Dieses Gesetz von der Wirbelbewegung in der Urmaterie ist eine der ältesten Vorstellungen der griechischen Philosophie, deren erste historischen Weisen nahezu alle Initiierte der Mysterien waren. Die Griechen hatten sie von den Ägyptern, und letztere von den Chaldäern, welche die Schüler der Brâhmanen der esoterischen Schule gewesen waren. Leucippus, und Democritus von Abdera – der Schüler der Magier – lehrten, daß diese kreisende Bewegung der Atome und Sphären seit Ewigkeit existierte. [20] Hicetas, Heraclides, Ecphantus, Pythagoras und alle seine Schüler, lehrten die Rotation der Erde; und Âryabhata in Indien, Aristarchus, Selecus, und Archimedes berechneten ihre Revolution ebenso wissenschaftlich wie die Astronomen von heute; während die Theorie der elementaren Wirbel dem Anaxagoras bekannt war und von ihm 500 Jahre v. Ch. behauptet wurde, oder ungefähr 2000 Jahre, bevor sie von Galileo, Descartes, Swedenborg, und schließlich, mit geringen Modifikationen, von Sir W. Thomson [21] wieder aufgenommen wurde. Alle solche Erkenntnis ist, wenn man nur gerecht sein will, ein Echo der archaischen Lehre, welche zu erklären nunmehr versucht wird. Wieso Menschen der letzten paar Jahrhunderte zu denselben Ideen und Schlussfolgerungen gekommen sind, die als unumstößliche Wahrheiten vor Dutzenden von Jahrtausenden in der Verborgenheit der Adyta gelehrt wurden, ist eine Frage, die getrennt behandelt wird. Einige wurden dazu geleitet durch den natürlichen Fortschritt in der Naturwissenschaft und durch unabhängige Beobachtung; andere – wie Copernicus, Swedenborg und einige andere – verdankten, trotz ihrer großen Gelehrsamkeit, ihre Kenntnis viel mehr intuitiven, als – auf dem gewöhnlichen Wege durch regelrechte Studien entwickelten – erworbenen Ideen. Daß Swedenborg, der unmöglich irgend etwas von den esoterischen Ideen des Buddhismus gewußt haben konnte, unabhängig der occulten Lehre in seinen allgemeinen Vorstellungen nahe gekommen ist, zeigt sich an seinem Aufsatz über die Wirbeltheorie. In Clissolds Übersetzung desselben, angeführt von Prof. Winchell, [22] finden wir folgende Zusammenfassung:

Die erste Ursache ist das Unendliche oder Unbegrenzte. Dieses giebt dem ersten Endlichen oder Begrenzten Existenz. (Der Logos in seiner Manifestation und das Weltall.) Das, was eine Grenze erzeugt, ist analog der Bewegung. (Siehe oben Strophe I.) Die erzeugte Grenze ist ein Punkt, dessen Wesen Bewegung ist; aber da sie ohne Teile ist, so ist diese Wesenheit nicht wirkliche Bewegung, sondern bloß ein conatus dazu. (In unserer Lehre ist es kein „conatus“, sondern eine Wandlung von ewiger Schwingung in der unmanifestierten, zu Wirbelbewegung in der phänomenalen oder manifestierten Welt.) Aus diesem ersten entstehen Ausdehnung, Raum, Figur, und Aufeinanderfolge oder Zeit. Wie in der Geometrie ein Punkt eine Linie, eine Linie eine Fläche, und eine Fläche einen Körper erzeugt, so strebt hier der Drang des Punktes nach Linien, Flächen und Körpern. Mit anderen Worten, das Weltall ist in ovo im ersten natürlichen Punkt enthalten.
Die Bewegung, nach der der Drang strebt, ist die kreisförmige, weil der Kreis die vollkommenste aller Figuren ist . . . . „Die vollkommenste Figur der oben beschriebenen Bewegung muß die beständig kreisförmige sein; das heißt, sie muß vom Centrum zur Peripherie und von der Peripherie zum Centrum fortschreiten.“ [23]

  Das ist reiner und einfacher Occultismus.

  Mit den sechs „Richtungen des Raumes“ ist hier das „doppelte Dreieck“ gemeint, die Berührung und Verschmelzung von reinem Geist und Materie, vom Arûpa und Rûpa, deren Symbol die Dreiecke sind. Dieses doppelte Dreieck ist ein Zeichen des Vishnu; es ist das Siegel Solomons, und das Shrî-Antara der Brâhmanen.

STROPHE V – Fortsetzung.

   4. FOHAT ZIEHT SPIRALLINIEN, UM DAS SECHSTE MIT DEM SIEBENTEN – DER KRONE – ZU VEREINIGEN (a). EINE HEERSCHAR DER SÖHNE DES LICHTS STEHT IN JEDEM WINKEL, UND DIE LIPIKA IN DEM MITTLEREN RAD (b). SIE [24] SAGEN: „DIES IST GUT“. DIE ERSTE GÖTTLICHE WELT IST FERTIG, DIE ERSTE, DIE ZWEITE. [25] DANN REFLEKTIERT SICH DAS „GÖTTLICHE ARÛPA“ [26] IN CHHÂYÂ LOKA, [27] DEM ERSTEN GEWANDE VON ANUPÂDAKA (c).

  (a) Dieses Ziehen von „Spirallinien“ bezeiht sich sowohl auf die Evolution der Prinzipien des Menschen als auch der Natur; eine Evolution, die stufenweise stattfindet, sowie alles andere in der Natur. Das sechste Prinzip im Menschen (Buddhi, die göttliche Seele) ist, wenn auch in unseren Vorstellungen ein bloßer Atem, noch immer etwas Materielles im Vergleich zu dem göttlichen Geist (Âtmâ), dessen Träger oder Vehikel es ist. Fohat, in seiner Eigenschaft als göttliche Liebe (Eros), die elektrische Kraft der Affinität und Sympathie, versucht nach der allegorischen Darstellung, den reinen Geist, den vom Einen Absoluten untrennbaren Strahl, in Vereinigung mit der Seele zu bringen, welche beide im Menschen die Monade, und in der Natur das erste Bindeglied zwischen dem ewig Unbedingten und dem Geoffenbarten bilden.

  „Die erste ist jetzt die zweite [Welt]“ – der Lipikas – bezieht sich ebendarauf.

  (b) Die „Heerschar“ in jedem Winkel ist die Schar der englischen Wesen (Dhyân Chohans), die bestimmt sind, Lenker und Wächter zu sein über jede betreffende Region, vom Anfange bis zum Ende eines Manvantara. Sie sind die „mystischen Wächter“ der christlichen Kabbalisten und Alchimisten, und beziehen sich symbolisch sowie kosmogonisch auf das Zahlensystem des Universums. Die Zahlen, mit denen diese himmlischen Wesen in Zusammenhang stehen, sind außerordentlich schwierig zu erklären, da jede Zahl sich auf verschiedene Gruppen bestimmter Ideen bezieht, je nach der besonderen Gruppe von „Engeln“, die sie repräsentieren soll. Hierin liegt der Knoten in dem Studium der Symbolik, dem gegenüber so viele Gelehrte, unfähig ihn zu lösen, es vorzogen, damit zu verfahren wie Alexander mit dem Gordischen Knoten; daher als direktes Resultat irrtümliche Vorstellungen und Lehren!

  (c) Die „Erste ist die Zweite“, weil die „Erste“ in Wirklichkeit nicht als solche gezählt oder betrachtet werden kann, denn die Erste ist der Bereich der Dinge an sich in ihrer Urmanifestation, die Schwelle zur Welt der Wahrheit, oder Sat, durch welche die direkte Energie, die aus der Einen Wirklichkeit ausstrahlt – aus der namenlosen Gottheit – uns erreicht. Hier ist wiederum der unübersetzbare Ausdruck Sat (Seinheit) geeignet, zu einer irrtümlichen Vorstellung zu verleiten, da das, was manifestiert ist, nicht Sat sein kann, sondern etwas Phänomenales ist, nichts Ewiges, ja in Wahrheit nicht einmal etwas Immerwährendes. Es ist gleichalt und gleichzeitig mit dem Einen Leben, „zweitlos“, aber als eine Manifestation ist es doch Mâyâ – wie das übrige. Diese „Welt der Wahrheit“ kann mit den Worten des Kommentars bloß beschrieben werden als „ein heller Stern, der herabsank von dem Herzen der Ewigkeit; die Leuchte der Hoffnung, an deren Sieben Strahlen die Sieben Welten des Seins hängen“. Wahrlich, so ist es; denn diese sind die Sieben Lichter, deren Widerscheine die menschlichen unsterblichen Monaden sind – der Âtmâ, oder der strahlende Geist eines jeden Geschöpfes in der menschlichen Familie. Zuerst, dieses siebenfache Licht, dann die „göttliche Welt“ – die zahllosen Lichter, entzündet an dem Urlichte – die Buddhis, oder formlosen göttlichen Seelen, der letzten Arûpa (formlosen) Welt; die „Gesamtsumme“ in der geheimnisvollen Sprache der alten Strophe. Der Katechismus läßt den Meister also den Schüler fragen:

  „Erhebe dein Haupt, o Lanoo; siehst du eines, oder zahllose Lichter ober dir brennen an dem dunklen Mitternachtshimmel?“

  „Ich fühle eine Flamme, o Gurudeva, ich sehe zahllose ungetrennte Funken in derselben scheinen.“

  „Du sprachest wohl. Und nun blicke umher und in dich selbst. Fühlst du das Licht, das in dir brennt, irgendwie verschieden von dem Lichte, das in deinen Menschenbrüdern scheint?“

  „Es ist keineswegs verschieden, obwohl der Gefangene von Karma in Ketten gehalten wird, und obwohl seine äußeren Gewande den Unwissenden verleiten, zu sagen, ‚Deine Seele und Meine Seele’.“


[20] „Die Lehre von der Rotation der Erde um ihre Achse wurde von dem Pythagoräer Hicetas gelehrt, wahrscheinlich bereits 500 v. Chr. Sie wurde auch von seinem Schüler Ecphantus, und von Heraclides, einem Schüler des Plato, gelehrt. Die Unbeweglichkeit der Sonne und die Bahnbewegung der Erde wurden von Aristarchus von Samos bereits 281 v. Chr. als mit den Beobachtungsthatsachen übereinstimmende Annahmen nachgewiesen. Die heliocentrische Theorie wurde auch ungefähr 150 v. Chr. von Seleucus aus Seleucia am Tigris gelehrt. (Sie wurde 500 v. Chr. von Pythagoras gelehrt. – H. P. B.) Es heißt auch, daß Archimedes in einem Psammites betitelten Werk die heliocentrische Theorie vortrug. Die Kugelgestalt der Erde wurde ausdrücklich gelehrt von Aristoteles, welcher als Beweis die Gestalt des Erdschattens auf dem Monde bei Finsternissen anführte. (Aristoteles, De Coelo, lib. II, cap. XIV.) Dieselbe Idee wurde von Plinius verteidigt. (Nat. Hist., II., 65.) Diese Ansichten scheinen für mehr als ein Jahrtausend in Vergessenheit geraten zu sein . . .“

(Winchell, World-Life, 551-2.)

[21] On Vortex Atoms.

[22] Op. Cit., 567.

[23] Auszug aus Principia Rerum Naturalium.

[24] Die Lipika.

[25] Das heißt: Die erste ist jetzt die zweite Welt.

[26] Das formlose Universum des Gedankens.

[27] Die schattenhafte Welt der Urform oder des Intellektuellen.