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Johann Gottfried Herder

Johann Gottfried

Herder

aus

Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit

Sechstes Buch

VII

Schluß

Es wäre schön, wenn ich jetzt durch eine Zauberrute alle bisher gegebnen unbestimmten Wortbeschreibungen [99] in Gemälde verwandeln und dem  Menschen von seinen Mitbrüdern auf der Erde eine  Galerie gezeichneter Formen und Gestalten geben  könnte. Aber wie weit sind wir noch von der Erfüllung dieses anthropologischen Wunsches! Jahrhundertelang hat man die Erde mit Schwert und Kreuz,  mit Korallen und Branntweinfässern durchzogen; an  die friedliche Reißfeder dachte man nicht, und auch  dem großen Heer der Reisenden ist's kaum eingefallen, daß man mit Worten keine Gestalt male, am wenigsten die feinste, verschiedenste, immer abweichende aller Gestalten. Lange ging man aufs Wunderbare hinaus und dichtete; nachher wollte man hie und  da, selbst wo man Zeichnungen gab, verschönern,  ohne zu bedenken, daß kein wahrer Zoolog verschönere, wenn er fremde Tiergestalten malet. Und verdiente etwa die menschliche Natur allein jene genaue  Aufmerksamkeit nicht, mit der man Tiere und Pflanzen zeichnet? Indes, da in den neuesten Zeiten der  edle Bemerkungsgeist auch für unser Geschlecht  wirklich schon erwacht ist und man von einigen, wiewohl nur von wenigen Nationen Abbildungen hat,  gegen die in ältern Zeiten de Bry, Bruyn, geschweige  die Missionare nicht bestehen [100], so wäre es ein  schönes Geschenk, wenn jemand, der es kann, die hie  und da zerstreueten treuen Gemälde der Verschiedenheit unsres Geschlechts sammlete und damit den  Grund zu einer sprechenden Naturlehre und Physiognomik der Menschheit legte. Philosophischer könnte die Kunst schwerlich angewandt werden und eine anthropologische Karte der Erde, wie Zimmermann eine  zoologische versucht hat, auf der nichts angedeutet  werden, müßte, als was Diversität der Menschheit ist, diese aber auch in allen Erscheinungen und Rücksichten: eine solche würde das philanthropische Werk  krönen.

 

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