STROPHE V 1. DIE URSPRÜNGLICHEN SIEBEN, DIE ERSTEN ATEMZÜGE DES DRACHENS DER WEISHEIT, ERZEUGEN IHRERSEITS DURCH IHRE HEILIGEN KREISENDEN ATEMZÜGE DEN FEURIGEN WIRBELWIND. Dies ist vielleicht die am schwierigsten zu erklärende von allen Strophen. Ihre Sprache ist bloß jenem verständlich, welcher in der östlichen Allegorie und ihrer absichtlich dunklen Ausdrucksweise vollkommen bewandert ist. Die Frage wird sicherlich aufgeworfen werden: „Glauben sie Occultisten an alle diese „Bauleute“, „Lipika“ und „Söhne des Lichtes“ als an Wesenheiten, oder sind sie bloße Bildersprache? Darauf erfolgt ebenso klar die Antwort: Bei entsprechender Nachsicht mit der Bildersprache von personifizierten Kräften, müssen wir die Existenz von solchen Wesenheiten zugestehen, wenn anders wir nicht die Existenz einer geistigen Menschheit innerhalb der physischen Menschheit verwerfen wollen. Denn die Scharen dieser Söhne des Lichtes, der aus der Seele geborenen Söhne des ersten geoffenbarten Strahles des Unbekannten Alls, sind gerade die Wurzel des geistigen Menschen. Wenn wir nicht an das unphilosophische Dogma einer für jede menschliche Geburt eigens geschaffene Seele – von denen seit „Adam“ täglich eine neue Lieferung einläuft – glauben wollen, so müssen wir den occulten Lehren beistimmen. Dies wird an seinem Orte erklärt werden. Laßt uns nun sehen, was die Bedeutung dieser occulten Strophe sein mag. Die Lehre besagt, daß, um ein göttlicher, vollbewusster Gott – ja, selbst der höchste – zu werden, die geistigen Urintelligenzen durch den menschlichen Zustand hindurchgehen müssen. Und wenn wir sagen „menschlich“, so bezieht sich das nicht bloß auf unsere irdische Menschheit, sondern auf die Sterblichen, die irgend eine Welt bewohnen, d. h. auf jene Intelligenzen, welche das geeignete Gleichgewicht zwischen Stoff und Geist erreicht haben, so wie wir es jetzt haben, immer, nachdem der Mittelpunkt der vierten Wurzelrasse der vierten Runde überschritten war. Jede Wesenheit muß für sich selbst das Recht, göttlich zu werden, durch Selbsterfahrung gewonnen haben. Hegel, der grosse, deutsche Denker, muß diese Wahrheit gewusst oder intuitiv gefühlt haben, als er sagte, daß das Unbewusste das Weltall bloß evolviert habe „in der Hoffnung, klares Selbstbewußtsein zu erlangen“, mit anderen Worten, um Mensch zu werden; denn das ist auch die geheime Bedeutung der oft wiederkehrenden purânischen Phrase, daß Brahmâ beständig „von dem Verlangen bewegt sei, zu schaffen“. Dies erklärt auch die verborgene kabbalistische Bedeutung des Ausspruches: „Der Atem wird ein Stein; der Stein eine Pflanze; die Pflanze ein Tier; das Tier ein Mensch; der Mensch ein Geist; und der Geist ein Gott.“ Die aus der Seele geborenen Söhne, die Rishis, die Bauleute, u.s.w., waren alle Menschen – einerlei von welchen Formen und Gestalten – in anderen Welten und in vorangegangenen Manvantaras. Da dieser Gegenstand so überaus mystisch ist, so ist es höchst schwierig, ihn in allen Einzelheiten und Beziehungen zu erklären; denn das ganze Geheimnis der evolutionellen Schöpfung ist darin enthalten. Ein Satz oder zwei in dieser Shloka rufen lebhaft ähnliche Sinnsprüche in der Kabalah sowie die Ausdrucksweise des königlichen Psalmisten [1] ins Gedächtnis. Beide, wenn sie von Gott sprechen, lassen ihn den Wind zu seinem Boten machen und seine „Diener zu Feuerflammen“. Aber in der esoterischen Lehre ist das figürlich gebraucht. Der „feurige Wirbelwind“ ist der erglühende kosmische Staub, welcher bloß magnetisch, wie die Eisenfeilspäne dem Magneten folgen, dem leitenden Gedanken der „schöpferischen Kräfte“ folgt. Doch ist dieser kosmische Staub etwas mehr; denn jedes Atom im Weltall hat die Möglichkeit des Selbstbewußtseins in sich, und ist, gleich den Monaden des Leibniz, ein Weltall in sich selbst, und für sich selbst. Es ist ein Atom und ein Engel. Im Zusammenhang hiermit sollte beachtet werden, daß eine der Leuchten der modernen evolutionistischen Schule, Herr A. R. Wallace, gelegentlich der Besprechung der Unzulänglichkeit der „natürlichen Auswahl“ als einzigen Faktors in der Entwicklung des physischen Menschen, in der Praxis den ganzen hier erörterten Punkt zugiebt. Er hält dafür, daß die Entwicklung des Menschen von höheren Intelligenzen geleitet und gefördert wurde, deren Thätigkeit ein notwendiger Faktor in dem Plane der Natur sei. Sobald aber die Wirkung dieser Intelligenzen an einem Orte zugelassen ist, so ist es bloß eine logische Folge, sie noch weiter auszudehnen. Keine bindende Grenzlinie kann da gezogen werden. [1] Psalmen, CIV. 4. |