Man hofft, daß während des Durchlesens dieses Werkes die irrtümlichen
Ideen des Publikums im allgemeinen hinsichtlich des Pantheismus werden
modifiziert werden.
Es ist falsch und ungerecht, die Buddhisten und Advaita Occultisten als
Atheisten zu betrachten.
Wenn auch nicht alle Philosophen, so sind sie doch auf jeden Fall alle
Logiker, indem ihre Einwürfe und Beweise auf strengen Vernunftschlüssen
beruhen.
In der That, wenn man das Parabrahman der Hindûs für einen
Repräsentanten der verborgenen und namenlosen Gottheiten der anderen
Nationen annehmen will, so wird man finden, daß dieses absolute
Prinzip das Urbild ist, dem alle anderen nachgeformt sind. Parabrahman
ist nicht Gott"; denn es ist nicht ein Gott. Es ist das, was
das Oberste und nicht Oberste (paravara) ist"1.
Es ist Oberstes" als Ursache, nicht Oberstes als Wirkung. Parabrahman
ist einfach, als eine zweitlose Realität, der allumfassende Kosmos
- oder vielmehr der unendliche kosmische Raum - im höchsten geistigen
Sinne natürlich. Brahman (neutrum) als die wandellose, reine, freie,
unzerstörbare oberste Wurzel, die Eine wahre Existenz, Paramârthika",
und das absolute Chit und Chaitanya (Intelligenz, Bewußtsein) kann
kein Erkenner sein, denn TAT kann keinen Gegenstand der Erkenntnis
haben". Kann die Flamme die Wesenheit des Feuers genannt werden?
Diese Wesenheit ist das Leben und Licht des Universums, das sichtbare
Feuer und die Flamme sind Zerstörung, Tod und Übel". Feuer
und Flamme zerstören den Körper eines Arhat, ihre Wesenheit
macht ihn unsterblich.2
Die Erkenntnis des absoluten Geistes ist, wie der Glanz der Sonne,
oder wie die Hitze im Feuer, nichts anderes als die absolute Wesenheit
selbst," sagt Shankarâchârya. ES - ist der Geist
des Feuers, nicht das Feuer selbst; daher sind die Attribute
des letzteren, Hitze oder Flamme, nicht die Attribute des Geistes, sondern
dessen, von dem dieser Geist die unbewußte Ursache ist". Ist
nicht obiger Satz der echte Grundton der späteren Rosenkreuzerphilosopie?
Parabrahman ist, kurz gesagt, das kollektive Aggregat des Kosmos in seiner
Unendlichkeit und Ewigkeit, das TAT" und DIESES
auf das distributive Aggregate nicht bezogen werden können3.
Im Anbeginne war DIESES das Selbst, eines allein4;
und der große Shankarâchârya erklärt, daß
sich ,,DIESES auf das Universum (Jagat) bezieht, und der Sinn der
Worte im Anbeginne" bedeutet: vor der Wiedererzeugung des phänomenalen
Universums.
Wenn daher die Pantheisten einen Wiederhall der Upanishaden bilden, die
ebenso wie die Geheimlehre behaupten, das dieses" nicht erschaffen
kann, so leugnen sie nicht einen Schöpfer, oder vielmehr ein kollektives
Aggregat von Schöpfern, sondern sie weigern sich bloß sehr
logisch, Erschaffung" und speziell Gestaltung - etwas Begrenztes
- einem unbegrenzten Prinzipe zuzuschreiben. Ihnen ist Parabrahman eine
passive weil absolute Ursache, das unbedingte Mukta. Bloß begrenzte
Allwissenheit und Allmacht wird dem letzteren abgesprochen, weil das noch
immer Attribute, reflektiert in den menschlichen Vorstellungen, sind;
und weil Parabrahman, als das höchste ALL, immer unsichtbarer Geist
und Seele der Natur, wandellos und ewig, keine Attribute haben kann; da
der Ausdruck Absolutheit ganz natürlich jede Idee des Zusammenhanges
mit dem Endlichen oder Bedingten ausschließt. Und wenn der Vedântist
die Forderung aufstellt, daß Attribute bloß seiner Emanation
angehören, die er Îshvara plus Mâyâ, und Avidyâ
(Agnosticismus und Nichtwissen vielmehr als Unwissenheit) nennt, so ist
es schwer, irgend welchen Atheismus in dieser Vorstellung zu finden5.
Nachdem es weder zwei Unendliche noch zwei Absolute geben kann, in einem
Universum, das als grenzenlos angenommen wird, so kann diese Selbstexistenz
schwerlich als schöpferische Persönlichkeit aufgefaßt
werden.
In den Sinnen und der Vorstellung endlicher Wesen ist TAT Nichtwesen,
in dem Sinne, daß es die Eine Wesen-heit ist; denn in diesem
ALL liegt verborgen seine gleichewige und gleichalterige Emanation oder
oder inhärente Ausstrahlung, welche, periodisch Brahmâ (die
männlich-weibliche Potenz) werdend, sich zum geoffenbarten Weltall
ausdehnt. Der sich auf den (abstrakten) Wassern des Raumes bewegende
Nârâyana" wird in die von ihm bewegten Wasser der konkreten
Substanz verwandelt, und wird nun zum geoffenbarten Wort oder Logos.
1) Mândûkya Upanishad, I. 28.zurück
zum Text
2) Bodhimür, Buch II.zurück
zum Text
3) Siehe Vedânta Sâra, durch Major
G. A. Jacob; ebenso The Aphorisms of Shândilya, übersetzt
von Cowell, p. 42.zurück zum Text
4) Aitareya Upanishad.zurück
zum Text
5) Nichtsdestoweniger möchten vorurteilsvolle oder
vielmehr fanatische christliche Orientalisten dies als reinen Atheismus
erweisen. Zum Beweise dessen vergleiche man Major Jacobs Vedânta
Sâra. Doch das ganze Altertum wiederhallt den Gedanken:
"Omnis enim per se divom natura necesse est
Immortali aevo summa cum pace fruatur"
in den Worten des Lucretius - eine reine Vedântavorstellung.zurück
zum Text
|