Die Lipika, von denen eine Beschreibung in Kommentar 6 zu Strophe IV gegeben ist, sind die Geister des Weltalls, während die Bauleute bloß unsere eigenen planetarischen Gottheiten sind. Die ersteren gehören dem occultesten Teile der Kosmogenesis an, der hier nicht mitgeteilt werden kann. Ob die Adepten – selbst die höchsten – diese Engelschar vollständig in ihrer dreifachen Abstufung kennen, oder bloß die unterste, welche mit den Aufzeichnungen unserer Welt zusammenhängt, ist die Schreiberin nicht  vorbereitet zu sagen, doch möchte sie sich eher der letzteren Ansicht zuneigen. Von ihrem höchsten Grade wird bloß ein Ding gelehrt: die Lipika stehen in Verbindung mit Karma – sie sind die direkten Aufzeichner desselben. Das Symbol für heilige und geheime Erkenntnis war im Altertum allgemein ein Baum,    worunter auch eine Schrift oder eine Aufzeichnung verstanden wurde. Daher das Wort Lipika, die Schreiber oder Schriftführer; die Drachen, Symbole der Weisheit, welche die Bäume der Erkenntnis hüten, der „Gold“apfelbaum der Hesperiden, die „üppigen Bäume“ und Vegetationen des Berges Meru, von Schlangen bewacht. Junos Hochzeitsgabe an Jupiter, ein Baum mit   goldener Frucht, ist eine andere Form der Darbietung des Apfels vom Baume der Erkenntnis von Seite Evas an Adam.

STROPHE V – Schluß.

  6. DIE LIPIKA UMSCHREIBEN DEN TRIANGEL, DEN ERSTEN, [43] DEN WÜRFEL, DEN ZWEITEN, UND DAS PENTAGON INNERHALB DES EIES [44] (a). ES IST DER RING, WELCHER „ÜBERSCHREITE MICH NICHT“ GENANNT WIRD FÜR JENE, WELCHE AB- UND AUFSTEIGEN; [45] WELCHE WÄHREND DES KALPA DEM GROSSEN TAGE „SEI MIT UNS“ ENTGEGENSCHREITEN (b). . . . . SO WURDEN DAS ARÛPA UND DAS RÛPA [46] GEBILDET; AUS EINEM LICHT, SIEBEN LICHTER; VON JEDEM DER SIEBEN, SIEBENMAL SIEBEN LICHTER. DIE RÄDER HÜTEN DEN RING . . . . .

    Die Strophe schreitet fort mit einer genauen Einteilung der Klassen der englischen Hierarchie. Aus der Gruppe der Vier und Sieben emanieren die aus der Seele geborenen Gruppen der Zehn, der Zwölf, der Einundzwanzig, etc., alle diese wieder geteilt in Untergruppen von Heptaden, Enneaden, Dodekaden, und so weiter, bis der Gedanke sich nicht mehr zurechtfindet in der endlosen Aufzählung von himmlischen Scharen und Wesen, von denen jedes seine bestimmte Aufgabe in der Regierung des sichtbaren Kosmos während dessen Existenz hat.

   (a) Die esoterische Bedeutung des ersten Satzes der Shloka ist die, dass die sogenannten Lipika, die Führer des karmischen Hauptbuches, eine unüberschreitbare Schranke zwischen dem persönlichen Ego und dem unpersönlichen Selbst, dem Ding an sich und der väterlichen Quelle des ersteren, aufrichten. Daher die Allegorie. Die umgrenzen die manifestierte Welt der Materie mit dem Ringe „Überschreite mich nicht“. Diese Welt ist das objektive Symbol des Einen, das auf den Ebenen der Illusion in die Vielen  geteilt ist, von Âdi (dem „Ersten“) oder Eka (der „Eins“); und dieses Eine ist das kollektive Aggregat oder die Gesamtheit der Hauptschöpfer oder Architekten  dieses sichtbaren Weltalls. Im hebräischen Occultismus ist ihr Name sowohl Achath, femininum, „Eine“, als Achad, „Einer“ wiederum, aber masculinum.

   Die Monotheisten missbrauchten, und missbrauchen noch, die tiefe Esoterik der Kabalah, indem sie den Namen, unter dem die Eine höchste Wesenheit bekannt ist, auf die Manifestation derselben, die Sephiroth-Elohim, anwenden, und diese Jehovah nennen. Aber das ist ganz  willkürlich und gegen alle Vernunft und Logik, da das Wort Elohim ein Nomen pluralis ist, identisch mit dem Pluralwort Chiim, mit dem es oft zusammengesetzt ist. Der Satz im Sepher-Yetzirah und anderwärts „Achath-Ruach-Elohim-Chiim“ bezeichnet die Elohim im besten Falle als androgyn, das weibliche Element geradezu als vorherrschend, da er zu lesen wäre: „Eine ist Sie der Geist der Elohim des Lebens“.

   Wie gesagt, Achath (oder Echath) ist weiblich, und Achad (oder Echad) ist männlich, und beide bedeuten eins.

   Obendrein sind in der occulten Metaphysik genau gesprochen zwei „Eins“ – die Eins auf der unerreichbaren Ebene der Absolutheit und Unendlichkeit, über die keine Spekulation möglich ist; und die zweite Eins auf der Ebene der Emanationen.

    Erstere kann niemals emanieren noch geteilt werden, da sie ewig, absolut und unveränderlich ist; aber die zweite, sozusagen die Reflexion der ersten Einen (denn sie ist der Logos, oder Îshvara, im Weltalle der Illusion), kann es.

   Sie emaniert aus sich selbst – wie die obere Sephirothische Triade die niederen sieben Sephiroth emaniert – sie sieben Strahlen oder Dhyân Chohans; mit andern Worten, das Homogene wird zum Heterogenen, die Protyle differenziert sich in die Elemente. Aber diese können, außer bei ihrer Rückkehr in ihr Urelement, niemals den Laya, oder Nullpunkt, überschreiten. Dieser metaphysische Lehrsatz kann schwerlich besser beschrieben werden als in T. Subba Row’s Bhagavadgîtâ-Vorlesungen:

   Mûlaprakriti (der Schleier von Parabrahman) wirkt als die eine Energie durch den Logos (oder Îshvara). Nun ist Parabrahman . . . die eine Wesenheit, aus der ein Energiezentrum ins Dasein tritt, das ich für jetzt den Logos nennen  werde. Es heißt das Verbum . . . bei den Christen, und es ist der göttliche Christos, der ewig im Schoße seines Vaters ist. Von den Buddhisten wird es Avalokiteshvara genannt . . . In fast jeder Lehre hat man die Existenz eines Zentrums geistiger Energie formuliert,  welches ungeboren und ewig ist, und welches im Schoße von Parabrahman existiert zur Zeit des Pralaya, und als ein Zentrum bewusster Energie hervortritt zur Zeit kosmischer Thätigkeit. . . . [47]

  Denn, wie der Vortragende in vorhinein bemerkte, Parabrahman ist nicht dies oder das es ist nicht einmal Bewußtsein, da es nicht mit Materie oder irgend etwas Bedingtem in Beziehung gebracht werden kann. Es ist nicht Ich und ist nicht Nicht-Ich, ja nicht einmal Âtmâ,  sondern fürwahr die eine Quelle aller Manifestationen und Daseinsarten.


[43] Die vertikale Linie oder die Ziffer I.

[44] Kreises.

[45] Auch für jene, welche u. s. w.

[46] Die formlose Welt und die Welt der Formen.

[47] Theosophist, Febr., 1877, p. 303.