Drei ausgesprochene Darstellungsweisen des Weltalls nach seinen drei ausgesprochenen Aspekten werden unseren Gedanken von der esoterischen Philosophie eingeprägt: Die Präexistierende, evolviert aus der Ewigexistierenden, und die Phänomenale – die Welt der Täuschung, des Wiederscheins, und des Schattens davon. Während des großen Mysteriums und Dramas des Lebens, das als Manvantara bekannt ist, verhält sich der wirkliche Kosmos wie die Gegenstände, welche hinter den weißen Schirm gestellt sind, auf den ihre Schatten geworfen werden.

Die wirklichen Figuren und Dinge bleiben unsichtbar, während die Fäden der Entwicklung von unsichtbaren Händen gezogen werden. Menschen und Dinge sind somit bloß die Wiederscheine auf dem weißen Felde von den Wirklichkeiten hinter den Schlingen der Mahâmâyâ, oder der großen Täuschung. Dies wurde von jeder Philosophie, in jeder Religion gelehrt, vor und nach der Sintflut, in Indien und Chaldäa, von den chinesischen wie von den griechischen Weisen. In den ersteren Ländern wurden diese drei Weltalle in exoterischen Lehren als die drei Dreieinigkeiten allegorisiert, welche aus dem centralen ewigen Keime ausstrahlen und mit ihm eine höchste Einheit bilden: die anfängliche, die geoffenbarte, und die schöpferische Dreiheit, oder die Drei in Eins. Die letzte ist bloß das konkret ausgedrückte Symbol der ersten zwei idealen. Somit übergeht die esoterische Philosophie die Notwendigkeitslehre dieser rein metaphysischen Vorstellung, und nennt bloß die erste die Ewig-Existierende. Dies ist die Ansicht einer jeden der sechs großen Schulen der indischen Philosophie – der sechs Prinzipien jenes einheitlichen Ganzen der Weisheit, dessen siebentes die Gnôsis, die verborgene Erkenntnis ist.
Die Schreiberin hofft, daß, so oberflächlich auch die Kommentare über die sieben Strophen behandelt worden sein mögen, genug in diesem kosmogonischen Teile des Werkes gegeben ist, um zu zeigen, daß die archaischen Lehren schon an ihrer bloßen Oberfläche mehr wissenschaftlich (im modernen Sinne des Wortes) sind, als irgend welche andern alten Schriften, welche der Beurteilung nach ihrem exoterischen Anblick überlassen sind. Nachdem jedoch, wie schon früher eingestanden, dieses Werk viel mehr vorenthält als giebt, so ist der Schüler eingeladen, seine eigenen intuitiven Fähigkeiten zu gebrauchen. Unsere Hauptbemühung ist es, aufzuklären, was bereits – und zwar zu unserem Bedauern zeitweilig sehr inkorrekt – veröffentlicht ist; die angedeutete Erkenntnis – wann und wo immer es möglich ist – durch neues Material zu ergänzen; und unsere Lehren gegen die allzustarken Angriffe modernen Sektierertums zu verschanzen, und noch mehr insbesondere gegen jene unseres neuesten Materialismus, der sehr oft fälschlich als Wissenschaft bezeichnet wird, während in Wirklichkeit die Worte „Gelehrte“ und „Halbgelehrte“ allein die Verantwortlichkeit für die vielen unlogischen Theorieen, die der Welt vorgesetzt werden, tragen sollten. Bei seiner großen Unwissenheit wird das Publikum, während es blindlings alles für wahr annimmt, was von „Autoritäten“ herkommt, und sich verpflichtet fühlt, jeden Ausspruch, der von einem Manne der Wissenschaft herrührt, als ein erwiesene Thatsache zu betrachten – wird, sagen wir, das Publikum gelehrt, alles zu verspotten, was aus „heidnischen Quellen“ vorgebracht wird. Daher wird, da die materialistischen Gelehrten bloß mit ihren eigenen Waffen – denen der Kontroverse und des Argumentes – bekämpft werden können, ein Anhang zu jedem Bande gegeben, der die einzelnen Ansichten einander gegenüberstellt, und zeigt, wie auch große Autoritäten oft irren können.
Wir glauben, daß dies auf wirkungsvolle Art dadurch geschehen kann, daß wir die schwachen Stellen unserer Gegner aufdecken, und beweisen, daß ihre nur allzu häufigen Trugschlüsse, welche für wissenschaftliche Aussprüche hingenommen werden, unrichtig sind. Wir halten uns an Hermes und seine „Weisheit“ mit ihrem universalen Charakter; sie – an Aristoteles, und wähnen, entgegen der Intuition und den Erfahrungen der Zeitalter, daß die Wahrheit das ausschließliche Eigentum der westlichen Welt ist. Daher kommt die Meinungsverschiedenheit. Hermes sagt: „Erkenntnis ist sehr verschieden von sinnlicher Wahrnehmung: denn die sinnliche Wahrnehmung bezieht sich auf Dinge, welche sie überragen, aber die Erkenntnis ist das Ende der sinnlichen Wahrnehmung“ – d. h. der Täuschung unseres körperlichen Gehirnes und seines Intellekts; und er betont somit den Gegensatz zwischen der mühevoll erlangten Erkenntnis durch die Sinne und den Verstand (Manas), und der intuitiven Allwissenheit der geistigen göttlichen Seele (Buddhi).
Was immer auch das Schicksal der gegenwärtigen Schrift in einer entfernten Zukunft sein mag, wir hoffen so weit die folgenden Thatsachen bewiesen zu haben:
1. Die Geheimlehre lehrt keinen Atheismus, ausgenommen in dem Sinne, der dem Sanskritworte Nâstika zu Grunde liegt: ein Verwerfen der Idole, einschließlich eines jeden anthropomorphischen Gottes. In diesem Sinne ist jeder Occultist ein Nâstika.
2. Sie behauptet einen Logos, oder einen kollektiven „Schöpfer“ des Weltalls; einen Demiurgen, in dem Sinne, wie wenn man von einem „Baumeister“ als von dem „Schöpfer“ eines Gebäudes spricht, während dieser Baumeister niemals einen Stein desselben angerührt hat, sondern den Plan lieferte und die ganze Handarbeit den Maurern überließ. In unserem Falle wurde der Plan von der Ideenbildung des Weltalls geliefert, und die aufbauende Thätigkeit war den Scharen der intelligenten Mächte und Kräfte überlassen. Aber dieser Demiurg ist keine persönliche Gottheit – d. h. „kein unvollkommener außerweltlicher Gott, sondern bloß die Zusammenfassung der Dhyân Chohans und der anderen Kräfte.
3. Die Dhyân Chohans sind dual in ihrem Charakter; sie sind zusammengesetzt aus (a) der unvernünftigen rohen Energie, welche dem Stoffe innewohnt, und (b) der intelligenten Seele, oder dem kosmischen Bewußtsein, welches diese Energie lenkt und leitet, und welches der Dhyân Chohanische Gedanke ist, welcher die Ideenbildung des Unviversalgemütes wiederspiegelt. Daraus geht eine beständige Reihe körperlicher Manifestationen und moralischer Wirkungen auf Erden hervor während der manvantarischen Perioden, und das Ganze ist dem Karma unterworfen. Da dieser Vorgang nicht immer vollkommen ist; und da, wie viele Beweise derselbe auch geben mag für eine leitende Intelligenz hinter dem Schleier, er dennoch Lücken und Unvollkommenheiten zeigt, und selbst sehr oft zu offenbaren Mißerfolgen führt – so sind weder die gesamte Schar (der Demiurg), noch irgend eine von den wirksamen Kräften individuell, geeignete Gegenstände für göttliche Ehren oder Anbetung. Alle jedoch verdienen die dankbare Verehrung der Menschheit, und der Mensch sollte immer darnach streben, der göttlichen Evolution der Ideen behilflich zu sein, indem er nach seinen besten Fähigkeiten ein Mitarbeiter der Natur bei ihrer cyklischen Aufgabe wird. Das ewig unerkennbare und unerfaßbare Kârana allein, die unverursachte Ursache aller Ursachen, sollte seinen Schrein und Altar auf dem heiligen und immer unbetretenen Boden unseres Herzens haben – unsichtbar, unberührbar, unausgesprochen, ausgenommen von der „noch schwachen Stimme“ unseres geistigen Bewußtseins. Jene, die demselben ihre Verehrung darbringen, sollten es thun in der Stille und in der geheiligten Einsamkeit ihrer Seelen; indem sie ihren Geist zum einzigen Mittler zwischen sich und dem Universalgeiste machen, ihre guten Handlungen zu den alleinigen Priestern, und ihre sündigen Neigungen zu den einzigen sichtbaren und gegenständlichen Opferdarbringungen vor der GEGENWART.

„Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler . . . sondern gehe in deine innere Kammer und schließe die Thüre zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen.“ [4] Unser Vater ist in uns „im Verborgenen, unser siebentes Prinzip in der „inneren Kammer“ unserer Seelenwahrnehmung. „Das Reich Gottes“ und des Himmels ist in uns, sagt Jesus, nicht draußen. Warum sind Christen so vollständig blind der selbstverständlichen Bedeutung der Weisheitsworte gegenüber, die sie mit Entzücken mechanisch wiederholen?


[4] Math. VI. 5, 6.