Nach jetziger Ausdrucksweise wird eine Behauptung oft mythisch genannt, insofern als sie unwahr ist; aber die alte Mythologie war kein System und keine Art von Fälschung in diesem Sinne. Ihre Fabeln waren Mittel, um Thatsachen mitzuteilen; sie waren weder Fälschungen, noch Erdichtungen. . . . Zum Beispiel, wenn die Ägypter den Mond als eine Katze abbildeten, so waren sie nicht so unwissend, zu glauben, daß der Mond eine Katze sei; auch sah nicht ihre ausschweifende Phantasie im Monde irgendwie das Abbild einer Katze; auch war ein Katzenmythos keine bloße Ausspinnung einer figürlichen Redewendung; noch hatten sie irgendwie die Absicht, schwierige Aufgaben oder Rätsel aufzustellen. . . . Sie hatten die einfache Thatsache beobachtet, daß die Katze im Dunkeln sieht, und daß ihre Pupillen bei Nacht kreisförmig und am leuchtendsten werden. Der Mond war der nächtliche Seher am Himmel, und die Katze seine Entsprechung auf Erden; und so wurde die allbekannte Katze als eine Darstellung, ein natürliches Symbol, ein lebendiges Bilderschriftzeichen der Mondscheibe genommen. . . . Und daraus folgte, daß die Sonne, welche zur Nachtzeit in die Unterwelt blickte, ebenfalls die Katze genannt werden konnte, wie es auch geschah, weil sie auch in die Dunkelheit sah. Der Name der Katze im ägyptischen ist mau, und bedeutet der Seher, von mau das Sehen. Ein Schriftsteller über Mythologie bestätigt, daß die Ägypter sich „eine große Katze vorstellten hinter der Sonne, welche die Pupille von dem Auge der Katze ist.“ Aber diese Vorstellung ist ganz modern. Sie ist aus dem Müllerschen Waarenlager. Der Mond, als Katze, war das Auge der Sonne, weil er das Sonnenlicht zurückwarf, und weil das Auge in seinem Spiegel das Bild zurückwirft. In der Form der Göttin Pasht hält die Katze Wacht für die Sonne, indem sie mit ihrer Pfote den Kopf der Schlange der Finsternis, genannt der ewige Feind, niederhält und zerquetscht! Dies ist eine sehr richtige Darlegung des Mondmythos
von seiner astronomischen Seite. Die Selenographie ist jedoch die am wenigsten
esoterische von den Unterabteilungen der lunaren Symbolik. Um die - wenn
wir ein neues Wort prägen dürfen - Selenognosis vollständig zu beherrschen,
muß man in mehr Dingen bewandert sein als in ihrer astronomischen Bedeutung.
Der Mond steht in den engsten Beziehungen zur Erde wie in den Strophen
gezeigt worden ist, und ist an allen Geheimnissen unserer Kugel mehr beteiligt
als selbst Venus-Lucifer, die occulte Schwester und das andere Ich der
Erde. [3] Alle esoterischen Gesellschaften haben Embleme und Symbole verwendet, so die pythagoräische Gesellschaft, die Eleusinia, die hermetische Brüderschaft von Ägypten, die Rosenkreuzer und die Freimaurer. Die meisten dieser Embleme sind nicht geeignet, dem Blicke der Menge zugänglich gemacht zu werden, und eine ganz geringfügige Unterscheidung kann das Emblem oder Symbol in seiner Bedeutung sehr verändern. Die magischen Sigille, die auf gewissen Zahlenprinzipien begründet sind, tragen denselben Charakter und überliefern, wie ungeheuerlich oder lächerlich sie auch für die Augen der Ununterrichteten erscheinen mögen, den Gesamtinhalt der Lehre für jene, welche geübt wurden, sie zu erkennen. Die oben aufgezählten Gesellschaften sind alle verhältnismäßig jung, keine reicht weiter zurück als bis ins Mittelalter. Um so viel mehr wird es daher am Platze sein, daß die Schüler der ältesten archaischen Schule darauf bedacht sind, keine Geheimnisse zu veröffentlichen, die für die Menschheit von viel größerer Wichtigkeit sind (weil in den Händen Unwissender Gefahr bringend), als irgend welche von den sogenannten „Maurerischen Geheimnissen“, die jetzt die des Polichinelle geworden sind, wie die Franzosen sagen! Aber diese Einschränkung kann bloß die psychologische oder vielmehr psychophysiologische und kosmische Bedeutung der Symbole und Embleme betreffen, und selbst diese nur teilweise. Denn obwohl ein Adept gezwungen ist, sich zu weigern, die Bedingungen und Mittel zu lehren, welche zu irgend einer Wechselbeziehung von Elementen - sei es psychisch oder physisch - hinführen, welche ebenso gut schadenbringende wie wohlthätige Wirkungen hervorbringen kann; so ist er doch immer bereit, dem ernsten Schüler das Geheimnis des alten Gedankens im Bezug auf alles mitzuteilen, was sich auf die unter der mythologischen Symbolik verborgene Geschichte bezieht, und so einige neue Marksteine für einen Rückblick in die Vergangenheit zu liefern, insoweit dieselbe nützliche Aufklärung über den Ursprung des Menschen, die Entwicklung der Rassen und Geognosie giebt. Und doch ist es heutzutage die laute Klage nicht bloß unter den Theosophen, sondern auch unter den wenigen Profanen, welche an der Sache Anteil nehmen: warum enthüllen die Adepten nicht das, was sie wissen? Hierauf könnte man antworten: warum sollten sie das, nachdem man im vorhinein weiß, daß kein Mann der Wissenschaft es annehmen wird, nicht einmal als eine Hypothese, geschweige denn als eine Theorie oder ein Axiom. Habt ihr auch nur das A B C der occulten Philosophie, wie es im Theosophist; Esoteric Buddhism und anderen Werken und Zeitschriften enthalten ist, angenommen und geglaubt? Ist nicht selbst das Wenige, was gegeben worden ist, lächerlich gemacht und verspottet worden, und einerseits der „Tier“ - und „Affentheorie“ von Huxley und Häckel, und anderseits der Rippe Adams und dem Apfel gegenübergestellt worden? Trotz einer solchen unbeneidenswerten Aussicht ist in dem vorliegenden Werke eine Menge von Thatsachen gegeben worden, und der Ursprung des Menschen, die Entwicklung der Kugel und der menschlichen und tierischen Rassen werden so vollständig behandelt, als die Schreiberin es im stande ist zu thun. [3] Siehe Abteilung VII, „Deus Lunus“ |