlich gaben sie sich kund als Licht und Finsternis, als Ineinanderwirken von Licht und Finsternis. Schauen wir also auf das Licht hin, so dürfen wir sagen: das ist die Offenbarung der zum Sonnendasein vorgerückten Wesenheiten. Schauen wir auf die Finsternis, so stellt sie sich uns dar als die äußere Offenbarung der auf der alten Saturnstufe stehengebliebenen Wesenheiten.

Wenn wir das erkennen, dann können wir nun auch für die Wiederholung des alten Saturn- und Sonnendaseins während der Erdenentwickelung erwarten, daß diese Verhältnisse zwischen vorgeschrittenen und zurückgebliebenen Wesenheiten neuerdings auftreten. Und weil die Wesenheiten, welche in dem alten Saturnzustand zurückgeblieben sind, sozusagen eine frühere Entwickelungsstufe darstellen, werden sie auch in der Wiederholung früher auftreten können als das Licht. Daher sehen wir ganz richtig, daß uns gleich in den ersten Versen der Genesis angekündigt wird, wie über den elementarischen Massen Finsternis herrscht. Das ist die Wiederholung saturnischen Daseins, aber zurückgebliebenen saturnischen Daseins. Das andere, das Sonnendasein, das muß warten.

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Das erscheint nachher, das erscheint in dem Zeitpunkt, der da angedeutet ist mit den Worten «Es werde Licht». Also sehen wir in einer vollständig zutreffenden Weise in der Genesis auch mit diesen Wiederholungen das Richtige getroffen.

Wir müssen uns, wenn wir überhaupt das Dasein verstehen wollen, darüber klar sein, daß das, was auf einer früheren Stufe auftritt, nicht etwa einmal da ist und dann vergeht. Die Wahrheit ist vielmehr, daß zwar stets ein Neues auftritt, daß aber neben dem Neuen das Alte vorhanden bleibt und innerhalb des Neuen wirkt. Und so haben wir auch heute im Erdendasein die beiden Entwickelungsstufen, die wir bezeichnen können als das Verhältnis von Licht und Finsternis. Licht und Finsternis ist wirklich etwas, was unser Dasein durchwirkt Hier kommt man allerdings zu einem, man möchte sagen, für die Gegenwart recht fatalen Kapitel.

Ich weiß nicht, ob einige von Ihnen wissen, daß ich mich nun seit dreißig Jahren etwa immer wieder bemühe, zu zeigen, welche tiefe Bedeutung und welchen inneren Wert die Goethesche Farbenlehre hat. Allerdings, wer sich heute für die Goethesche Farbenlehre einsetzt, der muß sich ganz klar sein darüber, daß er das Ohr seiner Zeitgenossen nicht haben kann. Denn diejenigen, welche durch physikalische Erkenntnisse fähig wären, einzusehen, was eigentlich damit gesagt wird, wenn man von der Goetheschen Farbenlehre spricht, die sind heute ganz und gar unreif, überhaupt das Wesen der Goetheschen Farbenlehre zu verstehen. Die physikalische Phantasterei mit ihren Ätherschwingungen und so weiter ist heute absolut unfähig, irgendwie den Wesenskern dessen, was die Goethesche Farbenlehre ausmacht, einzusehen. Da muß man einfach noch einige Jahrzehnte warten. Wer über diese Dinge spricht, weiß das. Und die anderen wiederum - verzeihen Sie, wenn ich diesen Ausspruch tue -, die vielleicht vom Okkultismus her oder sonstwie anthroposophisch schon reif wären, das  Wesenhafte der Goetheschen Farbenlehre einzusehen, die wissen viel zu wenig von Physik, als daß man sachgemäß über diese Dinge sprechen könnte. So ist also heute ein rechter Boden für diese Sache nicht vorhanden. Dem, was die Goethesche Farbenlehre in sich schließt, liegt zugrunde

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das Geheimnis des Zusammenwirkens von Licht und Finsternis als zweier polarischer wesenhafter Entitäten in der Welt. Und das, was man heute in phantastischer Weise als den Begriff der Materie bezeichnet, was überhaupt so, wie es vorgestellt wird, gar nicht vorhanden, sondern eine Illusion ist, das ist etwas, was sich als ein geistig-seelisches Wesen überall da verbirgt, wo der polarische Gegensatz des Lichtes, die Finsternis, auftritt. In Wahrheit ist das, was als physikalischer Begriff von Materie bezeichnet wird, eine Phantasterei. In den Gebieten des Raumes, wo man, wie die Physik sagt, das zu suchen hat, was als Materie spukt, da ist in Wahrheit nichts anderes vorhanden als ein gewisser Grad von Finsternis. Und ausgefüllt ist dieser finstere Rauminhalt von seelisch-geistig Wesenhaftem, das verwandt ist mit dem, was schon in der Genesis konstatiert wird, da wo die Gesamtmasse dieses Seelisch-Geistigen durch die Finsternis charakterisiert wird und wo gesagt wird, daß diese Finsternis über dem elementarischen Dasein wogt. Alle diese Dinge liegen eben ungeheuer viel tiefer, als die gegenwärtige Naturwissenschaft sich träumen läßt. Also wir haben es zu tun, wenn von Finsternis gesprochen wird in der Genesis, mit der Offenbarung der zurückgebliebenen saturnischen  Wesenheiten, und wenn von Licht gesprochen wird, haben wir es mit der Offenbarung der fortgeschrittenen Wesenheiten zu tun. Die wirken und weben ineinander.

Nun haben wir gestern darauf aufmerksam gemacht, daß die Hauptlinien, gleichsam die größeren Züge der Entwickelung, von jenen Wesenheiten angegeben werden, die wir auf die Stufe der Exusiai gestellt haben, auf die Stufe der Geister der Form, so daß diese also die großen Linien auch in den Lichtwirksamkeiten angeben. Und weiter haben wir gesehen, daß sie gleichsam als ihre Diener bestellen die Geister der Persönlichkeit und daß hinter dem Ausdruck jom, Tag, etwas wie eine von den Elohim bestellte Wesenheit von dem Rang der Archai, unterhalb der Elohim, zu sehen ist. Wir werden also auch vermuten dürfen, daß, ebenso wie auf der einen, gleichsam auf der positiven Seite wirksam sind diese Diener der Elohim, diese Geister der Persönlichkeit, die als jom, Tag, bezeichnet werden, daß ihnen gegenüber die zurückgebliebenen geistigen

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Wesenheiten, die durch die Finsternis wirken, auch eine gewisse Rolle spielen. Ja, wir dürfen sagen: Die Finsternis ist etwas, was die Elohim vorfinden, das Licht ersinnen sie. Als sie heraussinnen aus dem, was als Rest des alten Daseins geblieben ist, die beiden Komplexe, da ergibt sich, daß darinnen verwoben war die Finsternis als Ausdruck der zurückgebliebenen Wesenheiten. Das Licht spenden sie. - Wie aber gleichsam aus dem Licht heraus die Elohim diejenigen Wesenheiten hinstellen, die mit jom, Tag, bezeichnet werden, so ergibt sich auch aus der Finsternis heraus dieselbe Stufe von Wesenheiten, nur zurückgeblieben auf einer früheren Daseinsstufe. Wir können also sagen: Den Elohim steht auf der einen Seite entgegen alles das, was sich als die Finsternis offenbart. - Und wir müssen nun fragen: Was steht den unmittelbaren Dienern im Licht, den Archai gegenüber, denen, die mit jom, Tag, bezeichnet werden, was steht ihnen entgegen als das entsprechende Zurückgebliebene?

Damit wir uns da nicht mißverstehen, ist es gut, wenn wir uns vorher eine andere Frage beantworten, die, ob wir unter diesen zurückgebliebenen Wesenheiten immer etwas Böses, etwas Unrechtes im Weltenzusammenhange zu sehen haben. Der abstrakte Mensch, der sich nur an Begriffe hält, der kann leicht dazu kommen, daß er sozusagen ärgerlich wird über die zurückgebliebenen Wesenheiten, oder auch er kann in die andere Stimmung verfallen, daß er Mitleid empfindet mit den armen zurückgebliebenen Wesenheiten. Das alles wären Empfindungen und Begriffe, welche wir nicht hegen sollten gegenüber diesen großen wesenhaften Dingen des Weltenalls. Da würden wir ganz fehlgehen. Wir müssen vielmehr uns vor die Seele rufen, daß alles, was so geschieht - ob die Wesenheiten nun ihr Ziel erreichen, ob sie gewissermaßen sich zurückhalten auf früherer Stufe der Entwickelung -, daß alles das aus der kosmischen Weisheit heraus geschieht und daß es sinnvoll ist, wenn Wesenheiten auf einer gewissen Stufe zurückbleiben; daß es ebenso seine Bedeutung hat für das Ganze, wenn Wesenheiten zurückbleiben, als wenn Wesenheiten ihr Ziel erreichen, mit anderen Worten, daß gewisse Funktionen überhaupt

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nicht ausgeführt werden könnten von den vorgeschrittenen Wesenheiten, daß dazu solche Wesen nötig sind, die auf früherer Stufe zurückbleiben. Die sind in ihrer Zurückgebliebenheit eben am richtigen Orte. Man möchte sagen: Was sollte denn eigentlich aus der Menschenwelt werden, wenn alle, die Lehrer sein sollen für die Kleinen, Universitätsprofessoren würden? - Diejenigen, die nicht Universitätsprofessoren werden, die sind an ihrem Platze viel besser, als es die Vorgeschritteneren sein würden. Wahrscheinlich würden die Universitätsprofessoren für sieben-, acht-, neun-, zehnjährige Kinder recht wenig geeignete Pädagogen sein! So ist es auch im kosmischen Zusammenhange. Diejenigen, die ihr Ziel erreichen, würden für gewisse Aufgaben im Kosmos recht wenig geeignet sein. Für solche Aufgaben müssen die anderen, die, wir können ebensogut sagen, aus Entsagung zurückgeblieben sind, ihren Platz ausfüllen. Und ebenso, wie nun die fortgeschrittenen Geister der Persönlichkeit, jom, an ihren Platz hingestellt werden von den Elohim, so werden, um die ganze Ordnung, die ganze Gesetzmäßigkeit unseres Erdenwerdens hervorzurufen, auch die zurückgebliebenen Archai benützt, jene Geister der Persönlichkeit, die sich nicht durch das Licht, die sich durch die Finsternis offenbaren. Sie werden an den richtigen Platz gestellt, damit sie in entsprechender Weise ihren Beitrag liefern zum gesetzmäßigen Werden unseres Daseins.

Wie wichtig das ist, das kann sich uns aus einer Betrachtung ergeben, die wir unserem gewöhnlichen heutigen Dasein entnehmen. Das Licht, von dem in der Genesis gesprochen wird, ist nicht das Licht, das mit den äußeren physischen Augen gesehen werden kann. Dieses ist ein später Ausdruck des Lichtes, von dem in der Genesis gesprochen wird. Ebenso ist das, was wir als physische Finsternis bezeichnen, was um uns herum ist in der Nacht, wenn die Sonne nicht scheint, ein später physischer Ausdruck dessen, was in der Genesis als die Finsternis bezeichnet wird. Wenn wir uns nun fragen: Hat für den Menschen dieses physische Tageslicht, wie wir es heute sehen, eine gewisse Bedeutung?, so wird keiner von Ihnen die Bedeutung dieses Lichtes für das menschliche Wesen wie für andere Wesen bezweifeln. Nehmen Sie zum Beispiel die Pflanzen!

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Wenn Sie sie aus dem Lichte bringen, so verkümmern sie. Für alles, was auf der Erde lebt, ist das Licht ein Lebenselement. Das Licht ist also notwendig, auch für den Menschen, in bezug auf das äußere leibliche Dasein.

Aber nicht allein das Licht, es ist noch etwas anderes notwendig. Und um dieses andere kennen zu lernen, müssen wir die WechseIzustände von Wachen und Schlafen in bezug auf unseren physischen und Ätherleib ins Auge fassen. Was heißt denn eigentlich, im tieferen Sinn verstanden, wachen? Was tun wir denn als Menschen, wenn wir wachen? Im Grunde ist all unsere Seelentätigkeit, alles das, was wir entfalten in unserer Vorstellungswelt, in unserer Empfindungs- und Gefühlswelt, in den auf- und abwogenden Leidenschaften, kurz alles das, was in diesem Wogen und Kraften unseres Astralleibes und unseres Ichs stattfindet, ein fortwährendes Verbrauchen unseres physischen Leibes während des Tageslebens. Das ist eine uralte okkulte Wahrheit, eine Wahrheit, zu der heute selbst die landläufige Physiologie schon kommt, wenn sie nur ihre Ergebnisse einigermaßen richtig deutet. Das, was die Seele entfaltet als unser Innenleben, das verbraucht im wachen Zustande fortwährend die Kräfte des äußeren physischen Leibes, der seine erste Entwickelungsanlage erhalten hat während des alten Saturnzustandes.

Ganz anders ist das Leben dieses physischen Leibes während des Schlafzustandes, wenn der Astralleib mit dem Auf- und Abwogen des Innenlebens heraußen ist. Ebenso wie das tagwachende Leben ein fortwährendes Verbrauchen, man könnte sagen, Zerstören der Kräfte des physischen Leibes ist, so ist das Schlafleben ein fortwährendes WiederhersteIlen, ein Regenerieren, ein Aufbauen. So daß wir an unserem physischen Leib und unserem Ätherleib unterscheiden müssen zerstörende Vorgänge und aufbauende Vorgänge: Zerstörungsvorgänge, die sich voIlziehen während des tagwachen Lebens, und aufbauende Vorgänge, die sich während des SchIaflebens vollziehen. Alles das aber, was irgendwo im Raume geschieht, steht nicht alIein in der Welt, sondern steht mit dem gesamten Dasein in Verbindung. Und wenn wir die Zerstörungsprozesse, die sich vom Aufwachen bis zum Einschlafen in unserem

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physischen Leib vollziehen, ins Auge fassen, so dürfen wir sie nicht so betrachten, als ob sie isoliert innerhalb der Grenze unserer Haut sich abspielten. Sie sind mit den kosmischen Vorgängen innig verbunden. Es setzt sich nur fort, was von außen in uns einfließt, so daß wir während des tagwachenden Lebens gewissermaßen mit abbauenden Kräften des Universums, während des Nachtschlafes mit aufbauenden Kräften des Universums in Verbindung sind.

Dieses Abbauen unseres physischen Leibes, das wir heute während des Tagwachens haben, das durfte während des alten Saturndaseins nicht vorhanden sein. Wäre das schon beim alten Saturndasein vorhanden gewesen, dann hätte sich überhaupt niemals die erste Anlage unseres physischen Leibes bilden können. Denn man kann natürlich nichts bilden, wenn man anfängt zu zerstören. Die Saturntätigkeit mußte an unserem Leib eine aufbauende sein. Dafür war während des Saturndaseins gesorgt. Die Zerstörungsprozesse in unserem Leib, sie vollziehen sich ja gerade während des Tages, während des Einflusses des Lichtes; das Licht war aber noch nicht vorhanden während des alten Saturndaseins. So war also die Saturntätigkeit für unseren physischen Leib eine aufbauende. Nun mußte aber wenigstens während einer gewissen Zeit diese aufbauende Tätigkeit erhalten bleiben, auch als später, während des alten Sonnendaseins, das Licht hinzukam. Das konnte nur dadurch bewirkt werden, daß Saturnwesen zurückgeblieben sind, die das Aufbauen besorgen. Sie sehen also, daß es in der kosmischen Entwickelung notwendig war, daß für unsere Schlafenszeit die Saturnwesen zurückgehalten wurden, dainit sie, wenn kein Licht vorhanden ist, den Aufbau des zerstörten physischen Leibes besorgten. So müssen hineinverwoben sein in unser Dasein die zurückgebliebenen Saturnwesen. Ohne sie würden wir überhaupt nur zerstört. Wir müssen einen Wechselzustand haben, ein Zusammenwirken von Sonnenwesen und Saturnwesen, von Lichtwesen und Finsterniswesen. Wenn also in richtiger Weise die Tätigkeit der Lichtwesen gelenkt werden sollte von den Elohim, dann mußten Sie in ihre Arbeit regelrecht einverweben die Arbeit der Dunkelwesen, der Finsterniswesen. In der kosmischen Tätigkeit gibt es keine Möglichkeit des

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Bestandes, wenn nicht überall hineinverwoben wird in die Lichtkraft Dunkelkraft. Und in dem Ineinanderweben, gleichsam in dem Netz-Weben von Lichtkraft und Dunkelkraft liegt eines der Geheimnisse des kosmischen Daseins, der kosmischen Alchemie. An dieses Geheimnis ist gerührt da, wo in dem Rosenkreuzerdrama Johannes Thomasius hinaufkommt in das Devachan und wo die eine Genossin der Maria, Astrid, die Aufgabe erhält, der Leuchtkraft die Dunkelkraft einzuweben, wie Sie überhaupt in diesen Sätzen im Gespräch der Maria mit den drei Genossinnen unzählige kosmische Geheimnisse haben, an denen lange, lange studiert werden kann, um sie herauszuholen.

Wir müssen also festhalten, daß, wenn wir unser gegenwärtiges Dasein betrachten, wir dieses Zusammenspiel sozusagen von sonnenhafter Lichtkraft und saturnischer Dunkelkraft als eine Notwendigkeit unseres Daseins ansehen müssen. Wenn die Elohim also über das Weben der Lichtkraft, über jene Arbeit, welche geleistet wird an uns Menschen oder an den Wesenheiten der Erde überhaupt während der Einwirkung des Lichtes, die Geister der Persönlichkeit als ihre Unterwesen einsetzten, so mußten sie ihnen als Genossen die zurückgebliebenen saturnischen Wesenheiten beigeben. Sie mußten die gesamte Arbeit des Universums zusammenweben lassen aus den richtig fortgeschrittenen und den zurückgebliebenen Archai. Die zurückgebliebenen Archai wirken in der Finsternis. Daher stellen die Elohim, trivial gesprochen, nicht bloß die Wesenheiten an, die mit jom bezeichnet werden, sondern sie stellen ihnen entgegen diejenigen, die in der Dunkelkraft wirken. Und es heißt daher mit wunderbar realistischer Schilderung des Tatbestandes: Und die Elohim, sie nannten das, was als Geister im Licht wob, jom, Tag; das aber, was in der Finsternis wob, das nannten sie laj`lah. - Und das ist nicht unsere abstrakte Nacht, das sind die saturnischen Archai, die damals nicht bis zur Sonnenstufe vorgedrungen waren, und das sind auch diejenigen, die heute noch in uns wirksam sind während des Nachtschlafes, indem sie an unserem physischen und Ätherleib als aufbauende Kräfte wirken. Dieser geheimnisvolle Ausdruck, der da steht, laj`lah, der zu allerlei mytho-

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logischen Bildungen Anlaß gegeben hat, der ist weder unser abstraktes «Nacht», noch ist er irgend etwas, was Veranlassung geben könnte, an Mythologisches zu denken. Er ist nichts anderes als der Name für die zurückgebliebenen Archai, für diejenigen, die ihre Arbeit verbinden mit der der fortgeschrittenen Archai.

Damit haben wir also etwa gesagt an der betreffenden Stelle der Genesis: Die Elohim zeichneten die großen Linien des Daseins; zu der untergeordneten Arbeit setzten sie ein die fortgeschrittenen Archai und sie stellten ihnen auf als Helfer diejenigen, die in Resignation, damit das Dasein zustande kommen könne, auf der Saturnstufe in Dunkelheit zurückgeblieben waren. - So also haben wir jom und laj`lah als die beiden Gegensätze von Gruppen von Wesenheiten, die Helfer der EIohim sind und die auf der Stufe, sagen wir der Zeitgeister, der Geister der Persönlichkeit, stehen. Wir sehen das Dasein sich verweben aus Geistern der Form und der Persönlichkeit, aus vorgeschrittenen und zurückgebliebenen Wesenheiten dieser beiden betreffenden Stufen.

Wenn wir nun diese Fragen nach dem Dargestellten einigermaßen befriedigend beantwortet haben - es steht hinter all diesen Dingen noch unendlich viel anderes -, so könnte jetzt eine andere Frage entstehen, und sie wird sich jedem von Ihnen auf die Lippen drängen: Wie steht es nun mit den weiteren Hierarchien? Wir unterscheiden ja innerhalb der Hierarchien, wenn wir heruntersteigen von den Geistern der Form, zunächst die Archai, die Geister der Persönlichkeit, dann weiter die sogenannten Erzengel, Archangeloi, Feuergeister. Redet uns von diesen die Genesis gar nicht? - Wir wollen einmal näher zusehen, uns darüber klar werden, wie die Sache mit diesen Feuergeistern eigentlich steht. Wir wissen, daß sie während des Sonnendaseins die Menschheitsstufe erreicht hatten. Sie sind durch das Mondendasein bis zum Erdendasein hin fortgeschritten. Sie sind die Wesenheiten, welche in inniger Weise zusammenhängen mit alledem, was wir das Sonnenhafte nennen können, denn sie sind während des Sonnendaseins gerade zu ihrer Menschheitsstufe gelangt. Wenn nun während der alten Mondenzeit die Notwendigkeit entstand, daß sich das Sonnenhafte trennte von dem

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Erdenhaften, was in jener alten Zeit das Mondhafte ist, dann blieben natürlich diese Wesenheiten, die ihre wichtigste Stufe auf der Sonne durchgemacht hatten, die sozusagen mit dem Sonnenhaften naturgemäß verbunden waren, auch mit dem Sonnenhaften vereint. Als also das Mondhafte, das spätere Erdenhafte, sich heraustrennte aus dem Sonnenhaften, blieben diese Wesenheiten nicht mit dem sich heraustrennenden Erdenhaften oder Mondhaften, sondern mit dem Sonnenhaften in Verbindung. Sie sind die Wesenheiten, die hauptsächlich von außen auf dieses Erdenhafte wirken.
Ich habe Ihnen nun bereits angedeutet, daß in der Entwickelung vom Saturnhaften zum Sonnenhaften als höchste Stufe das Pflanzenartige auf der Sonne entstehen konnte. Das Tierische, das, was Innenleben hat, konnte nur dadurch entstehen, daß eine Trennung, eine Spaltung eintrat. Erst während des Mondendaseins konnte daher etwas Tierhaftes entstehen. Da mußte eine Einwirkung von außen geschehen. ES wird uns nun in der Genesis bis zu dem sogenannten dritten Schöpfungstag nicht mitgeteilt, daß von außen irgend etwas wirksam gewesen sei. Und es ist gerade im Übergang vom sogenannten dritten zum vierten Schöpfungstage von großer Bedeutung, daß uns gesagt wird vom vierten, daß wirksam wurden von außen die Leuchtekräfte, die Leuchtewesenheiten, also gleichsam, daß so, wie im alten Mondenzustand die Sonne den Mond von außen beschien, ebenso nun Sonne und Mond die Erde von außen beschienen. Damit ist aber nichts Geringeres gesagt, als daß bis zu diesem Momente alle die Kräfte wirksam sein konnten, die innerhalb des Erdenhaften selber sind. Wiederholt werden konnte bis dahin alles, was frühere Stufen darstellte; neu entstehen konnte das, was seine Zentralkräfte im Erdenwesen selber hat. So haben wir gestern gesehen, wie der Wärmezustand sich wiederholt im Geiste der Elohim, die über den Wassern brüteten, wie sich das Licht wiederholt in dem Momente, der bezeichnet wird mit den Worten «Es werde Licht», daß sich der Zustand des Klangäthers wiederholt da, wo diese Klangätherkräfte einschlagen und das Obere von dem Unteren trennen. Das wird dargestellt in der Schilderung, die gewöhnlich als der zweite Schöpfungstag bezeichnet

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wird. Dann haben wir gesehen, wie der Lebensäther einschlägt am sogenannten dritten Schöpfungstage, wo herauskommt aus dem Erdenhaften, aus dem neuen Zustand, alles das, was durch den Lebensäther bewirkt werden kann, das sprossende Grün. Damit aber etwas Tierhaftes Platz finden kann auf unserer Erde, muß sich wiederholen, was man nennen kann ein Beschienenwerden von außen, ein Wirken der Kräfte von außen. Daher erzählt uns die Genesis ganz sachgemäß nichts von irgend etwas Tierartigem für die Zeiträume, wo sie uns noch nichts von den Kräften erzählt, die aus dem kosmischen Raume auf die Erde wirken. Sie erzählt uns da nur von Pflanzenartigem. Alle Wesen, die in der Erdenbildung enthalten waren, waren auf der Stufe des Pflanzenartigen. Das Tierhafte konnte erst beginnen, als von der Umgebung her die Lichtwesen wirkten.

Das, was da eintrat, das wird nun - sehen Sie sich unzählige Bibelübersetzungen an! - gewöhnlich so übersetzt, daß man es im Deutschen wiedergeben kann mit den Worten: «Und die Elohim setzten die Zeichen für die Zeiten, Tag und Jahr.» Nun haben wir einige Kommentatoren, Exegeten kennengelernt, die angefangen haben zu denken. Das ist aber in der heutigen Zeit, wo man es verschmäht, auf reale Gründe zu gehen, das Los der Kommentatoren, daß sie gerade noch anfangen zu denken, und nicht zu Ende denken können. Ich habe nun einige solcher Kommentatoren kennengelernt, die darauf gekommen sind, daß es eigentlich ein Unsinn ist, was als die gebräuchliche Übersetzung da steht: «Und sie setzten Zeichen für die Zeiten, Tag und Jahr.» Ich möchte auch wirklich denjenigen Menschen kennen, der sich bei diesem Satz irgend etwas Vernünftiges denken kann. Was steht denn aber in Wirklichkeit da?

Wenn man wirklich echt und treu, mit wahrer Empfindung dessen, was ein alter hebräischer Weiser mit diesen Worten verband, wenn man so in philologischer Gründlichkeit die Stelle übersetzen will, so muß man sagen: Auch hier handelt es sich nicht um «Zeichen», sondern um lebendige Wesenheiten, um jene Wesenheiten, die da wirken, die sich kundgeben in der Aufeinanderfolge dessen, was zeitlich geschieht. - Und man könnte richtig übersetzen: Und die Elohim stelIten an ihre Plätze hin die Ordner des Zeitenlaufes

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für die Wesenheiten der Erde, die Ordner besonders markanter Zeitpunkte, größerer oder kleinerer Zeiträume, was man so gewöhnlich mit «Jahr und Tag» wiedergibt. Es wird also hingewiesen auf die Ordner, die unter der Stufe der Archai stehen und die das Leben ordnen. Die Zeitgeister, die Archai, haben die Aufgabe, das zu tun, was eine Stufe tiefer liegt als die Aufgabe der Elohim. Dann kommen die Ordner, die Zeichensetzer für das, was wiederum innerhalb der Tätigkeit der Archai zu ordnen, zu gruppieren ist. Das aber sind keine anderen Wesenheiten als die Erzengel. Und wir dürfen daher sagen: In dem Augenblick, wo die Genesis darauf hinweist, daß nicht nur im Erdenleibe etwas geschieht, sondern daß von außen Kräfte hereinwirken, da läßt sie auch eintreten die Wesenheiten, die mit dem Sonnendasein schon verbunden waren, die ordnenden Erzengel, die eine Stufe tiefer stehen als die Archai. Während diese noch gleichsam als Äonen wirken, gebrauchen sie als Mittel für die Entfaltung ihrer Kräfte die Erzengel, die Lichtträger, die in unserem Umkreise wirken. - Das heißt, es wirken aus dem kosmischen Raume durch die Konstellationen der die Erde umgebenden Lichtwesen die Erzengel so, daß nun die großen Ordnungen, die eigentlich durch die Archai angegeben werden, ausgeführt werden.

Diejenigen, die an dem Vortragszyklus in Christiania teilgenommen haben, werden sich erinnern, daß hinter dem, was man heute den Zeitgeist nennt, die Archai auch heute noch stehen. Wenn wir in der Welt Umschau halten über die Ordnung unserer Weltangelegenheiten, so finden wir ja, daß wir zum BeispieI in jeder Zeit eine Anzahl von VöIkern haben. Von diesen Völkern werden Sie sagen können: Für eine bestimmte Zeit herrscht ein Zeitgeist, der alles umspannt, daneben herrschen aber gleichsam als Untergeister die besonderen Volksgeister. - So wie heute die Zeitgeister herrschen und hinter diesen die Archai stehen - ich habe das charakterisiert in meinen Christiania-Vorträgen -, so stehen die Erzengel hinter dem, was man die Volksgeister nennt. Sie sind im Grunde genommen in einer gewissen Weise die Volksgeister. Schon die Genesis deutet darauf hin, daß auch für die Zeiten, wo der Mensch eigentlich noch nicht vorhanden war, diese geistigen Wesenheiten die ordnenden Mächte waren.

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So also müßten wir sagen: Die Elohim bewirkten, daß da Licht wurde, sie offenbarten sich selber durch das Licht. Aber für die kleineren Tätigkeiten innerhalb des Lichtes setzten sie ein die in der hierarchischen Ordnung unter ihnen stehenden Archai, die da mit dem Worte jom bezeichnet werden, und sie stellten ihnen an die Seite die Wesenheiten, welche notwendig hineinverwoben werden müssen in das Netz des Daseins, damit neben die Tätigkeit im Licht die dazugehörende Tätigkeit der Dunkelheit kommen kann. Neben jom stellen sie laj`lah, was man gewöhnlich mit «Nacht» übersetzt. Dann aber handelt es sich darum, weiterzuschreiten, die Entwickelung weiter zu spezialisieren. Dazu mußten andere Wesenheiten aus der Ordnung der Hierarchie herausgenommen werden. Wenn man also sagt, die Elohim oder Geister der Form offenbarten sich durch das Licht und ließen die Geschäfte des Lichtes und der Dunkelheit besorgen durch die Archai, so muß man weiter sagen: Nun aber schritten die Elohim weiter, spezialisierten das Dasein weiter und setzten für die Tätigkeiten, die jetzt nicht nur das Dasein im pflanzenhaft Äußeren begründen, sondern die ein Inneres hervorrufen sollen, ein Inneres, das ein Spiegelbild des Äußeren werden kann, sie setzten ein die Erzengel, und sie übertrugen ihnen jene Wirksamkeit, die von außen auf unsere Erde einströmen muß, damit nicht nur Pflanzenartiges hervorsprießen kann, sondern Tierartiges, in Vorstellung und Empfindung innerlich webendes Leben.

So also sehen wir, wie die Genesis ganz sachgemäß auch auf diese Erzengel hindeutet, wenn man nur die Dinge richtig versteht. So werden Sie, wenn Sie denkend an die Exegese der gebräuchlichen Kommentatoren herangehen, überall Unbefriedigendes fühlen. Wenn Sie aber zu Hilfe nehmen das, woraus die Genesis entsprungen ist, die Geheimwissenschaft, so werden Sie überall diese Genesis lichtvoll durchdringen können. Alles wird Ihnen in neuem Lichte erscheinen, und diese Urkunde, die wegen der Unmöglichkeit, die alten lebendigen Worte in unsere Sprache zu übersetzen, sonst unverstanden bleiben müßte, diese Urkunde wird der Menschheit erhalten bleiben als ein für alle Zeiten sprechendes Dokument.


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SIEBENTER VORTRAG

München, 22. August 1910

Es wird meine Aufgabe sein, in diesen Vorträgen von den verschiedensten Seiten her eine Übersicht zu geben über alles das, was zum Verständnis der Genesis führen kann. Ich bitte Sie allerdings, bei allen solchen Auseinandersetzungen niemals den eigentlichen anthroposophischen Gesichtspunkt aus den Augen zu verlieren. Dieser anthroposophische Gesichtspunkt ist ja zunächst der, auf die Tatsachen des geistigen Lebens selber zu gehen. In erster Linie also interessiert uns bei allem, was wir besprechen, die Frage: Wie verhalten sich die Dinge im geistigen Leben, in der geistigen Entwickelung? - Also auch für das, was sich für uns mit den Berichten der Genesis deckt, ist die Hauptsache, was dem sichtbaren Entwickelungsgang unseres Erdenwerdens an übersinnlichen Ereignissen und Tatsachen vorangegangen ist. Und dann erst ist es für uns von besonderer Wichtigkeit, das, was wir zunächst unabhängig von allen Urkunden aus der geistigen Forschung selbst heraus festgestellt haben, wiederzufinden in den Urkunden der verschiedenen Zeiten, der verschiedenen Völker. Dadurch gewinnen wir die Möglichkeit, uns in das richtige Gefühlsverhältnis, in das richtige Achtungsverhältnis zu dem zu setzen, was aus fernen Zeiten und Völkern her in unser Gemüt hineintönt. Wir gewinnen dadurch die Möglichkeit, gleichsam uns zu verständigen mit denjenigen Zeiten, die wir ja in anderen Verkörperungen selber durchlebt haben, die Möglichkeit, wieder anzuknüpfen an das, was uns berührt haben muß in vergangenen Zeiträumen. So haben wir den Gesichtspunkt, der dieser Vortragsreihe zugrunde liegt, aufzufassen.

Wir haben in den letzten Tagen versucht, uns eine Vorstellung darüber zu bilden, wie wir jene geistigen Wesenheiten, die wir aus dem Gebiete der Geisteswissenschaft her kennen, in der Genesis wiederfinden. Zum Teil ist uns das schon gelungen. Wir haben dabei den Gesichtspunkt immer im Auge gehabt, daß es sich bei

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dem, was zunächst uns äußerlich entgegentritt, ja selbst, was uns auf den niederen Stufen des hellseherischen Bewußtseins entgegentritt - und mit Tatsachen des hellseherischen Bewußtseins haben wir es ja im Grunde genommen immer zu tun in der Genesis -, daß es sich bei dem um Maja, um Illusion handelt; daß unsere gewöhnliche Auffassung der Sinneswelt, so wie diese Sinneswelt für unser Erkenntnisvermögen zunächst vorhanden ist, daß diese Sinneswelt Maja oder Illusion ist. Das ist ein Satz, der einem jeden geläufig ist, der sich einigermaßen mit dem Gebiete der Geisteswissenschaft beschäftigt hat. Auch daß gewissermaßen die niederen Gebiete des Hellsehertums, daß alles das, was wir ätherische und astralische Welt nennen, in einem höheren Sinn in dieses Gebiet der Täuschung hineingehört, auch das ist etwas, was keinem verborgen bleiben kann, der sich längere Zeit mit geisteswissenschaftlichen Anschauungen beschäftigt. Wir stoßen sozusagen auf den wahren Grund des Daseins, soweit er für uns erreichbar ist, erst dann, wenn wir über diese genannten Gebiete hinaus zu den tieferen Quellen des Daseins dringen. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten. Und wir dürfen nicht dabei stehenbleiben, uns das bloß theoretisch zu sagen, sondern es muß sozusagen das Gefühl in Fleisch und Blut übergehen, daß wir uns Illusionen hingeben, wenn wir an dem äußeren Dasein hängenbleiben. Zu übersehen etwa das äußere Dasein, es gering zu schätzen, das wäre natürlich auch wiederum eine der großen Illusionen, denen die Menschen sich hingeben können.

Nehmen wir einmal das, was uns ja in diesen Tagen so oft beschäftigt hat, das elementarische Dasein, das als das nächste uns erreichbar ist hinter unserem physischen Dasein, hinter dem, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Nehmen wir jenes elementarische Dasein, das von der Geisteswissenschaft charakterisiert wird als den Elementen des Erdigen, des Wässerigen, des Luftförmigen, des Feurigen oder Wärmehaften, des Lichtartigen, des Schallätherischen, des Lebensätherischen zugrunde liegend, nehmen wir dieses elementarische Dasein. Wir versuchen Vorstellungen zu erhalten über das Erdige, über das Wässerige, das Luftförmige und so wei-

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ter. Diese Vorstellungen suchen wir gut festzuhalten. Es ist nichts damit getan, daß wir mit einem gewissen intellektuellen Hochmut, der ja sehr leicht bei theosophisch Gläubigen verbreitet sein kann, sagen: «Nun ja, das ist ja alles Maja, Illusion! » Durch diese Maja offenbaren sich eben doch die wahren Wesenheiten. Und wenn wir es verschmähen, die Offenbarungen ins Auge zu fassen, die Werkzeuge und Mittel zu unserer Kenntnis zu bringen, durch welche sie sich offenbaren, so entfällt uns überhaupt ein jeglicher Inhalt, durch den wir uns das Dasein begreiflich machen wollen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wenn wir sagen «Wasser», «Luft» und so weiter, daß wir da Äußerungen, Manifestationen der eigentlichen wahren Geistigkeiten ins Auge fassen, daß wir aber, wenn wir sagen: «Wir wollen nichts wissen von dieser Maja», daß wir dann überhaupt zu keinen Vorstellungen dessen kommen, was dem aIlem zugrunde liegt. Also klar müssen wir uns auf der anderen Seite eben doch darüber sein, daß wir in dem Erdigen, Wässerigen und so weiter Äußerungen, Offenbarungen, Manifestationen von geistigen Wesenheiten vor uns haben.

Fassen wir jetzt einmal von unserem anthroposophischen Standpunkt so etwas wie das Erdige ins Auge! Wir wissen jetzt schon ganz gut, daß während des alten Saturndaseins von solch einem Erdigen nicht die Rede sein kann, auch nicht während des alten Sonnen- und Mondendaseins. Wir wissen, daß die Entwickelung hat warten müssen bis zu unserem pIanetarischen Dasein, daß erst dann das Erdige hat hinzukommen können zum Wärmehaften des alten Saturn, zum Luftartigen der alten Sonne und zum Wässerigen des alten Mondes. Wir wissen, daß ein jeder Entwickelungsschritt nur dadurch vor sich gehen kann, daß geistige Wesenheiten arbeiten. Von dem, was wir heute den physischen Leib nennen, das niederste Glied unserer menschlichen Wesenheit, dürfen wir sagen, wenn wir diesen physischen Leib ganz hineinstellen in das elementarische Dasein, daß er sich selbst durchgerungen hat von seiner ersten Anlage, die er auf dem alten Saturn entwickelt hat, aus dem Wärmezustand, durch den sonnenartigen Luftzustand, durch den mondartigen Wasserzustand und herangeschritten ist bis zu dem

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gegenwärtigen Erdenzustand. Wir haben also in unserem eigenen äußeren physischen Leib etwas, von dem wir sagen können, es hat durchschritten ein Dasein im bloßen Wärmeweben, ein Dasein als Iuftartiger Leib, ein Dasein als wässeriger Leib und ist aufgestiegen bis zum erdenhaften Dasein. - Wir kennen auch die Wesenheiten, welche an der alten Saturnarbeit, an dem ersten Entwickelungszustand des physischen Menschenleibes, beteiligt waren. Erinnern Sie sich an das, was Sie in meiner «Geheimwissenschaft» dargestellt finden, was auch sonst immer gesagt worden ist: Auf dem alten Saturn wirkten zunächst gewisse geistige Wesenheiten, welche ihre untergeordneten Entwickelungsstufen in einer urfernen Vergangenheit durchgemacht haben und die so weit schon waren während des alten Saturndaseins, daß sie gleichsam ihre eigene Leiblichkeit opfern konnten, hinopfern konnten, um das Grundmaterial, die Grundsubstanz abzugeben für den alten Saturn. Diese geistigen Wesenheiten sind ja in der Ordnung der Hierarchien keine anderen als diejenigen, die wir bezeichnen als die Geister des Willens. Was so als Grundsubstanz vorhanden war, was hingeopfert haben diese Geister des Willens, in das arbeiteten dann hinein die anderen geistigen Wesenheiten, die anderen Hierarchien; in das arbeiteten auch sich selber hinein die Geister der Persönlichkeit, die in dieser Willensmaterie, wenn ich so sagen darf, ausprägten ihre eigene Menschlichkeit. Und diese Willenssubstanz war es auch, die als Wärmeelement im alten Saturndasein wirkte und in der die erste Anlage zum physischen Menschenleib gebildet worden ist.

Sie dürfen aber nicht glauben, daß solche geistigen Wesenheiten wie die Geister des Willens etwa mit ihrer Arbeit abschließen auf einer bestimmten Stufe. Wenn sie auch auf dem alten Saturn gewissermaßen die Hauptarbeit geleistet hatten: während des Entwickelungsganges durch Sonne, Mond und Erde wirkten sie weiter. Und sie blieben in einer gewissen Beziehung in dem Substantiellen, für das sie sich ziierst hingeopfert hatten. Wir haben ja gesehen, daß innerhalb des alten Sonnendaseins sich nach der Verdichtungsseite hin, also gleichsam nach unten, das Wärmehafte in das Lufthafte umgestaltet hat. Ein solcher Vorgang, den wir etwa dem äußeren

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Schein nach verfolgen können wie eine Verdichtung des Wärmehaften in das Lufthafte, der ist eben nur der Maja, der Illusion nach ein Verdichtungsvorgang. In diesem Verdichten selber liegt ein geistiges Weben und Wesen, liegt eine geistige Tätigkeit. Und derjenige, der den Dingen auf den Grund gehen will, muß fragen: Wer hat es denn gemacht innerhalb der Reihe der Hierarchien, daß aus dem dünneren Wärmestoff, wenn ich mich so ausdrücken darf, der dichtere Luftstoff gefestigt worden ist? - Niemand anders hat das bewirkt als wiederum dieselben Geister des Willens, die den Wärmestoff aus sich herausgeopfert haben. So daß wir diese Tätigkeit der Geister des Willens so auffassen können, daß wir sagen: sie waren während des alten Saturndaseins so weit, daß sie ihre eigene Substanz als Wärme ausfließen ließen, substantiell hinopferten, daß ihr Feuer in das planetarische Dasein des alten Saturn einströmte. Dann erhärteten sie dieses ihr Feuer während des alten Sonnendaseins zum Gasigen. Sie selber waren es aber auch, die ihr Gasiges während des alten Mondendaseins zumWässerigen dichteten, und während des Erdendaseins verdichteten sie weiter ihr Wässeriges zum Erdigen, zum Festen. - Wenn wir also heute den Blick herumwenden in der Welt 'und das Feste erblicken, so müssen wir sagen: In diesem Festen wirken Kräfte, die es einzig und allein möglich machen, daß dieses Feste existiert, die durch ihre eigene Wesenheit ausgeflossen sind als Wärme auf dem alten Saturn, die immer dichter diesen Ausfluß gemacht haben bis zum Festen, das sie nun kraftvoll zusammenhalten. - Und wenn wir wissen wollen, wer das tut, wenn wir den Blick über die Maja des Festen hinaus richten, dann müssen wir sagen: Hinter allem, was uns als Festes entgegentritt, wirken und weben die Geister des Willens, die Throne. - Also auch noch innerhalb des Erdendaseins sind die Geister des Willens vorhanden. Und jetzt stellt sich uns das, was in der Genesis berichtet wird, noch in einem neuen Lichte dar.

Wenn wir da hören, daß es eine Art von sinnender Tätigkeit der Elohim ist, was in der Genesis mit bara bezeichnet wird, so müssen wir sagen: Ja, die Elohim schufen wieder durch ihr Sinnen wie aus der Erinnerung heraus etwas, was ich als Komplexe des Daseins

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bezeichnet habe. - Aber geradeso ging es auch in einer gewissen Beziehung diesen Elohim, wie es uns geht, wenn wir aus der Erinnerung heraus irgend etwas schaffen; allerdings entfalten wir solche Tätigkeit nur auf einem viel niedrigeren Gebiete. Ich möchte in einem Vergleich sprechen. Denken Sie sich, ein Mensch schläft abends ein. Seine Gefühls- und Vorstellungswelt sinkt hinunter in die Vergessenheit für sein subjektives Bewußtsein, er geht in den Schlafzustand über. Nehmen wir an, der letzte Gedanke, den er des Abends gehabt hat, sei, um ein Beispiel zu haben, der einer Rose gewesen, einer Rose, die in seiner Nähe stand, als er einschlief. Dieser Gedanke sinkt hinunter in die Vergessenheit. Am Morgen taucht der Gedanke der Rose wieder auf. Es würde nun bloß dieser Gedanke dastehen, wenn nicht die Rose geblieben wäre. Unterscheiden Sie jetzt zwischen diesen zwei Tatsachen. Die eine ist das Heraufrufen Ihrer Vorstellung von der Rose in die Erinnerung, die unter Umständen auch auftauchen könnte, wenn die Rose weggenommen worden wäre, also der Gedanke, die Erinnerung an die Rose. Wenn aber die Rose stehengeblieben ist, dann taucht für Ihr Wahrnehmen auch die substantielle Rose auf. Das ist die andere Tatsache. Ich bitte Sie, nun auch bei alledem, was wir als kosmisches Sinnen der Elohim bezeichnet haben, ähnlich zwei Tatsachen zu unterscheiden. Wenn uns also erzählt wird, daß im dritten Momente des Erdenwerdens ein kosmisches Sinnen stattfindet, daß die Elohim abtrennen das Flüssige vom Festen, daß sie das Feste heraussondern und es als Erde bezeichnen, so müssen wir da auch das kosmische Sinnen der Elohim ins Auge fassen> denen produktiv dieser Gedanke entkeimt; aber in dem, was vor ihrem Sinnen auftritt, müssen wir uns wirksam denken die Geister des Willens, die nun das Objektive in ihrer eigenen substantiellen Wesenheit wieder hervorbringen. So wirken und wirkten von Anfang an in allem Erdenhaften, das wir um uns herum haben, die Geister des Willens.

Sie müssen sich schon bekannt machen mit solchen Vorstellungen, daß unter Umständen in dem, was uns als das Nächste umgibt, was wir oft als etwas sehr Niedriges auffassen, uns sehr hohe und erhabene Wesenheiten entgegentreten. Es ist leicht und billig, bei

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dem, was uns als Festes entgegentritt, zu sagen: «Das ist ja nun bloß Materie! », und vielleicht hat so mancher das Gelüste zu sagen: Darum kümmert sich der Geistesforscher gar nicht! Materie ist ja nur untergeordnetes Dasein! Was kümmert uns dieser Stoff? Wir dringen über die Materie hinauf ins Geistige! - Derjenige, der so denkt, beachtet nicht, daß in dem, was er so sehr verachten möchte, durch unzählige Zeiträume hindurch gearbeitet haben, um es in diesen Zustand des Festen zu bringen, hohe, erhabene geistige Wesenheiten. Und in der Tat, unser Gefühl müßte, wenn es normal empfände, in einer tiefen Ehrfurcht leben, wenn es vordringt von dem äußeren Stoff, gleichsam von der elementarischen Erdendecke, zu dem, was diese Erdendecke verfestet hat. Unser Gefühl sollte in tiefster Verehrung sich aneignen die höchste Achtung für die erhabenen geistigen Wesenheiten, die wir nennen die Geister des Willens, die in diesem Erdenhaften in langer Tätigkeit den festen Grund aufgebaut haben, über den wir dahinschreiten und den wir selbst in uns tragen in den erdenhaften Bestandteilen unseres physischen Leibes. Diese Geister des Willens, die wir in der christlichen Esoterik auch die Throne nennen, sie haben uns in der Tat den festen Untergrund gebaut oder, besser gesagt, gedichtet, auf dem wir dahinschreiten. Diejenigen, die als Esoteriker den Erzeugnissen der Geister des Willens innerhalb unseres Erdendaseins Namen gaben, sie nannten diese Geister die Throne, weil sie uns in der Tat die Throne gebaut haben, auf die wir als auf einen festen Untergrund uns immerdar stützen, auf dem alles andere Erdendasein wie auf seinen festen Thronen weiterfußt. Diese alten Ausdrücke enthalten etwas ungeheuer Achtungswertes und Verehrungswürdiges, was unser ganzes Gefühl in Anspruch nehmen kann.

Wenn wir nun von dem Festen oder Erdigen im elementarischen Dasein wieder heraufsteigen zu dem Wäßrigen, dann müssen wir sagen: An dem Erdigen hat länger gebaut und gedichtet werden müssen als am Wäßrigen; daher werden wir auch die Grundkräfte des Wäßrigen in Wesenheiten einer niedrigeren Hierarchie zu suchen haben. - So wie das Wäßrige in unserem Umkreise als elementarisches Dasein wirkt, so ist zu seiner Verdichtung nur die

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Tätigkeit der Geister der Weisheit, Kyriotetes oder auch Herrschaften, notwendig gewesen, der nächsten Stufe der Hierarchien. So also sehen wir hinter dem festen Untergrunde die Geister des Willens, und hinter dem, was nicht das physische Wasser ist, was aber die Kräfte sind, die das Flüssige konstituieren, da haben wir zu sehen die Tätigkeit der Geister der Weisheit oder Kyriotetes. Gehen wir herauf zu dem Luftförmigen, dann haben wir darin tätig zu sehen eine nächstniedere Hierarchie. Auch in dem Luftförmigen, das in unserem Umkreise webt und waltet, haben wir, insofern es bewirkt ist durch hinter ihm liegende Kräfte, den Ausfluß der Tätigkeit gewisser Geister der hierarchischen Ordnung zu sehen. So wie im Wäßrigen die Geister der Weisheit wirken, so wirken im Luftförmigen die Geister der Bewegung, Dynamis, Mächte, wie wir auch gewohnt sind in der christlichen Esoterik zu sagen. Und wenn wir heraufdringen zum Wärmehaften, zum nächstdünneren Zustand, dann sind es die Geister der nächstniederen Hierarchie, die darin leben und weben, die Geister der Form, Exusiai, dieselben, die wir jetzt schon tagelang besprochen haben als die Elohim. Von einer ganz anderen Seite her haben wir bisher die Geister der Form charakterisiert als diejenigen, die in dem wärmehaften Element brüteten. Indem wir die hierarchische Ordnung verfolgen von den Geistern des Willens herunter durch die Geister der Weisheit und der Bewegung, kommen wir wiederum zu unseren Elohim, zu unseren Geistern der Form. Sie sehen, wie sich das alles zusammenschließt, wenn es einmal in der richtigen Weise zu Faden geschlagen ist.

Versuchen Sie nun Gefühls- und Empfindungssinn hineinzubringen in alles das, was geschildert worden ist, dann werden Sie sagen: Dem, was unsere Sinne im Umkreise sehen, liegt zugrunde ein elementarisches Dasein, ein Erdiges, aber in diesem Erdigen leben in Wahrheit die Geister des Willens. Ihm liegt zugrunde ein flüssiges Element, aber in diesem leben in Wahrheit die Geister der Weisheit. Ihm liegt zugrunde ein Luftförmiges, aber darin leben in Wahrheit die Geister der Bewegung, und ein Wärmehaftes, in dem in Wahrheit die Geister der Form, die Elohim, leben.

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Wir dürfen uns aber nicht denken, daß wir nun diese Gebiete streng voneinander scheiden können, daß wir feste Grenzen zwischen ihnen ziehen können. Unser ganzes Erdenleben beruht ja darauf, daß Wäßriges und Luftförmiges und Festes ineinanderwirken, daß die Wärme alles durchdringt und durchsetzt. Es gibt kein Festes, das nicht in irgendeinem Wärmezustand wäre. Die Wärme finden wir allüberall in den anderen elementarischen Daseinsstufen. Daher dürfen wir sagen: Wir finden auch das Wirken der Elohim, das eigentliche Kraftelement des Wärmehaften, allüberall. Es hat sich überall hineinergossen. Wenn es auch zu Seiner Voraussetzung haben mußte die Tätigkeit der Geister des Willens, der Weisheit, der Bewegung, so durchdrang es doch während des Erdendaseins, dieses Element der Wärme, das die Manifestation der Geister der Form ist, all die niederen Stufen des Daseins. - So werden wir im Festen nicht nur gleichsam die substantielle Grundlage, den Leib der Geister des Willens finden, sondern wir sehen diesen Leib der Geister des WilIens durchsetzt und durchwoben von den EIohim seIber, von den Geistern der Form.

Und jetzt versuchen wir, im Sinnesdasein den äußeren Ausdruck dessen zu finden, was wir eben ausgesprochen haben. Wir haben beschrieben, was im Übersinnlichen ist, ein Durcheinanderweben der Geister des WilIens, der Throne, und der Geister der Form, der Elohim. Das liegt im Übersinnlichen. Aber alles Übersinnliche wirft sein Schattenbild herein in unsere Sinneswelt. Wie stelIt sich das dar? Das, was substantiell sozusagen der Leib, die Wesenhaftigkeit der Geister des Willens ist, das ist die sich ausbreitende Materie, die feste Materie. Was gewöhnlich als Materie angesehen wird, ist Illusion. Die Vorstellungen, die man sich bildet von Materie, sind Maja. In Wahrheit findet der Seher, wenn er sich sozusagen in die Gebiete begibt, wo Materie spuken soll, nicht die phantastische Vorstellung der physikalischen Materie, denn das ist ein leerer Traum. Der Begriff der Materie, von dem die sogenannte naturphilosophische Physik spricht, ist nur eine Vorstellung, eine Schwärmerei, eine Phantasterei. Solange man dabei bleibt, das als eine Rechnungsmünze zu haben, ist es gut. Wenn man aber damit

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glaubt etwas Wesenhaftes zu treffen, dann träumt man. Und so träumt im Grunde genommen die Physik heute, wo sie in ihren Theorien von Materie spricht. Da, wo sie Tatsachen konstatiert, wo sie Tatsachen beschreibt, das Reale, Wirkliche, da redet sie von Wahrheit, wenn sie beschreibt, was das Auge sehen kann und was man feststellen kann mit der Rechnung. Wo sie aber anfängt zu spekulieren von Atomen, von Molekülen und so weiter, die nichts anderes sein sollen als gewisse Dinge, die materielles Dasein haben, da fängt sie an, einen Weltentraum zu spinnen, demgegenüber wir wirklich sagen müssen, es verhält sich so, wie in unserem Mysteriendrama Felix Balde im Tempel ankündigt, wenn er sagt: Wenn man irgendwo etwas kaufen wollte und sagte, mit festem Gelde bezahle ich Dich nicht; ich verspreche Dir, daß ich aus irgendeinem Nebel heraus Dukaten bilden werde, es wird sich schon verdichten zu Dukaten! - In diesem groben Vergleich kann man wirklich jene Illusion der physikalischen Theorie wiedergeben, die ganze Weltenbaue aus Urweltnebeln willig hinnimmt, wenn das sogenannte Weltanschauungsbedürfnis bezahlt werden soll mit den Münzen, die die Wissenschaft auf diesem Gebiete gerne ausgeben möchte. Mit einer Phantastik hat man es zu tun, wenn man das atomistische Dasein, wie man es heute im Auge hat, für ein reales hält. Solange man damit Abkürzungen, Rechnungsmünzen meint für das, was die Sinne zeigen, so lange steht man auf realem Boden. Durchdringt man diesen Boden des Sinnlichen, dann muß man zum Geistigen vorschreiten, dann kommt man auf das Wesen und Weben einer Grundsubstanz, die aber nichts anderes ist als die Leiblichkeit der Throne, die durchsetzt wird von der Tätigkeit der Geister der Form. Und wie stellt sich das, wie projiziert sich das in unsere SinnenweIt herein? Nun, da haben wir ausgebreitet die feste Materie, die aber auf keiner Stufe ein Amorphes ist. Das Amorphe, das Gestaltlose wird nur dadurch hervorgerufen, daß im Grunde genommen alles Dasein, das nach der Form drängt, zersprengt, zermalmt wird. Alles, was wir gleichsam als staubartiges Dasein antreffen im Weltenbau, hat gar nicht die Anlage, staubartig zu sein. Das ist zermürbtes Dasein. Die Materie als solche hat den Drang, sich zu ge-

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stalten. Alles Feste hat den Drang, kristallinisch zu sein. Was feste Materie ist, drängt nach Kristallgestalt, drängt nach Form. So also können wir sagen: Was wir nennen das Substantielle der Throne und der Elohim, das drängt herein in unser sinnliches Dasein, indem es sich uns ankündigt als das sich ausbreitende Feste. Dadurch, daß sich überhaupt so etwas manifestiert, was wir materielles Dasein nennen, kündigt es sich an als Wesenhaftigkeit der Throne. Dadurch, daß es gestaltet erscheint, daß gleichsam in dieser Grundsubstanz immer Gestalten geformt werden, kündigt es sich an als äußere Offenbarung der Elohim.

Und nun blicken Sie wiederum hinein in das Geistvolle der Nomenklatur alter Zeiten. Da haben die alten Seher sich gesagt Wenn wir Umschau halten im Materiellen, so kündigt sich uns das an in der Wesenhaftigkeit der Throne, aber dieses wird durchsetzt von einem Kraftelement, das alles das zur Form bringen will. - Daher der Name «Geister der Form»! In all diesen Namen liegt eine Hindeutung auf das wirklich Wesenhafte, das sie bedeuten. Wenden Sie also den Blick auf das Drängen nach kristallinischer Gestalt im Umkreise, dann haben Sie auf einer unteren Stufe das, was in dem Schießen in die Kristallgestalt äußerlich die Kräfte manifestiert, die da weben und walten in der Substanz der Throne als die Elohim selber, als die Geister der Form. Da sind sie tätig, die Schmiede in ihrem Wärmeelement und schmieden aus der gestaltlosen Substanz der Geister des Willens die kristallinischen Formen der verschiedenen Erden und Metalle. Das sind die Geister in ihrer Wärmetätigkeit, die zugleich das formende Element des Daseins sind.

Wenn Sie die Sache so nehmen, dann blicken Sie hinein in das lebendige Wesen und Weben, das unserem Dasein zugrunde liegt. Und so müssen wir uns gewöhnen, in allem, was uns äußerlich entgegentritt, Maja oder Illusion zu sehen. Wir dürfen aber nicht stehenbleiben bei der wertlosen Theorie: Die Außenwelt ist Maja. Damit hat man gar nichts getan. Erst dann, wenn man in den einzelnen Gliedern der Maja überall durchblicken kann auf das, was ihnen wesenhaft zugrunde liegt, erst dann hat der Satz eine wahre

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Bedeutung, dann ist er von Nutzen. So gewöhnen wir uns also daran, in alledem, was äußerlich geschieht, was uns da umgibt, etwas zu sehen, was zwar als Illusion Wahrheit ist, aber im Grunde doch Illusion bleibt. Ein Schein ist eben ein Schein. Als solcher ist er Tatsache, aber man versteht ihn nicht, wenn man bei seiner Scheinhaftigkeit stehenbleibt. Erst dann darf man ihn auch als Schein achten und schätzen, wenn man nicht bei seiner Scheinhaftigkeit stehenbleibt.

Nach unserer heutigen abstrakten Anschauung wird alles durcheinandergeworfen. Das konnten die alten Seher nicht. Die hatten es nicht so bequem, überall dieselben trivialen Kräfte zu sehen, wie es etwa ein heutiger Physiker tut, der nicht nur Physiker, sondern zu gleicher Zeit zum Beispiel auch Meteorologe sein will. Wer wird denn nach heutigen physikalischen Begriffen daran zweifeln, daß dieselben Kräfte, die, sagen wir, in dem elementarischen Dasein wirken, in dem Festen, Flüssigen und so weiter, auch wirksam sind, wenn sich zum Beispiel innerhalb des Luftkreises die Wolken bilden, wenn sich das Wasser zu den Wolken ballt? Ich weiß ganz genau, daß der Physiker heute gar nicht anders denken kann, daß er als Physiker zu gleicher Zeit auch Meteorologe sein will und daß es für ihn nur einen Sinn hat, wenn er ganz dieselben Gesetze, die er für das Erdendasein in Betracht zieht, auch ausdehnt auf die Bildung der Wassermassen, die als Wolkenbildung unsere Erde Umgeben. - Der Seher hat es nicht so bequem. Sobald man auf die geistigen Untergründe zurückgeht, kann man nicht überall dasselbe sehen. Andere geistige Wesenheiten sind da tätig, wenn, sagen wir, aus irgendeinem Gasigen unmittelbar auf dem Erdboden ein Flüssiges sich bildet oder wenn im Umkreise der Erde das Gasige, das Dampfförmige sich zum Flüssigen ballt. Wenn wir also auf das Entstehen des Wässerigen in unserem Luftkreis blicken, dann kann der Seher nicht sagen, das Wässerige entsteht da ganz auf dieselbe Art wie auf dem Erdboden, die schwebende Art entsteht auf dieselbe Art, wie sich Wasser dichtet in dem Erdengrunde selber, auf dem Erdboden selber. - Denn in Wirklichkeit sind andere Wesenheiten an der Wolkenbildung beteiligt als bei der Bildung des Was-

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sers auf dem Erdboden. Das, was ich eben gesagt habe von der Teilnahme der Hierarchien an unserem elementarischen Dasein, das bezieht sich nur auf die Erde, vom Mittelpunkt bis herauf, wo wir selbst stehen, aber dieselben Kräfte reichen nicht aus, um zum Beispiel auch die Wolken zu bilden. Da sind andere Wesenheiten am Werke. Die Naturphilosophie, die sich aus der heutigen Physik bildet, geht nach einem sehr einfachen Grundsatz vor. Sie sucht zuerst einige physikalische Gesetze und sagt, die beherrschen nun alles Dasein. Und dann übersieht sie alles Verschiedene auf den verschiedenen Daseinsgebieten. Wenn man das tut, geht man nach dem Grundsatz vor: In der Nacht sind alle Kühe grau, mögen sie auch noch so verschiedene Farben haben. - Die Dinge sind aber nicht überall dieselben, sondern sie stellen sich auf den verschiedenen Gebieten sehr verschieden dar.

Derjenige nun, dem zum Bewußtsein gekommen ist durch seherische Forschung, daß innerhalb unserer Erde waltet im erdigen Element das Wesen der Throne oder der Geister des Willens, im Wässerigen das Wesen der Geister der Weisheit, im Luftförmigen das der Geister der Bewegung, im Wärmehaften das der Elohim, der steigt allmähIich auf zu der Erkenntnis, daß bei der Ballung der Wolken, bei jenem eigenartigen, in unserem Erdenumkreise vor sich gehenden Wässerigwerden des Gasförmig-Wässerigen, am Werke sind jene Wesenheiten, die der Hierarchie der Cherubime angehören. So sehen wir auf unser Festes, auf das, was wir als elementarisches Erdendasein bezeichnen, und schauen in ihm ein Durcheinanderwirken der Elohim mit den Thronen. Wir richten den Blick aufwärts und sehen, wie in dem Luftförmigen, in dem ja allerdings die Geister der Bewegung walten, wie da am Werke sind die Cherubime, damit das Wässerige, das aus dem Bereiche der Geister der Weisheit aufsteigt, sich zu Wolken ballen kann. Im Umkreise unserer Erde walten ebenso wahr die Cherubime, wie da walten innerhalb des elementarischen Daseins unserer Erde die Throne, die Geister der Weisheit, die Geister der Bewegung. - Und wenn wir jetzt sehen das Weben und Wesen dieser Wolkenbildungen selber, wenn wir das sehen, was gleichsam als ihr Tieferes verborgen

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ist, was sich nur zuweilen kundgibt, so ist es der aus der Wolke herausdringende Blitz und Donner. Das ist auch nicht etwas, was aus dem Nichts herauskommt. Dieser Tätigkeit liegt für den Seher zugrunde das Weben und Wesen derjenigen Geister der Hierarchien, die wir als die Seraphime bezeichnen. Und damit haben wir, wenn wir in unserem Erdenbereich bleiben, wenn wir bis zum nächsten Umkreis gehen, alle einzelnen Stufen der Hierarchien gefunden.

So sehen wir in dem, was uns sinnlich entgegentritt, den Ausfluß, die Manifestationen hierarchischer Tätigkeit. Es wäre ein völliger Unsinn, wenn man in dem aus der Wolke schlagenden Blitz dasselbe sehen würde wie das, was man sieht, wenn ein Zündholz angezündet wird. Ganz andere Kräfte walten, wenn überhaupt aus der Materie das Element, das im Blitz waltet, das Elektrische, herauskommt. Da walten die Seraphime. So haben wir die Gesamtheit der Hierarchien auch in unserem Erdenumkreise gefunden, so wie wir sie im Kosmos draußen finden können. Es dehnen eben diese Hierarchien ihre Tätigkeit auch auf das aus, was in unserem unmittelbaren Umkreise ist.

Und wenn Sie nun die Genesis durchgehen, wenn Sie das ganze Walten und Weben der Weltenentwickelung betrachten, so wie die Genesis es uns berichtet, so finden Sie ja, daß sozusagen all die Vorstufen, die sich während des alten Saturn-, Sonnen- und Mondendaseins bildeten, sich wiederholen und daß zuletzt als die Krönung der Entwickelung der Mensch auftritt. So haben wir also diesen Bericht der Genesis so aufzufassen, daß sich das ganze Weben und Wesen der Hierarchien hineinverflicht in das, was da geschieht, und daß sich das alles gleichsam zusammendichtet zu dem letzten Produkt des Erdenwerdens, zu jener übersinnlichen Wesenheit, denn zunächst ist es noch eine übersinnliche Wesenheit, von der gesagt wird, die Elohim beschlossen sie, indem sie sagten: Nun lasset uns den Menschen machen! - Da woben sie alles das, was sie im einzelnen konnten, zu einem Gesamtwerk zusammen. Alle Tätigkeiten, die sie herüberbrachten von früheren Stufen, woben sie zusammen, um zuletzt den Menschen hervorzurufen. Alle diese Hierarchien also, die der des Menschen vorangegangen sind

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und die wir bezeichnen als Seraphime, Cherubime, Throne, als Geister der Weisheit, der Bewegung, der Form, als Archai oder Geister der PersönIichkeit, als Feuergeister oder Erzengel und als Engelwesen, alle diese Wesenheiten, wir haben sie gefunden webend und wesend in all diesem Dasein. Und wenn wir das, was uns die Genesis berichtet, verfolgen bis zu jener Krönung des Gebäudes hin, die mit dem Menschen erscheint am sogenannten sechsten Schöpfungstage, wenn wir das ganze Weben und Wesen sozusagen der vormenschlichen Erdenentwickelung in Betracht ziehen, so finden wir schon darin alle die verschiedenen Hierarchien. Und alle diese Hierarchien mußten zusammenwirken, um das vorzubereiten, was zuletzt im Menschen zutage trat.

Wir dürfen also sagen: Es ist ein Bewußtsein vorhanden gewesen bei jenem Seher oder jenen Sehern, denen die Genesis entsprang, daß alle die aufgezählten Hierarchien schon für das Vorbereitungsstadium des Menschen wirken mußten. Aber auch davon mußten sie ein Bewußtsein haben, daß zur Hervorbringung des Menschen selber, zur letzten Krönung dieser ganzen hierarchischen Ordnung, noch eine Hilfe kommen mußte von einer Seite her, die in einer gewissen Beziehung noch höher liegt als alle diese Hierarchien. Wir blicken also gleichsam über die Seraphime hinauf nach einer zunächst unbekannten, nur geahnten göttlichen Wesenheit. Verfolgen wir einmal die Tätigkeit zum Beispiel irgendeines Gliedes der hierarchischen Ordnung, sagen wir, die Tätigkeit der Elohim. Solange sie nicht zu dem Entschlusse gekommen waren, ihre Werke durch die Bildung des Menschen zu krönen, so lange reichte es aus, daß sie ihre eigene Tätigkeit in Einklang versetzten mit der Tätigkeit der Hierarchien bis zu den Seraphimen hinauf. Dann aber mußte ihnen eine Hilfe kommen von jener Seite, zu der wir eben ahnend den geistigen Blick erheben, die sozusagen über den Seraphimen steht. Wenn die Elohim zu dieser schwindelerregenden Höhe hinauf ihre schöpferische Tätigkeit richten wollten, so daß sie Hilfe von dieser Seite empfangen konnten, dann mußte etwas eintreten, was wir seiner ganzen Tragweite nach verstehen wollen. Sie mußten sozusagen über sich selbst hinauswachsen. Sie mußten

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lernen, mehr zu können, als sie bloß im Vorbereitungswerke gekonnt hatten. Um das Werk vollständig zu krönen, um es zu Ende zu führen, dazu mußten die Elohim fähig werden, noch höhere Kräfte zu entwickeln, als sie bloß am Vorbereitungswerke entfaltet hatten. Es mußte also die Gruppe der Elohim gewissermaßen über sich selber hinauswachsen. Versuchen wir, uns einmal eine Vorstellung davon zu machen, wie so etwas geschehen kann. Versuchen wir uns diesen Begriff zu bilden, indem wir wiederum von etwas Trivialem ausgehen. Gehen wir von der Entwickelung des Menschen aus.

Wenn wir den Menschen ins Dasein treten sehen als ein ganz kleines Kind, da wissen wir, daß in ihm noch nicht entwickelt ist, was wir ein einheitliches Bewußtsein nennen. Das Kind spricht sogar das Ich, das zusammenhält das Bewußtsein, nach einiger Zeit erst aus. Es fügt sich dann das, was in seinem Seelenleben ist, in die Einheit des Bewußtseins zusammen. Der Mensch wächst heran, indem er die verschiedenen Tätigkeiten, die beim Kind noch dezentralisiert sind, zusammenfaßt. So ist diese Zusammenfassung beim Menschen ein Heraufentwickeln zu einem höheren Zustand. Analog können wir uns die Fortentwickelung der Elohim denken. Diese haben eine gewisse Tätigkeit entfaltet während der Vorbereitungsentwickelung zum Menschen. Dadurch, daß sie diese Tätigkeit ausgeführt haben, haben sie selber etwas gelernt, selber etwas dazu beigetragen, um sich zu einer höheren Stufe emporzuheben. Sie haben nun als Gruppe ein gewisses Einheitsbewußtsein erlangt, sind gleichsam nicht nur Gruppe geblieben, sondern sind Einheit geworden. Die Einheit wurde gleichsam wesenhaft. Das ist etwas außerordentlich Wichtiges, was wir in diesem Punkt aussprechen. Ich konnte Ihnen bisher nur sagen: Die einzelnen Elohim waren so, daß jeder etwas Besonderes konnte. Jeder konnte zum gemeinsamen Entschluß, zum gemeinsamen Bild, nach dem sie den Menschen formen wollten, etwas hinzubringen, und das, was der Mensch war, war gleichsam nur eine Vorstellung, in der Sie zusammenwirken konnten. Das war in der Arbeit der Elohim zunächst noch nichts Reales. Reales war erst vorhanden, als sie das gemeinsame Produkt

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geschaffen hatten. In dieser Arbeit selber entwickelten sie sich aber höher, entwickelten sie ihre Einheit zu einer Realität, so daß sie jetzt nicht etwa nur sieben waren, sondern daß die Siebenheit ein Ganzes war, so daß wir jetzt von einer Elohimheit sprechen können, welche sich auf siebenfache Weise offenbart. Diese Elohimheit ist erst geworden. Sie ist das, wozu sich die Elohim hinaufgearbeitet haben.

Das kennt die Bibel. Die Bibel kennt die Vorstellung, daß die Elohim gleichsam vorher die Glieder einer Gruppe sind und sich dann zusammenordnen zu einer Einheit, so daß sie vorher zusammenarbeiten wie die Glieder einer Gruppe, und nachher von einem gemeinsamen Organismus aus gelenkt werden. Und diese reale Einheit der Elohim, in welcher die einzelnen Elohim tätig als Glieder, als Organe wirken, nennt die Bibel Jahve-Elohim. Da haben Sie nun in einer noch tieferen Weise, als es bisher möglich war, den Begriff des Jahve, des Jehova. Daher spricht die Bibel auch zunächst in ihrem Berichte nur von den Elohim, und fängt an, da wo die Elohim selber zu einer höheren Stufe, zu einer Einheit vorgeschritten sind, von Jahve-Elohim zu sprechen. Das ist der tiefere Grund, warum am Ende des Schöpfungswerkes der Jahvename plötzlich auftritt. Da sehen Sie, wie man zu den okkulten Quellen vordringen muß, wenn man so etwas verstehen will.

Was hat die Bibelexegese des neunzehnten Jahrhunderts daraus gemacht? Aus dieser ganzen Tatsache, die ich jetzt dargestellt habe aus den okkulten Quellen heraus, hat die Bibelexegese folgendes gemacht. Sie hat gesagt: Nun ja, da tritt an einer Stelle auf der Name Elohim, an einer anderen Stelle der Jahvename. Selbstverständlich liefert das den Beweis, daß die zwei Urkunden von zwei verschiedenen religiösen Überlieferungen herrühren, und man muß unterscheiden zwischen dem, was herübergetragen ist von einem Volk etwa, das die Elohim verehrt hat, und dem, was herübergetragen ist von einem Volk, das den Jahve verehrt hat. Und derjenige, der das geschrieben hat, was uns als Schöpfungsbericht vorliegt, hat beide Namen, Elohim und Jahve-Elohim, zusammengeschoben, und da haben wir nun eine Urkunde, die den

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Elohimnamen, und eine andere, die den Jahvenamen hat. Die muß man wieder trennen! - Es ist bereits so weit gekommen in dieser Forschung, daß wir heute sogenannte Regenbogenbibeln haben, wo alles das, was von der einen Seite hergetragen sein soll, mit Lettern in der blauen Farbe, und alles das, was von der anderen Seite hergetragen sein soll, mit Lettern in der roten Farbe gedruckt wird. Solche Bibeln gibt es schon. Schade nur, daß man dann manchmal die Sache so trennen muß, daß der 'Vordersatz blau und der Nachsatz rot ist, weil der Vordersatz von dem einen Volk stammen soll und der Nachsatz von dem anderen! Zu verwundern ist nur, daß Haupt- und Nebensatz so wunderbar zusammengepaßt haben, daß nur irgendein Kombinator hat kommen müssen, der diese beiden Überlieferungen zusammentrug.

Auf diese Exegese unseres Jahrhunderts ist ungeheuerster Fleiß verwendet worden, und man kann sagen, wenn man die Dinge kennt, daß vielleicht auf keine naturwissenschaftliche oder historische Forschung ein so großer Fleiß verwendet worden ist als auf diese theologische Bibelexegese des neunzehnten Jahrhunderts, die uns mit tiefer Wehmut und mit dem Gefühl einer tiefen Tragik erfüllt. Dasjenige, was der Menschheit berichten sollte von dem Spirituellsten, hat verloren den Zusammenhang mit den spirituellen Quellen. Es ist, wie wenn jemand sagen wollte: Ja, da erblicken wir zum Beispiel einen ganz anderen Stil im zweiten Teil des «Faust», wenn wir die Stelle, wo Ariel spricht, vergleichen mit den Knittelversen im ersten Teil des . Das kann unmöglich ein und derselbe Mensch geschrieben haben, und Goethe muß deshalb eine mythische Figur sein. - Es steht wirklich das Erträgnis ungeheuerster Arbeit, hingebungsvollsten FIeißes durch die Abtrennung von den okkulten Quellen tragischerweise auf demselben Boden, auf dem jemand stehen würde, der den Goethe hinwegleugnet, weil er sich nicht denken kann, daß zwei so verschiedene Dinge wie der Stil des ersten Teils des «Faust» und der des zweiten Teils von einem und demselben Menschen herrühren könne. Da sehen wir hinein in eine tiefe Tragik des Menschenlebens. Da sehen wir, wie es die Notwendigkeit hervorruft, die Geister wiederum hinzulenken zu den

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Quellen des spirituellen Lebens. Geisteserkenntnis ist nur möglich, wenn die Menschen den lebendigen Geist wiederum suchen werden. Sie werden ihn wiederum suchen, denn das ist verknüpft mit einem unwiderstehlichen Drang der menschlichen Seele. Und auf dem Vertrauen, daß dieser Drang in der menschlichen Seele vorhanden ist, daß das Herz den Menschen treibt, den Zusammenhang mit den geistigen Quellen wieder zu suchen, und ihn treiben wird zum Verständnis der eigentlichen Grundlage der religiösen Urkunden, darauf beruht im Grunde genommen alle Kraft, die uns beseelen kann auf dem anthroposophischen Boden. Durchdringen wir uns mit diesem Vertrauen, und wir werden auf diesem Gebiete, das uns in das geistige Leben hineinführen soll, die echten Früchte erzielen.


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ACHTER VORTRAG

München, 23. August 1910

Wir gehen, wenn wir zum Verständnis des Daseins dringen wollen, von einer gewissen Seite her immer der Entwickelung dieses Daseins nach, und wir haben uns ja bei mancherlei Anlässen damit bekannt gemacht, wie alles, was uns umgibt, wessen wir gewahr werden, in Entwickelung begriffen ist. Wir müssen uns auch daran gewöhnen, diese Vorstellung von Entwickelung uns in einem größeren Stil zu eigen zu machen auf solchen Gebieten, bei denen man im heutigen Bewußtsein noch weniger an eine Entwickelung denkt. An eine wirkliche Entwickelung denkt man zum Beispiel wenig in bezug auf das Seelenleben des Menschen. Man denkt wohl in äußerlicher Beziehung an eine solche Entwickelung, wenn sie so offen zutage tritt wie im individuellen Dasein des Menschen von der Geburt bis zum Tode. Aber in bezug auf die Menschheit denkt man dann gleich an die Entwickelung von niederen tierischen Zuständen herauf und kommt alsdann, selbst mit Hinblick auf das, was man heute schon wissen kann, zu einer ziemlichen Phantastik, zu einer Anschauung, als ob sich so ohne weiteres das Höhere aus dem Niederen, das Menschliche aus dem Tierischen hätte herausentwickeln können. Es kann innerhalb dieses Vortragszyklus natürlich nicht meine Aufgabe sein, ausführlich vorzuführen, wie ich es oft getan habe, daß unser menschliches Bewußtsein so, wie es heute ist, eine Entwickelung im großen Stil durchgemacht hat, daß namentlich der Art von Bewußtsein, der Art des Seelenlebens, das wir heute haben, eine andere Form vorangegangen ist. Eine Art niederen hellseherischen Bewußtseins haben wir es oft genannt, was unserem gegenwärtigen äußeren Bewußtsein vorangegangen ist. Dieses heutige Bewußtsein liefert uns ja Vorstellungen von äußeren Gegenständen auf dem Wege der äußeren Wahrnehmung. Das andere Bewußtsein aber, das der Vorläufer unseres gegenwärtigen Bewußtseins ist, das können wir am besten studieren, wenn wir den Blick zur alten Mondenentwickelung zurückwenden.

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Das ist ja der allercharakteristischste Unterschied zwischen der alten Mondenentwickelung und unserer gegenwärtigen Erdenentwickelung, daß das Bewußtsein aufgestiegen ist von einer Art alten Hellsehens, einer Art von Bilderbewußtsein, zu dem gegenwärtigen Gegenstandsbewußtsein. Im Grunde genommen betone ich das jetzt schon seit vielen Jahren, und schon vor vielen Jahren konnten Sie sich darüber unterrichten aus den ersten Aufsätzen in «Lucifer-Gnosis» über die Entwickelung aus der Akasha-Chronik heraus. Da schon wurde betont, wie das alte traumhafte Bilderbewußtsein, das unserer eigenen Wesenheit in der Vorzeit eigen war, sich heraufentwickelt hat zum Erdenbewußtsein, zu dem, was uns heute Bewußtsein von den äußeren Dingen gibt, das heißt von dem, was wir äußere Dinge im Raume im Gegensatz zu dem nennen, was wir selber im Innern sind. Diese Unterscheidung der äußeren Gegenstände von unserem eigenen Innenleben, das ist auch das Charakteristische unseres gegenwärtigen Bewußtseinszustandes. Wenn wir irgendeinen Gegenstand, zum Beispiel diese Rose, vor uns haben, so sagen wir: Diese Rose ist da im Raume. Sie ist abgesondert von uns. Wir stehen an einem anderen Orte als sie. Wir nehmen die Rose wahr und bilden uns eine Vorstellung von ihr. Die Vorstellung ist in uns, die Rose ist draußen. - Dieses Außen und Innen zu unterscheiden ist das Charakteristische unseres Erdenbewußtseins. So war das alte Mondenbewußtsein nicht. Dieser Unterschied von außen und innen wurde von jenen Wesenheiten, die das alte Mondenbewußtsein gehabt haben, gar nicht gemacht. Denken Sie einmal, Sie hätten, wenn Sie diese Rose ansehen, gar nicht das Bewußtsein, die Rose ist da draußen und Sie stellen sie im Innern vor, sondern Sie hätten das Bewußtsein: Wenn diese Rose da im Raume schwebt, so gehört ihr eigenes Wesen nicht nur dem Raume an, der in ihr abgeschlossen ist, sondern dieses Wesen dehnt sich aus in den Raum hinaus, und die Rose ist eigentlich in Ihnen.
- Ja, die Sache könnte noch weiter gehen. Denken Sie sich, Sie wenden den Blick zur Sonne und hätten nicht das Bewußtsein, die Sonne ist oben und Sie da unten, sondern das Bewußtsein, während Sie die Vorstellung der Sonne sich erzeugen, sei die Sonne in Ihnen,

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Ihr Bewußtsein ergreife die Sonne auf mehr oder weniger geistige Weise. Dieser Unterschied zwischen innen und außen wäre dann nicht vorhanden. Wenn Sie sich das klar machen, dann haben Sie die erste feste Eigenschaft dieses Bewußtseins, wie es war auf dem alten Monde.

Ein anderes Charakteristikum ist, daß es ein bildhaftes Bewußtsein war, so daß die Dinge nicht direkt als Gegenstände erschienen, sondern wie in Sinnbildern, so wie der Traum heute manchmal in Sinnbildern wirkt. Der Traum kann zum Beispiel so wirken, daß irgendein Feuer, das außer uns ist, wahrgenommen wird meinetwillen unter dem Sinnbild eines lichtausstrahlenden Wesens, wie in einem Bilde. Ähnlich so nahm das alte Mondenbewußtsein die Dinge wahr, sagen wir`, innerlich, aber auch bildhaft. Also ein bildhaftes, von der Eigenschaft der Innerlichkeit durchdrungenes Bewußtsein war dieses alte Mondenbewußtsein. Und es hatte noch einen weiteren wesentlichen Unterschied von unserem heutigen Bewußtsein. Es wirkte überhaupt nicht so, daß äußere Gegenstände vorhanden gewesen wären wie für das heutige Erdenbewußtsein. Das, was Sie heute Ihre Umgebung nennen, was Sie heute wahrnehmen im pflanzlichen, im mineralischen, im menschlichen Reiche als die Sinnesgegenstände, das war für das Bewußtsein während der alten Mondenentwickelung überhaupt nicht vorhanden. Es ist wirklich auf einer untergeordneten traumhaften Stufe damals etwas Ähnliches vorhanden gewesen, wie es heute in der Seele vorhanden ist, wenn die seherische Kraft, wenn das bewußte Hellsehen erwacht. Das erste Erwachen dieses hellseherischen Bewußtseins ist so, daß es in der ersten Zeit gar nicht schon auf äußere Wesenheiten geht Darin liegt sogar eine Quelle zahlreicher Täuschungen für diejenigen, welche durch ihre, sagen wir, esoterische EntwickeIung die Gabe hellseherischer Kräfte in sich heranbilden.

Diese Heranbildung hellseherischer Kräfte geht ja stufenweise vor sich. Da gibt es eine erste Stufe des Hellsehens. Da entwickelt sich so mancherlei im Menschen, da sieht er so manches in seiner Umgebung. Aber er würde fehlgehen, wenn er sogleich überzeugt wäre, daß das, was er da in seiner Umgebung, also, sagen wir, im

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Geist-Raume, wahrnimmt, auch geistige Realität wäre. Johannes Thomasius in unserem Rosenkreuzermysterium macht dieses Stadium astralischen Hellsehens durch. Ich erinnere Sie nur an jene Bilder, die vor der Seele des Johannes Thomasius auftauchen, wenn er meditierend im Vordergrunde der Bühne sitzt und in seiner Seele aufgehen fühlt die geistige Welt. Da tauchen Bilder auf, und das erste ist, daß der Geist der Elemente ihm Bilder von Wesenheiten vor die Seele bringt, die er schon aus dem Leben kennt. Das Stück spielt ja so, daß Johannes Thomasius im Leben kennen gelernt hat den Professor Capesius und den Doktor Strader. Die kennt er vom physischen Plan her, er hat gewisse Vorstellungen aufgenommen von diesen beiden Persönlichkeiten auf dem physischen Plan. Da, wo nach dem großen Schmerz sozusagen durchbricht sein hellseherisches Vermögen, da sieht Johannes Thomasius wiederum den Professor Capesius, wiederum den Doktor Strader. Er sieht sie in merkwürdigen Gestalten. Den Capesius sieht er verjüngt, so wie er etwa im fünfundzwanzigsten, sechsundzwanzigsten Jahre seines Lebens war und nicht, wie er in dem Zeitpunkte ist, wo Johannes Thomasius in der Meditation sitzt Ebenso sieht er den Doktor Strader nicht so, wie er in diesem Zeitpunkte ist, sondern er sieht ihn, wie er werden muß, wenn er ein Greis wird in dieser Inkarnation. Dieses und noch manches andere Bild zieht an der Seele des Johannes Thomasius vorbei. Dramatisch kann man das nur so darstellen, daß die Bilder, die eigentlich in der Seele lebendig werden durch die Meditation, sich auf der Bühne abspielen. Der Fehler kann nicht darin bestehen, daß Johannes Thomasius etwa das für Täuschung hält. Da würde er ganz fehlgehen. Die einzig richtige Stimmung dem allen gegenüber ist, daß er sich sagt er kann jetzt noch nicht wissen, inwiefern das Täuschung oder Wirklichkeit ist. Er weiß nicht, ob das, was sich in den Bildern darstellt, eine äußere geistige Realität ist, meinetwillen, ob es das ist, was in die Akasha-Chronik eingeschrieben ist, oder ob er sein eigenes Selbst erweitert hat zu einer Welt. Es kann beides sein, und er muß gelten lassen, daß es beides ist. Das, was ihm fehlt, ist die Gabe der Unterscheidung zwischen geistiger Realität und Bilderbewußtsein. Das muß

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er sich sagen. Und erst von dem Moment an, wo das devachanische Bewußtsein einsetzt, wo Johannes Thomasius geistige Realität erlebt, indem er in dem Devachan die geistige Realität eines Wesens wahrnimmt, das er auf dem physischen Plan kennt, die Maria, da erst kann er wiederum zurückschauen und kann Realität von bloßem Bilderbewußtsein unterscheiden. So also können Sie sehen, daß der Mensch im Verlaufe seiner esoterischen Entwickelung ein Stadium durchzumachen hat, wo er von Bildern umgeben ist, wo er aber keineswegs irgendein Unterscheidungsvermögen hat zwischen dem, was als geistige Realität sich offenbart, und den Bildern selbst. In den Bildern im Rosenkreuzerdrama ließ man natürlich wirkliche geistige Realitäten sich offenbaren. Zum Beispiel ist das, was sich zeigt als Professor Capesius, das reale Bild, das in die Akasha-Chronik eingeschrieben worden ist von der Jugend des Capesius, und was sich zeigt als Doktor Strader, das ist das reale Bild, das in ihr eingeschrieben ist von dem Alter des Strader. Sie sind im Drama real gemeint, nur weiß Johannes Thomasius nicht, daß diese Figuren real sind.

Dieses Stadium, das da durchgemacht wird, das wurde auf einer niedrigeren, traumhaften Stufe, so daß überhaupt diese Unterscheidung unmöglich eintreten konnte, während des alten Mondenbewußtseins durchgemacht. Also erst später beginnt das Unterscheidungsvermögen, und man muß sich durchaus vertraut machen mit dem, was eben jetzt gesagt worden ist. Halten wir fest, daß der Hellseher sich hineinlebt in eine Art von Bilderbewußtsein. Während der alten Mondenzeit waren aber die Bilder, die da auftraten, in der Hauptsache etwas ganz anderes als die Gegenstände unseres Erdenbewußtseins, und sie sind es auch beim beginnenden Hellsehen heute. Beim realen beginnenden Hellsehen sieht der Hellseher gar nicht zunächst äußere geistige Wesenheiten, er sieht Bilder. Und wir müssen uns nun fragen: Was bedeuten denn diese Bilder, die da auftauchen? - Ja, sehen Sie, das sind auf der ersten Stufe des HeIlsehens gar nicht Ausdrücke für äußere reale geistige Wesenheiten, sondern zunächst ist das, was da auftritt, wenn ich so sagen darf, eine Art Organbewußtsein. Es ist eine bildliche Darstellung,

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ein Hinausprojizieren in den Raum dessen, was eigentlich in uns selber vorgeht. Und wenn der Hellseher anfängt, in sich die Kräfte zu entwickeln, dann kann er, um jetzt ein reales Beispiel zu erwähnen, so empfinden, wie wenn er zwei helleuchtende Kugeln weit draußen im Raum wahrnehmen würde. Das sind also zwei Bilder von in gewissen Farben helleuchtenden Kugeln. Wenn der Hellseher nun sagte: Da draußen sind irgendwo zwei Wesenheiten, so würde er wahrscheinlich etwas sehr Falsches denken. Das wird jedenfalls zunächst nicht der richtige Tatbestand sein; der wird ein ganz anderer sein. Der wird so sein, daß das Hellsehen Kräfte, die in ihm selbst arbeiten, hinausprojiziert in den Raum und wahrnimmt als zwei Kugeln. Und es können zum Beispiel diese zwei Kugeln das darstellen, was in dem astralischen Leib des Hellsehers arbeitet und innerlich die Kraft des Sehens in seinen beiden Augen bewirkt Diese Kraft des Sehens kann sich ihm hinausprojizieren in den Raum in Form von zwei Kugeln. Also eigentlich sind es innerliche Kräfte, die sich als draußen befindliche Erscheinungen des astralischen Raumes darleben, und die größtmögliche Täuschung könnte eintreten, wenn man das etwa für die Ankündigung äußerer geistiger Wesenheiten halten würde.

Noch falscher ist es, wenn man von Anfang an durch irgendwelche Mittelchen, sagen wir, dazu gebracht wird, Stimmen zu hören, und diese Stimmen gleich als Eingebungen von außen deutet. Das ist das Allerfalscheste, dem man verfallen kann. Das wird kaum etwas anderes sein als ein Echo von einem inneren Vorgang. Und während in der Regel das, was wie Farbenbilder, Formenbilder erscheint, ziemlich reinliche Vorgänge im eigenen Innern darstellt, stellen Stimmen in der Regel ziemlich wüstes Zeug, das in der Seele vorgeht, dar. Und es ist das beste, wenn ein jeglicher, der beginnt Stimmen wahrzunehmen, zunächst das größte Mißtrauen gegen den Inhalt dieser Stimmen entwickelt - Sie sehen, der Beginn dieses bildhaften Vorstellens muß unter allen Umständen mit einer großen Vorsicht aufgenommen werden. Es ist eine Art organbewußtsein, ein Hinausprojizieren des eigenen Innern in den Raum. Ganz normalerweise war aber dieses Bewußtsein wäh-

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rend der alten Mondenentwickelung ein solches Organbewußtsein. Die Menschen selber auf der alten Mondenstufe nahmen kaum noch etwas anderes wahr als das, was damals in ihnen geschah.

Ich habe öfter erinnert an ein wichtiges Wort, das Goethe ausgesprochen hat: Das Auge ist am Lichte für das Licht gebildet. - Dieses Wort sollte recht tief genommen werden. All die Organe, die der Mensch hat, sind gebildet an der Umgebung, aus der Umgebung heraus. Und es ist eine oberflächliche Philosophie, die nur eine Seite der Wahrheit betont, die da sagt: Ohne das Auge könnte der Mensch kein Licht wahrnehmen. Denn die andere wichtige Seite dieser Wahrheit ist die: Ohne Licht könnte sich niemals ein Auge entwickelt haben, und ebenso ohne Ton kein Ohr, und so weiter. - Von einem tieferen Standpunkte aus ist alle Kantianerei eine Oberflächlichkeit, weil sie nur eine Seite der Wahrheit gibt. Das Licht, das den Weltenraum durchwebt und durchflutet, das ist die Ursache der Organe der Augen. Während der alten Mondenzeit war die Hauptarbeit der Wesenheiten, die an dem Werden unserer Welten teilgenommen haben, das Aufbauen der Organe. Zuerst müssen die Organe aufgebaut werden, dann können sie wahrnehmen. Unser jetziges gegenständliches Bewußtsein beruht darauf, daß zuerst die Organe gebaut worden sind. Als rein physikalische Organe wurden ja die Sinnesorgane schon während der alten Saturnzeit gebildet, das Auge etwa wie eine Camera obscura, die der Photograph hat. Solche rein physikalischen Apparate können nichts wahrnehmen. Die sind nach den physischen Gesetzen zusammengesetzt. In der alten Mondenzeit wurden diese Organe verinnerlicht. Wenn wir also das Auge in Betracht ziehen, so müssen wir sagen: Auf dem alten Saturn war es so gebildet worden, daß es höchstens ein physikalischer Apparat war. Auf der Mondenstufe wurde es durch das von außen einfallende Sonnenlicht umgestaltet zu einem Wahrnehmungsorgan, zu einem Bewußtseinsorgan. - Das Wesentliche jener Tätigkeit während des alten Mondenzustandes ist, daß die Organe sozusagen aus den Wesenheiten herausgezogen werden. Während der Erdenzeit ist das Wesentliche, daß zum Beispiel das Licht auf die Pflanzen wirkt, die Pflanzenentwickelung unterhält.

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Wir sehen das Produkt dieses Lichtwirkens an der äußeren Flora. So wirkte das Licht nicht während des alten Mondenzustandes. Da zog es die 0rgane heraus, und was der Mensch damals wahrnahm, das war diese Arbeit an seinen eigenen Organen. Es war also ein Wahrnehmen von Bildern, die allerdings den Weltenraum zu erfüllen schienen. Es schien so, wie wenn diese Bilder ausgedehnt wären im Raum. In Wahrheit waren sie nichts anderes als Ausdrücke für das Arbeiten des elementarischen Daseins an den Organen des Menschen. Wie er sich selber bildete, wie sich da gleichsam aus der eigenen Wesenheit herausentwickelten die wahrnehmenden Augen, diese Arbeit an sich selbst, sein eigenes inneres Werden, das nahm der Mensch während der alten Mondenzeit wahr. So war ihm die Außenwelt eine Innenwelt, weil die ganze Außenwelt an seinem Innern arbeitete, und er unterschied sich gar nicht in bezug auf ein Äußeres und Inneres. Die Sonne als Äußeres nahm er gar nicht wahr. Er trennte nicht die Sonne von sich, sondern er fühlte in sich das Werden seiner Augen. Und dieses Arbeiten am Werden seiner Augen, das dehnte sich ihm hinaus zu einer bildlichen Wahrnehmung, die den Raum erfüllte. Das war für ihn die Sonnenwahrnehmung, war aber ein innerlicher Vorgang.

Das war das Charakteristische des alten Mondenbewußtseins, daß man eine Bilderwelt um sich herum wahrnahm; aber diese Bilder bedeuteten ein inneres Werden, ein inneres Aufbauen des Seelendaseins. So war der Mondenmensch im Astralischen beschlossen, fühlte sein eigenes Werden wie eine Außenwelt. Heute wäre das Wahrnehmen dieses inneren Werdens als Außenwelt, so daß man nicht unterscheiden könnte die Bilder von der Außenwelt, die man nur als Widerspiegelung des eigenen Werdens wahrnimmt, Krankheit. Während des alten Mondenbewußtseins war es das Normale. Die Arbeit also zum Beispiel jener Wesenheiten, die später die Elohim wurden, die nahm er in seinem eigenen Wesen wahr. Wie wenn Sie heute meinetwillen Ihr Blut wahrnehmen würden in sich fließen, so nahm der Mensch die Tätigkeit dieser Elohim wahr. Das war in ihm; es spiegelte sich nur in Bildern von außen her.

Solch ein Bewußtsein aber war überhaupt das, was einzig und

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allein auf dem alten Monde möglich war. Denn das, was auf unserer Erde geschieht, muß im Einklang mit dem gesamten Kosmos geschehen. Ein solches Bewußtsein, wie es der Mensch auf der Erde hat, mit dieser Unterscheidung von Außen und Innen, mit dieser Wahrnehsnung, daß äußere reale Gegenstände da draußen stehen und daß wir eine Innerlichkeit daneben sind, dieses erforderte, daß die ganze Entwickelung vom alten Mond zur Erde herüberging, daß eine ganz andere Form von Trennung in unserem kosmischen System eintrat. Die Trennung zum Beispiel von Mond und Erde, wie wir sie heute haben, die war während des alten Mondes überhaupt nicht vorhanden. Das, was wir den alten Mond nennen, müssen Sie sich so vorstellen, als ob der heutige Mond noch mit der Erde verbunden wäre. Dadurch waren überhaupt alle anderen Planeten einschließlich der Sonne ganz anders gestaltet. Und unter den Bedingungen, wie sie damals waren, konnte sich nur ein solches Bilderbewußtsein entwickeln. Erst nachdem der ganze Kosmos, der zu uns gehört, die Gestalt angenommen hatte, die er eben als Umgebung der Erde hat, konnte sich das Gegenstandsbewußtsein entwickeln, so wie wir es heute haben.

Wir müssen also sagen: Ein solches Bewußtsein, wie es der Mensch als Erdenbewußtsein hat, wurde ihm vorbehalten bis zur Erdenzeit. Und nicht nur der Mensch hatte es nicht, es hatten es auch nicht alle die anderen Wesenheiten, die wir anführen als zu dieser oder jener Hierarchie gehörig. Es wäre oberflächlich, wenn Sie denken würden, weil zum Beispiel die Engel ihre Menschheitsstufe auf dem alten Mond durchgemacht haben, deshalb müßten sie auf dem alten Mond ein solches Bewußtsein gehabt haben wie die Menschen heute auf der Erde. Das haben sie nicht gehabt, und das unterscheidet sie von dem Menschen, daß sie ihre Menschheit mit einem anderen Bewußtsein durchgemacht haben. Eine direkte Wiederholung dessen, was schon da war, findet niemals statt. Alles, was ein Entwickelungsmoment ist, geschieht nur einmal und geschieht, damit es eben da ist, nicht um irgend etwas anderes zu wiederholen. Also, damit einmal dieser Bewußtseinszustand entstehen konnte, den wir heute das Bewußtsein des Erdenmenschen

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nennen, dazu waren alle die Vorgänge nötig, die eigentlich diese Erde hervorgerufen haben, dazu war der Mensch als Mensch notwendig. Und die Erdenwesen konnten unmöglich auf den früheren Stufen der Entwickelung ein solches Bewußtsein entwickeln. Wenn uns ein Gegenstand gegenübertritt, dann ist er außer uns, dann erscheint er uns als Wesen außer uns. Alles frühere Bewußtsein der Weseriheiten, von denen wir reden können, ist so, daß es das Innere von dem Äußeren nicht unterscheidet, daß es Unsinn wäre, zu sagen: uns erscheint etwas als vor uns stehend. Das konnten auch die Elohim nicht sagen, das gab es nicht für sie. Sie konnten nur sagen: Wir leben und weben in dem Weltenall. Wir schaffen, und wir nehmen im Schaffen dieses unser Schaffen wahr. Nicht vor uns stehen Gegenstände, nicht vor uns erscheinen Gegenstände. - Dieses Faktum, das in dem Aussptuche liegt «Vor uns erscheinen uns Gegenstände, es drückt sich in einer äußeren, sagen wir, Raumgestaltung Wesenhaftes aus, von dem man selber abgetrennt ist, dem man gegenübersteht» - das Faktum, das in diesem Ausspruche sich kundgeben kann, das trat auch für die Elohim erst während der Erdenzeit auf. Wenn sie sich fühlten, diese Elohim, während der alten Mondenzeit webend und wirksam im Lichte, das von der alten Sonne auf den Mond hinfloß, so hätten sie sagen können: «Wir fühlen uns in diesem Licht drinnen, wir fühlen, wie wir mit diesem Licht uns hineinsenken in die Wesenheiten, die auf dem alten Mond als Menschen leben. Wir durcheilen gleichsam den Raum mit diesem Licht.» Aber nicht hätten sie sagen können: «Wir sehen dieses Licht außer uns.» Das gab es nicht während des alten Mondenzustandes, das war ein völlig neues Erdenfaktum.

Wenn uns das monumentale Wort auf einer gewissen Stufe der Entwickelung in der Genesis entgegentritt «Und die Elohim sprachen:», so muß ein neues Faktum hinzukommen: daß sie sich nicht bloß fühlen mit dem Licht hinfließend, sondern daß ihnen das Licht rückstrahlt von den Gegenständen, daß ihnen die Gegenstände von außen erscheinen. Der Schreiber der Genesis drückt das aus, indem er zu dem Worte «Und die Elohim sprachen:» hinzufügt «Und die Elohim sahen das

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Licht». Ja, in dieser Urkunde ist nichts unnötig, da ist nichts eine Phrase. Und man möchte wünschen, daß unter manchem anderen, was die Menschen von dieser alten Urkunde lernen können, sie auch dies lernten, nichts hinzuschreiben, was nicht einen vollsaftigen Inhalt hat, nichts als bloße Phrase hinzuschreiben. Der Schreiber der Genesis hat nichts Unnötiges geschrieben, nicht irgend etwas, was in spießbürgerlichem Sinn etwa eine Ausschmückung sein kann, um auch etwas Schönes zur Lichtschöpfung hinzuzufügen, nicht etwa so, daß sich die Elohim nun sagen: Ja, wir sehen das Licht und sind zufrieden mit uns, daß wir es recht gemacht haben. - Daß etwas Neues eintrat, das ist das Bedeutsame, das mit diesem kleinen Satz gesagt wird.

Und es ist mehr noch gesagt. Es steht nicht bloß da «Und die Elohim sahen das Licht», sondern «Sie sahen, daß es schön, oder gut, war». - Ich bemerke, daß der Unterschied zwischen «schön» und «gut» nicht in derselben Weise gemacht wird in der hebräischen Sprache wie heute. Dasselbe Wort steht für «schön» und für «gut». Was ist denn überhaupt mit dem gemeint, was man schön oder gut nennt? In der alten Sanskritsprache, selbst in der deutschen Sprache kIingt es noch durch, was damit gemeint ist. Das Wort «schön» umfaßt alle Worte, die in allen Sprachen bedeuten, daß ein Inneres, Geistiges in einem äußeren BiIde erscheint. «Schön sein» heißt, ein Innerliches erscheint äußerlich. Und wir verbinden heute noch den besten Begriff mit dem Worte Schönheit, wenn wir uns daran halten, daß in dem schönen Objekt ein inneres geistiges Wesen wie auf der 0berfläche sich im physischen Bilde darstellt. Wir nennen etwas schön, wenn wir sozusagen in dem äußeren Sinnlichen durchscheinen sehen das Geistige. Wann ist ein Marmorwerk schön? Wenn es in der äußeren Form die IIlusion erweckt: da lebt das Geistige darinnen. Das Erscheinen des Geistigen durch das Äußere, das ist das Schöne.

So also können wir sagen, wenn uns in der Genesis das Wort entgegentritt «Die Elohim sahen das Licht», daß darin das Spezifische der Erdenentwickelung angedeutet ist, daß aber auch das, was früher nur subjektiv zu erleben war, nun von außen erscheint,

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daß der Geist in seiner äußeren Erscheinung sich darstellt. Wir können also das Wort, das gewöhnlich übersetzt wird «Und die Elohim sahen das Licht, und sie sahen, daß es schön war», so auf drücken: «Und die Elohim erlebten das Bewußtsein, daß sich ihnen das, in dem sie früher waren, als ein Äußeres gegenüberstellte, und sie erlebten in dieser Erscheinung, daß der Geist im Hintergrund war und sich zum Ausdruck brachte in dem Äußeren» — denn das liegt hinter dem Wort, daß es «schön» war. Sie werden solch eine Urkunde wie die Genesis am besten dann verstehen, wenn Sie nirgends ein Wortfüllsel suchen, sondern wenn Sie überall forschen nach den Geheimnissen, die wirklich in den Worten verborgen sind. Dann dringen Sie im großen Stil forschend vor, während eine ganze Summe von Erklärungen sonst nichts anderes ist als eine gewöhnliche Philisterei.

Aber gehen wir noch um ein Stück weiter. Wir sahen, daß das Charakteristische des Mondenzustandes nur dadurch entstehen konnte, daß das Sonnenhafte sich abtrennte von dem Mondhaften. Wir sahen dann die Notwendigkeit ein, daß während der Erdenentwickelung sich neuerdings das Sonnenhafte vom Erdenhaften abtrennte, daß sozusagen eine Zweiheit nötig ist zum Leben des BewußtseinserfülIten. Es mußte ein Herausgang des Erdenhaften stattfinden. Solches Herausgehen ist aber mit etwas anderem noch verknüpft. Es ist damit verknüpft, daß die elementarischen Zustände in dem, was das Mondenhafte, und in dem, was das Sonnenhafte wird, sozusagen ihre Natur verändern, etwas anderes werden. Wenn Sie sich die heutige Sonne auch nur physisch betrachten, so müssen Sie sich sagen, die Zustände, die wir auf der Erde haben und die wir fest und flüssig nennen, die werden wir in der physischen Sonne nicht zu suchen haben. Sie werden höhstens sagen können, daß die Sonne noch bis zum Gasförmigen heruntergeht. So sieht selbst unsere Physik die Sonne an. Eine solche Scheidung findet überhaupt statt bei der Trennung dessen, was früher eine Einheit war.

Wir haben gesehen, daß das Erdenhafte sich so entwickelt, daß eine Art von Herunterverdichtung stattfindet von dem Wärmehaften bis zum Erdenhaften, Festen, und daß wie von außen hereindringend

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das erscheint, was das Elementarische nach oben ist, das Lichtätherische, Klangätherische, Lebensätherische. Aber bei dem, was als Sonnenhaftes hinausgeht, dürfen wir nicht ein Gleiches vorauesetzen. Wir müssen vielmehr sagen: Wir haben also als ersten, feinsten Zustand dasjenige, was das Leben einschließt und bewirkt, dann das, was wir Zahl- oder Klangäther nennen können, dann Lichtäther, dann Wärmeäther, dann haben wir Luft oder Gasiges, Wässeriges und Erdiges oder Festes. Das sind die sieben Zustände des elementarischen Daseins. Im Bereiche des Erdenhaften werden wir hauptsächlich das zu suchen haben, was bis zur Wärme geht. Die Wärme durchdringt unser Erdenhaftes, während wir von dem Lichthaften sagen müssen, daß die Erde nur insofern dessen teilhaftig ist, als an dem Erdenleben die Wesenheiten der Umgebung teilnehmen, meinetwillen sagen Sie Körper der Umgebung. Licht strahlt von der Sonne auf die Erde. Wenn wir sozusagen lokalisieren wollten die drei höheren elementarischen Zustände, Lichtäther, Klangäther, Lebensäther, dann müßten wir sagen: die werden wir örtlich mehr in dem Sonnenhaften zu suchen haben. - Im Erdenhaften müssen wir das Erdige, Flüssige, Luftförmige suchen, die Wärme ist aber verteilt auf beides, auf das Erdenhafte und aufs Sonnenhafte. In das Sonnenhafte werden wir mehr zu verlegen haben das Lichthafte, das geistig Klanghafte und auch das Lebenshafte. Das Lebenerzeugende müssen wir mehr im Sonnenhaften suchen.

Zum erstenmal hat sich dieses Sonnenhafte während der alten Mondenzeit abgetrennt. Da, während der alten Mondenzeit, war zuerst das Licht von außen wirksam, aber nicht als Licht. Ich habe es ja eben ausgeführt, daß der Satz, der in der Genesis steht: «Und die Elohim sahen das Licht», unmögIich hätte ausgesprochen werden können in bezug auf die Entwickelung der Mondenzeit. Da hätte gesagt werden müssen: Und die Elohim eilten durch den Raum mit dem Licht, waren in dem Licht darinnen, sahen es aber nicht. - So wie etwa heute einer im Wasser schwimmt und eigentlich das Wasser nicht sieht, sondern sich darin vorwärts bewegt, so sah man das Licht nicht, sondern es war ein Träger der Arbeit im

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kosmischen Raum. Mit der Erde fing an das Licht zu erscheinen, rückzustrahlen von den Gegenständen.

Was nun für das Licht während der Mondenzeit vorhanden war, von dem war es nur natürlich, daß ein etwas höherer Zustand während der Erdenentwickelung stattfinden mußte. Wir müssen also erwarten, daß das, was für das Licht während der alten Mondenentwickelung vorhanden war, während der Erdenentwickelung für das Klangätherische vorhanden ist. Mit anderen Worten, es geht während der Erdenentwickelung mit dem Klangäther so, wie es während der Mondenentwickelung mit dem Lichtäther ging. - Das würde bedingen, daß für die Elohim das, was wir geistig klanghaft nennen, nicht in solcher Weise rückstrahlend wahrzunehmen ist wie das Lichthafte. Wenn also die Genesis uns andeuten wollte, daß die Entwickelung vorschreitet von der Wirksamkeit des Lichtätherischen zu der des KIangätherischen, dann müßte sie uns etwa sagen: «Und die Elohim sahen im Erdenwerden das Licht und sahen, daß es schön ist» —, aber nun dürfte sie nicht in derselben Weise fortfahren: «Und die Elohim nahmen wahr während dieser Phase das Klangätherische», sondern sie müßte sagen: «Sie lebten und webten in diesem.» Dann dürfte auch nicht vom sogenannten zweiten Schöpfungstage gesagt werden, daß die Elohim wahrnahmen jene Erregung, die die Stoffe nach oben und unten abteilt. Da dürfte von dieser Arbeit der Elohim nicht gesagt werden zum Beispiel: sie nehmen sie wahr, sondern da müßte in der Genesis dieses Wort vom Wahrnehmen und Schönsein ausgelassen sein. Dann würde es dem entsprechen, was wir durch die Geisteswissenschaft konstatieren können. Also es müßte der Seher, der die Genesis geschrieben hat, am zweiten Schöpfungstag den Satz auslassen «Und die Elohim sahen...»

Nehmen Sie die Genesis. Da steht am ersten Tag: «Und die Elohim sahen das Licht und sahen, daß es schön war.» Am zweiten Schöpfungstage finden Sie bei den gewöhnlichsten Übersetzungen ausgedrückt, nachdem der erste Schöpfungstag verflossen ist: «Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten der Wasser und es soll sich scheiden zwischen Wasser und Wasser - und es ward

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also. Und Gott nannte die Ausdehnung Himmel ... Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.» Und jener Satz, der am ersten Schöpfungstag steht, er bleibt am zweiten Schöpfungstag aus! Die Genesis erzählt so, wie wir es von ihr verlangen müssen nach dem, was wir geisteswissenschaftIich konstatieren können.

Da haben Sie wiederum eine solche Crux, womit die Erklärer des neunzehnten Jahrhunderts gar nichts anzufangen gewußt haben. Es hat Erklärer gegeben, die gesagt haben: Nun, was ist weiter, wenn der Satz das zweitemal wegbleibt? Der Schreiber hat es eben vergessen. - Aus der Genesis sollten die Menschen lernen, daß sie nicht nur nichts hinsetzen, was nicht hingehört, sondern auch nichts weglassen, was hingehört. Der Schreiber der Genesis hat nichts vergessen. Es ist der tiefste Grund vorhanden, daß am zweiten Schöpfungstag diese Worte nicht dastehen. Das ist wiederum ein solches Faktum, wie ich schon viele erwähnen konnte, die uns mit einer so ungeheuren Schätzung und Achtung durchdringen, wenn wir in solch eine alte Urkunde hineinschauen, wie es die Genesis ist. Wir könnten viel lernen von diesen alten Schreibern, die nun wirklich keinen Eid dafür abzulegen brauchten, sondern von selber den Grundsatz befolgten, nichts hinzuzufügen und nichts hinwegzulassen von dem, was sie als Wahrheit erkannt haben. Sie waren tief durchdrungen davon, daß jegliches Wort uns heilig sein muß, das da steht, und daß wir auch nichts Notwendiges weglassen dürfen.

Damit haben wir aus inneren Gründen sozusagen die Komposition dieses sogenannten ersten und zweiten Schöpfungstages eingesehen. Derjenige, der durch die Geistesforschung entdeckt, was hinter den Dingen ist, und dann herangeht an die BibeI, der sagt sich wohl: Es wäre doch wunderbar, überwältigend wunderbar, wenn diese Feinheiten, die durch eine gewissenhafte Geistesforschung gefunden werden können, sich bei dem alten Seher, der an der Genesis gearbeitet hat, wiederfinden würden. - Und wenn sich dieses Überwältigende dann bewahrheitet, darin überkommt ihn ein wunderbares Gefühl, ein Gefühl, wie es in die Menschenseelen dringen soIlte, damit sie wiederum so recht die Heiligkeit empfinden, die in diesem uraIten Dokument wohnt, das wir als die Genesis kennen.


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NEUNTER VORTRAG

München, 24. August 1910

Wir haben im Verlaufe der Vorträge uns ein Bild gemacht von dem Hereinfließen früherer Vorbereitungszustände aus der alten Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit in unser Erdenwerden. Wir müssen uns natürlich immer vor Augen halten, daß das Wesentlichste, das uns interessieren kann an diesem ganzen Erdenwerden, die Entwickelung, die Heranbildung des Menschen selbst ist. Wir wissen ja, daß der Mensch in unserer ganzen planetarischen Evolution sozusagen der Erstling ist Wenn wir den Blick zurückwenden auf das alte Saturndasein, so fällt uns ja auf, daß wir während dieses Wärmewebens nur die erste Anlage zum physischen Menschen zu verzeichnen haben und daß von alledem, was uns sonst noch heute umgibt, was wir antreffen im tierischen, im pflanzlichen, im mineralischen Reich, noch nichts vorhanden war. Diese Reiche kamen zum Menschenreich erst hinzu. Und wir werden daher fragen müssen: Wie steht es denn nun eigentlich während des Erdenwerdens, im Sinne des Berichtes der Genesis, mit der Entwickelung des Menschen im genaueren?

Wir werden schon sehen im Verlaufe der Vorträge, daß sich alles das voll bewahrheitet, was wir heute aus den geisteswissenschaftlichen Forschungen selbst heraus gewinnen wollen. Wenn wir die Genesis so oberflächlich ansehen, so könnte es uns ja scheinen, als ob der Mensch erst gleichsam wie aus der Pistole geschossen am sogenannten sechsten Schöpfungstag aufträte. Nun wissen wir aber, daß ja der Mensch das Allerwichtigste ist, daß die anderen Reiche gleichsam Abfälle sind des Menschenwerdens. Und deshalb muß uns die Frage interessieren: Wie ist es mit dem Menschen in den Schöpfungstagen, die dem sechsten vorangegangen sind? Wo haben wir da den Menschen zu suchen? - Wenn das Erdenwerden eine Art Wiederholung des Saturn, der Sonne, des Mondes darstellt, so ist ja vorauszusetzen, daß sich das Menschenwerden vor allen Dingen

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immer wiederholt, daß wir den Menschen nicht erst am sechsten Schöpfungstage zu suchen haben, sondern schon vorher. Wie erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch, daß die Genesis nicht schon vorher von dem Menschen spricht?

Nun, da ist zunächst auf eines aufmerksam zu machen. Die Genesis spricht da, wo sie von dem Menschenwerden zu sprechen beginnt, von Adam, und in gewissem Sinne ist in der alten Priestersprache des Hebräischen der Ausdruck Adam zusammenfallend mit unserem Ausruck «der Mensch». Aber wir müssen diesen Ausdruck Adam genauer verstehen. Er rief in der Seele eines althebräischen Weisen eine Vorstellung hervor, die wir in der deutschen Sprache etwa wiedergeben könnten mit dem Worte «der Erdige». Also der Mensch als solcher ist das Erdenwesen kat` exochen, die Krönung gleichsam alles Erdenwesens, das, was zuletzt als Frucht des Erdenwerdens sich ergibt. Aber alles das, was in der Frucht zuletzt zusammenschießt, ist ja schon vorher in der ganzen Wesenheit der Pflanze, wenn wir im Bilde bleiben, darinnen. Wir werden in den vorhergehenden Schöpfungstagen den Menschen nicht finden, wenn wir uns nicht klarmachen, daß in Wirklichkeit nicht das Physische des Menschen dem Geistig-Seelischen vorangeht, sondern daß es umgekehrt ist, daß das Geistig-Seelische dem Physischen vorangeht. Das, was wir heute als den physischen Erdenmenschen vor uns haben, was wir zunächst als Mensch ansprechen, das haben wir uns etwa so vorzustellen, wie wenn wir eine kleine Masse Wasser haben, die wir durch Abkühlung zu Eis erstarren lassen. So wie Wasser erstarrt zu Eis, so haben wir uns etwa am sechsten Schöpfungstage durch das Werk der Elohim den seelisch-geistigen Menschen als erstarrend, gleichsam sich verdichtend zum Erdenmenschen vorzustellen. Also das Vorrücken zum sechsten Schöpfungstage ist ein Verdichten des geistig-seelischen Menschen zum dichten Erdenmenschen. Wir werden ganz naturgemäß den Menschen an den vorhergehenden sogenannten Schöpfungstagen nicht im Bereich dessen zu suchen haben, was sich zunächst wie physische Abfälle oder wie Gesetze der physischen Abfälle des Menschenwerdens übersinnlich bildet, sondern

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wir werden den Menschen vorher in einem geistig-seelischen Zustande zu suchen haben. Wenn wir also im Sinne der Genesis davon sprechen, daß am ersten Tage vorhanden war das innerlich Regsame und das äußerlich sich Offenbarende, so dürfen wir den Menschen für diesen ersten Schöpfungstag nicht in dem Erdigen suchen, sondern im Umkreis der Erde als geistig-seelisches Wesen. Wir müssen sagen: sein Erdendasein bereitet sich vor als geistig-seelisches Wesen.

Ich will Ihnen heute zunächst die geisteswissenschaftlichen Resultate mit der Genesis ein wenig verbinden. Was bereitet sich denn in der allerersten Anlage vom Menschen vor, wenn uns die Genesis berichtet, daß durch kosmisches Sinnen die beiden Komplexe des sich innerlich Regenden und des sich äußerlich Offenbarenden entstehen? Wenn der Geist der Elohim webt, brütet durch diese Komplexe, was bereitet sich da vom Menschen vor? Das, was wir nennen können die Empfindungsseele im Sinne unserer heutigen Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft, das, was wir heute als ein Innerliches anzusehen haben, das bereitet sich vor im Sinne der Genesis am sogenannten ersten Schöpfungstage bis zu dem Moment, wo es heißt: «Es werde Licht, und es ward Licht.» In alledem steckt darinnen sozusagen im geistigen Umkreise als Geistig-Seelisches vom Menschen die Empfindungsseele. Wir werden also sagen, um uns das zu verdeutlichen: Wir suchen in der Umgebung der Erde zuerst die Empfindungsseele und setzen sie an den Platz, der gewöhnlich genannt wird der erste der Schöpfungstage. - Da also, wo im Umkreise der Erde die Elohim und ihre dienenden Wesenheiten ihre Arbeiten entfalten, da, wo ein geistig-seelisches Wesen webt, da haben wir, so wie heute etwa die Wolken im Luftkreise, ein Geistig-Seelisches vom Menschen in dieser geistig-seelischen Atmosphäre zu sehen, und zwar zunächst die Empfindungsseele des Menschen. Dann schreitet die Entwickelung des Menschen vor und wir haben, wenn wir den Menschen weiter verfolgen, das zu suchen, was wir Verstandes- oder Gemütsseele nennen. Die Empfindungsseele schreitet zur Verstandes- oder Gemütsseele vor, und wir haben im Umkreis der Erde diese gleichsam

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seelische Verdünnung der Empfindungsseele zur Verstanden oder Gemütsseele am zweiten der sogenannten Schöpfungstage. Da also, wo der KIangäther einschlägt in das Erdenwerden, wo sich die oberen Stoffmassen von den unteren trennen, da gehört der oberen Sphäre, in ihr webend, ein Mensch an, der erst in der Empfindungsseele und Verstandes- oder Gemütsseele der Anlage nach vorhanden ist Als dritten Moment haben wir uns dann das Vorschreiten des Menschen bis zur Bewußtseinsseele zu denken, so daß wir uns den ganzen Vorgang, der uns durch die Genesis dargestellt wird, so zu denken hätten, daß sich an diesem dritten Schöpfungstage unten auf der Erde durch die Einwirkung des Lebensäthers herausentwickelt das Grüne, das Pflanzenhafte, wie wir es geschildert haben, artgemäß. Die Erde treibt aus sich hervor, freilich nur so, daß es übersinnlich wahrnehmbar werden kann, die Grundlage des Pflanzenlebens, und oben webt im Äther das, was wir als die Bewußtseinsseele in Verbindung mit Empfindungsseele und Verstandesoder Gemütsseele zu bezeichnen haben.

So webt im Umkreise des Erdenwerdens der seelisch-geistige Mensch. Er ist wie in der Substanz der verschiedenen geistigen Wesenheiten darinnen. Er hat im Grunde genommen bis dahin kein selbständiges Dasein. Es ist so, wie wenn er als Organ innerhalb der Elohim, der Archai und so weiter sich bildete, in deren Leibern als Glied derselben vorhanden wäre. Daher ist es natürlich, daß uns erzählt wird von diesen Wesenheiten, denn nur sie sind eigentlich Individualitäten in dieser Zeit des Erdenwerdens; denn mit dem Schicksal dieser Wesenheiten wird auch das Schicksal der menschlichen Anlage geschildert. Aber es muß, wie Sie sich leicht denken können, wenn der Mensch einstmals wirklich die Erde bevölkern soll, etwas eintreten, was wir als eine allmähliche Verdichtung des Menschen bezeichnen können. Dieses Seelisch-Geistige muß sich nach und nach mit dem Leiblichen gleichsam umkleiden. Wir haben also am Ende dessen, was uns in der Bibel etwa als der dritte Schöpfungstag entgegentritt, einen geistig-seelischen Menschen in der Anlage, so wie wir heute sprechen von der Bewußtseinsseele, Verstandes- oder Gemütsseele und Empfindungsseele.

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Das alles muß sich einkleiden, gleichsam versehen mit dem äußeren KIeide. Es muß der Mensch innerhalb dieser geistig-seelischen Sphären zunächst das Kleid des astralischen Leibes erhalten.

Versuchen wir uns einmal vorzustellen, was wir eigentlich damit sagen: Der Mensch muß sich jetzt nach diesem dritten Schöpfungstag mit dem astralischen Leib umkleiden. - Wo haben wir denn beim Menschen im heutigen Leben gleichsam abgesondert vor uns seinen Astralleib, so daß wir seine Gesetze studieren können? Nun, wir haben diesen Astralleib, wenn auch in einer ganz anderen Form, als er in der Zeit war, von der uns die Genesis berichtet, abgesondert im Menschen, wenn der Mensch schläft. Da läßt er seinen Äther- und physischen Leib im Bette liegen, und der Mensch selber ist dann im Astralleib, der das Ich birgt, vorhanden.

Erinnern Sie sich nun an so mancherlei, was ich Ihnen in verflossenen Jahren gesagt habe über das eigenartige Leben dieses Astralleibes im schlafenden Zustande. Erinnern Sie sich auch an das, was Sie darüber in meiner «Geheimwissenschaft» finden können. Dann werden Sie sich sagen: Wenn dieser Astralleib aus dem physischen und Ätherleib heraus ist, dann beginnen sich Verbindungen zu bilden, gleichsam Strömungen von diesem Astralleib aus nach der kosmischen Umgebung. Wenn Sie des Morgens aus dem schlafenden Zustande wiederum zum wachenden zurückkehren, so haben Sie während des schlafenden Zustandes die stärkenden Kräfte gleichsam gesogen aus dem ganzen Kosmos. In einer gewissen Beziehung war Ihr Astralleib während der Nacht durch seine Strömungen eingegliedert dem ganzen umgebenden Kosmos. Er war in Verbindung mit all den planetarischen Wesenheiten, die zu unserer Erde gehören. Er sandte seine Strömungen nach Merkur, Mars, Jupiter und so weiter, und in diesen planetarischen Wesenheiten sind die stärkenden Kräfte, die in den Astralleib hineinsenden, was wir nötig haben, um bei unserer Rückkehr in den physischen und Ätherleib den Wachzustand fortführen zu können. Gleichsam ausgegossen und vergrößert zu einem Weltendasein ist unser Astralleib während der Nacht. Das hellseherische Bewußtsein sieht beim Einschlafen den Astralleib sich aus dem physischen Leib in gewisser

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Beziehung herausbegeben. Das ist freilich ein ungenauer Ausdruck. Wie in einer Spirale schlängelt sich der Astralleib aus dem physischen Leib heraus, wie eine spiralige Wolke schwebt er. Aber das, was man da sieht, ist nur der Anfang der Strömungen, die sich aus diesem astralischen Leib herausgliedern. Sie gehen tatsächlich in den Weltenraum hinaus und holen sich Kräfte, durchsaugen sich mit den Kräften der Planeten. Und wenn jemand Ihnen sagen wollte, daß der Astralleib das ist, was man mit grober HeIlsichtigkeit als eine Wolke gleichsam in der Nähe des physischen Leibes schweben sieht, dann sagt er Ihnen gar nicht die Wahrheit, denn dieser Astralleib ist während der Nacht ausgegossen über unser ganzes Sonnensystem. Er ist während des schlafenden Zustandes sozusagen in Verbindung mit den planetarischen Wesenheiten. Darum sprechen wir auch von einem «astralischen» Leib. Alle übrigen Erklärungen für den Ausdruck astralischer Leib, der im Mittelalter geprägt worden ist, sind nicht richtig. Wir sprechen von Astralleib aus dem Grunde, weil er im schlafenden Zustande des Menschen in gewisser innerer Verbindung ist mit den Sternen, mit der astralischen Welt, weil er in ihr ruht, weil er ihre Kräfte in sich aufnimmt.

Wenn Sie diesen Tatbestand, der heute noch der hellsichtigen Forschung sich ergibt, ins Auge fassen, dann werden Sie sich sagen: Dann müßten aber auch die ersten Strömungen, die diesen Astralleib bildeten, aus der Astralwelt, aus der Sternenwelt dem Menschen zufließen. Also müßte diese Sternenwelt vorhanden sein im Erdenwerden. - Wenn wir also sagen: Am sogenannten vierten Schöpfungstag umkIeidete sich das, was früher geistig-seelisch da war, mit den Gesetzen und Kräften des Astralleibes - so müssen an diesem vierten Schöpfungstage die Sterne, die astra, im Umkreise der Erde ihre Tätigkeit entfalten.

Das erzählt uns auch die Genesis. Wenn uns am sogenannten vierten Schöpfungstage das geschildert wird, was wir nennen können «der Astralleib des Menschen bildet sich mit seinen Gesetzen», so parallelisiert uns die Genesis ganz richtig dieses Umkleiden des Menschen mit dem Astralleib, wo er noch immer schwebt in der

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geistigen oder astralischen Umgebung der Erde, mit der Tätigkeit der Sternenwelt, die zunächst zu unserer Erde gehört Also auch darin liegt in dem Berichte der Genesis ein tiefer Sinn, der in vollständiger Kongruenz steht zu dem, was uns die hellseherische Forschung heute von dem gegenwärtigen Menschen zu sagen hat. Wir werden noch sehen, daß allerdings in jener Zeit, von der die Genesis spricht, dieser Astralleib nicht so war, wie heute unser Astralleib in der Nacht ist, aber seine Gesetze waren dieselben. Das, was in ihm als Tätigkeit sich entfaltete, war dasselbe.

Wir werden also zu erwarten haben, daß für die nächste Zeit, die die Genesis als den fünften Schöpfungstag verzeichnet, eine weitere Verdichtung des Menschen eintritt. Der Mensch bleibt noch immer ein übersinnliches ätherisches Wesen, aber es tritt eine weitere Verdichtung ein, eine Verdichtung innerhalb des Ätherischen. Der Mensch berührt noch immer nicht die Erde, er gehört sozusagen noch immer dem mehr geistig-ätherischen Umkreise der Erde an. Und da berühren wir etwas, was zu verstehen außerordentlich wichtig ist für das ganze Werden des Menschen im Zusammenhang mit der Erde. Wenn wir auf das dem Menschen nächste Reich, auf das tierische Reich, unseren Blick lenken, dann können wir uns die Frage vorlegen, die wir ja auch öfter schon gestreift haben: Warum sind denn diese Tiere eigentlich Tiere geworden, und warum ist der Mensch Mensch geworden? - Daß der Mensch sich erst aus der Tierheit herausentwickelt hat, wie die grobe materialistische Vorstellung der Gegenwart phantasiert, das kann ja nicht einmal eine oberflächliche abstrakte Vernunft zugeben, wenn Sie wirklich sich selber versteht. Wenn wir aber den Vorgang zeitlich betrachten, wenn wir gleichsam den Blick hinlenken auf das Erdenwerden, so müssen wir dennoch sagen: Bevor sichtbarlich der Mensch als Erdenwesen auftrat, sind die Tiere aufgetreten. - Damit der Mensch hat Mensch werden können auf der Erde, dazu war notwendig, daß er zu seiner Verdichtung die geeigneten Erdenverhältnisse angetroffen hat Nehmen Sie an, der Mensch wäre in der Zeit, die uns als der fünfte Schöpfungstag bezeichnet wird, ein Erdenwesen geworden, wie er es heute ist, das heißt so dicht, daß er als ein Erdenwesen

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bezeichnet werden kann, was wäre dann geschehen? Wenn damals der Mensch gleichsam schon herabgestiegen wäre in das dichte Erdendasein, dann hätte er nicht die Gestalt und Wesenheit werden können, die er geworden ist, denn die Erdenverhältnisse waren damals noch nicht reif, um dem Menschen diese Gestalt zu geben. Der Mensch mußte im Geistigen warten und mußte die Erdenentwickelung sich selbst überlassen, weil sie ihm noch nicht die Bedingungen geben konnte für das irdische Dasein. Er mußte reif erst werden innerhalb einer geistig-seelischen, einer mehr ätherischen Sphäre. Hätte er nicht gewartet mit seinem Herabstieg auf die Erde, so wäre er eben mit einer tierischen Gestalt umkleidet worden. Deshalb sind die Tiere Tiere geworden, weil das seelisch- geistige Wesen, das Gatttingsseelenmäßige dieser Tierformen herabgestiegen ist, als die Erde noch nicht reif war, noch nicht die Bedingungen hergeben konnte, die für die irdische Menschengestalt notwendig waren. Der Mensch mußte oben im Geistigen warten. Das, was Tier geworden ist, ist in bezug auf das Menschwerden gleichsam zu früh herabgestiegen. Die Erde war in jener Zeit, die uns bezeichnet wird als der fünfte Schöpfungstag, mit Luft und Wasser erfüllt. Der Mensch durfte nicht herabsteigen und sich eine erdenhafte Leiblichkeit darin bilden. Die Tierwesen, die Gattungsseelen der Tiere, die da herabgestiegen sind, die wurden Wesen der Luft, Wesen des Wassers. Während also gewisse Gattungsseelen sich umkIeideten mit einem Leibe, der den Bedingungen des Luftkreises, der Wassersubstanz entnommen war, mußte der Mensch warten im Geistigen, um später seine menschliche Gestalt annehmen zu können.

Die Genesis erzählt den ganzen Hergang ungeheuer geistvoll. Was würde denn geschehen sein, wenn der Mensch zum Beispiel schon am fünften Schöpfungstage in die dichte Materie heruntergestiegen wäre? Dann hätte seiner physischen Menschlichkeit noch nicht diejenige Kraft verliehen werden können, die ihm dadurch geworden ist, daß die Elohim gleichsam zu ihrer Einheit emporgestiegen sind. Wir haben ja von diesem Einswerden der Elohim gesprochen und haben gesagt, daß die Genesis das in wunderbarer

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Weise darstellt, indem sie vorher von den Elohim spricht und dann von Jahve-Elohim. Wir haben die Wesenheit der Elohim dadurch charakterisiert, daß wir gesagt haben: Sie woben in dem Wärmehaften, das Wärmehafte war ihr Element, gleichsam die Leiblichkeit, durch die sie sich unmittelbar ankündigten. - Als die Elohim am Ende jener Entwickelungsreihe, die uns durch die Genesis dargestellt wird, sich so weiterentwickelten, daß wir von einem Einheitsbewußtsein, von einem Jahve-Elohim sprechen können, da geschah auch eine Veränderung mit der Wesenheit dieser Elohim.

Und diese Veränderung liegt in der Linie, in welcher auch die Veränderung der übrigen Wesenheiten der Hierarchien liegt. Erinnern Sie sich, daß wir von dem Leib, - sagen wir der Throne, gesprochen haben. Wir sagten, daß er sich am Beginne unserer planetarischen Entwickelung hingeopfert hat zum Wärmeelement des alten Saturn. Wir haben ferner gesagt, daß wir die Leiblichkeit der Throne während der alten Sonne in dem luftartigen Element zu suchen haben, während des alten Mondes in dem Wasser und während unserer Erdenzeit im erdigen oder festen Element. Das war gleichsam das Avancement der Throne, daß sie aufgestiegen sind, indem sie ihre Wesenheit immer mehr und mehr vom wärmehaften Zustand zum erdigen verdichtet haben.

Fragen wir uns jetzt: Wenn die Elohim ein ähnliches Avancement durchmachen, wenn sie gleichsam als Lohn für ihr Schaffen um eine Stufe hinaufsteigen durften, was mußte in dieser Beziehung mit ihnen geschehen? - Dann mußten sie, das liegt ja in der ganzen Gesetzmäßigkeit, vorschreiten zur nächsten Verdichtung. Ganz in derselben Gesetzmäßigkeit, wie die Throne in uralten Zeiten beim Übergang vom alten Saturn zur alten Sonne vom wärmehaften zum luftartigen Element fortgeschritten sind, so dürfen wir erwarten, daß da, wo die Elohim das Einheitsbewußtsein erreichten, sie auch in bezug auf ihre äußere Manifestation, auf ihr äußeres Weben in einer Leiblichkeit vom Wärmeelement zum Luftelement vorschreiten. Das war aber noch nicht beim fünften Schöpfungstage der Fall, sondern erst am Ende jener Entwickelungslinie, die uns in der Genesis berichtet wird. Hätte der Mensch also schon am

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fünften Schöpfungstage in das feinere Element der Luft heruntersteigen dürfen, so wäre es ihm ergangen wie den Wesenheiten, die ihre Leiblichkeit in diesem Luftelement gesucht haben. Sie sind die in der Luft lebenden Tiere geworden, weil ihnen nicht die Kraft verliehen werden konnte, die notwendig ist, um den Sinn des Erdenwerdens herbeizuführen, die Kraft von Jahve-Elohim, nach dem Avancement der Elohim zu Jahve-Elohim. Der Mensch mußte also warten. Er durfte die Luft nicht aufnehmen. Als jene Gattungswesen herabstiegen, da mußte er warten, bis aus den Elohim Jahve-Elohim geworden war. Dann erst konnte ihm die Kraft gegeben werden, die Jahve-Elohimkraft. In dem Weben des Jahve-Elohim, in der Luft mußte er sich inkorporisieren, aber er durfte das elementarische Dasein der Luft erst in sich aufnehmen, als er es empfangen konnte von Jahve-Elohim. Wunderbar geistvoll erzählt uns das die Genesis, indem sie sagt: Es reifte der Mensch in einem mehr geistig-ätherischen Dasein heran und suchte die dichte Körperlichkeit erst dann, als die Elohim zu Jahve-Elohim emporgestiegen waren, als Jahve-Elohim die irdische Wesenheit des Menschen bilden konnte, indem er dem Menschen die Luft einhauchte. - Es war der Ausfluß der zu Jahve-Elohim gewordenen Elohim selber, der mit der Luft in den Menschen einströmte.

Da haben wir wiederum eine solche Ausführung der Genesis, die so wunderbar sich zusammenschließt mit dem, was uns die Geistesforschung der Gegenwart zeigt, und da haben Sie in der Genesis eine Evolutionslehre gegeben, gegen welche alle so stolzen Evolutionslehren der Gegenwart nichts sind als eine Phantasterei, als Dilettantismus. Denn die Genesis führt uns in das innere Werden hinein, zeigt uns, was da geschehen mußte im Übersinnlichen, bevor der Mensch zum sinnlichen Dasein fortschreiten durfte.

So also werden wir sagen dürfen: Der Mensch mußte noch im ätherischen Dasein verbleiben, während die anderen Wesenheiten schon sich physisch verdichteten im Luft- und Wasserkreis. Und weiter dürfen wir sagen: Es geschieht die Verdichtung des Menschen bis zum Ätherleib in derjenigen Zeitepoche, die wir in der Bibel den fünften Schöpfungstag nennen. - Da finden wir also den

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Menschen noch nicht unter den physischen Erdenwesen. Erst in der Zeit, die wir als den sechsten Schöpfungstag bezeichnen, haben wir den Menschen unter den eigentlichen Erdenwesen zu suchen. Da ist er sozusagen von dem Erdenwerden aufgenommen, und wir können sagen: Das, was wir heute als des Menschen physischen Leib bezeichnen, das entsteht zu jener Zeit, die in der Genesis als der sechste Schöpfungstag bezeichnet ist.

Jetzt aber müssen wir uns noch etwas klarmachen. Sie würden noch immer fehlgehen, wenn Sie nun glauben wurden, daß Sie mit gewöhnlichen Augen den Menschen hätten sehen können, der da am sechsten Schöpfungstage entstanden ist, oder gar mit den Händen angreifen, so daß Sie etwas gespürt hätten. Wenn ein Mensch mit den heutigen Sinnen damals überhaupt möglich gewesen wäre, so hätte er doch den eben entstandenen Erdenmenschen nicht wahrnehmen können. Der Mensch ist heute zu sehr geneigt, materialistisch zu denken. Daher denkt er sich gleich beim sechsten Schöpfungstag: Da war der Mensch ebenso vorhanden, wie er heute ist - Der Mensch war allerdings schon physisch vorhanden, aber physisch ist ja zum Beispiel auch das Weben der Wärme. Wenn Sie irgendwo in einen Raum hineinkommen und in diesem differenzierte Wärmeströmungen finden, die nicht so dicht sind wie Gas, so müssen Sie das auch schon physisches Dasein nennen, und es gab schon während der Saturnzeit physisches Dasein, wenn auch nur als Wärmesubstanz. Also den Menschen im dichten Fleisch zu suchen am sogenannten sechsten Schöpfungstage, das darf nimmermehr sein. Wir dürfen ihn als Erdenwesen suchen, im Physischen, wir müssen ihn jetzt sogar im Physischen suchen, aber nur in der feinsten physischen Manifestation, als Wärmemensch. Als jenes Ereignis eintrat, das mit dem schönen Worte bezeichnet wird «Die Elohim sprachen: Lasset uns den Menschen machen!», da wurde ein Wesen, das empfänglich gewesen wäre, Wärmezustände wahrzunehmen, gewisse Differenzierungen in der Wärmesubstanz gefunden haben. Wenn es hingeschritten wäre über die Erde, die dazumal bedeckt war mit dem Gattungsmäßigen des Pflanzenhaften, des Tierhaften im Luft- und Wasserelement, dann hätte es sich

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sagen können: Merkwürdige Dinge sind da wahrzunehmen. An gewissen Stellen sind Wärmeeindrücke wahrzunehmen, noch nicht etwa gasförmige Eindrücke, nur reine Wärmeeindrücke. Man findet gewisse Wärmedifferenzierungen im Umkreise der Erde. Da huschen Wärmewesen hin und her. - Der Mensch war eben noch nicht einmal ein gasiges Wesen, nur ein Wärmewesen war er. Denken Sie sich alles Feste weg, das an Ihnen ist, denken Sie sich auch weg alles Flüssige und alles Gasförmige, und stellen Sie sich von diesem Menschen, der Sie heute sind, nur das vor, was in Ihrem Blut als Wärme pulsiert, Ihre Blutswärme denken Sie sich, abstrahieren Sie von allem übrigen, dann haben Sie das, was damals entstand, als die Elohim das schöpferische Wort sprachen: Und der nächste Verdichtungszustand kommt erst nach den Schöpfungstagen. Das Einströmen dessen, was Jahve-Elohim geben konnte, der Luft, das kommt erst, nachdem dieser sechste Schöpfungstag war.

Die Menschen werden nicht eher ihren eigenen Ursprung verstehen, als bis sie sich entschließen werden, ihre Herkunft so vorzustellen, daß ursprünglich im Erdenwerden ein Geistig-Seelisches vorhanden war, dann ein Astralisches, dann ein Ätherisches, daß dann von den physischen Zuständen zuerst der Wärmezustand vorhanden war und dann erst der Luftzustand. Und selbst für den Moment, wo uns nach den sechs Schöpfungstagen erzählt wird , solange sich die Menschen nicht entschließen, sich selbst für diesen Moment physisch einen Wärme- und Luftmenschen vorzustellen, solange sie glauben, daß da schon etwas vom Fleischmenschen vorhanden war, so lange werden die Menschen ihren eigenen Ursprung nicht verstehen. Aus dem Feineren entsteht das Gröbere, nicht aus dem Gröberen das Feinere. Es ist ja für ein heutiges Bewußtsein sehr fremd, so zu denken, aber es ist die Wahrheit.

Wenn wir das ins Auge fassen, dann wird es uns auch begreiflich erscheinen, warum in so vielen Schöpfungsberichten davon die Rede ist, daß das Werden des Menschen als ein Herabsteigen aus

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dem Umkreise der Erde aufzufassen ist. Und wenn uns die Bibel selber, nachdem sie uns von den Schöpfungsragen gesprochen hat, von dem sogenannten Paradiese spricht, so müssen wir auch da etwas Tieferes dahinter suchen, und wir werden nur das Richtige finden, wenn wir uns geisteswissenschaftlich darüber verständigen. Es ist für den, der die Dinge kennt, wirklich recht eigentümlich, wenn unter den Bibelexegeten herumgestritten wird, ob an diesem oder jenem Orte der Erde das Paradies gelegen hat, von dem die Menschen dann ausgewandert sind. Nur zu deutlich ist in manchem Schöpfungsbericht, auch in der Bibel selber, enthalten, daß das Paradies überhaupt nicht auf dem Erdboden als solchem vorhanden war, daß es vielmehr erhaben über dem Erdboden, sozusagen in Wolkenhöhen war, und daß der Mensch, als er im Paradiese lebte, noch ein wärmehaft-gasiges Wesen war. Zweibeinig ist der Mensch wahrhaft damals noch nicht auf dem Erdboden herumgeschritten, das ist materialistische Phantastik. Wir haben uns also vorzustellen, daß der Mensch auch noch nach Ablauf der Schöpfungstage, wie sie gewöhnlich genannt werden, ein Wesen ist, das nicht dem Erdboden, sondern dem Erdenumkreise angehört.

Wie ist nun der Mensch sozusagen aus dem Umkreise auf den Erdboden herabgelangt, wie ist die weitere Verdichtung geschehen von jenem Zustand, in den ihn Jahve-Elohim versetzt hat? Da kommen wir nun zu dem, was Sie ziemlich genau dargestellt finden in meiner «Geheimwissenschaft», da kommen wir zu dem, was wir den luziferischen Einfluß nennen. Wenn wir genauer charakterisieren wollen, was mit diesem luziferischen Einfluß gemeint ist, so müssen wir uns vorstellen, daß sich Wesenheiten, eben jene Wesen, die man als die luziferischen bezeichnet, gleichsam in den menschlichen Astralleib hineingossen, so daß der Mensch, wie er gebildet worden ist durch alle die Kräfte, die wir bisher geschildert haben im Erdenwerden, nachher in sich aufgenommen hat den luziferischen Einfluß. Wir werden diesen Einfluß verstehen, wenn wir sagen: Des Menschen Begierdeleben, des Menschen Wunschleben, alles, was überhaupt im Astralleib verankert ist, das wurde durchsetzt von dem luziferischen Element, wurde dadurch, wenn

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ich mich so ausdrücken darf, vehementer, leidenschaftlicher, dringlicher an Begierdenhaftigkeit gemacht, wurde in sich geschlossener gemacht. Kurz, das, was wir heute mit dein Ausdrucke Egoismus bezeichnen, dieses innerlich in sich Abgeschlossen-sein-Wollen, dieses Darauf-Schauen, daß man womöglich innerlich behaglich sich fühlt, das drang mit dem luziferischen Element in den Menschen ein. Alles Gute und Schlimme, was unter diesem von innerlichem Behagen Durchsetztsein verstanden werden kann, drang mit dem luziferischen Einfluß in den Menschen ein. Ein fremder Einfluß war es also zunächst Aus dem Astralleib, wie er vorher war in der Zeit, wo er geformt worden ist von den Strömungen, die da aus der Sternenwelt hereinströmten, aus der Form, die da der AstralIeib angenommen hat, wurde jetzt ein anderer Astralleib, ein solcher, der von dem luziferischen Einfluß durchdrungen war. Die Folge davon war, daß der Luftwärmeleib des Menschen zusammengezogen wurde, weiter zusammengedichtet wurde. Da entstand erst das, was man den Fleischesmenschen nennt, da entstand erst die weitere Verdichtung des Menschen. So daß wir sagen können: Das Vor-Luziferische des Menschen ist in dem elementarischen Dasein von Wärme und Luft enthalten, und in das Flüssige und in das Feste des Menschen hat sich hineingeschlichen der luziferische Einfluß. - Da ist er hineingedrungen, da lebt er drinnen. In allem, was fest, was flüssig ist, lebt der Iuziferische Einfluß. Und es ist gar nicht eigentlich bildlich gesprochen, sondern bezeichnet ziemlich klar, ziemlich richtig den Tatbestand, wenn ich sage: Durch diese durch den luziferischen Einfluß bewirkte Zusammenpressung des MenschenIeibes wurde der Mensch schwerer und sank herunter aus dem Umkreise auf den Erdboden. - Das war der Austritt aus dem Paradiese, wie er bildlich dargestellt wird. Der Mensch bekam erst sozusagen die Schwere, die Gravitationskraft, um aus dem Umkreise der Erde auf den Erdboden herabzusinken. Das ist das Herabsteigen des Menschen auf den physischen Erdboden, das ist das, was den Menschen heruntergebracht hat bis zur Erde, während er vorher in ihrem Umkreise gewohnt hat. Wir müssen also diesen luziferischen Einfluß unter die wahrhaftigen Bildekräfte des Menschen zählen.

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Deshalb tritt uns auch ein merkwürdiger Parallelismus entgegen zwischen den Schilderungen des rein geisteswissenschaftlich Forschenden und denen der Bibel. Sehen Sie doch einmal, wie in meiner «Geheimwissenschaft» alles ferngehalten ist, was leicht hätte entstehen können, wenn man irgend etwas von den Schilderungen der Genesis selber herangezogen hätte. Ich möchte sagen: Davor habe ich mich wohl gehütet bei der Darstellung meiner «Geheimwissenschaft». — Ich habe nur die geisteswissenschaftlichen Forschungen zu Rate gezogen. Da kommt dann an einer bestimmten Stelle, von ganz anderer Seite her geschildert, der luziferische Einfluß heraus. Wenn man ihn aber gefunden hat, dann trifft man damit in der geisteswissenschaftlichen Schilderung genau jene Zeitepoche, die uns in der Bibel geschildert wird als die sogenannte Verführung des Menschen durch die Schlange, durch Luzifer. Wir finden dann diesen Parallelismus nachträglich heraus. So wahr die Schwere und Elektrizität und der Magnetismus Kräfte sind, die heute in gröberem Stile teilnehmen an der Erdenbildung, so wahr ist das, was wir luziferischen Einfluß nennen, eine Kraft, ohne welche das Erdenwerden nicht hätte vor sich gehen können. Und wir müssen unter die die Erde konstituierenden Kräfte diesen luziferischen Einfluß hinzuzählen. Namentlich morgenländische Schöpfungsberichte verlegen daher das Paradies auch - nicht so fein, wie es in der Bibel geschieht — in den Umkreis der Erde, nicht auf den Erdboden selbst, und sie fassen die Vertreibung aus dem Paradiese als ein Herabsteigen aus dem Erdenumkreis auf die Erdenoberfläche auf. So also stellt sich uns auch auf diesem Gebiete, wenn wir nur die Worte zu verstehen wissen, die volle Kongruenz heraus zwischen der geisteswissenschaftlichen Forschung und der Bibel.

Aber betrachten wir jetzt noch ein anderes Moment. Wir haben ja hervorgehoben, daß der Geistesforscher es nicht so leicht hat wie jene Wissenschaft, die so ziemlich nach dem Grundsatz vorgeht, in der Nacht sind alle Kühe grau, und die die verschiedensten Vorgänge auf dieselbe Ursache zurückführt. Der seelische Forscher muß da, wo sich Wolken bilden, ganz etwas anderes sehen als da, wo sich auf dem Erdboden Wasser bildet. Wir haben gesprochen

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von den Cherubimen als den dirigierenden Mächten bei der Wolkenbildung, und wir haben gesprochen von den Seraphimen als den dirigierenden Mächten bei dem, was als das Blitzesfeuer aus der Wolke herausquillt Wenn Sie sich nun vorstellen, daß die Vertreibung aus dem Paradiese in Wahrheit zurückführt auf ein Herabsteigen aus dem Umkreise, dann haben Sie fast bis zur Wörtlichkeit geschildert, wie der Mensch durch seine eigene Schwere herabfällt aus dem Umkreise der Erde und zurücklassen muß die Kräfte und Wesenheiten, die die Wolken und den Blitz bilden, die Chertibime mit dem blitzenden Schwert. Der Mensch fällt gleichsam herab aus dem Erdenumkreise, aus jenem Gebiete, wo die Cherubime walten mit den feurigen Blitzesschwertern. Da haben Sie bis zur Wörtlichkeit das wiedergegeben durch die Geisteswissenschaft, was uns bei der Vertreibung aus dem Paradies dargestellt wird, wenn gesagt wird: Die Gottheit stellte hin vor das Paradies die Cherubime mit der Flamme des wirbelnden Schwertes. - Wenn Sie das ins Auge fassen, dann können Sie es fast, man möchte sagen, mit Händen greifen, wie jene alten Seher, welche uns die Genesis geschenkt haben, mit voller Seherkraft hineinschauten in die geheimnisvollen Vorgänge in diesem Weben und Wesen des Menschen in Ätherhöhen, bevor er herabgefallen war aus jenen Regionen, wo die Seraphime und Cherubime walten. Mit einer solchen Realistik schildert die Bibel, die nicht etwa bloße Vergleiche darstellen will oder bloß grobsinnliche Bilder, sondern die uns berichten will, was sich dem hellseherischeu Bewußtsein ergibt.

Die Menschen von heute kennen nur schlecht die Vorstellungen alter Zeiten. Heute kritisiert man so viel an der Bibel herum, als ob sie so naiv wäre, daß sie uns erzählte: Das, was einst das Paradies war, das war ein großer Garten, schön hübsch mit Bäumen besetzt, Löwen und Tiger gingen darin herum, mitten drinnen die Menschen. - Nun ja, dann ist es leicht, Kritik zu üben, und ein frivoler Kritiker brachte es dahin, darauf aufmerksam zu machen: Wenn das wirklich so gewesen wäre, wie wäre es dem Menschen ergangen, wenn er in seiner Naivität einmal die Hand einem solchen Löwen hingereicht hätte? - Man kann leicht kritisieren, wenn

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man sich zuerst ein phantastisches Bild zurechtmacht, das in der Genesis gar nicht gemeint ist. Solche Anschauungen, die entstanden nämlich erst in den letzten Jahrhunderten. Die Menschen wissen nicht viel von den Vorstellungen früherer Jahrhunderte. Die Scholastiker des zwölften Jahrhunderts wurden ein sonderbares Gesicht machen, wenn sie heute wiederkämen und hören könnten, was sie selbst über die Bibel gesagt haben sollen. Keinem der Scholastiker ist es eingefallen, solche Vorstellungen über den Bibelbericht zu haben, wie man sie heute hat. Das könnten die Menschen heute wissen, wenn sie wirklich lernen wollten. Man brauchte nur die Schriften der Scholastiker wirklich zu studieren, dann würde man schon sehen, wie da deutlich ausgesprochen ist, daß es sich um etwas anderes handelt. Wenn auch das Bewußtsein davon, daß man es im Bibelbericht mit einer Wiedergabe hellseherischer Forschung zu tun hat, schon in gewisser Weise geschwunden war, so war doch noch etwas ganz anderes vorhanden als das, was vom sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert an als eine grobsinnliche Exegese Platz gegriffen hat So etwas zu behaupten, wäre niemandem in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters eingefallen. Heute ist es leicht, die Bibel zu kritisieren. Man darf nur nicht wissen, daß die Vorstellungen, die man heute bekämpft, erst vor ein paar Jahrhunderten entstanden sind. Und diejenigen, die heute am meisten gegen die Bibel streiten, die bekämpfen ein phantastisches Produkt von Menschenvorstellungen und nicht die Bibel. Es ist ein Kämpfen gegen etwas, was es gar nicht gibt, was erst zusammenphantasiert worden ist. Demgegenüber hat Geisteswissenschaft die Aufgabe, durch das Verkünden geisteswissenschaftlicher Resultate auf den wahren Sinn der Bibel wieder hinzudeuten und dadurch jene großen Eindrücke zu ermöglichen, die unsere Seele überkommen müssen, wenn wir verstehen lernen, was in so monumentaler Prägung aus alten Zeiten zu uns herübertönt.


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ZEHNTER VORTRAG

München, 25. August 1910

An so vielen Stellen dieser Vorträge durften wir darauf hinweisen, wie sich in dem Bericht der Genesis, wenn wir ihn richtig verstehen, die Ergebnisse der seherischen Forschung wiederum zeigen. Es wird nun noch an mehreren Punkten unsere Aufgabe sein, auf diese Übereinstimmung hinzuweisen. Zunächst wird es sich darum handeln, genauer noch zu zeigen, von welcher Zeit eigentlich die Genesis handelt, wenn wir Rücksicht nehmen auf das, was uns die geisteswissenschaftliche Forschung über unser Erdenwerden sagt. Ich habe ja in einer gewissen Beziehung schon darauf hingewiesen, indem ich sozusagen den Beginn der Genesis hineinstellte in den Zeitpunkt, da Sonne und Erde sich anschickten, sich voneinander zu trennen, aber wir werden doch noch genauer auf dieses Verhältnis einzugehen haben.

Diejenigen von Ihnen, die verschiedene Vorträge der verflossenen Jahre gehört haben, und auch solche, die sich ein wenig mit der Darstellung der Erdenentwickelung in meiner «Geheimwissenschaft» beschäftigt haben, werden sich erinnern, welche Bedeutung da zwei wichtigen Momenten in dieser Erdenentwickelung zugeschrieben wird. Der erste ist die Abtrennung der Sonne von der Erde. Dieser Zeitpunkt ist ein ganz wichtiger. Es mußte einmal diese Sonnentrennung von der Erde stattfinden, denn wären die beiden Weltenkörper wie im Beginne des Erdenwerdens miteinander verknüpft geblieben, so hätte der Fortgang der Menschheitsentwickelung dem Menschen seine eigentliche Erdenbedeutung nicht geben können. Alles das, was wir Sonne nennen, also natürlich nicht nur das Elementarische oder Physische des Sonnenleibes, sondern auch alle die geistigen Wesenheiten, die zum Sonnenleibe gehören, alles das mußte sozusagen aus der Erde heraustreten, oder, wenn man es richtiger findet, es mußte die Erde von sich abstoßen, weil, trivial gesprochen, die Kräfte jener Wesenheiten, welche ihren

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Schauplatz von der Erde hinaus auf die Sonne verlegt haben, für das Gedeihen des Menschen zu stark gewirkt hätten, wenn sie mit der Erde verbunden geblieben wären. Diese Wesenheiten mußten gleichsam ihre Kräfte dadurch abschwächen, daß sie sich hinausverlegten von dem Erdenschauplatz und von außen her wirkten. So haben wir den Zeitpunkt, wo eine Anzahl von Wesenheiten zur Abschwächung ihrer Wirkungen ihren Schauplatz nach außen verlegen und nun weniger stark in das Menschenwerden und auch in das Tierwerden eingreifen. Wir haben damit also von einem gewissen Momente an die Erde sich selber überlassen, die Erde mit einer gewissen Vergröberung ihrer Kräfte, denn die feineren, die geistigeren Kräfte haben sich mit der Sonne von der Erde getrennt. Der Mensch aber blieb in bezug auf jene Wesenheit, zu der er durch Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung hindurch geworden war, mit der Erde noch eine Weile nach der Sonnentrennung vereint. Es waren ja nur hocherhabene Wesenheiten, welche mit der Sonne ihren Schauplatz nach außen verlegten.

Aber als die Erde abgetrennt war, hatte sie noch alles in sich, was zur Substantialität, zu den Kräften der heutigen Mondentwickelung gehört. So haben wir also nach der Sonnentrennung eine Erdenentwickelung, die sozusagen in ihrem Leibe auch noch die Mondentwickelung hat. Der Mensch war also Verhältnissen ausgesetzt, die viel gröber waren, als die eigentlichen Erdenverhältnisse später geworden sind, denn der Mond hat sozusagen eine grobe Substantialität Das hatte zur Folge, daß nach der Trennung der Sonne von der Erde die Erde in ihren Kräften immer mondhafter, immer dichter wurde. Eine weitere Folge war die, daß der Mensch jetzt einer anderen Gefahr ausgesetzt war, der Gefahr, in sich abzusterben, zu mumifizieren, allerdings astralisch zu mumifizieren. Waren die Verhältnisse gewissermaßen zu fein, als die Sonne noch mit der Erde vereint war, so wurden sie jetzt zu grob. Das bewirkte, daß im weiteren Fortgange der Erdenentwickelung die Menschenwesen immer weniger und weniger gedeihen konnten unter der Aufrechterhaltung ihrer Verbindung mit der Erde. Das alles ist Ihnen ja genauer dargestellt in meiner «Geheimwissenschaft».

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Wir wissen aus dem gestrigen Vortrage, daß die Menschen damals zwar geistig-seelische Wesen waren, daß sie aber in diesem geistig-seelischen Zustand eben sich nicht verbinden konnten mit dem, was von den Materien der Erde heraufstrahlte in den Erdenumkreis, weil ihnen das zu grob wurde, solange der Mond mit der Erde verbunden war. Und so kam es, daß die weitaus größte Mehrzahl der Menschenseelen ihre Verbindung mit der Erde lösen mußte. Damit weisen wir hin auf ein bedeutsames Ereignis, das sich in dem Verhältnis zwischen Mensch und Erde vollzogen hat während der Zeit, die zwischen der Sonnen- und der Mondentrennung liegt. Mit Ausnahme einer ganz geringen Zahl nahmen die menschlichen Seelengeister in dieser Zwischenzeit Abschied von den Erdenverhältnissen und drängten sich hinauf in höhere Regionen. Und je nach ihrer Entwickelungsstufe setzten nun diese Menschenseelengeister ihre Weiterentwickelung fort auf den Planeten, die zu unserem Erden-Sonnensystem gehören. Gewisse Seelengeister waren dazu veranlagt, auf dem Saturn, andere auf dem Mars, wieder andere auf dem Merkur und so weiter ihre Entwickelung zunächst fortzusetzen. Nur eine ganz geringe Anzahl stärkster menschlicher Seelengeister blieb mit der Erde in Verbindung. Die andern wurden in dieser Zwischenzeit Bewohner der planetarischen Nachbarn unserer Erde. Das war zu einer Zeit, die, wenn wir den gebräuchlichen Ausdruck anwenden, unserem lemurischen Zeitalter vorangegangen ist. Da hat das, was wir nennen können unseren menschlichen Seelenzustand, eine Entwickelung auf den benachbarten Planeten unserer Erde durchgemacht.

Dann kam das andere wesentliche Ereignis, von dem wir ja wissen, daß es während der lemurischen Zeit stattfand, und durch das die Mondsubstantialität mit allen Mondenkräften aus der Erde selber hinausverlegt wurde. Der Hinausgang des Mondes aus der Erde fand statt. Damit gingen aber gewaltige Veränderungen mit der Erde vor sich. Jetzt erst wurde die Erde zu einem Zustande gebracht, daß der Mensch gedeihen konnte. Während die Kräfte sozusagen zu geistig gewesen wären, wenn die Erde mit der Sonne verbunden geblieben wäre, so hätten sie zu grob werden müssen,

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wenn die Erde mit dem Monde vereint geblieben wäre. So also entfernte sich der Mond, und es blieb die Erde in einer Art Gleichgewichtszustand zurück, der dadurch bewirkt wurde, daß von außen die Sonnen- und Mondwesen wirkten. Und dadurch bereitete sich die Erde dazu vor, daß sie die Trägerin des Menschendaseins werden konnte. Das alles geschah während der lemurischen Zeit.

Nun geht die Entwickelung weiter, und nach und nach findet ein Wiederherabgehen, ein Wiederherabströmen der zu den planetarischen Nachbarn unserer Erde geflüchteten Menschenseelengeister statt. Das ist etwas, was sich bis lange in die atlantische Zeit hinein noch fortgesetzt hat, daß da immer herunterstiegen die Seelen von den Nachbarplaneten. Und die Entwickelung während der letzten lemurischen und während der atlantischen Zeit vollzog sich so, daß das, was sich als Mensch herauskristallisierte, nach und nach begabt wurde mit Seelengeistern verschiedener Art, je nachdem diese Seelengeister vom Mars, vom Merkur, vom Jupiter und so weiter herabkamen. Dadurch war eine große Mannigfaltigkeit in das Erdenwerden des Menschen gekommen. Diejenigen, welche sich bekanntgemacht haben mit meinen letzten Christiania-Vorträgen, die wissen, daß in dieser Gliederung nach Mars-, Saturnmenschen und so weiter etwas Ursprüngliches gegeben war, was später dann zur Rassendifferenzierung der Menschen geführt hat. Da also haben wir die Verschiedenheit innerhalb des Menschengeschlechtes zu suchen, und man kann noch heute, wenn man den Blick dafür hat, an einem Menschen erkennen, ob seine Seele herunter gekommen ist von diesem oder jenem planetarischen Nachbarn unserer Erde.

Aber auch das haben wir ja schon öfter betont, und es ist genau auseinandergesetzt in meiner «Geheimwissenschaft», daß keineswegs alle Menschenseelengeister die Erde verlassen haben. Wenn wir trivial sprechen wollen, so dürfen wir sagen: Die tüchtigsten Seelen konnten weiterfort das Erdenmaterial benützen und mit ihm in Verbindung bleiben. - Ja, ich habe sogar darauf hingewiesen, daß in überraschender Art ein Hauptpaar vorhanden war, welches jene Vergröberung der Erdenzustände überdauerte. Wir werden, was man anfangs gar nicht glauben kann, durch den Zwang der

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seelischen Forschung geradezu zu der Annahme geführt, daß ein solches menschliches Hauptpaar da war, wie es uns die Bibel in dem Adam und der Eva zeigt, und daß sich hinzugegliedert haben zu ihren Nachkommen jene Menschenarten, die dadurch entstanden sind, daß ihre Seelengeister aus dem WeltalI auf die Erde heruntergekommen sind.

Wenn wir dies alles ins Auge fassen, dann werden wir uns einer Auseinandersetzung nähern, die uns sagen kann, welches in unserer geisteswissenschaftlichen Sprache eigentIich die Zeit ist, von der uns die Bibel redet. Ich erinnere Sie noch daran, daß, nachdem uns die sogenannten sechs oder sieben Schöpfungstage in der Bibel geschildert sind, jene andere Schilderung folgt, die der Dilettantismus der heutigen Bibelforschung für eine zweite Schöpfungsgeschichte hält, die aber in Wirklichkeit durchaus sachgemäß ist. Ich möchte Sie an einige geisteswissenschaftliche Ergebnisse erinnern. Ich habe das öfters erwähnt und auch in meiner «Geheimwissenschaft» genauer auseinandergesetzt. Ich habe gezeigt, wie das Erdenwerden vorwärtsschreitet von der lemurischen Zeit zur atlantischen Zeit, wie sozusagen während dieses Fortschreitens eine Art von Abkühlung der physischen Erde vor sich geht. Wir müssen uns während der lemurischen Zeit im Grunde genommen die Erde als ein in sich feuriges Wesen denken, das noch überall das Element des Feuers in sich aufsprühend zeigt, und erst mit dem Herübergange zur atlantischen Zeit ist diese Abkühlung eingetreten. Ich habe darauf hingewiesen, daß während der atlantischen Zeit das, was sich über dem Erdboden befand, noch ganz anders als später war, daß weit, weit in die atlantischen Zeiten hinein die Erde nicht von einem wasserfreien Luftkreis umgeben war. Bedeckt war die Erde mit einer ganz und gar von Wasser-Nebelmassen erfüllten Luft. Das, was wir heute als Sonderung von Regen und regenfreier Luft kennen, das gab es in diesen alten Zeiten nicht. Alles war gehüllt in Wasser-Nebelmassen, die durchschwängert waren von allen möglichen Dünsten und Rauchen und anderen Stoffen, die dazumal noch nicht die feste Gestalt angenommen hatten. Vieles, was heute fest ist, war damals noch in Dampfform, den heutigen Luftkreis

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durchströmend. Und bis lange hinein in die atlantischen Zeiten war alles durchsetzt von solchen Wasser-Nebelmassen.

Das waren aber auch die Zeiten, wo sich zuerst physisch herausbildete, was früher in einem viel geistigeren Zustand vorhanden war. Ich habe ja darauf hingewiesen, daß in den Verhältnissen, die wir beim sogenannten dritten Schöpfungstage verzeichnet finden, wir nicht denken müssen, daß individuelle Pflanzenformen aus dem Erdboden heraussproßten, wie wir sie heute sehen, sondern daß wir wohl beachten müssen den Ausdruck «artgemäß»; daß wir es da mehr mit Gattungsseelen zu tun haben, die in einem ätherisch-astralischen Zustand innerhalb des Erdenleibes vorhanden waren. Alles das, was uns vom dritten Schöpfungstage als das Pflanzenwerden geschildert wird, wäre nicht zu sehen gewesen mit äußeren Sinnen, nur den hellseherischen Wahrnehmungsorganen wäre es wahrnehmbar gewesen. Während von der lemurischen zur atlantischen Zeit herüber sich jener Nebelzustand im Umkreise der Erde entwickelte und sich nun immer mehr und mehr die Nebel lichteten, da verwandelte sich auch das, was früher ätherisch war, in einen Zustand, der sich dem annäherte, was wir heute kennen. Das Ätherische wurde mehr und mehr physisch, und so wunderbar es klingt, denn auch die Geologie ist heute vielfach von materialistischen Anschauungen durchsetzt die für ein äußeres Auge sichtbaren Pflanzenwesen entwickelten sich erst viel später als in der Zeit, die mit dem sogenannten dritten Schöpfungstage bezeichnet ist. Erst gegen die atlantische Zeit hin entwickelten sie sich. Die geologischen Verhältnisse, die zu den heutigen Pflanzen notwendig sind, haben wir nicht in sehr frühe Zeit unserer Forschung zu verlegen.

Wir könnten also den Hergang von der lemurischen in die atlantische Zeit so charakterisieren: Da war die Erde ringsum bedeckt mit dichten Nebelmassen, in denen die Rauchmassen der verschiedenen Substanzen, die sich später in die der Erdrinde verwandelten, noch aufgelöst waren, und noch nicht bis zur physischen Verdichtung hatten es gebracht die artgemäßen Wesen, die dem hellsichtigen Bewußtsein sichtbar waren. Noch war nicht eingetreten, was

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man nennen kann eine Düngung des Erdbodens mit dem, was als Wasser in der Luft schwebte. Das trat erst später ein. - Wie konnte also die Bibel dies zuerst schildern? Nun, sie mußte an einer ganz bestimmten Stelle sagen: Auch nach Ablauf der sieben Schöpfungstage, nach Ablauf dessen, was erst zusammenfällt mit dem lemurischen Zeitalter, waren noch nicht unsere heutigen physischen Pflanzen aus der Erde herausgesproßt, war die Erde noch bedeckt mit Nebelmassen.

Die Bibel schildert den Sachverhalt. Lesen Sie weiter nach den sieben Schöpfungstagen, so finden Sie darauf hingewiesen, trotzdem früher schon die Rede davon war, daß artgemäß die Pflanzenformen entstanden waren, daß noch kein Kraut und keine Sträucher auf der Erde waren. Das erstemaI ist die Rede von dem Gattungsseelenmäßigen, das zweitemal von dem, was in physischer Individualität als Pflanzenwuchs aus der Erde heraussprießt. Und sachgemäß ist mit dem Nebel der Atlantis-Nebel geschildert nach den Schöpfungstagen. Daß erst dann die Verdichtung des LuftWassers zum Regen stattfindet, ist angedeutet mit den Worten «Denn Jahve-Elohim hatte noch nicht regnen lassen».

So also steckt in diesen Dingen eine tiefe Weisheit. Aber ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß nichts von alledem, was in dieser Urkunde steht, in die Darstellung meiner «Geheimwissenschaft» eingeflossen ist. Ich habe mich absichtlich ferngehalten von der Bibel, und ich möchte sagen, es hat Zeiten gegeben, wo ich mir redlich Mühe gegeben habe, diese Dinge anders zu finden als aus dieser Urkunde heraus. Es ergibt sich ja auch sozusagen als Notwendigkeit bei den heutigen materialistischen Vorstellungen von der Bibel, daß man es nicht leicht damit nimmt, in die Bibel etwas hineinzuinterpretieren von den Tatsachen der Geisteswissenschaft. Aber der geisteswissenschaftliche Zwang ist es, der uns eben in der Bibel das finden ließ, was wir in diesen Tagen haben sagen dürfen, und wenn wir selbst widerstreben, werden wir zuletzt gezwungen, das, was erst die seherische Forschung findet, in der Bibel wiederzusehen.

Nach diesen Voraussetzungen dürfen wir uns fragen: An welche

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Stelle der Genesisschilderung müssen wir nun den Hinausgang des Geistig-Seelischen versetzen, das Fortgehen der Seelengeister der Menschen nach den der Erde benachbarten planetarischen Leibern oder Wesenheiten, das hervorgerufen wurde durch den vergröberten Zustand der Erde? - Wir müssen es dort hinsetzen, wo uns erzählt wird, daß durch die Entstehung des Klangäthers - ich habe Ihnen das ganz genau dargestellt bei der Schilderung des sogenannten zweiten Schöpfungstages - abgetrennt werden die oberen Substantialitäten von den unteren. Und wenn man alles das, was da gemeint ist, verfolgt mit dem Blick des Sehers, dann sagt man sich: Mit dem, was nach oben geht, was sich von der Erde entfernt, wovon gesagt wird, daß die Elohim es «Himmel» nannten, mit dem zugleich entfernten sich die Seelengeister der Menschen. - So fällt der zweite Schöpfungstag mit einer ganz bestimmten Zeit zwischen Sonnen- und Mondentrennung von der Erde zusammen, mit dem Hinausgehen der Seelengeister des Menschen in die Umgebung der Erde.

Nun aber müssen wir ins Auge fassen, daß das etwas ganz Gewichtiges zur Folge hat. Was ist es denn eigentlich, was damals hinausgegangen ist in den Weltraum? Mit anderen Worten: Wo finden wir denn das heute im Menschen? In welchen Gliedern des Menschen haben wir das zu suchen, was dazumal hinausgeschritten ist in den Weltenraum? - So wie es damals vorhanden war, ist es natürlich heute nicht vorhanden, aber wir können es doch in Parallele stellen mit gewissen Gliedern in der heutigen Menschenorganisation. Sehen wir uns daraufhin einmal den Menschen an. Wir gliedern heute den Menschen in die bekannten vier Glieder, den physischen, den Äther-, den Astralleib und den Ichträger. Wir wissen, daß von diesen vier Gliedern während des nachtschlafenden Zustandes im Bette liegen bleiben der physische und Ätherleib. Wenn wir von den alten Zeiten sprechen, für welche das im zweiten und wohl auch bis zum dritten Schöpfungstage Geschilderte gilt, dann dürfen wir nicht schon von dem physischen und dem ätherischen Leib, so wie er heute ist, sprechen. Die gliederten sich erst später aus der Erdensubstantialität heraus. Was dazumal von

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dem Menschen vorhanden war, das gehört heute wesentlich dem an, was im nachtschlafenden Zustand aus den heutigen dichteren Gliedern der Menschennatur herausgeht, das, was wir die astralische Wesenheit des Menschen nennen. Das, was als Kräfte in unserem astralischen Leib wirkt, das haben wir zunächst anzusprechen, wenn wir den Seelengeist des Menschen ins Auge fassen, der dazumal Abschied nahm von der Erde, um auf den umliegenden Planeten besser zu gedeihen. Also das, was zu unseren Kräften gehört, wenn wir mit unserem Astralleib aus dem physischen und Ätherleib heraus sind, das haben wir nach dem zweiten Schöpfungstage zu suchen auf den der Erde benachbarten Planeten.

Nun wissen wir aber, daß, wenn der Mensch heute im nachtschlafenden Zustand mit seinen feineren Gliedern heraus ist aus dem physischen und Ätherleib, er sozusagen eingegliedert ist in die astralische Umgebung unserer Erde, in die Kräfte und Strömungen der Glieder unseres Planetensystems. Mit den Planetenwesenheiten ist der Mensch im nachtschlafenden Zustand verbunden. So können wir aber auch sagen: In jenen alten Zeiten war der Mensch nicht nur in irgendeinem nachtschlafenden Zustand mit diesen äußeren Planeten verbunden, sondern er war überhaupt nach seiner Flucht von der Erde immer mit ihnen verbunden. Er verweilte auf diesen Planeten. - Wir haben also für diejenige Zeit, die uns geschildert wird als der dritte Schöpfungstag, ins Auge zu fassen, daß mit Ausnahme jener überdauernden Menschenseelengeister, von denen ich gesprochen habe, die Menschenseelengeister gar nicht auf der Erde, sondern in der Umgebung bei den Planeten waren, dort ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten und mit ihnen sich weiter entwickelten. Auf der Erde aber entwickelten sich mittlerweile diejenigen, die als die Stärksten, als die Tüchtigsten zurückgeblieben waren. Und ihre Entwickelung bestand darin, daß sie sich immer mehr und mehr umkleideten mit dem Stoffmaterial der Erde, daß sozusagen da unten auf der Erde auch das vorgebildet wurde, was wir jetzt während des Tages als unseren Ätherleib und unseren physischen Leib haben. Damit dieser Äther- und physische Leib alle Situationen der Erdenentwickelung mitmachen konnte, wurden

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eben einige Seelengeister auf der Erde erhalten. Dadurch wurde das, was herangebildet werden sollte für Äther- und physischen Leib, auch während die Mondenkräfte mit der Erde verbunden waren, fortgepflanzt.

Wenn wir uns so recht vor die Seele führen jenen Zustand nach der Sonnentrennung, so müssen wir sagen: Der größte Teil des menschlichen Seelen- und Geisthaften ist im Umkreise der Erde auf den benachbarten Planeten. - Die Sonne hat sich schon getrennt von der Erde, aber wenn damals ein Mensch sich auf der Erde hätte aufstellen können, so würde er über der Oberfläche dichte Nebel-Rauch-Dampfmassen gesehen haben. Von irgendeiner Sonne hätte er nichts gesehen. Die Sonne, die entfernt war mit ihren Kräften, wirkte erst nach und nach so auf die Erde, daß diese Rauch-Nebelmassen sich lichteten und allmählich die Gestalt annahmen für den Erdenumkreis, die notwendig war für die MenschheitsentwickeIung. Und erst nach und nach hätte ein solcher Mensch, der sozusagen von draußen sich die Entwickelung angeschaut hätte, gesehen, wie die Nebel anfingen lichter zu werden, wie die Rauchmassen dünner wurden, wie die Sonnenkräfte nicht nur wirkten durch die dunkle Rauchhülle hindurch, wie sie wirklich wahrnehmbar, man möchte sagen, sichtbar wurden. Da gehen wir dem vierten Schöpfungstage entgegen, und damit nähern wir uns immer mehr dem Ereignis, das wir als die Mondabtrennung zu bezeichnen haben. So daß tatsächlich ein Mensch, der damals auf der Erde gelebt hätte, der durch die Rauch- und Dampfmassen hereindringenden Sonnenstrahlen ansichtig geworden wäre. Und indem diese Zustände eintraten, bekam die Erde allmählich jene Verhältnisse, die dem Menschwerden gedeihlich waren, wo wiederum Menschen auf der Erde leben konnten, wo sozusagen aus den physischen Nachkommen derer, welche überdauert hatten, Leiber geschaffen werden konnten für die Seelengeister, die jetzt aus dem Umkreise der Erde zurückkehrten.

So haben Sie, ich möchte sagen, zweierlei Fortpflanzungen. Das, was später zum ätherischen und physischen Leib des Menschen geworden ist, das stammt ab von denen, die überdauert haben. Das

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Seelisch-Geistige, das kommt aus dem Umkreise herein. Zuerst war dieses Herankommen aus dem Kreise der planetarischen Nachbarn unserer Erde eine geistige Einwirkung. In dem Momente, wo sozusagen die Sonne durchdrungen hatte die Dampf- und Rauchmassen der Erdumgebung, wo der Mond herausgegangen war, da erwachte in den Seelengeistern der NachbarpIaneten der Drang, wiederum herunterzusteigen in dieses Erdgebiet. Indem auf der einen Seite die Sonne von der Erde aus sichtbar wurde und auf der anderen Seite der Mond, da drangen auch die Kräfte der auf die Erde herunterströmenden Seelen zur Erde herein. Da haben Sie die Realitäten für das, was im sogenannten vierten Schöpfungstage mit den Worten geschildert wird: «Es gestalteten die Elohim das größere Licht und das kleinere Licht, das Sonnenwesen, das Mondenwesen, und die Sterne.» Denn mit den Sternen ist nichts anderes gemeint als die planetarischen Nachbarn unserer Erde. Das Werk also, das eine Art von Gleichgewicht herstellte, das bereitete sich vor auf der einen Seite von der Sonne und auf der anderen von dem Monde, und es bereitete sich gleichzeitig vor das Herabwirken der menschlichen Seelengeister, die darnach strebten, sich auf der Erde wieder zu inkorporisieren.

Damit haben wir also den vierten Schöpfungstag da hingestellt, wo während der lemurischen Zeit, nach dem Hinausgang des Mondes, jene Verhältnisse eintraten, die Sie geschildert finden in meiner «Geheimwissenschaft» und die wir damit bezeichnen können, daß wir sagen: Die menschlichen Seelengeister streben wiederum herunter auf die Erde.

Nun aber müssen wir ein wenig die geistigen Begleitzustände ins Auge fassen Wir haben jetzt mehr das, was nachher physisch wurde, betrachtet. Wir müssen uns immer klarer darüber werden, daß allem Gröberen ein Feineres, allem, was nach dem Physischen strebt, ein Geistiges zugrunde liegt. Mit der Sonne sind im wesentlichen die Elohim von der Erde hinausgegangen, um ihren Schauplatz nach außen zu verlegen, um aus dem Umkreise her zu wirken. Aber nicht alle. Es blieb sozusagen etwas von den Elohim mit der Erde vereinigt, auch als die Erde die Mondenkräfte noch in

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ihrem Leibe hatte. Und das, was damals von den geistigen Elohimkräften mit der Erde vereint blieb, ist das, was in einer gewissen Weise verbunden ist mit allen guten Wirkungen der Mondenkräfte. Denn wir müssen ja auch von guten Wirkungen der Mondenkräfte sprechen. Nach der Sonnentrennung wäre alles, namentlich der Mensch, auf der Erde in die Mumifizierung, in die Verhärtung, in die Verholzung hineingetrieben. Der Mensch wäre erstorben für die Erde. Die Erde wäre öde geworden, wenn sie die Mondenkräfte in ihrem Leibe behalten hätte. Innerhalb der Erde wären diese Mondenkräfte nicht segensreich geworden. Warum mußten sie dennoch eine Zeitlang bei der Erde bleiben? Aus dem Grunde, well die Menschheit sozusagen alle Erdenzustände überdauern mußte, weil tatsächlich die Menschheit in ihren tüchtigsten Vertretern durchgehen mußte durch diese Mondenverdichtung. Dann aber, als der Mond sich von der Erde getrennt hatte, da waren die Kräfte, die sonst den Erdentod für die Menschen herbeigeführt hätten, segensreich. Nach dem Hinausgehen der Mondenkräfte erfrischte sich wiederum alles, so daß auch die schwächeren Seelen herunterkommen, sich inkorporisieren konnten in Menschenleibern. So wurde der Mond der Wohltäter der Erde, indem er ihr Nachbar wurde. Was er niemals in der Erde selber hätte sein können, das wurde er als ihr Nachbar. Jene Wesenheiten, welche diese ganze Reihe von Vorgängen dirigierten, das sind die großen Wohltäter des Menschen. Welche Wesenheiten waren das? Nun, diejenigen, die mit dem Monde eben verbunden waren, die dann den Mond gleichsam herausgerissen haben aus der Erde, um den Menschen weiterzuführen innerhalb der Erdenentwickelung. Wir erkennen ja aus dem Berichte der Genesis, daß die Elohim die großen, dirigierenden Kräfte waren. Und was von diesen Elohimkräften jene große gewaltige Tatsache des Mondherausganges bewirkt und dadurch erst das eigentliche Wesen des Menschen herbeigeführt hat, das war nichts anderes, als was auch bewirkt hatte das kosmische Avancement der Elohim zu Jahve-EIohim, was hinaufgeführt hat das Wesen der Elohim zu Jahve-Elohim. Das blieb mit dem Monde vereint, das hat dann auch den Mond herausgeführt aus unserer

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Erde. Daher dürfen wir sagen: Mit dem, was wir als Mondleib innerhalb unserer Schöpfung finden, ist innig verbunden das, was wir als Jahve-Elohim bezeichnen.

Nun vergegenwärtigen wir uns einmal genauer, was für den Menschen in seinem Erdenwerden eigentlich diese 'Verhältnisse bedeuten. Wenn der Mensch mit einer Erde verbunden geblieben wäre, die die Sonne in sich enthalten hätte, dann wäre er ein Wesen geworden, das eigentlich ein Nichts wäre. Er wäre einfach verbunden geblieben mit der Wesenhaftigkeit der Elohim, er hätte sich nicht abschnüren können zu einer Selbständigkeit. Da aber die Elohim sich mit ihrer Sonne getrennt hatten von der Erde, da konnte der Mensch mit der Erde verbunden bleiben und sein seelisch-geistiges Leben fristen. Wäre es aber dabei geblieben, dann wäre der Mensch in sich verhärtet> er hätte den Ted gefunden. Wozu mußte der Mensch in einen Zustand kommen, der auch nur die Möglichkeit des Todes bildet? Damit er frei werden konnte, damit er sich abschnüren konnte von den Elohim, damit er ein selbstständiges Wesen werden konnte. In dem Mondenteil hat der Mensch etwas in sich, was eigentlich dieses Absterben herbeiführt, und er hätte sozusagen von der Dosis zuviel bekommen, wenn der Mond sich nicht von der Erde getrennt hätte. Aber dennoch erkennen Sie daraus, daß dieses Mondenhafte es ist, das als kosmische Substantialität innig zusammenhängt mit der menschlichen Selbständigkeit.

Wenn Sie nun die heutigen Erdenzustände nehmen, so müssen Sie sich sagen: Diese Verhältnisse sind eigentlich erst herbeigeführt nach der Mondentrennung. Es ist also nicht so viel von diesen Mondenkräften darinnen, als früher einmal schon darinnen war. Aber der Mensch hat in bezug auf die Anlage seines physischen und Ätherleibes auch die Mondenzeit, auch die Verbindung der Erde mit dem Monde überdauert, und dadurch hat er das in sich, was der Erde genommen worden ist. Er trägt etwas von dem, was da oben auf dem Monde ist, in sich. Er hat es über diese Zeit hinaus bewahrt in seinem physischen und Ätherleib. So hat der Mensch ein Mondhaftes in sich, so ist er mit diesem Mondhaften verbunden. Die Erde hätte dieses Mondhafte nicht in sich ertragen, der

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Mensch aber hat es in gewisser Weise in sich. Er hat also die Anlage, noch etwas anderes zu sein als ein bloßes Erdenwesen.

Wenn Sie das alles überdenken, dann kommen Sie dazu, einzusehen, daß wir sozusagen als Menschen unter uns die Erde haben, daß aus dieser Erde der Mond herausgeworfen werden mußte. Er ist aber erst dann herausgeworfen worden, nachdem die richtige Dosis von seiner Wesenheit dem Menschen selber eingeimpft worden ist. Die Erde trägt nicht das Mondhafte in sich, wir tragen es in uns. Was wäre aus der Erde geworden, wenn der Mond nicht aus ihr herausgerissen worden wäre? - Sehen Sie diesen Mond einmal mit etwas anderen Augen an, als er so häufig heute angesehen wird. Die ganze Konstitution seiner Materie ist eine andere als die der Erde. Im grobmateriellen Sinne sagt der Astrophysiker, daß der Mond keine Luft, kaum ein Wasser hat, das heißt, daß er viel mehr in das Dichte hineingeschossen ist als die Erde. Er enthält also die Kräfte, die Sozusagen die Erde noch weiter hinausführen würden über den Zustand der Verhärtung, in dem sie ist, die diese Erde physisch noch härter machen würden. Physisch härter, zerklüfteter würden diese Mondkräfte die Erde machen. Um ein Bild zu haben von dem, was die Erde werden würde, wenn die Mondkräfte in ihr wären, denken Sie sich einfach auf der Straße draußen ein Stück Erdenmaterie, von Wasser durchdrungen, so etwas wie meinetwegen Schlamm. Denken Sie sich das Wasser immer mehr und mehr weichen. Es wird dann diese Erdenmaterie immer staubhafter werden. Sie können sozusagen im Bilde diesen ganzen Vorgang beobachten, wenn Sie nach einem Regen die schlammhafte Straßenmaterie nach und nach zu Staub werden sehen. So etwas wäre im Großen geschehen mit der Erde, ihre Zerklüftung in Staubmassen, wenn die Mondkräfte mit ihr verbunden geblieben wären. So etwas wird auch mit der Erde einstmals geschehen, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben wird. Sie wird zerklüftet werden in Weltenstaub. Die Erdenmaterie wird als Weltenstaub sich auflösen in den kosmischen Raum, wenn der Mensch seine Entwickelung auf ihr wird durchgemacht haben.

So also können wir sagen: Die Erde wäre Staub geworden, sie

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hatte in sich die Anlage zum Staubwerden, zum Zerklüftetwerden in Staubteilchen. Behütet worden ist sie vor diesem zu frühen zu Staub Zerklüftetwerden nur dadurch, daß der Mond aus ihr herausgehoben worden ist. - Aber im Menschen ist etwas geblieben von dem, was eigentlich die Anlage hat, zum Staube zu werden. Der Mensch nimmt in seine Wesenheit etwas auf vom mondhaften Erdenstaub durch alle die Verhältnisse, die ich Ihnen geschildert habe. Jene Wesenhaftigkeiten, weIche mit dem Monde verbunden sind, haben also eigentlich der menschlichen leiblichen Wesenheit etwas eingefügt, was im Grunde genommen nicht von der Erdenmasse ist, die wir unmittelbar in unserer Umgebung haben, nachdem sich der Mond getrennt hat, sondern von dem mondhaften Erdenstaub haben sie etwas hineingeprägt in die menschliche Leiblichkeit. Da aber mit diesem Mondhaften verknüpft ist Jahve-Elohim, so bedeutet das, daß Jahve-Elohim derjenige ist, der das mondenhaft Erdenstaubmäßige der menschlichen Leiblichkeit eingeprägt hat. Und wir müssen sagen, es mußte im Verlaufe der Erdenentwickelung ein Zeitpunkt kommen, der richtig so bezeichnet wird: Im kosmischen Avancement der Elohim kam die Zeit, da Jahve-Elohim der menschlichen Leiblichkeit den Erdenstaub einprägte, den mondhaften Erdenstaub. - Da haben Sie die ungeheure Tiefe jener Bibelstelle, wo es heißt «Und Jahve-Elohim bildete den Menschen aus dem Erdenstaub». Denn so heißt es. Und alle die Übersetzungen sind der bare Unsinn, die davon reden, Jahve. Elohim hätte den Menschen aus einem Erdenkloß gebildet. Eingeprägt hat er ihm den Erdenstaub.

Wenn wir schon mancherlei gefunden haben, was uns staunen machte in scheuer Ehrfurcht vor dem, was uns die Bibel durch die alten Seher sagt und was wir wieder finden durch die geisteswissenschaftliche Forschung, hier in den Worten «Und Jahve-Elohim prägte der menschlichen Leiblichkeit den mondenhaften Erdenstaub ein», da haben wir eine Stelle, wo unsere Ehrfurcht eine große, eine gewaltige werden muß vor dem, was uns die alten Seher erzählen in dem Genesisbericht. Und wenn sich diese alten Seher bewußt waren, daß sie die Mitteilung dessen, was sie befähigte, solches

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zu sagen, aus den Regionen empfingen, in welchen die Elohim und Jahve-Elohim wirkten, wenn sie sich bewußt waren, daß sie ihre Weisheit empfingen aus den Regionen der weltschöpferischen Wesen selber, dann konnten sie sagen: In uns strömt ein aIs Wissen, als Weisheit, als Gedanke das, was das Erdenwerden selber gestaltet hat, indem es in diesen Wesen webte und wirkte. - Und so können wir in scheuer Ehrfurcht hinblicken zu den alten Sehern und zu der scheuen Ehrfurcht, mit der wiederum diese alten Seher hinaufblickten in die Regionen, aus denen ihnen ihre Offenbarung kain, in die Regionen der Elohim und des Jahve-Elohim. Wie hätten sie benennen können die Wesenheiten, die der Schöpfung und ihrem eigenen Erkennen zugrunde lagen? Was hätte es für ein Wort geben sollen für sie, wenn nicht das, von dem ihr ganzes Herz voll sein mußte, wenn sie aufnahmen die Offenbarung der weItschöpferischen Mächte? Sahen sie auf zu ihnen, so sagten sie: Uns fließt unsere Offenbarung von göttlich-geistigen Wesenheiten herunter. Wir können kein anderes Wort für sie finden als das, was unser Gefühl scheuer Ehrfurcht ausdrückt: «Diejenigen, vor denen wir scheue Ehrfurcht empfinden.» - Übersetzen wir das ins alte Hebräische. Wie lautet das: «Diejenigen, vor denen wir scheue Ehrfurcht empfinden»? Es lautet: «Elohim»! Das ist das Wort für diejenigen, vor denen man scheue Ehrfurcht empfindet. So haben Sie den Zusammenschluß der Empfindungen der aIten Seher mit dem Namen der Weltwesen, denen sie die Schöpfung, denen sie ihre Offenbarung zuschrieben.


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ELFTER VORTRAG

München, 26. August 1910

Aus allem, was in den letzten Tagen und insbesondere gestern noch gesagt worden ist, werden Sie entnehmen können, in welchen Zeitenraum ungefähr unserer geisteswissenschaftlichen Beschreibung wir den Bericht der Genesis hineinzuversetzen haben. Wir haben ja schon darauf hingewiesen, daß da, wo sozusagen die ersten monumentalen Worte der Bibel einschlagen, jener Moment gemeint ist, welcher von uns geisteswissenschaftlich etwa mit den Worten angedeutet wird: Die noch gemeinsame Erden-Sonnen-Substanz schickt sich an, in eine Trennung einzutreten. Dann erfolgt diese Trennung, und während der Trennungsvorgänge spielt sich das ab, was uns die Genesis zunächst schildert. Alles das ist mit dieser Genesisschilderung gemeint, was da erfolgt bis hinein in die Iemurischen Zeiten, bis zur Mondentrennung. Und was dann nach vollzogener Mondentrennung von uns geisteswissenschaftlich geschildert wird als der Verlauf der lemurischen Zeiten, als das Anbrechen der atlantischen Zeiten, das haben wir in der Schilderung zu suchen, die da folgt auf die Schöpfungstage. Das haben wir gestern schon angedeutet. Wir haben auch darauf hingedeutet, welch tiefer Sinn darin liegt, wenn gesagt wird, daß der Mensch in seine Leiblichkeit Erden-Monden-Staub eingeprägt erhielt Das war also zu derselben Zeit, wo jener Aufstieg im Kosmos erfolgt war, den wir als ein kosmisches Avancement der Elohim zu Jahve-Elohim bezeichnet haben. Dieses Aufsteigen mußten wir etwa zusammenfallend denken mit dem Beginne der Wirksamkeit des Mondes von außen. Da müssen wir uns nur die Wirksamkeit des Mondes, das heißt jener Wesenheit, die verbunden war mit dem Vorgang der Mondentrennung, mit der Wirksamkeit des Mondes von außen, eben in der Gesamtheit der Elohim denken, das, was wir Jahve-Elohim nennen. So daß wir sagen könnten: Das Wirken des Mondes auf die Erde in ihrem ersten Stadium korrespondiert mit alledem, was wir nennen können

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das Einprägen des Erden-Monden-Stoffs in den Menschenleib. - Dem bis dahin bloß wärmehaften Menschenleibe wird verliehen, was gewöhnlich übersetzt wird mit den Worten: Jahve-Elohim hauchte dem Menschen den göttlichen Hauch ein und der Mensch wurde eine lebende Seele, ein lebendes Wesen, besser gesagt.

Dabei dürfen wir nicht außer acht lassen, wiederum auf das ungeheuer Treffende, Große und Gewaltige in den biblischen Ausdrücken hinzuweisen. Ich habe Sie darauf aufmerksam machen können, daß das eigentliche Erden-Menschwerden darauf beruht, daß der Mensch in seiner Geistigkeit hat warten dürfen innerhalb des geistigen Zustandes, bis die geeigneten Bedingungen im Erdenwerden selber vorhanden waren, so daß er durch die späte Annahme seiner Leiblichkeit ein reifes Wesen hat werden können. Hätte er früher von seiner Geistigkeit zur Leiblichkeit heruntersteigen müssen, etwa während jener Vorgänge, die mit dem sogenannten fünften Schöpfungstage gemeint sind, dann hätte er nur ein Wesen werden können, das physisch gleichartig mit jenen Wesenheiten wäre, die uns als in den Luft- und Wassersphären lebend geschildert werden. Wie stellt sich also eigentlich dieses Wesenhafte des Menschen in der Genesis dar? Ja, das ist ganz wunderbar großartig, und die Ausdrücke sind da so treffend gewählt, daß der moderne Mensch viel lernen könnte eben in bezug auf die richtige und treffende Wahl der Ausdrücke. Da wird uns gesagt, daß jene Wesenheiten, also die Gattungsseelen, die am fünften Schöpfungstage sich in die Materie der Erde hineinversenkten, lebende Wesen wurden, das, was wir eben heute lebende Wesen nennen. Der Mensch stieg dazumal noch nicht herunter. Jene Gattungsseelen, die noch oben gleichsam im großen Reservoir des Geistigen waren, die stiegen erst später herunter. Und auch während des sechsten Schöpfungstages stiegen zuerst die dem Menschen nächststehenden Tierwesen, die eigentlichen Erdentiere herunter. Also auch während der ersten Zeit des sogenannten sechsten Schöpfungstages durfte der Mensch nicht heruntersteigen in die dichte Materie, denn wenn er da schon die Kräfte des Erdenwerdens sich eingeprägt hätte, dann wäre er physisch ein Wesen geworden wie die Erdentiere. Zu-

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erst stiegen herunter die Gattungsseelen der höheren Erdentiere, die nun den Erdboden im Gegensatz zur Luft und zum Wasser bevölkerten. Dann erst traten allmählich solche Bedingungen ein, daß sich die Anlagen zu dem späteren Menschen bilden konnten.

Wie vollzog sich das? Das wird uns monumental angedeutet, wenn gesagt wird, daß sich die Wesenheiten der Elohim anschickten, nach jenem Bilde, das ich Ihnen geschildert habe, den Erdenmenschen zu gestalten, ihre Tätigkeiten zusammenfließen zu lassen. Wir müssen also sagen: Zuerst entstand dieser Erdenmensch dadurch, daß die Elohim mit ihren verschieden auf sie verteilten Fähigkeiten zusammenwirkten wie eine Gruppe von Wesenheiten, die ein gemeinsames Ziel haben. - Der Mensch war also zunächst das gemeinsame Ziel der Gruppe der Elohim.

Nun müssen wir uns eine genauere Vorstellung davon machen, wie am sogenannten sechsten Schöpfungstage eigentlich der Mensch entstand. Er war ja damals noch nicht so, wie er heute vor uns steht. Die physische Leiblichkeit, in der uns heute der Mensch entgegentritt, die entstand ja erst später, als die Einhauchung des von Jahve-Elohim geprägten lebendigen Odems stattfand. Bevor der Erdenstaub der Leiblichkeit eingeprägt wurde, fand jener Vorgang statt, der geschildert wird als das Schaffen des Menschen durch die Elohim. Wie war also der Mensch, den die Elohim noch während der sogenannten lemurischen Zeit ins Dasein versetzten?

Erinnern Sie sich daran, was ich oftmals gesagt habe über den Charakter und die Natur des heutigen Menschen. Das, was wir den heutigen Menschen nennen, ist in einer gewissen Weise nur in bezug auf die höheren Glieder bei allen Menschen gleich. Wir haben aber den Menschen in bezug auf die Geschlechter so zu unterscheiden, daß das, was uns heute in der physischen Ausgestaltung als Mann entgegentritt, in seinem Ätherleibe weiblich ist, und ebenso ist das, was uns im Physischen weiblich entgegentritt, im Ätherleibe männlich. So ist heute das Menschentum verteilt. Das, was nach außen hin männlich erscheint, ist nach innen weiblich, und das, was nach außen weiblich erscheint, ist nach innen männ-

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lich. Wodurch vollzog sich das? Das vollzog sich dadurch, daß erst in verhältnismäßig später Zeit nach den eigentlichen Schöpfungstagen eine Differenzierung der Leiblichkeit des Menschen eintrat. In jenen Menschen, die als das gemeinsame Ziel der Elohim entstanden am sechsten Schöpfungstage, war diese Differenzierung, die Trennung in Mann und Frau, noch nicht vorhanden. Da hatten die Menschen noch eine gemeinsame Leiblichkeit. Wir stellen sie uns am deutlichsten so vor, soweit das in einem Bilde überhaupt möglich ist, daß wir sagen: Es war eben die physische Leiblichkeit noch mehr ätherisch, dafür die ätherische Leiblichkeit etwas dichter als heute. - Also das, was heute dichte, physische Leiblichkeit ist, war damals, als die Elohim es bildeten, noch nicht so dicht wie heute, und die ätherische Leiblichkeit war dichter als heute. Eine Differenzierung, ein Dichterwerden nach dem Physischen hin trat später ein unter dem Einfluß von Jahve-Elohim. Sie werden schon ahnen können, daß wir das Menschenwerk der Elohim gar nicht im Sinne von heute als männlich und weiblich ansprechen dürfen, sondern daß es männlich und weiblich zugleich war, undifferenziert, ununterschieden. Jener Mensch also, der da entstand in dem Sinne, wie die Bibel es durch die Elohim ausspricht: «Lasset uns den Menschen machen!», der war noch nicht differenziert, sondern männlich und weiblich zugleich, und es entstand durch diese Schöpfung der Elohim der Mensch männlich-weiblich. Das ist die Bedeutung, die ursprüngliche Bedeutung dessen, was so grotesk in den modernen Bibeln übersetzt ist: «Und die Elohim schufen den Menschen, ein Männlein und ein Fräulein.» Dieses «Männlein und Fräulein» ist wohl die unorganischste Übersetzung in der Bibel. Da haben wir es nicht mit einem Männlein und Fräulein im Sinne der heutigen Zeit zu tun, sondern mit dem undifferenzierten Menschen, mit dem männlich-weiblichen Menschen.

Ich weiß ganz gut, daß zahlreiche Bibelexegeten sich gegen diese Auslegung gewendet haben und versucht haben, mit gewissem gelehrtem Großsprechertum das, was monumentale ältere Exegesen schon behauptet haben, das Richtige nämlich, ins Lächerliche zu ziehen. Man versucht sich aufzulehnen gegen diese Auslegung, daß

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der elohistische Mensch männlich-weiblich zugleich war, daß also das Ebenbild der Elohim, das, was nach dem Bilde der Elohim entstanden ist, der männlich-weibliche Mensch ist. Solche Exegeten, die sich dagegen auflehnen, die möchte ich fragen, worauf sie sich eigentlich stützen. Auf hellseherische Forschung dürfen sie sich nicht stützen, denn die wird niemals etwas anderes sagen, als was ich Ihnen jetzt gesagt habe. Und auf eine äußerliche Forschung? Da möchte ich die Leute einmal fragen, ob sie dann gegenüber dem, was eigentlich die Überlieferung ist, eine andere Deutung aufrechterhalten können. Man sollte doch den Leuten erzählen, was eigentlich die äußere Überlieferung der Bibel ist. Wenn man zuerst durch hellseherische Forschung die wahren Tatbestände findet, dann springt Leben, dann springt Licht hinein in diesen Bibeltext und dann kommen auch kleine Abweichungen in der Überlieferung nicht in Betracht, weil einen die Bekanntschaft mit der Wahrheit dahin führt, den Text richtig zu lesen. Etwas anderes ist es aber, wenn man philologisch an die Dinge herangeht. Man muß sich doch klar sein, daß bis in die christlichen Jahrhunderte herein auch vom ersten Teil der Bibel nichts vorhanden war, was dazu hätte verleiten können, diesen Text so zu lesen, wie er heute gelesen wird. Vokale gab es überhaupt darin nicht, und der Text war so, daß auch die Trennungen der einzelnen Worte erst gebildet werden mußten. Erst später wurden auch die Punkte hinzugesetzt, welche im Hebräischen die Vokale andeuten. ohne die Vorbereitung durch die Geisteswissenschaft möchte ich wissen, mit welchem Rechte irgend jemand eine Interpretation geben will aus dem ursprünglichen Texte, von der man mit wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit sagen kann, daß sie stimmt.

So haben wir es also zu tun bei dem Werke der Elohim mit einem Vorbereitungsstadium für den Menschen. Alle die Vorgänge, welche wir heute mit den Ausdrücken oder dergleichen belegen, sind damals in bezug auf den Menschen noch ätherischer, noch geistiger. Sie stehen noch, möchte ich sagen, auf einer höheren Stufe, fast könnte man sagen auf einem höheren Plane. Erst das Werk des Jahve-Elohim machte den

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Menschen zu dem, was er heute geworden ist. Da mußte vorangehen die gesetzmäßige Schöpfung der anderen, niedrigen Wesenheiten. So sind also, man möchte sagen, durch einen vorzeitigen Schöpfungsakt die niederen tierischen Wesenheiten zu Lebewesen geworden. Derselbe Ausdruck nephesch wird auf diese tierischen Lebewesen angewendet und auch zuletzt auf den Menschen. Aber wie auf den Menschen? So, daß für den Zeitpunkt, da Jahve-Elohim eintritt und den Menschen zum heutigen Menschen macht, ausdrücklich dazu gesagt wird: Jahve-Elohim prägt die n`schamah ein. - Und dadurch, daß der Mensch ein höheres Glied eingeprägt erhält, dadurch wird dieser selbe Mensch ein lebendes Wesen.

Merken Sie jetzt wohl, welch ein unendlich fruchtbarer, bedeutungsvoller Begriff da in die Evolutionslehre gerade durch die Bibel eingeführt wird! Gewiß, es wäre ja ganz töricht, in bezug auf die äußere Formung zu verkennen, daß der Mensch sozusagen an die oberste Stufe der Tierreihe gehört. Die Trivialität möge dem Darwinismus überlassen bleiben. Aber das ist das Wesentliche, daß der Mensch nicht auf dieselbe Art wie die anderen niederen Wesen zu einem lebenden Wesen geworden ist, zu einem Wesen, dessen Charakter man mit nephesch bezeichnet, sondern daß dem Menschen erst ein höheres Glied seines Wesens verliehen wurde, ein höheres Glied, das in bezug auf sein Geistig-Seelisches schon vorher vorbereitet worden ist.

Da kommen wir nämlich zu einer anderen Parallelisierung der alten hebräischen Lehre mit unserer Geisteswissenschaft. Wir unterscheiden, wenn wir von dem menschlich Seelenhaften sprechen, die Empfindungsseele, die Verstandes- und die Bewußtseinsseele. Wir wissen, daß diese zunächst in ihrer geistig-seelischen Art entstanden sind während jener Zeiten, die mit den ersten drei Schöpfungstagen bezeichnet werden. Da bildeten sie sich ihrer Anlage nach aus. Die Umkleidung aber, die eigentliche Einprägung, so daß ein physischer Leib der Ausdruck dieser inneren wesenhaften Seelennatur des Menschen wurde, die geschah viel später. Also das müssen wir festhalten, daß sozusagen das Geistige zuerst entsteht, daß dieses Geistige sich dann zunächst mit dem Astralischen umkleidet, sich dann

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immer mehr und mehr verdichtet bis zum Ätherisch-Physischen hin, und daß sich dann erst das Geistige einprägt, das heißt, daß dasjenige, was früher gebildet worden ist, in Form des Lebensodems eingeprägt wird. Also das, was wie ein Kern in die Menschenwesenheit hineinverlegt wird durch Jahve-Elohim, das ist früher schon gebildet; im Schoße der Elohim ist es vorhanden. Jetzt wird es dem Menschen, dessen Leiblichkeit von anderer Seite her gebildet worden ist, eingeprägt Es ist also etwas, was von einer anderen Seite in den Menschen hineinkommt Und mit dieser Einprägung von n`schamah ist es erst möglich geworden, das in den Menschen hineinzuversenken, was wir die Anlage zur Ich-Natur nennen können. Denn diese alten hebräischen Ausdrücke nephesch, ruach, n`schamah, die sind nichts anderes als das, was wir parallel unseren geisteswissenschaftlichen Ausdrücken auch charakterisiert haben. Nephesch dürfen wir parallelisieren in bezug auf den Menschen mit der Empfindungsseele, ruach dürfen wir anwenden für die Verstandesseele, n`schamah für die Bewußtseinsseele.

So also müssen wir diese Fortentwickelung als einen außerordentlich komplizierten Vorgang darstellen. Alles das, was sich auf die Schöpfungstage selber bezieht, was sozusagen das Werk der Elohim ist vor ihrem Aufrücken zu Jahve-Elohim, müssen wir uns so vorstellen, daß es gewissermaßen in geistigen, höheren Regionen vor sich geht, und das, was wir heute physisch beobachten können in der Menschenwelt, das tritt erst ein durch das Werk von Jahve-Elohim.

Von alledem, was wir so in der Bibel finden, was uns erst ein Verständnis geben kann von der eigentlichen inneren Natur des Menschen und was uns erst der seherische Blick wiederum lehrt, von alledem hatten aus ihren verschiedenen Einweihungsstätten heraus die griechischen Philosophen noch ein Bewußtsein. Plato vor allen Dingen, aber auch selbst noch Aristoteles. Wer Plato und Aristoteles kennt, der weiß, daß bei Aristoteles noch das Bewußtsein vorhanden ist, daß der Mensch durch ein höheres geistig-seelisches Glied erst zu einem lebendigen Wesen geworden ist, während die niederen Wesen durch andere Evolutionsakte hindurch-

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gingen. Aristoteles stellte sich das etwa so vor. Die niederen tierischen Wesenheiten, die sind durch andere Evolutionsakte das geworden, was sie sind. Aber damals, als die Kräfte, die im Tier wirken, wirksam werden konnten, in jener Zeit durfte noch nicht das menschliche geistig-seelische Wesen, das noch in höheren Regionen schwebte, irdisch-leiblich werden, sonst wäre es auf niederen Tierstufen stehengeblieben. Das Menschenwesen mußte warten. Und es mußten abgesetzt werden von ihrer Souveränität die niederen tierischen Stufen durch das Einpflanzen des menschlichen Gliedes. Dafür gibt es noch einen Ausdruck, den Aristoteles gebraucht hat, phtheiresthai. Diesen Ausdruck braucht Aristoteles in dem Sinne, daß er etwa sagen würde: Gewiß, äußerlich genommen sind im Menschen dieselben Funktionen in bezug auf äußere Leiblichkeit vorhanden wie in der tierischen Natur, aber so, wie sie in der tierischen Natur sind, wirken sie souverän; im Menschen sind sie entthront von ihrer Souveränität und müssen einem höheren Prinzip folgen. Das bedeutet phtheiresthai.

Und das Iiegt auch zugrunde der biblischen Schöpfungsgeschichte. Durch das Einprägen der n`schamah wurden die niederen Glieder ihrer Souveränität entthront. So hat der Mensch, indem er den Träger seiner Ichheit erhalten hat, ein höheres Glied erlangt. Dadurch wurde aber auch die Natur, die er früher hatte, die mehr ätherisch war, gleichsam um eine Stufe herunter differenziert. Er erhielt ein äußeres leibliches Glied und ein inneres mehr ätherisches Glied. Eines verdünnt sich, eines verdichtet sich. Am Menschen wiederholt sich, was wir als den Sinn der ganzen Evolution kennengelernt haben. Wir haben gesehen, wie sich die Wärme verdichtete in Luft und verdünnte in Licht, wie sich weiter die Luft zu Wasser verdichtet und zum Klangäther verdünnt und so weiter. Derselbe Vorgang vollzieht sich auf höheren Stufen für den Menschen. Das Männlich-Weibliche differenziert sich weiter in Mann und Frau, differenziert sich ferner so, daß die dichtere physische Leiblichkeit nach außen, die dünnere ätherische Leiblichkeit unsichtbar nach innen geht. Damit also haben wir zu gleicher Zeit auf etwas hingewiesen, was wir als Fortschritt bezeichnen können von dem Werke der Elohim

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zu dem Werke von Jahve-Elohim. Der Mensch, wie er heute vor uns steht, ist also ein Werk von Jahve-Elohim. Das, was wir als den sechsten Schöpfungstag bezeichnen, fällt also zeitlich zusammen mit unserer lemurischen Zeit, in der wir vom männlich-weiblichen Menschen sprechen.

Nun ist ja in der Bibel noch gesprochen von einem siebenten Schöpfungstage. Von diesem siebenten Schöpfungstage wird uns gesagt, daß die Arbeit der Elohim ruhte. Was heißt denn das eigentlich? Wie müssen wir diese weitere Erzählung auffassen? Wir fassen sie im Sinne der Geisteswissenschaft nur dann richtig auf, wenn wir uns klar sind, daß ja gerade jetzt der Zeitpunkt heranrückt, wo die Elohim aufsteigen, wo sie ihr Avancement durchmachen zu Jahve-Elohim. Aber Jahve-Elohim dürfen wir nicht auffassen als die Gesamtheit der Elohim, sondern vielmehr so, daß die Elohim gleichsam nur einen Teil ihrer Wesenheit abgeben an das Mondwesen, daß sie aber das, was nicht innerhalb dieses abgegebenen Teiles ihrer Wesenheit liegt, zurückbehalten, daß sie sozusagen in diesem alten Gliede ihrer Wesenheit ihre eigene weitere Evolution durchmachen. Das heißt, ihre Arbeit strömt in bezug auf dieses Glied nicht mehr in das Menschwerden ein. Sie wirken mit demjenigen Gliede im Menschwerden weiter, das in ihnen zu Jahve-Elohim geworden ist. Das andere, das wirkt nun nicht unmittelbar auf die Erde, das widmet sich der eigenen Evolution. Das ist angedeutet mit dem «Ruhen» der irdischen Arbeit, mit dem Sabbathtag, mit dem siebenten Schöpfungstage.

Und jetzt müssen wir noch auf etwas anderes hinweisen, was wichtig ist. Wenn alles das richtig ist, was ich jetzt gesagt habe, dann müssen wir den Jahve-Menschen, dem Jahve sein Eigenwesen eingeprägt hat, als den unmittelbaren Nachfolger auffassen des Menschen, der gleichsam ätherischer, weicher am sechsten Schöpfungstage gebildet worden ist. Also haben wir eine gerade Linie von dem Menschen, der noch männlich-weiblich, der noch ätherischer ist, zum physischen Menschen. Der physische Mensch ist der Nachkomme, sozusagen ein Verdichtungszustand des ätherischen Menschen. Man müßte also sagen, wenn man schildern wollte den

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Jahve-Menschen, der in die Atlantis hinübergeht: Und der Mensch, der am sogenannten sechsten Schöpfungstage durch die Elohim gebildet wurde, entwickelte sich fort zu dem eingeschlechtlichen Menschen, zu dem Jahve-Menschen. Was da folgt nach den sieben Schöpfungstagen, das sind die Nachkommen der Elohim-Menschen, das sind die Nachkommen dessen, was überhaupt während der sechs Schöpfungstage ins Dasein trat. - Da ist wieder die Bibel von einer Großartigkeit, wenn sie in ihrem zweiten Kapitel uns erzählt, wie in der Tat der Jahve-Mensch ein Nachkomme ist des, wenn wir so sagen dürfen, himmlischen Menschen, des Menschen, der von den Elohim am sechsten Schöpfungstage gebildet worden ist. Genau so, wie der Sohn der Nachfolger des Vaters ist, so war der Jahve-Mensch der Nachfolger des Elohim-Menschen. Das erzählt uns die Bibel, indem sie uns in dem vierten Vers des zweiten Kapitels sagt «Was jetzt folgen soll, das sind die Nachkommen, die nachfolgenden Geschlechter der Himmelswesen.»

Das steht da. Nehmen Sie die Bibel, wie sie gewöhnlich heute genommen wird, so finden Sie darin den merkwürdigen Satz: «Das obige ist die Entstehung des Himmels und der Erde, da sie geschaffen worden, am Tage, da Gott der Herr Erde und Himmel gemacht hatte.» Gewöhnlich wird die Gesamtheit der Elohim «Gott» genannt und der Jahve-Elohim «Gott der Herr». «Gott der Herr schuf Erde und Himmel.» Ich bitte Sie recht sehr, den Satz genau zu beachten, und dann bitte ich Sie, ganz gewissenhaft zu versuchen, irgendeinen vernünftigen Sinn mit diesem Satze zu verbinden. Ich möchte wissen, wer das kann. Wer es kann, der soll dann ja nur nicht irgendwie in der Bibel sich weiter umsehen, denn hier steht das Wort «tol`dot», was «die nachfolgenden Geschlechter» bedeutet und hier an gleicher Stelle steht wie bei Noah, wenn von den nachfolgenden Geschlechtern die Rede ist So wird hier von den Jahve-Menschen als den Nachkommen, als den nachfolgenden Geschlechtern der Himmelswesen geradeso wie dort von den Nachkommen des Noah gesprochen. So etwa muß man diese Stelle dem Sinne nach lesen: «Dies, was da folgt, das, wovon man in dem Folgenden reden will, das sind die Nachkommen der Himmels- und Erden-

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wesen, die geschaffen worden sind von den Elohim und fortgesetzt worden sind von Jahve-Elohim.»

So also darf man den Jahve-Menschen auch im Sinne der Bibel als Nachkommen des Elohim-Menschen ansehen. Wer einen neuen Schöpfungsbericht annehmen will, weil die Rede davon ist, daß Gott der Herr die Menschen geschaffen hat, dem rate ich, daß er nur gleich auch in einem der nächsten Kapitel, im fünften Kapitel, das gewöhnlich so beginnt: «Dies ist das Buch der Geschlechter» - da steht nämlich das gleiche Wort wie an der anderen Stelle, -, daß er da, um die Regenbogenbibel vollständig zu bekommen, nun auch einen dritten Schöpfungsbericht mache! Sie haben dann alles zusammengeschmiedet aus einzelnen Bibelfetzen. Sie haben Fetzen, aber nicht mehr die Bibel. - Wenn wir weitergehen könnten, würden wir auch das, was im fünften Kapitel gesagt wird, erklären können.

So also sehen wir, wenn wir diese Dinge wirklich innerlich betrachten, daß wir es in vollem Maße zu tun haben mit einem Kongruieren der Genesis, des biblischen Schöpfungsberichtes mit dem, was wir in der Geisteswissenschaft oder Geheimwissenschaft ergründen können. Wenn wir das ins Auge fassen, dann müssen wir uns fragen: Was ist da also eigentlich gemeint mit diesen mehr oder weniger bildlichen Ausdrücken, die da gebraucht werden? Was sind die 0bjekte dieser Schilderung? - Dann aber müssen wir uns klar sein, daß wir ja wiederfinden, was sich aus der hellseherischen Forschung ergibt! Wie der hellseherische Blick heute im Übersinnlichen hinschaut auf den Ursprung unseres Erdendaseins, so sahen auch diejenigen, die ursprünglich den biblischen Bericht geformt haben, auf Übersinnliches hin. HeIlsichtig erfaßt sind die Tatsachen, die uns da ursprünglich gegeben werden. Wenn man also in dem Sinne des rein physischen Anschauens das, was man als Vorzeit bezeichnet, konstruiert, so geht man nach den äußerlich auffindbaren Überresten. Wenn man dann immer weiter und weiter im physischen Leben und Werden zurückgeht, dann werden die physischen Gebilde sozusagen immer nebelhafter. In diesem Nebelhaften drinnen walten und weben aber die Geistigkeiten, und der

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Mensch selber ist ursprünglich in bezug auf seine Geistigkeit in diesen Urwesenheiten drinnen. Und wenn wir unsere Betrachtung des Erdenwerdens bis zu den Zeiten fortsetzen, welche die Genesis meint, so läuft sozusagen unser Erdenwerden in seine geistigen Urzustände hinein. Mit den Schöpfungstagen sind geistige Werdezustände gemeint, die nur durch die hellseherische Forschung erfaßbar sind, und gemeint ist, daß das Physische nach und nach aus dem Geistigen sich herausbildet.

Dem hellsichtigen Blick stellt sich dieses Werden so dar. Wenn der hellsichtige Blick hingewendet wird auf die Tatsachen, die uns geschildert werden in der Genesis, so wird man zunächst geistige Vorgänge finden. Alles, was da geschildert wird, stellt sich dar als geistige Vorgänge. Nichts, gar nichts würde ein physisches Auge sehen, das würde in das Nichts hineinschauen. Aber die Zeit rückt vor, wie wir das gesehen haben. Für das hellsichtige Anschauen kristallisiert sich nach und nach aus dem Geistigen das Feste heraus, wie wenn sich das Eis aus dem Wasser herausbildet und verfestigt. Aus dem Flutenmeere des Astralischen, des Devachanischen taucht auf, was nun auch physisch gesehen werden kann. Also im Fortgange der Betrachtung tritt innerhalb des anfänglich bloß geistig zu fassenden Bildes wie eine Kristallisation in dem Geistigen das Physische auf. Und damit haben wir auch darauf hingewiesen, daß der Mensch in einer früheren Zeit nicht durch ein physisches Auge gefunden werden könnte. Bis zu dem sechsten beziehungsweise siebenten Schöpfungstage, also bis zu unserer lemurischen Zeit, würde ein physisches Auge den Menschen nicht haben sehen können, denn da war er nur geistig vorhanden. Und das ist der große Unterschied einer wahren Evolutionslehre von einer erträumten. Die letztere glaubt, daß nur der physische Werdegang da ist. Nicht dadurch entsteht der Mensch, daß gleichsam die untergeordneten Wesen hinaufwachsen zur menschlichen Gestalt. Das ist das Phantastischste, das man sich vorstellen kann, daß eine tierische Gestalt sich umwandelte zur höheren Gestalt des Menschen. Während diese tierischen Gestalten entstehen, während sie unten ihr Physisches bilden, ist der Mensch schon längst vorhanden, nur steigt er erst später

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herunter und stellt sich neben die früher heruntergestiegenen tierischen Wesenheiten hin. Wer die Evolution nicht so ansehen kann, dem ist einfach nicht zu helfen, der steht unter der Suggestion der gegenwärtigen Begriffe; nicht etwa unter dem Einfluß der natutwissenschaftlichen Tatsachen, sondern unter der Suggestion der gegenwärtigen Meinungen.

Wenn wir das Menschenwerden im Zusammenhang mit dem übrigen Werden charakterisieren wollen, so müssen wir sagen: Wir haben innerhalb der Evolutionsreihe das Entstehen der, nun ich will sagen, Vögel und Meertiere als zwei Äste; dann haben wir die Landtiere als einen besonderen Zweig. Das eine würde dein sogenannten fünften Schöpfungstage, das andere dem sechsten Schöpfungstage entsprechen. Und dann tritt der Mensch auf, aber nicht, indem sich die Linie fortsetzt, nicht als Fortsetzung der Reihe, sondern indem er heruntersteigt auf die Erde. - Das ist die wahre Evolutionslehre. Und diese ist exakter in der Bibel enthalten als in irgendeinem modernen Buch, das sich der materialistischen Phantastik hingibt.

Nun, meine lieben Freunde, das sind so einzelne Bemerkungen. Es wird sich ja immer in dem letzten Vortrage eines Zyklus um ergänzende Bemerkungen handeln müssen. Denn wollte man so ein Thema in ganz entsprechender Weise nach allen Seiten ausführen, ja, dann müßte man monatelang fortreden, denn diese Genesis enthält ungeheuer viel. Mit unseren Zyklen können wir immer nur Anregungen geben. Und das wollte ich auch diesmal nur. Ich möchte es noch einmal ausdrücklich betonen, daß es mir gar nicht besonders leicht geworden ist, gerade an diesen Vortragszyklus heranzutreten, denn es wird sich nicht leicht jemand eine Vorstellung davon machen, nachdem er diese Dinge gehört hat, wie schwierig der Weg ist, der zu diesen tieferen Grundlagen der biblischen Schöpfungsgeschichte führt, wie schwer es ist, die Parallelisierung der vorher aufgefundenen geisteswissenschaftlichen Tatsachen mit den entsprechenden biblischen Stellen wirklich zu finden. Wenn man gewissenhaft vorgeht, so bietet das eine außerordentlich schwierige Arbeit Man stellt sich oft vor, daß der hellseherische Blick

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leicht überall hingeht. Man braucht eben nur hinzuschauen, meint man, dann ergibt sich das alles von selbst. Ja, derjenige, der naiv den Dingen gegenübersteht, der glaubt allerdings häufig, alles leicht erklären zu können. Aber je weiter man dringt - schon in der äußeren Forschung ist das der Fall -, desto mehr Schwierigkeiten ergeben sich, und wenn man gar aus der physischen in die hellseherische Forschung hineinkommt, dann stellen sich erst die eigentlichen Schwierigkeiten heraus, und dann kommt das Gefühl der großen Verantwortung, das man haben muß, wenn man überhaupt über diese Dinge den Mund auftun will. Dennoch glaube ich in gewisser Beziehung, daß ich auch nicht ein einziges Wort in diesem Vortragszyklus gebraucht habe, von dem ich nicht sagen kann: Es wird stehenbleiben können, es ist, soweit es nur geht, in der deutschen Sprache ein adäquater Ausdruck dessen, was zur richtigen Vorstellung führen kann. - Aber leicht war es nicht.

Sehen Sie, es bestand die Absicht, am Anfange oder Ende dieses Zyklus durch unseren lieben Freund, Herrn Seiling, vortragen zu lassen in jener Vortragskunst, die Sie gestern wieder in seinem Vortrage erleben konnten - es bestand die Absicht, ihn zu bitten, den Bericht über die sieben Schöpfungstage der Genesis vorzutragen. Sie werden es leicht begreiflich finden, daß es unmöglich war, die gewöhnlichen Texte vortragen zu lassen, nachdem gerade in diesem Zyklus nach adäquaten Ausdrücken gesucht worden ist für das, was eigentlich in der Genesis gesagt wird, und es bestand eine ganz leise Hoffnung, daß vielleicht heute am Ende so etwas wie eine auf Grund der geisteswissenschaftlichen Forschungen gewonnene Übersetzung hätte vorgetragen werden können. Aber bei dem großen Ansturm der vielen Besuche der letzten Tage konnte es gar nicht gewagt werden, auch nur den Versuch zu machen, irgendwie eine Übersetzung der Genesis zustande zu bringen, die vortragsfähig wäre. Mit voller Gewissenhaftigkeit konnte das nicht versucht werden, und ich muß Sie in bezug darauf auf spätere Zeiten vertrösten. Zunächst wollen wir uns mit diesen Anregungen begnügen, die aus dem Zyklus kommen können. Denn ich kann Ihnen die Versicherung geben: Ich halte eine wirkliche Übersetzung für eine Arbeit,

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die vielleicht hundertmal soviel geistige Kraft fordert, als angewendet hat werden müssen vom ersten Moment an, wo der Keim entstand zu unserem Rosenkreuzer-Mysterium, bis zum letzten, was geschehen ist, zur Aufführung. - Derjenige, der die Schwierigkeit kennt, der wird die Herstellung eines ordentlichen Textes der Genesis hundertmal schwieriger finden als die an sich nicht ganz leichte Sache, die wir versucht haben zustande zu bringen mit dem Rosenkreuzer-Mysterium. Gerade wenn man fortschreitet in dem, was uns gegeben ist als die großen Offenbarungen der Welt, dann türmen sich die Schwierigkeiten auf, und es ist gut, daß wir uns mit dieser Tatsache bekannt machen. Denn dadurch gerade, daß wir diese Schwierigkeiten einsehen und erkennen lernen, kommen wir immer weiter und weiter im richtigen Verständnis des Anthroposophischen.

Das Anthroposophische muß Weitherzigkeit gegenüber allem empfinden, was zusammenwirken soll, damit die anthroposophische Arbeit zustande kommen kann. Deshalb dürfen wir, wenn wir auch mit bestimmten Arbeitsmethoden vorgehen, doch nicht irgendeine andere Arbeitsmethode als etwa nicht zu uns gehörig betrachten. Heute erfordert unsere Zeitentwickelung, erfordert die geistige Evolution unserer Zeit mancherlei Wege, die zu dem großen Ziel hinführen sollen, das wir alle in Aussicht haben. Und wenn es auch durchaus nicht in meinem Felde liegt, auf einem anderen Gebiete als auf dem esoterischen arbeitend vor Sie hinzutreten, so werden Sie niemals finden, daß ich eine andere Arbeitsmethode ausschließe. Das darf ich insbesondere am Ende dieses Zyklus erwähnen, der uns ja durch die Hilfe der Esoterik in so hohe Regionen anthroposophischer Forschung hingeführt hat, und ich möchte Sie gerade im Hinblick auf dieses hinweisen darauf, daß es gut ist, wenn Sie sich für die anthroposophische Auffassung von allen Seiten her Hilfe holen, wenn Sie auch das kennenlernen, was von anderen Methoden her sich anschließt an unsere Esoterik. Deshalb möchte ich Sie hinweisen auf das Segensreiche eines Buches, das von unserem lieben Freunde Herrn Ludwig Deinhard verfaßt ist und das in schöner Weise zusammengestellt hat, was von anderen Forschungsseiten

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her uns nützlich sein kann, um sozusagen allseitig zu sein auf diesem Gebiete. Und da in diesem Buch ein schöner harmonischer Zusammenhang gesucht und dargestellt worden ist gerade auch mit unserer Art von Esoterik, so kann diese Darstellung ja auch uns Anthroposophen nur nützen. Sie werden da mancherlei finden, was Ihnen brauchbar sein kann auf dem anthroposophischen Wege.

Auf vieles andere könnte ich noch hinweisen. Vor allen Dingen möchte ich auf ein Zweites hinweisen, auf etwas, was uns in diesen Vorträgen insbesondere, ich möchte sagen, von Stufe zu Stufe hat entgegentreten können: auf die Notwendigkeit, daß die anthroposophische Lehre in unserem Herzen und Gemüte das werde, was uns wirklich mit der ganzen Kraft unseres Innenlebens immer höher und höher bringt, zu immer höheren Empfindungsformen, zu immer weitherzigeren Lebensformen gegenüber der Auffassung der Welt Nur indem wir bessere Men6hen werden auf intellektuellem, auf empfindungsmäßigem, auf moralischem Gebiete, liefern wir den Probierstein für die Fruchtbarkeit dessen, was uns auf geisteswissenschaftlichem Felde zukommen kann. So dürfen wir sagen, daß gerade solche Lehren, die uns den Parallelismus unserer geisteswissenschaftlichen Forschung mit der Bibel zeigen, besonders fruchtbar werden können. Denn eben durch diese Lehren erfahren wir ja, wie wir selber urgründen, urständen, wie Jakob Böhme gesagt haben würde, in jenem übersinnlichen geistigen Schoß, in dem auch urständeten, urgründeten die Elohim selber, die sich hinaufentwickelten zu Jahve-Elohim, zu dieser höheren Entwickelungsform, um das als das große Ziel ihres Schaffens zustande zu bringen, was wir den Menschen nennen. Fassen wir diesen unseren Ursprung mit der nötigen Ehrfurcht auf, fassen wir ihn aber auch mit der nötigen Verantwortlichkeit auf! Begonnen haben an unserer Evolution mit ihren besten Kräften die Elohim, mit seiner besten Kraft Jahve-Elohim. Fassen wir diesen unseren Ursprung als eine Verpflichtung gegenüber unserer Menschennatur auf, daß wir immer mehr und mehr auch die geistigen Kräfte in uns einführen, die im Laufe der späteren Evolution eingetreten sind in das Erdenwerden.

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Wir haben von Luzifers Einfluß gesprochen. Durch ihn ist etwas, was im Schoße jener Geistigkeit lag, in der ja auch der Mensch urständete, durch diesen luziferischen Einfluß ist zunächst in diesem Schoß etwas verblieben, was in einer späteren Zeit hervorgetreten ist durch die Verkörperung des Christus in dem Leibe des Jesus von Nazareth. Seit jener Zeit wirkt als ein anderes göttliches Prinzip der Christus im Erdenwerden. Und der Hinblick auf die großen Wahrheiten der Genesis soll uns zur Verpflichtung hinführen, diese geistige Wesenheit des Christus immer mehr und mehr in unser eigenes Wesen einzuführen, denn nur dadurch werden wir unsere volle Aufgabe als Mensch erfüllen, daß wir uns mit diesem Christus-Prinzip durchdringen, nur dadurch auf der Erde immer mehr und mehr zu dem werden, wozu die Anlage in uns vorhanden war in jenen Zeiten, die mit dem biblischen Schöpfungsbericht der Genesis gemeint sind.

So kann auch eine solche Vortragsreihe dahin wirken, daß nicht nur Lehren aufgenommen werden, sondern daß Kräfte in unserer Seele erstehen. Mögen sie als Kräfte in der Seele weiterwirken, diese Lehren, die uns erflossen sind aus einer genaueren Betrachtung der Genesis, auch wenn wir manche von den Einzelheiten wieder vergessen. Das darf vielleicht gesagt werden am Schlusse dieser Tage, durch die wir wieder einmal für eine kurze Zeit so recht untertauchen wollten in den Strom des anthroposophischen Lebens: Versuchen wir, aus den Lehren die Kräfte mit uns zu nehmen, die aus solchen Lehren hervorgehen müssen! Tragen wir sie hinaus, lassen wir von diesen Kräften unser Leben draußen befruchten! - Was wir auch tun mögen, auf weichem Gebiete des Daseins, in was für einem weltlichen Berufe wir auch wirken sollen: diese Kräfte können unser Schaffen, unser Wirken befeuern, befruchten, aber auch unsere Freudigkeit, unsere Lebensseligkeit erhöhen. Und keiner, der in richtigem Sinne den großen Ursprung des Menschendaseins verstanden hat, kann in das weitere Dasein eintreten, ohne diese Lehren als Samenkräfte für Lebensbeseligung, für Lebensfreudigkeit in sich aufzunehmen. Lassen Sie aus Ihren Augen Ieuchten, wenn Sie Liebestaten verrichten wollen, die Wahrheit über den großen gewal-

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tigen Ursprung, über die gewaltige Bestimmung des Menschen, und Sie werden in solcher Weise am besten hinaustragen, was anthroposophische Lehre ist. Im Werke wird sich bewahrheiten diese anthroposophische Lehre, beglückend für die Umgebung des Menschen, beseligend, erfreuend, erfrischend, gesundend für unsere eigene Geistigkeit, für unsere eigene Seele, für unsere eigene Leiblichkeit. Wir sollen bessere, gesündere, kräftigere Menschen sein dadurch, daß wir die anthroposophischen Lehren in uns aufnehmen. In diesem Sinne möchte vor allen Dingen ein solcher Zyklus wirken. Er soll nichts anderes als ein Samenkorn sein, das sich in die Seele der Zuhörer senkt, aufkeimt und draußen in der Welt Früchte trägt für die Umgebung. So gehen wir physisch auseinander, so bleiben im Geiste die Anthroposophen vereint und wollen zusammenwirken dadurch, daß sie die Lehre überführen in das Leben. Lassen Sie uns von diesem Geiste durchdrungen sein, nicht schwächer werden in diesem Geiste, bis zu jenem Momente, wo wir nicht nur auf geistigem Gebiete, sondern auch im Physischen das Wort verwirklicht sehen, das ich auch dieses Mal als das letzte aussprechen möchte: Auf Wiedersehen!