STROPHE IV. 1. . . . HÖRET, IHR SÖHNE DER ERDE, AUF EURE LEHRER, DIE SÖHNE DES FEUERS (a). LERNET; DASS ES WEDER ERSTES NOCH LETZTES GIEBT; DENN ALLES IST EINE EINZIGE ZAHL, DIE AUS DER NICHT-ZAHL HERVORGAGANGEN IST (b). (a) Die Ausdrücke, die „Söhne des Feuers“, die „Söhne des Feuernebels“, und dergleichen, bedürfen einer Erklärung. Sie hängen mit einem großen ursprünglichen und universellen Geheimnis zusammen, und es ist nicht leicht, dasselbe klar zu machen. Es giebt eine Stelle in der Bhagavadgîtâ, wo Krishna, symbolisch und esoterisch sprechend, sagt: „Ich will dir erklären . . . unter
welchen Umständen die Frommen, wenn sie die Erde verlassen, dahin gehen,
um entweder wieder geboren zu werden oder nicht wiederzukommen. Feuer,
Licht, Tag, die Zeit des zunehmenden Mondes, das Halbjahr, wenn die
Sonne hochsteht. Die, welche unter solchen Umständen sterben, erkennen
Brahma und gehen zu Brahma ein. Rauch, Nacht, die Zeit des abnehmenden
Mondes, die sechs Monate, wenn die Sonne tief steht. Die Ergebenen,
welche unter solchen Umständen von der Welt scheiden, erlangen nur das
Licht (oder Wohnung, auch das Astrallicht) des Mondes und kehren wieder
zurück (werden wiedergeboren). Nun sind diese Ausdrücke „Feuer“, „Licht“, „Tag“, „die Zeit des zunehmenden Mondes“ u.s.w., sowie „Rauch“, „Nacht“ etc., welche nur zum Ziele des Mondpfades leiten, ohne eine Kenntnis der Geheimlehre unverständlich. Es sind dies alles Namen von verschiedenen Gottheiten, welche den kosmopsychischen Kräften vorstehen. Wir sprechen oft von einer Hierarchie der „Flammen“, von den „Söhnen des Feuers“ u.s.w. Shankarâchârya, der größte der esoterischen Meister von Indien, sagt: Feuer bedeute eine Gottheit, welche der Zeit (Kâla) vorsteht. Der geschickte Übersetzer der Bhagavadgîtâ, Kâshinâth Trimbak Telang, M. A., aus Bombay, gesteht, daß er „keine klare Vorstellung von dem Sinn dieser Verse habe“. Derselbe erscheint jedoch jenem als ganz klar, der die occulte Lehre kennt. Diese Verse stehen in Beziehung zu dem mystischen Sinn der Sonnen- und Mondsymbole. Die Pitris sind Mondgottheiten und unsere Vorfahren, weil sie den physischen Menschen erschaffen haben. Die Agnishvattas, die Kumâras (die sieben mystischen Weisen), sind Sonnengottheiten, obwohl sie auch Pitris sind; und diese sind die „Former des inneren Menschen“. Sie sind „die Söhne des Feuers“, weil sie die ersten Wesen, in der Geheimlehre „Gemüter“ genannt, sind, die aus dem Urfeuer entwickelt wurden. „Der Herr . . . . . ist ein verzehrendes Feuer.“ [2] „Der Herr wird geoffenbart werden . . . mit seinen mächtigen Engeln in Feuerflammen.“ [3] Der heilige Geist stieg auf die Apostel herab als „Zungen zerteilet wie von Feuer“; [4] Vishnu wird auf Kalkî, dem weißen Rosse, als der letzte Avatâra inmitten von Feuer und Flammen wiederkehren; und Sosiosh wird ebenfalls auf einem weißen Pferde in einem „Wirbelsturm von Feuer“ herabsteigen. „Und ich sahe den Himmel aufgethan, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß . . . . und sein Name heißt das Wort Gottes“ [5] inmitten von Feuerflammen. Feuer ist Äther in seiner reinsten Form, und wird daher nicht als Materie betrachtet, sondern ist die Einheit des Äthers – der zweiten, manifestierten Gottheit – in seiner Universalität. Aber es giebt zwei „Feuer“, und in der occulten Lehre wird ein Unterschied zwischen denselben gemacht. Das erstere, oder das rein formlose und unsichtbare Feuer, verborgen in der centralen geistigen Sonne, wird als dreifach bezeichnet (metaphysisch), während das Feuer des manifestierten Kosmos siebenfach ist, sowohl im Weltall als in unserm Sonnensystem. „Das Feuer der Erkenntnis verbrennt alle Handlung auf der Ebene der Täuschung“, sagt der Kommentar. „Daher heißen jene, die es erlangt haben und befreit sind, ‚Flammen’.“ Indem er von den sieben Sinnen, die als Hotris, oder Priester, symbolisiert sind, spricht, sagt Nârada in der Anugîtâ: „Somit sind diese sieben [Sinne, Geruch und Geschmack und Farbe und Ton, u. s. w.] die Ursachen der Befreiung“; und der Übersetzer fügt hinzu: „Eben von diesen sieben muß das Selbst befreit werden. ‚Ich’ [in dem Satze ‚Ich bin . . . frei von Eigenschaften’] muß das Selbst bedeuten, nicht den Brâhmana, der spricht.“ [6] [1] Kapitel VIII, 23-26. (Hartmanns Übersetzung. Anm. des Übers.) [2] Deuteronom. IV. 24. [3] 2. Thess., I., 7. 8. [4] Apostelgesch., II. 3. [5] Offenb., XIX. 13. [6] Telangs Übersetzung, Sacred Books of the East, VIII. 278. |