Es lese irgend einer die ersten Verse der Genesis und denke über dieselben nach. Dort befiehlt „Gott“ einem anderen „Gotte“, der seinem Gebote Folge leistet - selbst in der vorsichtigen englischen protestantischen autorisierten Übersetzung von König Jakob 1. Im „Anbeginne“ - die hebräische Sprache hat kein Wort, um die Idee der Ewigkeit auszudrücken [12] - bildet „Gott“ den Himmel und die Erde; und die letztere ist „ohne Form und leer“, während der erstere in der That kein Himmel, sondern die „Tiefe“, das Chaos ist, mit Dunkelheit auf ihrer Fläche. [13] „Und der Geist Gottes bewegt sich auf der Fläche der Wasser“, oder der großen Tiefe des unendlichen Raumes. Und dieser Geist ist Nârâyana, oder Vishnu. „Und Gott sprach: Es werde eine Feste . . .“ Und „Gott“, der zweite, gehorchte und „machte die Feste“. „Und Gott sprach es werde Licht“. Und „Es ward Licht“. Nun bedeutet das letztere überhaupt nicht Licht, sondern, wie in der Kabalah, den androgynen Adam Kadmon, oder Sephira (geistiges Licht), denn diese sind eins; oder, nach dem chaldäischen Buch der Zahlen, die zweiten Engel, während die ersten die Elohim sind, welche die Summe des „bildenden“ Gottes sind. Denn an wen sind diese befehlenden Worte gerichtet? Und wer ist der, der befiehlt? Das was befiehlt, ist das ewige Gesetz, und er, der gehorcht, sind die Elohim, die bekannte Gröfse, welche in oder mit x wirkt, oder der Koefficient der unbekannten Größe, die Kräfte von der Einen Kraft. Alles dies ist Occultismus, und findet sich in den archaischen Strophen. Es ist vollständig gleichgültig, ob wir diese „Kräfte“ die Dhyân Chohans nennen, oder mit Hesekiel die Auphanim. „Das eine universale Licht, welches für den Menschen Finsternis ist, ist immer existierend,“ sagt das chaldäische Buch der Zahlen, aus ihm geht periodisch die Energie hervor, welche in der Tiefe oder dem Chaos, der Vorratskammer der zukünftigen Welten reflektiert wird, und einmal erweckt, die verborgenen Kräfte aufrüttelt und befruchtet, welche die immer gegenwärtigen, ewigen Wirkungsmöglichkeiten in ihr sind. Dann erwachen von neuem die Brahmâs und Buddhas - die gleich ewigen Kräfte - und ein neues Weltall tritt ins Dasein. Im Sepher Yetzirah, dem kabbalistischen
Schöpfungsbuche, hat der Verfasser offenbar die Worte des Manu wiederholt.
In ihm wird die göttliche Substanz so dargestellt, daß sie allein existierte
von Ewigkeit, schrankenlos und unbedingt; und daß sie aus sich selbst
den Geist ausgesendet hat.
[14] „Einer ist der Geist des lebendigen Gottes, gepriesen
sei sein Name, welcher lebt für immer! Stimme, Geist, und Wort, dies ist
der heilige Geist.“
[15] Und dies ist die kabbalistische abstrakte Dreieinigkeit,
die von den christlichen Kirchenvätern so ohne Förmlichkeit anthropomorphisiert
worden ist. Aus dieser dreifachen Eins emanierte der ganze Kosmos. Zuerst
emanierte aus der Eins die Zahl Zwei, oder Luft (der Vater), das schöpferische
Element; und dann die Zahl Drei, das Wasser (die Mutter), hervorgegangen
aus der Luft; Ether oder Feuer macht die mystische Vier vollständig, den
Arbo-al. [16]
„Als der Verborgene aus dem Verborgenen sich offenbaren wollte, machte
er zuerst einen Punkt (den ursprünglichen Punkt, oder die erste Sephira,
Luft, oder den heiligen Geist), gestaltet in eine heilige Form, (die zehn
Sephiroth, oder den himmlischen Menschen), und deckte darüber ein reiches
und glänzendes Gewand, welches die Welt ist.“ [17] Paulus nennt die unsichtbaren kosmischen Wesen die „Elemente“. Aber jetzt sind die Elemente zu Atomen erniedrigt und beschränkt, von denen insoweit nichts bekannt ist, und welche bloß „Kinder der Notwendigkeit“ sind, wie es der Ether auch ist. So haben wir in Isis Unveiled gesagt: Die armen ursprünglichen Elemente sind seit lange verbannt, und unsere ehrgeizigen Physiker rennen um die Wette, um zu entscheiden, wer zu der eben flügge gewordenen Brut der sechzig oder mehr elementaren Substanzen eine neue hinzufügen soll. Unterdessen wütet in der modernen Chemie ein Kampf um Worte. Es wird uns das Recht abgestritten, diese Substanzen „chemische Elemente“ zu nennen, denn letztere sind nicht „ursprüngliche Prinzipien selbst existierender Wesenheiten, aus denen das Weltall gebildet wurde“, wie Plato sagt. Solche Vorstellungen in Verbindung mit dem Worte „Element“, waren gut genug für die alte griechische Philosophie, aber die moderne Wissenschaft verwirft sie; denn, wie Herr William Crookes sagt; „sie sind unglückliche Ausdrücke“, und die experimentelle Wissenschaft will „nichts zu thun haben mit irgend welcher Art von Wesenheiten, außer mit jenen, die sie sehen, riechen oder schmecken kann. Die anderen überläßt sie den Metaphysikern. . . .“ Wir müssen auch für nur soviel dankbar sein! [12] Das Wort „Ewigkeit“, mit weichem die christlichen Theologen den Ausdruck „für immer und immer“ interpretieren, existiert nicht in der hebräischen Sprache. „Oulam“, sagt Le Clerc, bezeichnet bloß eine Zeit, deren Anfang oder Ende unbekannt ist, es bedeutet nicht „unendliche Dauer“, und der Ausdruck „für immer“, im alten Testament, bezeichnet bloß eine „lange Zeit.“ Noch wird das Wort „Ewigkeit“ in christlichen Sinne gebraucht in den Purânen denn im Vishnu Purâna wird klar festgestellt, daß mit „Ewigkeit“ und „Unsterblichkeit“ bloße „Existenz bis an das Ende des Kalpa“ gemeint ist. (Buch II. Cap. VIII.) [13] Die orphische Theogonie ist ihrem Geiste nach rein orientalisch und indisch. Die aufeinanderfolgenden Veränderungen die sie erfahren hat, haben sie jetzt weit von dem Geiste der alten Kosmogonie getrennt, wie man schon durch einen Vergleich derselben mit Hesiods Theogenie sehen kann. Aber der wahrhaft ârische, indische Geist bricht überall sowohl im hesiodischen als im orphischen Systeme hervor. (Siehe das bedeutungsvolle Werk von Jakob Darmesteter „Cosmogonies Âryennes“ in seinen Essais Orientaux) So ist die griechische Vorstellung vom Chaos dieselbe, wie die der geheimen Weisheitsreligion. Bei Hesiod ist daher das Chaos unendlich, grenzenlos, endlos und anfangslos an Dauer, eine Abstraktion und eine sichtbare Gegenwart zur selben Zeit, Raum erfüllt mit Dunkelheit, das ist ursprüngliche Materie in ihrem vorweltlichen Zustande. Denn in seinem etymologischen Sinne ist Chaos der Raum, nach Aristoteles und der Raum ist die immer unsichtbare und unerkennbare Gottheit unserer Philosophie. [14] Den geoffenbarten Geist: der unbedingte, der göttliche Geist ist eins mit der unbedingten göttlichen Substanz; Parabrahman und Mûlaprakriti sind der Wesenheit nach eins. Daher sind kosmische Ideenbildung und kosmische Substanz in ihrem ursprünglichen Charakter auch eins. [15] Sepher Yetzirah, Cap. I. Mishna IX. [16] Ebendaselbst. Von „Arba“ wird Abram abgeleitet. [17] Zohar, I. 2, a. [18] Sepher Yetzirah, Mishna IX. 10. |