STROPHE IV. – Schluß.

6. . . . DANN DIE ZWEITE SIEBEN, WELCHE DIE LIPIKA SIND, HERVORGEBRACHT DURCH DIE DREI. [39] DER AUSGESTOSSENE SOHN IST EINER. DIE „SONNENSÖHNE“ SIND UNZÄHLBAR.

Die „Lipika“, von dem Worte lipi, „schreiben“, bedeuten wörtlich die „Schreiber“. [40] Mystisch stehen diese göttlichen Wesen mit Karma, dem Gesetze der Wiedervergeltung im Zusammenhang, denn sie sind die Aufzeichner oder Annalisten, welche auf die (für uns) unsichtbaren Tafeln des Astrallichtes, „der großen Bildergallerie der Ewigkeit“, einen getreuen Bericht von jeder Handlung, und selbst von jedem Gedanken, des Menschen einprägen: von allem, was in dem phänomenalen Weltalle war, ist, oder jemals sein wird.

Wie es in Isis Unveiled heißt, ist diese göttliche und ungesehene Bildfläche das Buch des Lebens.

Da die Lipika es sind, welche aus dem passiven universalen Gemüt den idealen Plan des Weltalls in die Objektivität projizieren, nach welchem die „Baumeister“ den Kosmos nach jedem Pralaya wieder aufbauen, so entsprechen sie den sieben Engeln der Gegenwart, welche sie Christen in den sieben „Planetengeistern“ oder den „Geistern der Sterne“ wiedererkennen; und somit sind sie die unmittelbaren Gehilfen der ewigen Ideenbildung – oder, wie Plato es nennt, des „göttlichen Gedankens“. Die ewige Aufzeichnung ist kein phantastischer Traum, denn wir begegnen denselben Aufzeichnungen in der Welt des groben Stoffes. So sagt Dr. Draper:

Ein Schatten fällt nie auf eine Wand, ohne darauf eine dauernde Spur zurückzulassen, welche durch Anwendung entsprechender Prozesse sichtbar gemacht werden könnte. . . . Die Bildnisse unserer Freunde oder Landschaften mögen auf der empfindlichen Fläche vor dem Auge verborgen sein, aber sie liegen bereit, sofort zu erscheinen, wenn entsprechende Entwickler angewendet werden. Ein Gespenst ist verborgen auf einer Silber- oder Glasfläche, bis wir es durch unsere Nekromantie in die Welt des Sichtbaren treten lassen. Auf den Wänden unserer geheimsten Gemächer, wo wir jedes Späherauge für vollkommen ferngehalten, und unsere Zurückgezogenheit für niemals profanierbar halten, existieren die Spuren unserer Handlungen, die Schattenrisse von allem, was wir gethan haben. [41]

Die Doktoren Jevons und Babbage glauben, daß jeder Gedanke die Gehirnteilchen verschiebt, und, indem er sie in Bewegung setzt, sie durch das Universum zerstreut: sie glauben auch, daß „jedes Teilchen des bestehenden Stoffes ein Verzeichnis von allem Geschehen sein muß“. [42] So hat die alte Lehre angefangen, Bürgerrecht in den Spekulationen der wissenschaftlichen Welt zu erlangen.

Die vierzig „Beisitzer“, welche in der Region von Amenti als die Ankläger der Seele vor Osiris stehen, gehören derselben Klasse von Gottheiten an wie die Lipika, und würden als mit ihnen übereinstimmend gelten, wären nicht die ägyptischen Götter in ihrer esoterischen Bedeutung so wenig verstanden. Der indische Chitragupta, der den Rechenschaftsbericht eines jeden Seelenlebens aus seiner Aufzeichnung, genannt Agra-Sandhâni, herausliest; die Beisitzer, die den ihren von dem Herzen des Verstorbenen ablesen, das ein offenes Buch vor jedem Yama, Minos, Osiris, oder Karma wird, sind alle ebenso viele Kopieen und Varianten der Lipika und ihrer astralen Aufzeichnungen. Nichtsdestoweniger sind die Lipika Gottheiten, die nicht mit dem Tode, sondern mit dem ewigen Leben zusammenhängen.
Da die Lipika mit dem Schicksale eines jeden Menschen und mit der Geburt eines jeden Kindes zusammenhängen, dessen Leben bereits im Astrallichte vorgezeichnet ist – nicht fatalistisch, sondern einfach weil die Zukunft, sowie die Vergangenheit, in der Gegenwart ewig lebendig ist – so kann man von ihnen auch sagen, daß sie einen Einfluß auf die Wissenschaft der Horoskopie ausüben. Wir müssen die Wahrheit der letzteren zugeben, ob wir wollen oder nicht. Denn wie einer der modernen Professoren der Astrologie bemerkt:

Nun, da uns die Photographie die chemische Wirkung des Sternensystems geoffenbart hat, indem sie auf der empfindlich gemachten Platte des Apparates Milliarden von Sternen und Planeten festhält, welche bisher der Entdeckungsbemühungen der stärksten Fernrohre gespottet hatten, wird es leichter, zu verstehen, wieso unser Sonnensystem bei der Geburt eines Kindes das Gehirn desselben – jungfräulich gegenüber jedem Eindruck – auf bestimmte Art und entsprechend der Kulmination dieser oder jener zodiakalen Konstellation zu beeinflussen imstande ist. [43]


[39] Wort, Stimme und Geist.

[40] Diese sidn die vier „Unsterblichen“, welche im Atharva Veda als die „Wächter“ oder Hüter der vier Himmelsrichtungen erwähnt sind. (Siehe Kap. LXXVI, 1-4 ff.)

[41] Conflict between Religion and Science, pp. 132 und 133.

[42] Priniples of Science, II. 455.

[43] Les Mystêres de l’Horoscope, Ely Star, p. XI.