(b) Der große Tag „Sei mit uns“ ist nun ein Ausdruck, dessen einziger Wert in seiner buchstäblichen Übersetzung liegt. Seine Bedeutung kann nicht so leicht einer Öffentlichkeit enthüllt werden, die mit den mystischen Sätzen des Occultismus, oder vielmehr der esoterischen Weisheit oder des „Budhismus“ unbekannt ist.

  Es ist ein dem letzteren eigentümlicher Ausdruck, und ebenso dunkel für den Profanen wie der der Ägypter, die ihn den Tag „Komme zu uns“ nannten, was mit dem ersteren identisch ist – obwohl das Wort „sei“ in diesem Sinne noch besser durch einen der beiden Ausdrücke „bleibe“ oder „ruhe mit uns“ ersetzt werden mag, da es sich auf jene lange Periode der Ruhe bezieht,  welche Paranirvâna genannt wird. „Le Jour de, Viens â nous’ ! C’est le jour ou Osiris a dit au Soleil : Viens !1 Je le vois rencontrant le Soleil dans l’Amenti. » [53]

  Die Sonne steht hier für den Logos (oder Christos, oder Horus) als der centralen Wesenheit synthetisch, und als einer zerstreuten Wesenheit von ausgestrahlten Wesen, die der Substanz, aber nicht der Wesenheit nach verschieden sind. Denn, wie es der über die Bhagavadgîtâ Vortragende ausdrückt, „es darf nicht vermutet werden, daß der Logos bloß ein einzelnes Energiecentrum ist, das von Parabrahman geoffenbart ist. Es giebt unzählige andere. Ihre Zahl ist nahezu unendlich, in dem Schosse von Parabrahman“. Daher die Ausdrücke „der Tag Komme zu uns“ und „der Tag Sei mit uns“, u. s. w.  Gerade so wie das Quadrat das Symbol der vier heiligen Kräfte oder Macht – Tetraktys – ist, so zeigt der Kreis die Grenze in der Unendlichkeit, die kein Mensch, selbst nicht im Geiste, kein Deva und kein Dhyân Chohan überschreiten kann. Die Geister jener, welche während des Verlaufes der cyklischen Evolution „ab- und aufsteigen“, werden die „eisenumgürtete Welt“ erst am Tage ihrer Annäherung an die Schwelle von Paranirvâna überschreiten. Wenn sie es erreichen, werden sie im Schoße von Parabrahman, oder der „unbekannten Dunkelheit“ ruhen, die dann für sie alle zum Lichte werden wird, während der ganzen Periode des Mahâpralaya, der „großen Nacht“, nämlich von 311 040 000 000 000 Jahren des Versunkenseins in Brahman. Der Tag „Sei mit uns“ ist diese Periode der Ruhe, oder Paranirvâna. Er entspricht dem Tage des jüngsten Gerichtes der Christen, welcher in der Religion derselben traurig vermaterialisiert worden ist. [54]

   Wie nach der exoterischen Interpretation der ägyptischen Riten die Seele einer jeden verstorbenen Person – vom Hierophanten bis hinab zum heiligen Stier Apis – ein Osiris wurde, osirifiziert wurde, (während jedoch die Geheimlehre lehrt, daß die wirkliche Osirifizierung das Los einer jeden Monade erst nach 3000 Cyklen der Existenz ist); so ist es im gegenwärtigen Falle. Die Monade, geboren aus der Natur und der wirklichen Wesenheit der „Sieben“ (wobei ihr höchstes Prinzip sofort in das siebente kosmische Element eingeschlossen wird), hat ihren siebenfachen Kreislauf durch den Cyklus des Seins und der Formen, vom höchsten bis zum niedersten, zu vollenden; und dann wiederum vom Menschen zum Gott. An der Schwelle von Paranirvâna nimmt sie ihre ursprüngliche Wesenheit wieder an und wird wieder einmal zum Absoluten.


[53] Le Livre des Morts, Paul Pierret, Chap. XVII, p. 61.

[54] Siehe auch wegen weiterer Angaben bezüglich dieses eigentümlichen Ausdruckes: der Tag „Komme zu uns“, The Funerary Ritual of the Egyptians, vom Viscount de Rougê.