Wir wollen jetzt aus unseren früheren Bänden citieren: [54]

Dann tritt auf die Schöpfungsbühne der Geist [55] (der Erde, wie er genannt wird, oder die Seele, Psyche, welche St. Jakob „teuflisch“ nennt), der niedere Teil der Anima Mundi oder des Astrallichtes. (Siehe den Schluß dieser Strophe.) Bei den Nazarenern und den Gnostikern war dieser Geist weiblich. Da die Geistin der Erde sah, daß wegen Fetahil [56] dem neuesten Menschen (dem spätesten), der Glanz „geändert“ war, und dass an Stelle des Glanzes „Abnahme und Schaden“ existierte, so erweckte sie Karabtanos, [57] „welcher rasend und ohne Sinn und Urteilskraft war“ und sprach zu ihm: „Erhebe ich,  siehe, der Glanz (das Licht) des neuesten Menschen (Fetahil) hat versagt (Menschen hervorzubringen oder zu schaffen), die Abnahme  seines Glanzes ist sichtbar. Erhebe dich und komme zu deiner Mutter (dem Spiritus) und befreie dich von dem Schranken, durch die du festgehalten bist, und die weiter sind, als die ganze Welt.

Hierauf folgt die Vereinigung der rasenden und  blinden Materie, geleitet von den Einschmeichelungen des Geistes (nicht des göttlichen Atems, sondern des astralen Geistes, welcher durch seine doppelte Wesenheit bereits mit Materie befleckt ist); und, da der Antrag der Mutter angenommen wurde, so empfängt der Geist „sieben Figuren“, und die sieben stellaren (Planeten), welche auch die sieben Todsünden darstellen, die Nachkommenschaft einer von ihrer göttlichen Quelle (dem Geiste) getrennten Astralseele und der Materie, des blinden Dämons der Lust. Da er dies sah, streckte Fetahil seine Hand gegen den Abgrund der Materie aus und sprach: „Möge die Erde existieren, gerade so wie die Wohnung der Kräfte existiert hat.“ Indem er seine Hand in das Chaos tauchte, welches er verdichtete, schuf er unseren Planeten.

Der Codex fährt dann fort zu erzählen, wie Bahak Zivo vom Spiritus getrennt wurde, und die Genien oder Engel von den Empörern. [58] Dann nennt (der größte) Mano, [59] welcher bei dem größten Ferho weilt, Kebar Zivo (bekannt auch unter dem Namen Nebat Iavar bar Iufin Ifafin) den Halm und die Ranke der Nahrung des Lebens [60] - und er sagt, da er das dritte Leben ist und die trotzigen und wahnsinnigen Genien bedauert, „wegen der Größe ihres Ehrgeizes: „Herr der Genien [61] (Äonen), siehe was die Genien (die rebellischen Engel) thun und über was sie beraten. [62] Sie sagen: ‚Laßt uns die Welt hervorrufen und laßt uns die „Kräfte“ ins Dasein rufen. Die Genien sind die Fürsten (Principes), die Söhne des Lichtes, aber du bist der Bote des Lebens’.“

Und um dem Einflusse der sieben „böse veranlagten“ Prinzipien entgegenzuwirken, bringt der Nachkomme des Spiritus, Kebar Zivo (oder Cabar Zio), der mächtige Herr des Glanzes, sieben andere Leben (die Kardinaltugenden) hervor, die in ihrer eigenen Form und ihrem eigenen Licht „von der Höhe herab [63] scheinen, und so das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis wiederherstellen.

Hier findet man eine Wiederholung der früheren allegorischen dualen Systeme, wie des zoroastrischen, und entdeckt einen Keim der dogmatischen und dualistischen Religionen der Zukunft, einen Keim, der in der kirchlichen Christenheit zu einem so üppigen Baume herangewachsen ist. Es ist bereits der Umriß der beiden „Höchsten“ – Gottes und Satans. Aber in den Strophen findet sich keine solche Idee.

Die meisten der westlichen christlichen Kabbalisten – insbesondere Eliphas Lêvi – thaten in ihrem Bestreben, die occulten Wissenschaften mit den kirchlichen Dogmen in Einklang zu bringen, ihr Bestes, das „Astrallicht“ einzig und vorwiegend zum Plerôma der älteren Kirchenväter, zum Aufenthalte der Scharen der gefallenen Engel, der Archônten und Kräfte zu machen. Jedoch ist das Astrallicht, obwohl es nur der niedere Aspekt des Absoluten ist, dennoch dual. Es ist die Anima Mundi, und sollte niemals anders betrachtet werden, außer für kabbalistische Zwecke. Der Unterschied, der zwischen seinem „Lichte“ und seinem „lebendigen Feuer“ besteht, sollte höhere Aspekt dieses „Lichtes“, ohne den bloß stoffliche Kreaturen hervorgebracht werden können, ist dieses lebendige Feuer, und sein siebentes Prinzip. In Isis Unveiled wird gelegentlich einer vollständigen Beschreibung desselben festgestellt:

Das Astrallicht oder die Anima Mundi ist dual und zweigeschlechtig. Der (ideale) männliche Teil desselben ist rein göttlich und geistig, er ist Weisheit, er ist Geist oder Purusha; während der weibliche Teil (der Spiritus der Nazarener) in einem Sinne mit Stoff befleckt ist, thatsächlich Stoff ist, und daher bereits böse ist. Es ist das Lebensprinzip eines jeden lebenden Geschöpfes, und liefert die Astralseele, den fluidischen Perisprit für die Menschen, Tiere, Vögel der Lüfte, und jedes Lebewesen. Die Tiere haben nur den verborgenen Keim der höchsten unsterblichen Seele in sich. Diese letztere wird sich bloß nach einer Reihe von endlosen Evolutionen entwickeln; die Lehre von diesen Evolutionen ist in dem kabbalistischen Satze enthalten: „Ein Stein wird zu einer Pflanze, eine Pflanze zu einem Tier, ein Tier zu einem Menschen, ein Mensch zu einem Geiste, und der Geist zu einem Gotte.“ [64]

Die sieben Prinzipien der östlichen Initiierten waren nicht erklärt worden, als Isis entschleiert geschrieben wurde, sondern bloß die drei kabbalistischen Gesichter der halb exoterischen Kabalah. [65] Aber diese enthalten die Beschreibung der mystischen Naturen der ersten Gruppe der Dhyân-Chohans in dem regimen ignis, der Region und „Herrschaft (oder Regierung) des Feuers“, die in drei Klassen geteilt und durch die erste vereinigt ist, was vier oder die „Tetraktys“ ausmacht. Wenn man die Kommentare aufmerksam studiert, wird man dieselbe Progression in den englischen Naturen finden, nämlich von den passiven hinunter zu den aktiven; die letzten dieser Wesen sind ebenso nahe dem Ahamkâra Element – der Region oder Ebene, wo die Ichheit oder Ich-bin-heit hervorzutreten anfängt – als die ersten nahe der undifferenzierten Wesenheit. Die ersteren sind arûpa, unkörperlich; die letzteren rûpa, körperlich.


[54] Isis Unveiled, I. 299, 300. Vgl. auch Dunlap, Sôd: the Son of the Man. pp. 51 ff.

[55] Auf Grund der Autorität des Irenäus, des Justinus Martyr und des Codex selbst zeigt Dunlap, daß die Nazarener den „Geist“ in seiner Verbindung mit unserer Erde als eine  weibliche und böse Kraft betrachteten.

[56] Fetahil ist identisch mit der Schar der Pitirs, die den „Menschen erschufen“ bloß als „Schale“. Er war bei den Nazarenern der König des Lichtes, und der Schöpfer; aber in diesem Falle ist er der unglückliche Prometheus,  welchem es nicht gelingt, das lebende Feuer festzuhalten, das zur Bildung der göttlichen Seele notwendig ist, da er den geheimen Namen nicht kennt, den unaussprechlichen und unmittelbaren Namen der Kabbalisten.

[57] Der Geist des Stoffes und der Lust; Kâma Rûpa minus Manas (Gemüt).

[58] Codex Nazaräus, II. 233.

[59] Dieser Mano der Nazarener ähnelt auffallend dem indischen Manu, dem himmlischen Menschen des Rig Veda.

[60] „Ich bin ein rechter Weinstock und mein Vater ein Weingärtner.“ Joh. XV. 1.

[61] Bei den Gnostikern war Christus,  sowie Michael, der mit ihm in einigen Beziehungen wesensgleich ist, der „Führer der Äonen.“

[62] Codex Nazaräus, I. 135.

[63] Siehe die Kosmogonie des Pherekydes.

[64] I. 301, Fußnote.

[65] Sie finden sich jedoch in dem chaldäischen Buche der Zahlen.