Das „Astrallicht“ ist einfach das ältere „siderische Licht“ des Paracelsus; und zu sagen, daß „Alles, was existiert, aus demselben entwickelt worden ist und daß es alle Formen erhält und reproduciert,“ wie er es thut, verkündet die Wahrheit bloß im zweiten Satze. Der erste ist irrtümlich, denn wenn alles, was existiert, durch dasselbe oder via desselben evolviert worden ist, so ist es nicht das Astrallicht, denn das letztere ist nicht Behälter von allen Dingen, sondern im besten Falle bloß der Reflektor von diesen allen. Êliphas Lêvi bezeichnet es sehr richtig als „eine Kraft in der Natur“ mit Hilfe deren „ein einzelner Mensch, der dieselbe bemeistern kann . . . die Welt in Verwirrung stürzen und ihr Antlitz verändern könnte“, denn es ist das „Große Arcanum der transcendentalen Magie“. Indem wir die Worte des großen westlichen Kabbalisten nach ihrer Übersetzung [64] citieren, können wir dieselben vielleicht um so besser durch zeitweilige Hinzufügung von einem oder zwei Worten erklären, um den Unterschied zwischen westlichen und östlichen Erklärungen eines und desselben Gegenstandes zu zeigen. Der Verfasser sagt von dem großen magischen Agenten:

Diese alles umgebende und durchdringende Flüssigkeit, dieser Strahl, losgelöst von dem Glanze der (centralen oder geistigen) Sonne . . . fixiert durch das Gewicht der Atmosphäre (?!) und die Kraft der centralen Anziehung . . . das Astrallicht, dieser elektromagnetische Ether, dieser lebendige und leuchtende Wärmestoff, wird auf alten Monumenten durch den Gürtel der Isis dargestellt, welcher sich um zwei Pole windet . . .  und in alten Theogonien durch die Schlange, welche ihren eigenen Schwanz verschlingt, das Emblem der Klugheit und des Saturn (das Emblem der Unendlichkeit, Unsterblichkeit und des Kronos – der Zeit – nicht des Gottes Saturn oder des Planeten). Es ist der beflügelte Drache der Medea, die doppelte Schlange des Caduceus, und der Verführer in der Genesis, aber es ist auch die eherne Schlange des Moses, welche das Tau umschlingt . . .  Schließlich ist es der Teufel der exoterischen Dogmatik, und es ist thatsächlich die blinde Kraft (sie ist nicht blind und Lêvi wußte das), welche die Seelen bezwingen müssen, um sich selbst von den Ketten der Erde zu befreien; denn wenn sie es nicht thun, werden sie von derselben Kraft absorbiert werden, welche sie zuerst hervorgebracht hat, und zu dem centralen und ewigen Feuer zurückkehren.

Dieser große Archäus ist jetzt öffentlich entdeckt von und für einen einzigen Menschen, - J. W. Keely in Philadelphia. Für andere allerdings ist er entdeckt, muß aber nahezu nutzlos bleiben. „Soweit sollst du gehen . . .“

All das Obige ist ebenso praktisch als richtig bis auf einen Irrtum, den wir erklärt haben. Êliphas Lêvi machte einen großen Fehler, indem er immer das Astrallicht mit dem identifiziert, was wir Âkâsha nennen. Was es in Wirklichkeit ist, wird in Band II auseinandergesetzt werden.
Eliphas Lêvi schreibt ferner:

Der große magische Agent ist die vierte Emanation des Lebensprinzipes (wir sagen – er ist die erste in dem inneren, und die zweite in dem äußeren (unseren) Universum, dessen dritte Form die Sonne ist . . . denn das Tagesgestirn (die Sonne) ist bloß die Reflexion und der materielle Schatten der Centralsonne der Wahrheit, welche die Intellektuelle (unsichtbare) Welt des Geistes erleuchtet, und welche selbst wieder nur ein vom Absoluten erborgter Schimmer ist.

Soweit ist alles genügend richtig, aber wenn die große Autorität der westlichen Kabbalisten nichtsdestoweniger hinzufügt, „es ist nicht der unsterbliche Geist, wie die indischen Hierophanten sich eingebildet haben“ – so antworten wir, daß er die erwähnten Hierophanten verläumdet, da dieselben nichts von der Art gesagt haben; denn selbst die exoterischen purânischen Schriften widersprechen unbedingt dieser Behauptung. Kein Inder hat jemals Prakriti – das Astrallicht ist bloß ober der niedrigsten Ebene von Prakriti, dem materiellen Kosmos – mit dem „unsterblichen Geist“ verwechselt. Prakriti wird immer Mâyâ, Illusion, genannt und ist verurteilt mit dem Übrigen, einschließlich der Götter, zur Stunde des Pralaya zu verschwinden. Da gezeigt wird, dass Âkâsha nicht einmal der Ether ist, so können wir uns am allerwenigsten vorstellen, daß er das Astrallicht sein kann. Jene, die nicht imstande sind, über den toten Buchstaben der Purânen hinaus einzudringen, haben gelegentlich Âkâsha mit Prakriti, mit Ether und selbst mit dem sichtbaren Lufthimmel verwechselt! Es ist ferner wahr, daß jene, welche das Wort Âkâsha fortwährend mit „Ether“ übersetzt haben – z. B. Wilson – denselben in ihrer Unwissenheit für „materiell“ im physikalischen Sinne gehalten haben, da sie ihn „die materielle Ursache des Tones“ genannt fanden, der obendrein dies als einzige Eigenschaft besitzt. Es ist ferner wahr, daß, wenn die Eigenschaften wörtlich genommen werden, folgen würde, daß Âkâsha weder unendlich noch unsterblich ist, weil nichts Materielles oder Körperliches und daher Bedingtes und Zeitliches unsterblich sein kann – wie Metaphysik und Philosophie lehrt. Aber all dies ist irrtümlich, da beide Worte Pradhâna, ursprüngliche Materie, und Ton als eine Eigenschaft mißverstanden worden sind; das erstere Wort (Pradhâna) ist sicherlich synonym mit Mûlaprakriti und Âkâsha, und das letztere (Ton) mit dem Verbum, dem Worte oder dem Logos. Dies ist leicht zu beweisen; denn also ergiebt es sich aus dem nachfolgenden Satze des Vishnu-Purâna. [65] „Es war weder Tag noch Nacht, weder Himmel noch Erde, weder Dunkelheit noch Licht, noch irgend ein anderes Ding, außer einzig dem Einen, das unerfaßbar ist für den Intellekt, oder dem, welches Brahman ist, und Pums (Geist) und Pradhâna (Ursprüngliche Materie).“
Nun, was ist Pradhâna, wenn es nicht Mûlaprakriti, die Wurzel von allem, unter einem anderen Aspekt ist? Denn obwohl es von Pradhâna weiter heißt, daß es in die Gottheit untertaucht, ebenso wie alles Übrige, um so das Eine absolut sein zu lassen während des Pralaya, so wird es doch für unendlich und unsterblich gehalten. Die buchstäbliche Übersetzung lautet: „Ein Prâdhânika Brahma Geist: TAT war“; und der Kommentator interpretiert das zusammengesetzte Wort als ein Substantivum, nicht als ein attributiv gebrauchtes abgeleitetes Wort, d. h., als: etwas „vereinigt mit Pradhâna.“ Der Schüler hat ferner zu beachten, daß das Purânische System ein dualistisches, nicht evolutionäres ist, und daß, in dieser Hinsicht viel mehr zu finden sein wird, von einem esoterischen Standpunkt aus, in der Sânkhya, und selbst in dem Mânava-Dharma-Shâstra, wie sehr auch das letztere von dem ersteren verschieden ist. Daher ist Pradhâna selbst in den Purânen ein Aspekt von Parabrahman, nicht eine Evolution, und muß dasselbe sein wie die vedântistische Mûlaprakriti. „Prakriti in ihrem ursprünglichen Zustand ist Âkâsha,“ sagt ein Vedântagelehrter. [66] Sie ist nahezu abstrakte Natur.


[64] The Mysteries of Magic, von A. E. Waite.

[65] Wilson, I. 23, 24.

[66] Five Year’s of Theosophy, p. 169.