„Kwan-Shai-Yin“ ist identisch und gleichwertig mit dem Sanskritwort Avalokiteshvara und als solcher eine mannweibliche Gottheit, gleich dem Tetragrammoton und all den Logois der Altertums. Nur von einigen Sekten in China wird er anthropomorphisiert, und mit weiblichen Attributen dargestellt; in seinem weiblichen Aspekt wird er Kwan-Yin, die Gottheit der Gnade, genannt die „göttliche Stimme“. [20] Letztere ist die Schutzgottheit von Tibet und der Insel Puto in China, wo beide Gottheiten eine Anzahl von Klöstern haben. [21]

  Die höheren Götter des Altertums sind alle „Söhne der Mutter“, bevor sie „Söhne des Vaters“ werden.

  Die Logoi, wie Jupiter oder Zeus, Sohn von Kronos-Saturn, „unendlicher Zeit“ (Kâla), wurden ursprünglich als mannweiblich dargestellt.

  Zeus wird die „schöne Jungfrau“ genannt, und Venus wird bärtig gemacht.

   Apollo war ursprünglich zweigeschlechtig, ebenso ist es Brahmâ-Vâch im Manu und den Purânen.

   Osiris ist vertauschbar mit Isis, und Horus ist von beiden Geschlechtern.

   Schließlich ist in St. Johannis Vision in der Offenbarung des Logos, der jetzt mit Jesus in Verbindung gebracht ist, hermaphroditisch, denn er wird im Besitze von weiblichen Brüsten geschildert.

   Aber es giebt zwei Avalokiteshvaras in der Esoterik: den ersten und den zweiten Logos.

   Kein religiöses Symbol kann in unsern Tagen der Politik und Wissenschaft der Entweihung, ja dem Spotte entgehen. Die Verfasserin hat im südlichen Indien einen eingeborenen Konvertiten gesehen, welcher Pûjâ mit Opfergaben vor einer Statue eines Jesus in Weiberkleidern und mit einem Ring in der Nase machte. Auf die Frage nach der Bedeutung dieser Maskerade erhielten wir die Antwort, das sei Jesu-Maria in eins vereint, und es sei dies mit Erlaubnis der Paters geschehen, da der eifrige Convertit nicht genug Geld hatte, um zwei Statuen, oder „Idole“, wie sie ein Anwesender, ein anderer jedoch nicht bekehrter Hindu, sehr passend benannte, zu kaufen. Einem dogmengläubigen Christen wird dies lästerlich erscheinen, aber der Theosoph und Occultist muß die Palme der Logik dem Hindûconvertiten zuerkennen. Der esoterische Christos der Gnôsis ist natürlich ungeschlechtig, aber in der exoterischen Theologie ist er männlich und weiblich.

    (b) Der „Drache der Weisheit“ ist die Eins, das „Eka“ oder Saka. Es ist merkwürdig, dass der Name Jehovah im Hebräischen auch Eins, Achad, sein sollte. „Sein Name ist Achad“, sagen die Rabbiner. Die Philologen mögen entscheiden, welches von beiden vom andern abgeleitet ist, linguistisch und symbolisch: sicherlich nicht das Sanskrit. Der „Eine“ und der „Drache“ sind Ausdrücke, die die Alten in Zusammenhang mit ihren entsprechenden Logois gebrauchten. Jehovah – esoterisch Elohim – ist auch die Schlange oder der Drache, welcher Eva versuchte; und der Drache ist eine alte Glyphe für das Astrallicht (ursprüngliches Prinzip), „welches die Weisheit des Chaos ist“. Die archaische Philosophie, die weder Gut noch Übel als fundamentale oder unabhängige Macht anerkennt, sondern vom absoluten ALL (universelle Vollendung ewiglich) ausgeht, verfolgt beides durch den Lauf der natürlichen Entwicklung zu reinem Licht, das sich allmählich zur Form verdichtet, und somit Stoff oder Übel wird. Es war den älteren und unwissenden Kirchenvätern überlassen, die philosophische und hoch wissenschaftliche Idee dieses Sinnbildes zu dem unsinnigen Aberglauben, genannt „Teufel“ zu erniedrigen. Sie nahmen dies von den späteren Zoroastriern, welche Teufel (Devils) oder Übel (Evil) in den indischen Devas erblickten, und das Wort Evil wurde eine doppelte Umwandlung zu D’Evil (Diabolos, Diable, Diavolo, Teufel). Aber die Heiden haben immer philosophische Unterscheidungskraft in ihren Symbolen gezeigt.

   Das ursprüngliche Symbol der Schlange symbolisierte göttliche Weisheit und Vollendung, und stand jederzeit für psychische Regeneration und Unsterblichkeit.

   Daher nannte Hermes die Schlange das geistigste von allen Wesen; Moses, initiiert in die Weisheit des Hermes, folgte ihm in der Genesis, die gnostische Schlange mit den sieben Vokalen über ihrem Haupt war das Sinnbild der sieben Hierarchieen der siebenfachen oder planetarischen Schöpfer.

   Daher auch die indische Schlange Shesha oder Ananta, der Unendliche, ein Name des Vishnu, und sein erstes Vâhana oder Fahrzeug, auf den Urgewässern.

   Diese Schlangen müssen jedoch ebenso wie die Logoi und die Hierarchieen der Mächte eine von der anderen unterschieden werden.

   Shesha oder Ananta, das „Lager des Vishnu“, ist eine allegorische Abstraktion und symbolisiert die unendliche Zeit im Raum, der den Keim enthält und periodisch die Blüte dieses Keims, das geoffenbarte Weltall, ausstößt; während die gnostische Ophis dieselbe dreifache Symbolik in ihren sieben Vokalen wie der ein-, drei- und siebensilbige Oeaohoo der alten Lehre enthält; nämlich den ersten unmanifestierten Logos, den zweiten Manifestierten, das Dreieck, welches in die Vierheit oder Tetragrammaton übergeht; und die Strahlen des letzteren auf der materiellen Ebene.

   Aber alle machten einen Unterschied zwischen der guten und der bösen Schlange (dem Astrallicht der Kabbalisten), - zwischen der ersteren, der Verkörperung der göttlichen Weisheit in der Region des Geistigen, und der letzteren, dem Übel, auf der Ebene des Stoffes. Denn das Astrallicht, oder der Äther, der alten Heiden – der Name Astrallicht ist ganz modern – ist Geist-Materie.

   Beginnend auf der rein geistigen Ebene, wird es mit dem Herabsteigen immer gröber, bis es zur Mâyâ, oder der versuchenden und täuschenden Schlange auf unserer Ebene wird.


[20] Die gnostische Sophia (Weisheit), die die „Mutter“ der Ogdoad (Aditi, in einem gewissen Sinne, mit ihren acht Söhnen) ist, ist der heilige Geist und der Schöpfer von allem, wie in den alten Systemen. Der „Vater“ ist eine viel spätere Erfindung. Der älteste manifestierte Logos war überall weiblich – die Mutter der sieben planetarischen Mächte.

[21] Siehe Chinese Buddhism, vom Rev. Joseph Edkins der immer korrekte Thatsachen giebt, wenn auch seine Schlüsse sehr häufig irrtümlich sind.