Keine Geister mit Ausnahme der „Aufzeichner“ (Lipika) haben jemals die verbotene Grenze dieses Ringes überschritten oder werden sie überschreiten vor dem Tage des nächsten Pralaya, denn sie ist die Grenze, welche das Endliche – wie unendlich es auch für den menschlichen Blick sein möge – vom wahrhaft Unendlichen trennt. Die als „aufsteigend und herabsteigend“ erwähnten Geister sind daher die „Scharen“ von den unbestimmterweise  sogenannten „himmlischen Wesen“. Aber sie sind thatsächlich nichts von der Art. Sie sind Wesen höherer Welten in der Hierarchie des Seins, so unermesslich hoch, saß sie (für uns) als Götter, und kollektiv als – Gott, erscheinen müssen. Aber ebenso müssen wir sterbliche Menschen der Ameise vorkommen, welche nach dem Maßstabe ihrer eigenen Fähigkeiten urteilt. Die Ameise mag auch, nach allem, was wir wissen, den rächenden Finger eines persönlichen Gottes in der Hand des kleinen Missethäters erblicken, der, unter dem Antrieb von Unfug, in einem Augenblick ihren Ameisenhügel, die Arbeit vieler Wochen – langer Jahre in der Chronologie der Insekten – zerstört. Die Ameise, die das schmerzlich empfindet, mag auch, wie der Mensch, das unverdiente Unheil einer Verkettung von Vorsehung und Sünde zuschreiben, und darin die Folge der Sünde ihre ersten Vorfahrs erblicken. Wer weiß es und wer kann es bestätigen oder ableugnen? Die Weigerung, im ganzen Sonnensystem irgend welche andern vernünftigen und intellektuellen Wesen, außer uns selbst auf der menschlichen Ebene, gelten zu lassen, ist die größte Selbstüberhebung unserer Zeit. Das einzige, was die Wissenschaft zu behaupten das Recht hat, ist, daß es keine unsichtbaren Intelligenzen giebt, die unter denselben Umständen leben wie wir. Sie kann nicht kurzweg die Möglichkeit ableugnen, daß es Welten innerhalb von Welten gebe, unter Bedingungen, die gänzlich verschieden sind von jenen, die die Natur unserer Welt ausmachen; noch kann sie leugnen, daß es eine gewisse beschränkte Kommunikation zwischen einigen dieser Welten und unserer eigenen geben möge. Der größte Philosoph europäischer Geburt, Immanuel Kant, versichert uns, daß eine solche Kommunikation keineswegs unwahrscheinlich sei.

Ich gestehe, daß ich sehr geneigt sei, das Dasein immaterieller Naturen in der Welt zu behaupten, und meine Seele selbst in die Klasse dieser Wesen zu versetzen . . . . Es wird künftig, ich weiß nicht, wo oder wann, noch bewiesen werden, daß die menschliche Seele auch in diesem Leben in einer unauflöslich verknüpften Gemeinschaft mit allen immateriellen Naturen der Geisterwelt stehe, daß sie wechselweise in diese wirke und von ihnen Eindrücke empfange. [52]

   Der höchsten dieser Welten, so wird uns gelehrt, gehören die sieben Klassen der rein göttlichen Geister an; den sechs niedrigeren gehören Hierarchieen an, die gelegentlich vom Menschen gesehen und gehört werden können, und welche mit ihrer irdischen Nachkommenschaft in Verkehr stehen; mit einer Nachkommenschaft, die unauflöslich mit ihnen verbunden ist, indem jedes Prinzip im Menschen seine direkte Quelle in der Natur diese grossen Wesen hat, die uns einzeln mit den entsprechenden unsichtbaren Elementen in uns versehen. Die Naturwissenschaft ist willkommen, wenn sie über den physiologischen Mechanismus der lebenden Wesen spekuliert, und ihre fruchtlosen Anstrengungen fortsetzt in Versuchen, unsere Gefühle, unsere Empfindungen, seelische und geistige, in Funktionen ihrer organischen Träger aufzulösen. Nichtsdestoweniger ist alles, was in dieser Richtung jemals wird erreicht werden können, bereits gethan, und die Wissenschaft kann nicht mehr weiter gehen. Sie steht vor einer toten Mauer, auf deren Fläche sie, wie sie vermeint, große physiologische und psychische Entdeckungen vorzeichnet, von denen sich aber eine jede späterhin als nichts Besseres als ein von ihren wissenschaftlichen Phantasieen und Illusionen gesponnenes Spinnennetz erweisen wird. Der Analyse und den Untersuchungen der physiologischen Wissenschaft  sind bloß die Gewebe unseres objektiven Körpergerüstes unterworfen. Die sechs höheren Prinzipien darin werden jederzeit der Hand entschlüpfen, die von einer Gesinnung geleitet wird,  welche absichtlich die occulten Wissenschaften ignoriert und  verwirft. Alles, was die moderne physiologische Forschung in Zusammenhang mit psychologischen Problemen gezeigt hat, und der Natur der Dinge nach hat zeigen können, ist, dass alle Gedanken, Sinnesempfindungen und Gefühlserregungen von einer Umstellung der Moleküle gewisser Nerven begleitet sind. Die von Wissenschaftlern vom Schlage eines Büchner, Vogt und anderer gezogene Schlussfolgerung, daß Gedanke Molekularbewegung sei, zwingt dazu, die Thatsache unseres subjektiven Bewusstseins zu einer vollständigen Abstraktion zu machen.


[52] Träume eines Geistersehers, zitiert von C. C. Massey, in seiner Vorrede zu v. Hartmanns Spiritismus.