Das Erstere von diesen, in seinem Aspekte des Mittelpunktes, einwärts gewendet, so zu sagen in Regionen, die dem menschlichen Intellekte ganz unzugänglich sind, ist absolute Abstraktion; während in seinem Aspekt als Mûlaprakriti, der ewigen Wurzel von allem, es einem mindestens ein nebelhaftes Verständnis für das Geheimnis des Seins vermittelt.

Daher wurde in den inneren Tempeln gelehrt, daß dieses sichtbare Weltall von Geist und Stoff bloß das konkrete Bild der idealen Abstraktion ist; es wurde gebildet nach dem Modelle der ersten göttlichen Idee. So bestand unser Weltall seit Ewigkeit in einem verborgenen Zustand. Die Seele, welche dieses rein geistige Weltall belebt, ist die Centralsonne, die höchste Gottheit selbst. Nicht der Eine bildete die konkrete Form der Idee, sondern der Erstgeborene; und, als sie nach der geometrischen Figur des Dodekaeders [20] konstruiert war, „geruhte der Erstgeborene 12000 Jahre zu ihrer Erschaffung zu verwenden“. Die letztere Zahl wird in der tyrrhenischen Kosmogonie [21] ausgesprochen, welche den Menschen als im sechsten Jahrtausend erschaffen darstellt. Dies stimmt mit der ägyptischen Theorie der 6000 „Jahre“, [22] und mit der hebräischen Berechnung. Aber es ist dies die exoterische Form davon. Die geheime Berechnung erklärt, daß die „12000 und die 6000 Jahre“ Jahre des Brahmâ sind, und ein Tag des Brahmâ gleich 4320000000 Jahren ist. Sanchuniathon, in seiner Kosmogonie [23] erklärt, daß, als der Wind (Geist) sich in seine eigenen Prinzipien (Chaos) verliebte, eine innige Vereinigung stattfand, welche Verbindung Pothos ([korrekter Abdruck siehe  Buch]) genannt wurde, und aus diesem entsprang der Same von Allen. Und das Chaos wußte nichts von seiner eigenen Hervorbringung, denn es war sinnenlos; aber aus seiner Umarmung durch den Wind wurde Môt erzeugt, oder die Ilys (Schlamm). [24] Daraus gehen hervor die Keime der Schöpfung und die Erzeugung des Weltalls. [25]
Zeus-Zên (Äther), und Chthonia (chaotische Erde) und Metis (Wasser) seine Gemahlinnen; Osiris - der ebenfalls den Äther repräsentiert, die erste Emanation der höchsten Gottheit, Amun, die ursprüngliche Quelle des Lichtes, und Isis-Latona, wiederum die Göttin Erde und Wasser; Mithras, [26] der felsengeborene Gott, das Symbol des männlichen Weltenfeuers, oder das personificierte Urlicht, und Mithra, die Feuergöttin. zugleich seine Mutter und seine Gemahlin - das reine Element des Feuers, das thätige oder männliche Prinzip, betrachtet als Licht und Wärme, in Verbindung mit Erde und Wasser, oder Materie, dem weiblichen oder passiven Element der kosmischen Zeugung - Mithras, der der Sohn des Bordj ist, des persischen Weltenberges, [27] aus dem er als glänzender Lichtstrahl hervorblitzt; Brahmâ, der Feuergott und seine fruchtbare Gefährtin; und der indische Agni, die strahlende Gottheit, aus deren Körper tausend Ströme von Glanz und sieben Flammenzungen hervorgehen, und dem zu Ehren gewisse Brahmânen bis zum heutigen Tage ein beständiges Feuer unterhalten; Shiva, personifiziert durch Meru, den Weltenberg der Inder, der schreckliche Feuergott, von dem es in der Legende heißt, daß er vom Himmel „in einer Feuersäule“ herabgestiegen sei, wie der jüdische Jehovah; und ein Dutzend anderer archaischer zweigeschlechtiger Gottheiten - alle verkünden laut ihre verborgene Bedeutung. Und was könnte die doppelte Bedeutung dieser Mythen anderes sein als das psychisch-chemische Prinzip der ursprünglichen Schöpfung; die erste Entwicklung in ihre dreifache Offenbarung als Geist, Kraft und Stoff; die göttliche Wechselbeziehung an ihrem Ausgangspunkte, versinnbildlicht durch die Ehe von Feuer und Wasser, den Hervorbringungen des elektrisierenden Geistes - die Vereinigung des männlichen aktiven Prinzips mit dem weiblichen passiven Elemente - welche die Eltern ihres tellurischen Kindes werden, des kosmischen Stoffes der Prima Materia, deren Seele der Äther, und deren Schatten das Astrallicht ist! [28]

Aber die Bruchstücke der kosmogonischen Systeme, die uns erhalten sind, werden jetzt als thörichte Fabeln verworfen. Nichtsdestoweniger hält die occulte Wissenschaft - welche selbst die große Flut überlebt hat, welche, die vorsintflutlichen Riesen und mit ihnen sogar die Erinnerung an sie verschlungen hat, abgesehen von dem in der Geheimlehre, der Bibel, und anderen Schriften erhaltenen Berichte - noch immer den Schlüssel zu allen Weltproblemen.
Wenden wir daher diesen Schlüssel auf die spärlichen Bruchstücke längstvergessener Kosmogenien an, und versuchen wir mit Hülfe ihrer verstreuten Teile die einst universelle Kosmogenie der Geheimlehre wieder herzustellen. Der Schlüssel paßt zu ihnen allen. Niemand kann ernstlich die alten Philosophien studieren, ohne wahrzunehmen, daß die auffallende Ähnlichkeit der Auffassung in allen von ihnen, die in ihrer exoterischen Form sehr häufig und in ihrem verborgenen Geiste unwandelbar zu Tage tritt, nicht das Resultat eines bloßen Zufalles, sondern eines übereinstimmenden Grundrisses ist; und daß während der Jugend der Menschheit nur eine Sprache, eine Erkenntnis, eine universelle Religion war, als es noch keine Kirchen, keine Glaubensbekenntnisse oder Sekten gab, sondern jeder Mensch sein eigener Priester war. Und wenn gezeigt ist, daß bereits in jenen frühen Zeiten, welche unserem Blicke durch das üppige Wachstum der Tradition entzogen sind, sich der religiöse Gedanke des Menschen auf jedem Teile in übereinstimmender Sympathie entwickelte; dann wird es einleuchtend, daß dieser Gedanke, geboren unter jedem Breitengrade, im kalten Norden oder im sengenden Süden, im Osten oder Westen, von denselben Offenbarungen inspiriert war, und daß der Mensch erzogen wurde unter dem schützenden Schatten eines und desselben Baumes der Erkenntnis.


[20] Plato, Timaeus.

[21] Suidus sub voc. „Tyrrhenia.“ Siehe Corys Ancient Fragments, p. 309, II. Ausg.

[22] Der Leser wird verstehen, daß unter „Jahren“ „Zeitalter“ gemeint sind, nicht bloße Perioden von je dreizehn lunaren Monaten.

[23] Siehe die griechische Übersetzung des Philon Byblius.

[24] Cory, a. a. O., p. 3.

[25] Isis Unveiled, I. 342.

[26] Mithras wurde bei den Persern als der theos ek petras - der Gott aus dem Felsen - betrachtet.

[27] Bordj wird ein Feuerberg, ein Vulkan genannt: daher enthält er Feuer, Felsen, Erde und Wasser; die Männlichen oder aktiven und die weiblichen oder passiven Elemente. Der Mythos ist bedeutsam.

[28] a. a. O., I. 156.