STROPHE V – Fortsetzung.

   5. FOHAT MACHT FÜNF SCHRITTE [30] (a) UND BILDET EIN BEFLÜGELTES RAD IN JEDEM WINKEL DES VIERECKS FÜR DIE VIER HEILIGEN . . . UND IHRE SCHAREN [31] (b).

  (a) Die „Schritte“ beziehen sich, wie bereits im letzten Kommentar erklärt ist, sowohl auf die kosmischen als auch auf die menschlichen Prinzipien – welche letzteren nach der exoterischen Einteilung aus drei (Geist, Seele und Körper) und nach der esoterischen Rechnung aus sieben Prinzipien (drei Strahlen aus der Wesenheit, und vier Aspekten) bestehen. [32] Jene, welche Herrn Sinnetts Esoteric Buddhism studiert haben, werden die Benennung leicht erfassen. Es giebt zwei esoterische Schulen jenseits der Himâlayas, oder vielmehr eine Schule, die in zwei Abteilungen geteilt ist – eine für die inneren Lanoos, die andere für die äußeren oder halb laienmäßigen Chelâs; die erste lehrt eine siebenfältige, die andere eine sechsfältige Einteilung der menschlichen Prinzipien.

  Von einem kosmischen Gesichtspunkte aus beziehen sich die „fünf Schritte“, welche Fohat macht, hier auf die fünf oberen Ebenen von Bewusstsein und Sein, während die sechste und siebente (nach abwärts gezählt) die astrale und die irdische, oder die zwei niederen Ebenen sind.

  (b) Vier „beflügelte Räder in jedem Winkel . . . für die vier Heiligen und ihre Armeen (Scharen)“. Diese sind die „vier Mahârâjahs“ oder großen Könige der Dhyân Chohans, die Devas, von denen ein jeder einem der vier Kardinalpunkte vorsteht. Sie sind die Regenten, oder Engel, welche über die kosmischen Kräfte von Nord, Süd, Ost und West herrschen – Kräfte, von denen eine jede eine bestimmte occulte Eigenschaft hat. Diese Wesen stehen auch in Beziehung zum Karma, da letzteres physische und materielle Agenten braucht, um seine Beschlüsse auszuführen, so wie z. B. die vier Windgattungen, wie die Wissenschaft eingestandenermaßen zugiebt, ihre entsprechenden üblen und wohlthätigen Einflüsse auf die Gesundheit der Menschheit und eines jeden lebenden Dinges haben. Es giebt eine occulte Philosophie in der römisch-katholischen Lehre, welche die verschiedenen öffentlichen Unglücksereignisse, wie Krankheitsepidemieen, Kriege, und so fort, auf die unsichtbaren „Sendboten“ von Nord und West zurückführt. „Die Herrlichkeit Gottes kommt auf dem Wege des Ostens“ sagt Ezekiel; während Jeremias, Isaias, und der Psalmist ihren Leser versichern, daß alles Übel unter der Sonne vom Norden und Westen kommt – was, auf die jüdische Nation angewendet, wie eine unleugbare Prophezeiung klingt. Und das begründet auch die Erklärung des St. Ambrosius [33] , daß wir  genau aus diesem Grunde „den Nordwind verfluchen, und uns während der Taufceremonie (siderisch) gegen Westen wenden, um desto besser jenem abschwören zu können, der ihn bewohnt; wonach wir uns dann gegen Osten wenden.“

 Der Glaube an die vier Mahârâjahs – die Regenten der vier Kardinalpunkte – war allgemein und ist noch jetzt Glaube der Christen, welche dieselben, nach St. Augustin, „englische Tugenden“ und „Geister“ nennen, wenn sie sie selbst aufzählen, und „Teufel“, wenn sie von den Heiden genannt werden. Aber  wo ist in diesem Falle der Unterschied zwischen Heiden und Christen? Der gelehrte Vossius sagt:

  Obwohl der heilige Augustin gesagt hat, daß jedes sichtbare Ding in dieser Welt eine englische Tugend als Aufseher bei sich hat, so sind da doch nicht Individuen, sondern ganze Gattungen von Dingen zu verstehen, indem jede solche Gattung thatsächlich ihren besonderen Engel als Wächter hat. Hierin stimmt er überein mit allen Philosophen . . . . Für uns sind diese Engel von den Objekten getrennte Geister . . . während sie für die (heidnischen) Philosophen Götter waren. [34]

  Betrachten wir das von der römisch-katholischen Kirche für die „Geister der Sterne“ eingeführte Ritual, so sehen diese „Göttern“ verdächtigerweise ähnlich, ja sie wurden weder von den alten, noch von den modernen heidnischen Haufen mehr geehrt und verehrt als jetzt in Rom von den hoch kultivierten katholischen Christen.

   Dem Plato folgend erklärte Aristoteles, daß der Ausdruck [korrekter Abdruck siehe Buch S. 148] bloß in dem Sinne von unkörperlichen Prinzipien verstanden worden sei, die in jede der vier großen Abteilungen der Welt eingesetzt worden seien, um sie zu überwachen. Somit beten die Heiden nicht mehr an und verehren nicht mehr die Elemente und die (imaginären) Kardinalpunkte als die Christen., sondern sie verehren die „Götter“, welche über die einzelnen herrschen. Für die Kirche giebt es zwei Arten von siderischen Wesen, Engel und Teufel. Für den Kabbalisten und Occultisten giebt es nur eine Klasse, und weder Occultist noch Kabbalist macht einen Unterschied zwischen den „Rektoren des Lichtes“ und den „Rectores Tenebrarum“ oder Kosmokratoren, die die römische Kirche sich sofort in den „Rektoren des Lichtes“ einbildet und entdeckt, sobald einer von diesen mit einem andern Namen bezeichnet wird, als mit dem sie ihn anredet. Es ist nicht der Rektor, oder Mahârâjah, welcher bestraft oder belohnt, mit oder ohne „Gottes“ Erlaubnis und Auftrag, sondern der Mensch selbst – seine Thaten, oder Karma, ziehen individuell und kollektiv (wie es zeitweilig mit ganzen Nationen der Fall ist) jede art von Übel und Unheil an. Wir erzeugen Ursachen, und diese erwecken die entsprechenden Kräfte in der siderischen Welt, welche magnetisch und unwiderstehlich von jenen, welche solche Ursachen erzeugen, angezogen werden und auf sie zurückwirken; einerlei, ob diese Personen die handelnden Übelthäter sind oder bloß „Denker“ die Unheil brüten. Denn der Gedanke ist Stoff, so lehrt uns die moderne Wissenschaft; und  „jedes Teilchen des bestehenden Stoffes muß ein Verzeichnis von allem Geschehenen sein“, wie die Herren Jevons und Babbage in ihren Principles of Science den Profanen sagen. Die moderne Wissenschaft wird mit jedem Tage mehr in den Mahlstrom des Occultismus gezogen – zweifelsohne unbewußt, aber doch sehr merklich.

  „Gedanke ist Stoff“: aber natürlich nicht im Sinne des deutschen Materialisten Moleschott, der uns versichert, „Gedanke sei Bewegung von Materie“ – eine Behauptung von nahezu beispielloser Absurdität. Gedankenzustände und Körperzustände stehen an sich in vollständigem Gegensatz. Aber das berührt nicht den Satz, daß jeder Gedanke, abgesehen von seiner physischen Begleiterscheinung (Gehirnänderung) einen objektiven – wenn auch für uns übersinnlich objektiven – Aspekt auf der Astralebene aufweist. [35]


[30] Nachdem er bereits die ersten drei gemacht hat.

[31] Wörtlich: Armeen

[32] Die vier Aspekte sind der Körper, sein Leben oder seine Lebenskraft, und der „Doppelgänger“ des Körpers – die Dreiheit, welche mit dem Tode der Person verschwindet – und das Kâma Rûpa, welches in Kâma Loka sich auflöst.

[33] Über Amos, IV.

[34] Theol. Cir., I. VII.

[35] Siehe The Occult World, pp. 89, 90