Eine Disput, in welcher Gestalt die verstoßenen Engel gewesen sind
Doktor Faustus nahm sich wieder ein Gespräch mit seinem
Geist vor. Er sollte ihm sagen, mit welcher Gestalt sein Herr im Himmel geziert
sei und wie er darinnen wohne. Sein Geist bat ihn diesmal um drei Tage Aufschub.
Am dritten Tag gab ihm der Geist diese Antwort:
Mein Herr Luzifer (der so genannt wird, weil er aus dem
hellen Licht des Himmels verstoßen wurde) war im Himmel ein Engel Gottes und
ein Cherubim. Er hat alle Werke und Geschöpfe Gottes im Himmel gesehen. Er war
in solcher Zier und in einer solchen Gestalt, Pomp, Autorität, Würde und
Wohnung, dass er ein Gleichnis und Geschöpf vor Gott war, voll vollkommener
Weisheit und Zier. Ja, er war von solcher Vollkommenheit, dass er eine Zier und
ein Schein über alle anderen Geschöpfe war, über Gold und Edelgestein, denn
er war von Gott so erleuchtet und geziert, dass er der Sonne und Sterne Glanz
übertraf und Gold und Edelgestein. Denn sobald ihn Gott erschuf, setzte er ihn
auf den Berg Gottes und in das Amt eines Fürstentums. Er war vollkommen auf
allen seinen Wegen. Aber sobald er sich im Übermut und zu der Hoffart verstieg
und über den Orient steigen wollte, wurde er vertilgt und verworfen aus der
Wohnung und aus dem Sitz des Himmels in einem Feuerstein, der ewig nicht
verlischt, sondern immerdar schwelt. Er wurde geziert mit der Krone alles
Himmlischen Pomps, und dieweil er so wider Gott trotzig dasaß, ist auch Gott
auf seinem Richterstuhl gesessen und hat ihn zur Hölle, aus der er nimmermehr
hochsteigen kann, verurteilt und judiziert.
Doktor Faustus, als er dem Geist bei diesen Dingen
zugehört hatte, durchdachte darauf mancherlei Meinungen und Gründe, und ging
auch darauf stillschweigend von seinem Geist weg. Als er nun in seiner Kammer
war, legte er sich aufs Bett und fing bitterlich zu weinen und seufzen an und
aus vollem Herzen zu schreien. Denn er betrachtete auf diese Erzählung des
Geistes hin, wie der Teufel und verstoßene Engel vor Gott so herrlich geziert
war. Und wenn er nicht wider Gott gewesen wäre aus Trotz und Hochmut, wie er
ein ewiges Himmlisches Wesen und Wohnung gehabt hätte, aber jetzt von Gott ewig
verstoßen sei, und sprach: O wehe mir, immer wehe, also wird es mir auch um
nichts erträglicher ergehen, denn ich bin auch ein Geschöpf Gottes und mein
Übermut, Fleisch und Blut hat mich in die Verdammung an Leib und Seele gesetzt.
Und da mich meine Vernunft und mein Sinn gereizt haben, dass ich als ein
Geschöpf Gottes von ihm gewichen bin und den Teufel mich verführen ließ, dass
ich mich mit Leib und Seele an ihn gebunden habe, darum kann ich auf keine Gnade
mehr hoffen, sondern werde ewig wie Luzifer in die ewige Verdammnis und Wehe
verstoßen werden müssen. Ach weh, immer wehe, wie zeige ich mich selbst und
was mache ich aus mir selbst. O, dass ich nie geboren worden wäre etc.
Diese Klagen führte Doktor Faustus. Er wollte aber keinen
Glauben und keine Hoffnung schöpfen, dass er durch Buße möge zur Gnade Gottes
gebracht werden. Denn wenn er gedacht hätte, nun streicht mir jetzt der Teufel
eine solche Farbe an, dass ich jetzt in den Himmel sehen muss, siehe, so will
ich wiederkehren und Gott um Verzeihung und Gnade anrufen und es nicht mehr tun.
Das ist eine große Buße. So hätte er sich wohl in die Kirche verfügt, wäre
der Heiligen Lehre gefolgt und hätte so dem Teufel Widerstand geleitet. Und
obwohl er dem Teufel hier schon den Leib hat lassen müssen, so wäre dennoch
die Seele erhalten worden. Aber er war in allen seinen Vorstellungen und
Meinungen zweifelnd, ungläubig und geringer Hoffnung.
Ein Disputation. jnn was gestalt die Verstossnen Engel gewesen:
Doctor Faustus nam jm wider ein gesprech fur mit seinem Gayst Er solt jm sagen jnn was gestalt sein herr jm Hymmel geziert / vnnd darJnnen gewohnt/ Sein Gaist batt jn diss mahl Drey tag aufzug / Am Dritten tag gab jm der Gayst Dise Antwurt /
Mein herr Lucifer (.der Also genannt wirdet / Von wegen Das Er auss dem Hellen Liecht des Hymmels verstossen.) ward jm Hymmel ein Engel Gottes / vnnd Cherubin. Er alle werckh vnnd geschopf Gottes jm Hymmel gesehen hat / Er ward jnn sollicher Zier / vnnd jnn einer sollichen gestalt / Pompp. Authoriteth. würde vnd Wohnung / das Er ein gleichnus vnd geschöpf vor Gott ward / Viler Volkomner weisheit vnnd Zier, / ja ward jnn sollicher volkommenheit / das er ein zier vnnd schein wardt vber alle sunst andere Geschöpff / Vber Gold vnnd Edelgestein / Dann Er ward von Gott also erleucht vnnd geziert / Das Er vbertraf der Sonnen Glantz vnnd Stern Gold vnnd Edelgestain / Dann bald jn Gott erschieff / Setzt Er jn auf den Berg Gottes / vnnd jnn ein Ampt eines Furstenthumbs / Er wardt Volkommen jnn allen seinen Wegen / Aber so bald Er jnn Vbermueth / vnnd zu Der Hoffart stig / vnnd vber Orient Steygen wolt / ward Er verdilgt vnnd verworffen auss der Wohnung vnnd sitz des Hymmels jnn ein Fewrstain / Der Ewig nicht verlischt / sondern quelt jn jmmerdar / Er wardt geziert mit der Cron aller Hymlisch ñ Pomp / vnnd Dieweil Er also wider Gott also Trutzlich gesessen / jst Gott auch gesessen auff sein Richterstuel / Vnnd jn zur Hell / Da Er nimmermehr hocher steygen kan / vervrthailt vnnd judiciert.
Doctor Faustus als Er dem Gaist von Disen Dingen hat zugehört/ speculiert Er darvff mancherlay opiniones vnnd grundt / gieng auch also darauff stillschweigendt vom Geist / Als Er nun jnn seiner Kammer ward / legt Er sich aufs bett / hebt an bitterlich zu waynnen vnnd Seunfftzgen vnnd jnn seinem hertzen zuschreyen / Dann Er betracht auf dise erzellung dess Geists / wie der Teuffel vnnd verstossen Engell vor Gott so herrlich geziert ward / Vnd wann Er nicht wider Gott gewesen auss Trutz vnnd Hochmueth / wie Er hett ein Ewigs Hymlischs wesen vnnd wohnung gehabt / Da Er jetzt von Gott Ewig verstossen sey/ vnnd sprach. O Wehe Mir jmmer wehe / Also wirt es Mir auch vnnd nichts ertreglicher ergehn / Dann jch bin auch ein Geschöpf Gottes / vnnd mein Vbermueth fleisch vnnd Bluet hat mich gesetzt jn ein verdamlicheit (an) an Leib vnnd Seel / vnnd jch mit meiner vernunfft vnnd Synn mich geraytzt / Das jch als ein Geschöpff Gottes von jme gewichen bin / vnnd mich den Teuffell verfueren lassen / das jch mich mit Leib vnnd Seel an jn verknipfft habe / Darumb kan jch kein genad mehr hoffen / sonndern wirdt Ewig wie Lucifer jnn die Ewige verdamnus vnnd wehe verstossen werden muessen / Ach wee jmmer wehe was zeich jch mich selbs / vnnd was mach jch auß mir selbs / O. Das jch nie geborn wer worden etc.
Dise Clag fiert Doctor Faustus / Er wolt aber nie kein glauben noch hoffnung schöpffen / das Er durch Poenitenz mecht zuer gnad Gottes gebracht werden / dañ wann Er gedacht hette/ Nun streicht mir jetzt der Teuffel ein solche farb an / Das jch mueß jetz jnn Hymmel sehen / Syhe so will jch widerumb keren / vnd Gott vmb gnad vnnd verzeyhung Anrueffen / Dann nimmer thuen ist ein grosse Bueß / So hett Er sich wol jnn die Kirchen verfuegt / Der Haylig Lehr geuolgt / vnnd also dem Teuffel ein widerstandt gethon / Vnnd ob wol Er dem Teuffel hie schon den Leyb hat lassen muessen / So wer dannocht die Seel erhalten werden / Aber Er ward jnn allen seinen opinionibus vnnd mainungen zweifelhafftig / vnglaubig vnnd Clainer hoffnung/
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