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August StrindbergAuszüge aus demBLAUBUCH
Über Selbstmord |
Über SelbstmordSelbstmord gilt im allgemeinen als Todsünde, und ist es wohl auch. Eine entehrende Strafe trifft den Toten, und erreicht ihn jenseits des Grabes. Diese Rache sollten Menschen nicht an einem Unglücklichen nehmen, dessen letzte Augenblicke sie nicht kennen können. In den meisten Fällen folgt der Unselige einer unbezwingbaren Aufforderung und begeht die Handlung, um einem größeren Übel auszuweichen. Dante rechnet Cato den Älteren und Lucretia nicht zu den Selbstmördern, sondern rückt sie an eine besondere Stelle, wo sie allgemeine Achtung genießen. Und der Dichter entschuldigt ihre Handlung mit der Erklärung, Lucretia sei lieber gestorben, als daß sie entehrt gelebt habe; und daß Cato aus der Welt der Sünde ging, um nicht tiefer zu sinken. Der dieses schreibt, ist seit seinem neunten Jahr versucht gewesen, freiwillig aus dem Elend zu gehen, viele Male. Auch als religiöser Mensch hat er die Mahnung empfunden; und er hat Gott um Erlaubnis gebeten, es tun zu dürfen. Ja, er hat schließlich eine lobenswerte Handlung darin gesehen, die Gott als einen Beweis des Vertrauens forderte! Daß er nach einem höheren, reineren Leben in Gott sich sehne, ihm entgegeneile, mit voller Zuversicht, daß Gott ihn gerufen habe und bereit sei, sein Kind mit Verzeihung und offenen Armen zu empfangen. Aber ich will Selbstmord nicht verteidigen, wenn ich auch so vermessen bin, zu glauben, daß die geglückten Selbstmorde erlaubt sind, die mißglückten nicht. Ist die Mahnung unwiderstehlich, nun, dann erübrigt sich alles Reden von freiwillig oder unfreiwillig. Es war eine unfreie Handlung und der Unglückliche also moralisch nicht verantwortlich. Darum müßte man alles gedankenlose Reden, es sei mutiger, zu leben, als den Tod zu suchen, einstellen. Die Frage nach dem Mut bewegt sich nicht auf dieser Ebene, gehört nicht zum Thema; es ist nur so oder so; aber weder mutig noch nicht mutig, sondern etwas ganz anderes. Bezeichne den Selbstmörder immer nur als einen Unglücklichen, dann tust du recht; und damit ist alles gesagt!
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Wolfgang
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