Auch sind die meisten gnostischen Systeme, welche uns erhalten geblieben sind, verstümmelt wie sie von den Kirchenvätern sind, nichts Besseres als die entstellten Außenseiten der ursprünglichen Spekulationen. Auch waren sie niemals für das Publikum oder den gewöhnlichen Leser unverhüllt. Denn wäre ihre verborgene Bedeutung oder Esoterik enthüllt worden, so wäre es nicht mehr eine esoterische Lehre gewesen, und dies hätte niemals sein können. Markus, das Haupt der Markosianer, welcher in der Mitte des zweiten Jahrhunderts blühte, und lehrte, daß die Gottheit unter dem Symbole von vier Silben betrachtet werden müsse, veröffentlichte mehr esoterische Wahrheiten als irgend ein anderer Gnostiker. Aber selbst er wurde niemals gut verstanden, denn nach der bloßen Oberfläche und dem toten Buchstaben seiner Offenbarung scheint es, daß Gott eine Vierheit ist, nämlich „Der Unaussprechliche, das Schweigen, der Vater, und die Wahrheit“, was in Wirklichkeit ganz irrtümlich ist und bloß ein neues esoterisches Rätsel veröffentlicht. Diese Lehre des Markus war auch die der ersten Kabbalisten und ist die unsere. Denn er macht aus der Gottheit die Zahl 30, in vier Silben, was esoterisch übersetzt, eine Dreiheit oder ein Dreieck, und eine Vierheit oder ein Quadrat bedeutet, zusammen sieben, was auf der niedrigen Ebene die sieben göttlichen oder geheimen Buchstaben ausmachte, aus denen der Gottesname zusammengesetzt ist. Dies erfordert eine Darlegung. In seiner Offenbarung spricht Markus von göttlichen Geheimnissen, die mit Hilfe von Buchstaben und Zahlen ausgedrückt werden, und erzählt, wie die höchste „Tetrade herabkam“ zu ihm „aus der Region, welche nicht gesehen oder genannt werden kann, in einer weiblichen Form, weil die Welt unfähig gewesen wäre, ihr Erscheinen in einer männlichen Figur zu ertragen“ und ihm „die Erzeugung des Weltalls“ enthüllte, „die früher weder den Göttern noch den Menschen mitgeteilt worden war.“

Der erste Satz bereits enthält einen doppelten Sinn. Warum sollte die Erscheinung einer weiblichen Figur von der Welt, leichter ertragen oder angehört werden, als eine männliche Figur? Oberflächlich betrachtet erscheint dies unsinnig. Aber für einen, der mit der Mysteriensprache vertraut ist, ist es ganz klar und einfach. Die esoterische Philosophie oder die geheime Weisheit wurde durch eine weibliche Form symbolisiert, während eine männliche Figur für das unenthüllte Geheimnis stand. Daher konnte die Welt, die nicht vorbereitet war, dasselbe zu empfangen, es nicht ertragen, und die Offenbarung des Markus mußte allegorisch gegeben werden. So schreibt er:

Als zuerst ihr Vater (nämlich der der Tetrade) . . . das Unbegreifliche, das Daseinslose, Geschlechtslose (der kabbalistische Ain Suph) wünschte, dass Sein Unaussprechlicher (der erste Logos oder Äon) geboren werden, und Sein Unsichtbarer mit Form bekleidet werden solle, öffnete Es seinen Mund und sprach das Wort, das Ihm selbst gleich war. Dieses Wort (Logos) Stand Ihm nahe und zeigte Ihm, was Es war, indem es sich selbst, in der Form des Unsichtbaren Einen offenbarte. Das Aussprechen des (Unaussprechlichen) Namens (durch das Wort) geschah nun auf folgende Weise. Es (der höchste Logos) sprach das erste Wort seines Namens, . . . welches eine Kombination (Silbe) von vier Elementen (Buchstaben) war. Dann wurde die Zweite Kombination hinzugefügt, ebenfalls von vier Elementen. Dann die dritte, zusammengesetzt aus zehn Elementen; und hierauf wurde die vierte ausgesprochen, welche zwölf Elemente enthielt.

Die Aussprache des ganzen Namens bestand somit aus dreißig Elementen und aus vier Kombinationen. Jedes Element hat seine eigenen Buchstaben und besonderen Charakter und Aussprache und Gruppierungen von Ähnlichkeiten; aber keines von ihnen nimmt die Form wahr von dem, dessen Element es ist, noch versteht es die Aussprache seines Nachbarn, sondern, was ein jedes ertönen läßt, indem es alles ertönen läßt (was es kann), das findet es für gut, damit das Ganze zu benennen. Und diese Töne sind es, welche den daseinslosen und unerzeugbaren Äon in der Form manifestieren, und sie sind die Formen, welche die Engel genannt werden, welche beständig das Angesicht des Vaters betrachten [5] (der Logos, der „zweite Gott“, welcher zunächst Gott dem „Unerfaßbaren“ steht, nach Philo). [6]

Dies ist so klar, als es die alte esoterische Geheimhaltung machen konnte. Es ist ebenso kabbalistisch, wenn auch weniger verhüllt als der Zohar, in welchem die mystischen Namen oder Attribute ebenfalls viersilbige, zwölf-, zweiundvierzig- und selbst zweiundsiebenzigsilbige Worte sind! Die Tetrade zeigt dem Markus die Wahrheit in Gestalt eines nackten Weibes und beschreibt jedes Glied dieser Figur mit Buchstaben; sie nennt ihr Haupt [korrekter Abdruck siehe  Buch], ihren Hals [korrekter Abdruck siehe  Buch] Schultern und Hände [korrekter Abdruck siehe  Buch], etc. Hierin ist leicht die Sephira wiederzuerkennen; das Haupt oder die Krone, Kether, trägt die Zahl 1; das Gehirn oder Chokmah, 2; das Herz oder die Intelligenz, Binah, 3; und die übrigen Sephiroth repräsentieren die Glieder des Körpers. Der sephirothische Baum ist das Weltall, und Adam Kadmon personifiziert es im Westen, wie Brahmâ es in Indien repräsentiert.
Überall werden die zehn Sephiroth dargestellt als in die drei höheren oder die geistige Triade, und in die niedere Siebenheit geteilt. Die wahre esoterische Bedeutung der heiligen Zahl Sieben ist zwar im Zohar geschickt verhüllt, wird aber verraten durch die doppelte Schreibweise des Wortes „im Anbeginne“, oder Be-rashith, und Be-raishath, das letztere die „höhere, oder obere Weisheit“. Wie von S. L. MacGregor Mathers, [7] und von Isaac Myer [8] gezeigt ist - und diese beiden Kabbalisten werden von den besten alten Autoritäten unterstützt - haben diese Worte eine doppelte und geheime Bedeutung. Braishith barah Elohim bedeutet, daß die sechs, über welchen die siebente Sephira steht, der niederen materiellen Klasse angehören, oder, wie der Verfasser sagt „Sieben . . . bezieht sich auf die niedere Schöpfung und Drei auf den geistigen Menschen, das himmlische Vorbild oder den ersten Adam.“
Wenn die Theosophen und Occultisten sagen, daß Gott kein Wesen ist, weil Es Nichts ist, Nicht-Ding, so sind sie ehrfurchtsvoller und religiöser, ehrerbietiger gegen die Gottheit als jene, welche Gott Er nennen, und so aus ihm einen riesigen Mann machen.


[5] Die ,,sieben Engel des Angesichtes“ bei den Christen.

[6] Philosophumena, vi. 42.

[7] The Kabbalah Unveiled, 47.

[8] Quabbalah, 233