Betrachten wir nun die Satzungen des Manu, so finden wir das Vorbild aller dieser Ideen. Für die westliche Welt in ihrer ursprünglichen Form meistens verloren, durch spätere Einschiebungen und Zugaben entstellt, haben sie doch nichtsdestoweniger genügend viel von ihrem alten Geiste bewahrt, um dessen Charakter zu zeigen.

„Die Finsternis entfernend, wurde der selbstbestehende Herr (Vishnu, Nârâyana, etc.) offenbar und, in dem Wunsche, Wesen aus seiner Wesenheit hervorzubringen, schuf er im Anbeginne das Wasser allein. In dieses warf er Samen. Daraus wurde ein goldenes Ei.“

Woher dieser selbstbestehende Herr? Er wird genannt Dieser, bezeichnet als „Dunkelheit, unwahrnehmbar, ohne bestimmte Eigenschaften, unentdeckbar, unerkennbar, gleichwie vollständig in Schlaf versunken“. Nachdem er in diesem Ei ein ganzes göttliches Jahr gewohnt hat, spaltet er, „der in der Welt Brahma genannt wird“, das Ei in zwei Teile, und aus dem oberen bildet er den Himmel, aus dem unteren die Erde, und aus der Mitte den sichtbaren Himmel und „den beständigen Platz der Wasser“ [7]

Unmittelbar auf diese Verse folgend findet sich etwas, das für uns wichtiger ist, da es unsere esoterischen Lehren vollständig bestätigt. Von Vers 14 bis 36 wird die Entwicklung in der Reihenfolge gegeben, wie sie die esoterische Philosophie beschreibt. Das kann nicht leicht bestritten werden. Selbst Medhâtithi, der Sohn des Virasvâmin, und der Verfasser des Kommentares, des Manu-bhâsya, dessen Zeit nach den westlichen Autoritäten 1000 v. Chr. ist, hilft uns mit seinen Bemerkungen zur Aufklärung der Wahrheit. Er zeigt sich selbst entweder abgeneigt, mehr zu veröffentlichen, weil er wußte, was den Profanen vorzuenthalten war, oder er war wirklich in Verwirrung. Doch macht das, was er veröffentlicht, das siebenfältige Prinzip im Menschen und in der Natur klar genug.

Beginnen wir mit Kapitel I der Satzungen, oder „Gesetze“, nachdem der selbstbestehende Herr, der nichtoffenbarende Logos, der unbekannten „Dunkelheit“, in dem goldenen Ei offenbar wird. Aus diesem Ei, aus

11. „Dem, welches die ungetrennte (undifferenzierte) Ursache ist, dem Ewigen, welches ist und nicht ist, aus Diesem (neutrum) ging hervor jenes Männliche, welches in der Welt Brahmâ genannt wird.“

Hier, sowie in allen echten philosophischen Systemen, finden wir selbst das „Ei“, oder den Kreis, oder die Null. die grenzenlose Unendlichkeit als „Es“ [8] bezeichnet, und Brahma, die erste Einheit allein, als den „männlichen“ Gott, d. i. das befruchtende Prinzip. Dieses ist [Symbolabbildung, siehe Buch], oder 10 (zehn), die Dekade. Auf  der Ebene der Siebenheit, oder unserer Welt, allein, wird es Brahmâ genannt. Auf der der vereinigten Dekade, in dem Bereiche der Wirklichkeit, ist dieser männliche Brahmâ eine Illusion.

14. „Aus dem Selbst (Âtmanah) schuf er das Gemüt, welches ist und nicht ist; und aus dem Gemüte, Ego-ismus (Selbst-Bewußtsein) (a), den Regierer (b), den Herrn.“

(a) Das Gemüt ist Manas. Medhâtithi, der Kommentator, bemerkt hier mit Recht, daß das Umgekehrte stattfindet, und zeigt bereits eine Einschiebung und Umstellung; denn Manas ist es, das aus Ahamkâra oder (Universalem) Selbstbewußtsein entspringt, sowie Manas im Mikrokosmos aus Mâhat, oder Mahâ-Buddhi (Buddhi, im Menschen) entspringt. Denn Manas ist doppelt. Wie Colebrooke zeigt und übersetzt: „Das Gemüt, sowohl dem Sinne, wie der Handlung dienend, ist ein Organ vermöge Affinität, in dem es verwandt ist mit dem übrigen;“ [9] „das übrige“ bedeutet hier, daß Manas, unser fünftes Prinzip (das fünfte, weil der Körper als das erste genannt wurde, was das Umgekehrte der wahren philosophischen Reihenfolge ist), sowohl mit Âtmâ-Buddhi als auch mit den niedrigen vier Principien verwandt ist. Daher unsere Lehre: nämlich, daß Manas Âtmâ-Buddhi nach Devachan folgt und daß das niedrigere Manas, das heißt der Abschaum oder Rückstand des Manas mit Kâma Rûpa im Limbus oder Kâma-Loka, dem Aufenthaltsorte der „Schalen“, bleibt.

(b) Medhâtithi übersetzt dies als „der, der sich des Ich bewußt ist“ oder des Ego, nicht als „der Regierer“, wie es die Orientalisten thun. So übersetzen sie auch die folgende Shloka:

16. „Nachdem er die feinen Teile jener sechs (das große Selbst und die fünf Sinnesorgane) von unermeßlicher Helligkeit gemacht hatte, um in die Elemente des Selbst (âtmamâtrâsu) einzutreten, schuf er auch alle Dinge.

Wenn hingegen nach Medhâtithi, mâtrâbhih an Stelle von âtmamâtrâsu zu lesen ist, so wird es folgendermaßen lauten:

„Nachdem er die feinen Teile jener sechs von unermeßlicher Helligkeit mit den Elementen des Selbst durchdrungen hatte, schuf er alle Dinge.


[7] a. a. O., I. 5-13, Burnells Übersetzung.

[8] Die ideale Spitze des pythagoräischen Dreiecks.

[9] Siehe A. Coke Burnells Übersetzung, herausgegeben von Ed. W. Hopkins. Ph. D.