Es mag in diesem Zusammenhange interessant sein, den Leser daran zu erinnern, was T. Subba Row über diese Kräfte in mystischer Definition sagt:

Kanyâ (das sechste Zeichen des Tierkreises, oder Virgo) bedeutet eine Jungfrau, und stellt Shakti oder Mahâmâyâ dar. Das fragliche Zeichen ist der sechste Râshi oder Abteilung, und bedeutet, daß es sechs ursprüngliche Kräfte in der Natur giebt (die in der siebenten ihre Vereinigung finden) . . .

Diese Shaktis heißen folgendermaßen:

1. Parâshakti. – Wörtlich die große Kraft oder Macht. Sie bedeutet und schließt in sich die Kräfte des Lichtes und der Wärme.

2. Jnânashakti. – Wörtlich die Kraft des Intellektes, der wirklichen Weisheit oder Erkenntnis. Sie hat zwei Aspekte:

I. Die folgenden sind einige von ihren Manifestationen, wenn sie unter den Einfluß und Zwang materieller Bedingungen gebracht ist.

a)       Die Kraft des Gemütes im Auslegen unserer Empfindungen.

b)       Seine Kraft im Zurückrufen vergangener Ideen (Gedächtnis) und im Hervorrufen zukünftiger Erwartung.

c)  Seine Kraft, wie sie in den von den modernen Psychologen sogenannten „Gesetzen der Association“ zu Tage tritt, welche es befähigt, dauernde Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen von Gefühlen und Gefühlsmöglichkeiten herzustellen, und so den Begriff oder die Idee eines äußeren Gegenstandes zu erzeugen.

d) Seine Kraft, unsere Ideen durch das geheimnisvolle Band des Gedächtnisses zu verknüpfen, und so den Begriff des Selbst oder der Individualität zu erzeugen.

II. Die folgenden sind einige von ihren Manifestationen, wenn sie von den Banden des Stoffes befreit ist:

a)       Hellsehen.

b)       Psychometrie.

3. Ichchhâshakti. Wörtlich die Kraft des Willens. Ihre allergewöhnlichste Offenbarung ist die Erzeugung gewisser Nervenströme, welche die Muskeln in Thätigkeit setzen, welche zur Vollendung einer beabsichtigten Wirkung benötigt werden.

4. Kriyâshakti. – Die geheimnisvolle Kraft des Gedankens, welche denselben befähigt, äußere, wahrnehmbare, phänomenale Resultate durch die ihm innewohnende Energie hervorzubringen. Die Alten waren der Ansicht, daß jede Idee sich äußerlich offenbaren wird, wen jemandes Aufmerksamkeit tief auf dieselbe koncentriert ist. Auf ähnliche Weise wird einer intensiven Willensbewegung das verlangte Resultat folgen.
Ein Yogi bewirkt im allgemeinen seine Wunder mit Hilfe von Ichchhâshakti und Kriyâshakti.

5. Kundalinî Shakti. – Die Macht oder Kraft, welche sich in einem schlangenförmigen oder gebogenen Pfade bewegt. Sie ist das universelle Lebensprinzip, welches sich überall in der Natur offenbart. Diese Kraft schließt die zwei großen Kräfte der Anziehung und Abstoßung in sich. Elektricität und Magnetismus sind bloß Manifestationen von ihr. Sie ist die Kraft, welche die „beständige Anpassung der inneren Verhältnisse an die äußeren Verhältnisse“ zu Wege bringt, welche nach Herbert Spencer das Wesen des Lebens ist, und jene „beständige Anpassung der äußeren Verhältnisse an die inneren Verhältnisse,“ welche die Grundlage der Wanderung der Seelen, Punarjanman (Wiedergeburt), in den Lehren der indischen Philosophen ist.
Ein Yogi muß diese Macht oder Kraft sich vollständig unterwerfen, bevor er Moksha erlangen kann . . . .

6. Mantrikâshakti. – Wörtlich die Kraft oder Macht der Buchstaben, der Sprache oder Musik. Der Gesamtinhalt des alten Mantra Shâstra hat diese Kraft oder Macht in allen ihren Offenbarungen zu ihrem Gegenstande . . . . . Der Einfluß ihrer Musik ist eine von ihren gewöhnlichen Offenbarungen. Die Kraft des wunderwirkenden unaussprechlichen Namens ist die Krone dieser Shakti.
Die moderne Wissenschaft hat bloß teilweise die erste, zweite und fünfte dieser oben genannten Kräfte oder Mächte erforscht, aber ist in Bezug auf die übrigbleibenden Kräfte gänzlich im Dunkeln . . . . . Die sechs Kräfte werden in ihrer Vereinigung repräsentiert durch das Astrallicht (Daiviprakriti, die siebente, das Licht des Logos). [27]

Das Obige wurde citiert, um die wirklichen indischen Ideen über diesen Gegenstand zu zeigen. Es ist ganz esoterisch, obwohl es nicht den zehnten Teil dessen ausmacht, was gesagt werden könnte. Einmal sind die sechs Namen der sechs erwähnten Kräfte jene der sechs Hierarchieen der Dhyân-Chohans, die in ihrem Haupte, der siebenten, ihre Zusammenfassung finden – welche das fünfte Prinzip der kosmischen Natur, oder der „Mutter“ in ihrem mystischen Sinne personificieren. Die bloße Aufzählung der Yogakräfte würde zehn Bände erfordern. Jede von diesen Kräften hat eine lebendige bewußte Wesenheit an ihrer Spitze, von welcher Wesenheit sie eine Ausstrahlung ist.

Aber vergleichen wir mit dem oben citierten Kommentare die Worte des Hermes, des Dreimal-Großen:

Die Schöpfung des Lebens durch die Sonne geht ebenso beständig vor sich wie ihr Licht; nichts hemmt oder begrenzt sie. Rund um sie, wie eine Schar von Trabanten, stehen unzählige Chöre von Genien. Diese wohnen in der Nachbarschaft der Unsterblichen, und bewachen von dort aus die menschlichen Dinge. Sie vollführen den Willen der Götter (Karma) mit Hilfe von Stürmen, Ungewittern, Übergangszeiten von Feuern und Erdbeben; gleicherweise durch Hungersnöte und Kriege, zur Bestrafung der Gottlosigkeit. [28] . . .

Die Sonne ist es, die alle Geschöpfe erhält und ernährt; und, sowie die ideale Welt selbst, welche die Sinnenwelt umgiebt, diese letztere mit der Fülle und der allumfassenden Verschiedenheit von Formen erfüllt, so vollendet auch die Sonne, die alles mit ihrem Lichte umhüllt, überall die Geburt und Entwicklung der Geschöpfe . . . . „Unter ihrem Befehle steht der Chor der Genien oder vielmehr die Chöre, denn es sind ihrer viele und verschiedenartige, und ihre Zahl entspricht der der Sterne. Jeder Stern hat seine Genien, gut oder böse von Natur, oder vielmehr nach ihrer Wirkung, den Wirkung ist das Wesen der Genien . . . . Alle diese Genien leiten die weltlichen Angelegenheiten, [29] sie erschüttern und stürzen die Konstitution der Staaten und der Individuen; sie prägen ihr Ebenbild auf unsere Seelen, sie sind gegenwärtig in unseren Nerven, unserem Marke, unseren Venen, unseren Arterien, und unserer Gehirnsubstanz selbst . . . . In dem Augenblicke, da ein jeder von uns Leben und Dasein empfängt, wird er von den Genien (Elementalen) in Obhut genommen, welche den Geburten vorstehen, [30] und welche unter die Astralkräfte (die übermenschlichen Astralgeister) gerechnet werden. Sie wechseln beständig, nicht immer auf gleiche Art, aber sich in Kreisen bewegend. [31] Sie durchdringen mittelst des Körpers zwei Teile der Seele, so daß sie von jedem den Eindruck seiner eigenen Energie erhalten kann. Aber der vernünftige Teil der Seele ist den Genien nicht unterworfen; er ist bestimmt für die Aufnahme von (dem) Gott, [32] welcher ihn mit einem sonnenartigen Strahle erleuchtet. Die derartig Erleuchteten sind wenige an Zahl, und von ihnen halten sich die Genien ferne: denn weder Genien noch Götter haben irgend welche Macht angesichts der Gegenwart eines einzigen Strahles Gottes. [33] Aber alle anderen Menschen werden sowohl an Seele als an Körper von den Genien gelenkt, welche an ihnen haften und ihre Handlungen beeinflussen . . . . . Die Genien haben dann die Kontrolle der weltlichen Dinge, und unsere Körper dienen ihnen als Werkzeuge. [34]

Das Obige stellt, bis auf ein paar sektiererische Punkte, den Glauben dar, der bis vor ungefähr einem Jahrhundert allgemein und allen Nationen gemeinsam war. Er ist auch jetzt noch in seinen breiten Umrissen und Zügen ebenso orthodox unter Heiden und Christen gleichermaßen, wenn man eine Handvoll von Materialisten und Männern der Wissenschaft ausnimmt.

Denn ob man die Genien des Hermes und seine „Götter“ „Mächte der Finsternis“ und „Engel“ nennt, wie in der griechischen und lateinischen Kirche; oder „Geister der Toten“, wie im Spiritismus; oder wiederum Bhûts und Devas, Shaitan oder Djin, wie sie jetzt noch in indischen und mohammedanischen Ländern heißen – sie sind alle ein und dasselbe Ding – ILLUSION. Man möge aber dies nicht in dem Sinne missverstehen, zu welchem die große philosophische Lehre der Vedântisten kürzlich von den westlichen Schulen verkehrt worden ist.

Alles, was ist, emaniert aus dem ABSOLUTEN, welches infolge dieser Eigenschaft allein als die Eine und Einzige Wirklichkeit dasteht – somit muß alles, was außerhalb diese Absoluten steht, das schöpferische und verursachende Element, eine Illusion sein; das ist ganz unleugbar. Es gilt dies aber nur vom rein metaphysischen Standpunkt. Ein Mensch, der sich selbst als geistig gesund betrachtet, und so von seinen Nachbarn betrachtet wird, nennt die Visionen eines wahnsinnigen Bruders – Hallucinationen, die ihr Opfer entweder glücklich oder äußerst elend machen, je nachdem der Fall sein mag – ebenfalls Illusionen und Einbildungen. Aber wo ist der Wahnsinnige, für den die gräßlichen Schatten in seinem zerrütteten Gemüte, seine Illusionen, für die gegebene Zeit nicht ebenso thatsächlich und wirklich sind, wie die Dinge, die sein Arzt oder Wärter sehen mag?

Alles in diesem Weltall ist relativ, alles ist eine Illusion. Aber die Erfahrung irgend einer Ebene ist eine Wirklichkeit für das wahrnehmende Wesen, dessen Bewußtsein sich auf dieser Ebene befindet, obwohl die genannte Erfahrung, vom rein metaphysischen Standpunkte betrachtet, als ohne gegenständliche Wirklichkeit angesehen werden kann. Aber nicht gegen die Metaphysiker, sondern gegen die Physiker und Materialisten hat die esoterische Lehre zu kämpfen; und für jene letzteren haben Lebenskraft, Licht, Ton, Elektricität, selbst die objektiv anziehend wirkende Kraft des Magnetismus, kein gegenständliches Sein, und existieren nach dieser Darstellung bloß als „Bewegungsarten“, „Empfindungen und Affektionen des Stoffes“.

Weder die Occultisten im allgemeinen noch die Theosophen verwerfen, wie einige irrtümlich glauben, die Ansichten und Theorieen der modernen Männer der Wissenschaft bloß deshalb, weil diese Ansichten der Theosophie entgegengesetzt sind. Die erste Regel unserer Gesellschaft ist die, dem Cäsar zu geben, was er ist. Die Theosophen sind daher die ersten, den wirklichen Wert der Wissenschaft anzuerkennen. Aber wenn ihre Hohen Priester das Bewusstsein in eine Absonderung der grauen Substanz des Gehirns auflösen, und alles übrige in der Natur in eine Bewegungsart, so protestieren wir gegen die Lehre, da sie unphilosophisch, sich selbst widersprechend und einfach absurd ist, und zwar von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus ebenso sehr und sogar mehr, als von dem occulter Aspekte der esoterischen Erkenntnis.


[27] Five Years of Theosophy, pp. 110, 111, Art: “Die zwölf Zeichen des Tierkreises.”

[28] Siehe die Strophen III und IV, und die Kommentare dazu, und vergleiche insbesondere die Kommentare zu Strophe IV, betreffend die Lipika und die vier Mahârâjahs, die Agenten des Karma.

[29] Und „Götter“ oder Dhyânis, ebenfalls, nicht bloß die Genien oder „geleiteten Kräfte“.

[30] Die Bedeutung davon ist die, daß , nachdem der Mensch aus allen großen Elementen – Feuer, Luft, Wasser, Erde und Ether – zusammengesetzt ist, die Elemente, welche diesen einzelnen Elementen angehören, sich zum Menschen infolge ihrer Gleichwesenheit hingezogen fühlen. Jenes Element, das in einer gewissen Konstitution vorwiegt, wird das herrschende Element durch das ganze Leben sein. Zum Beispiel, wenn der Mensch ein Vorwiegen des irdischen, gnomischen Elementes zeigt, so werden ihn die Gnomen dahin führen, Metalle – Geld und Reichtum – zu assimilieren, und so weiter. „Der tierische Mensch ist der Sohn der tierischen Elemente, aus welchen seine Seele (Leben) geboren wurde, und die Tiere sind die Spiegel des Menschen,“ sagt Paracelsus (De Fundamento Sapientiae). Paracelsus war vorsichtig und musste mit dem, was er sagte, in Übereinstimmung mit der Bibel bleiben, und daher sagte er nicht alles.

[31] Cyklischer Fortschritt in der Entwicklung.

[32] Des Gottes im Menschen und oft der Inkarnation eines Gottes, eines hochgeistigen Dhyân Chohan in ihm, abgesehen von der Gegenwart seines eigenen siebenten Prinzipes.

[33] Nun, welcher „Gott“ ist hier gemeint? Nicht Gott der „Vater“, die anthropomorphische Erdichtung; denn dieser Gott ist die Elohim kollektiv, und hat getrennt von ihrer Schar kein Dasein. Außerdem ist ein solcher Gott endlich und unvollkommen. „Die Wenigen an Zahl“ bedeuten hier die höheren Initiierten und Adepten. Und gerade solche Menschen glauben an „Götter“, und kennen keine „Gott“, sondern nur eine universale außer aller Beziehung stehende und unbedingte Gottheit.

[34] The Virgin of the World, pp. 104-105 “Die Definitionen des Asklepios”.