So kann gezeigt werden, daß alle Grundwahrheiten der Natur im Altertume allgemein verbreitet, und daß die grundlegenden Ideen betreffs Geist, Stoff und Weltall, oder betreffs Gott, Substanz und Menschen überall dieselben waren. Wenn wir die zwei ältesten Religionsphilosophen auf Erden, die indische und die hermetische, den Schriften Indiens und Ägyptens entnehmen, so ist die Gleichartigkeit der beiden leicht zu erkennen.
Dies wird augenscheinlich für den, der die letzte Übersetzung und Wiedergabe der soeben erwähnten „hermetischen Fragmente“ liest, herstammend von unserer verstorbenen vielbeklagten Freundin, Dr. Anna Kingsford. Nachdem dieselben bei ihrem Durchgange durch parteiliche griechische und christliche Hände entstellt und verstümmelt worden waren, hat die Übersetzerin die schwachen Punkte sehr geschickt und intuitiv aufgegriffen, und versucht, dieselben durch Erklärungen und Fußnoten zu verbessern. Sie sagt:

Die Schöpfung der sichtbaren Welt durch die „wirkenden Götter“ oder Titanen, als die ausführenden Kräfte des höchsten Gottes, [13] ist eine durchaus hermetische Idee, die in allen Religionssystemen wieder erkennbar ist, und in Übereinstimmung steht mit der modernen wissenschaftlichen Untersuchung (?), welche uns zeigt, wie überall die göttliche Macht durch die natürlichen Kräfte wirkt.

Citieren wir die Übersetzung:

Dieses Universalwesen, das alles enthält, und das alles ist, setzt die Seele und die Welt, alles, was die Natur umfaßt, in Bewegung. In der mannigfachen Einheit des universellen Lebens sind die unzähligen Individualitäten, die sich durch ihre Verschiedenheiten unterscheiden, nichts destoweniger auf eine solche Art vereinigt, daß das Ganze Eins ist, und daß alles aus der Einheit hervorgeht. [14]

Und wiederum aus einer anderen Übersetzung:

Gott ist kein Gemüt, sondern die Ursache, daß das Gemüt ist; kein Geist, sondern die Ursache, daß der Geist ist; kein Licht, sonder die Ursache, daß das Licht ist. [15]

Das Obige zeigt klar, daß der „göttliche Pymander“, wie sehr verzerrt er auch an einzelnen Stellen durch christliche „Feile“ ist, nichtsdestoweniger von einem Philosophen geschrieben worden ist, während die meisten der sogenannten „hermetischen Fragmente“ die Hervorbringung sektiererischer Heiden mit einer Tendenz nach einem anthropomorphischen höchsten Wesen sind. Doch sind beide der Wiederhall der esoterischen Philosophie und der indischen Purânen.
Man vergleiche die zwei Anrufungen, eine an das hermetische „höchste All“, die andere an das „höchste All“ der späteren Ârier. Das von Suidas citierte hermetische Fragment sagt:

Ich beschwöre dich, Himmel, heiliges Werk des großen Gottes; ich beschwöre dich, Stimme des Vaters, ausgesprochen im Anbeginne, da die ganze Welt erbaut wurde; ich beschwöre dich bei dem Worte, dem einzigen Sohne des Vaters, der alle Dinge erhält; sie gnädig, sei gnädig. [16]

Dem geht folgendes voran:

So war das ideale Licht vor dem idealen Licht, und die leuchtende Intelligenz der Intelligenz war immer und ihre Einheit war nichts anderes als der Geist, der das Weltall umhüllt. Außer Ihm (außer Ihm [neutrum]) sind weder Gott noch Engel, noch irgend welche andere Wesen, denn Er (Es) ist der Herr aller Dinge und die Macht und das Licht; und alles hängt ab von Ihm (Ihm [n.]), und ist in Ihm (Ihm [n.])

Es ist dies ein Abschnitt, dem ebenderselbe Trismegistos widerspricht, welcher sagt:

Von Gott zu sprechen ist unmöglich. Denn das Körperliche kann das Unkörperliche nicht ausdrücken . . . . Das, was weder Körper noch Erscheinung, noch Form, noch Stoff hat, kann nicht durch die Sinne wahrgenommen werden. Ich verstehe, Tatios, ich verstehe, das, was unmöglich ist zu definieren – das ist Gott.

Der Widerspruch zwischen den zwei Stellen ist offenbar; und das zeigt (a), daß Hermes ein allgemeiner Schriftstellername war, der von einer Reihe von Generationen von Mystikern jedweder Schattierung gebraucht wurde, und (b), daß große Vorsicht nötig ist, bevor man ein Fragment für esoterische Lehre nimmt, bloß deshalb, weil es unleugbar alt ist. Vergleichen wir nunmehr das Obige mit einer ähnlichen Anrufung in den indischen Schriften – die unzweifelhaft ebenso alt ist, wenn nicht älter.


[13] Ein häufiger Ausdruck in den genannten „Fragmenten“, den wir ablehnen. Das Universalgemüt ist kein Wesen oder „Gott“.

[14] The Virgin of the World, p. 47. “Asclepios,” T. I.

[15] Divine Pymander, IX. 64.

[16] The Virgin of the World, p. 153.