Wer die Kabalah studiert, wird bald dieselbe Idee in dem letzten Gedanken ihrer Verfasser finden, der früheren und großen hebräischen Initiierten, welche diese geheime Weisheit in Babylonien von den chaldäischen Hierophanten empfingen, geradeso wie Moses die seine in Ägypten. Das zoharische System kann nach seinen Übersetzungen in das Lateinische oder in andere Sprachen nicht wohl beurteilt werden, da alle seine Ideen verflacht und in Übereinstimmung mit den Ansichten und der Politik seiner christlichen Ordner gebracht wurden; denn seine ursprünglichen Ideen sind dieselben wie jene aller anderen religiösen Systeme. Die verschiedenen Kosmogonien zeigen, daß die Universalseele von jeder archaischen Nation als das Gemüt des demiurgischen Schöpfers betrachtet wurde; und daß es die Mutter, Sophia, oder die weibliche Weisheit bei den Gnostikern; die Sephira bei den Juden; Sarasvatî oder Vâch bei den Hindûs genannt wurde; und auch der heilige Geist ist ein weibliches Prinzip.

Somit war der aus ihm geborene Kyrios oder Logos bei den Griechen, der Gott, der Verstand (Nous). „Nun bedeutet Koros (Kyrios) . . . die reine und unvermischte Natur des Intellektes-Weisheit,“ sagt Plato im Cratylus; [9] und Kyrios ist Merkur (Mercurius, Mar-kyrios), die göttliche Weisheit und „Merkur ist Sol (die Sonne)“, [10] von der Thot-Hermes diese göttliche Weisheit empfing. Während nun die Logoi aller Länder und Religionen in ihren sexuellen Aspekten mit der weiblichen Seele der Welt oder der großen Tiefe in Wechselbeziehungen stehen, ist die Gottheit, aus der diese Zwei in Einem ihr Dasein haben, für immer verhüllt und wird die Verborgene genannt, und steht bloß mittelbar mit der „Schöpfung“ [11] in Verbindung, da sie bloß durch die zweifache Kraft, die aus der ewigen Wesenheit ausstrahlt, wirken kann. Selbst Äsculap, genannt der „Heiland von Allen“, ist nach den alten klassischen Schriftstellern wesensgleich mit dem ägyptischen Ptah, dem schöpferischen Intellekt, oder der göttlichen Weisheit und mit Apollo, Baal, Adonis und Herkules: [12] Und Ptah ist in einem seiner Aspekte die Anima Mundi; die Universalseele des Plato; der göttliche Geist der Ägypter; der heilige Geist der ersten Christen und Gnostiker; und der Âkâsha der Hindûs, und in seinem niederen Aspekt sogar das Astrallicht.

Denn Ptah war ursprünglich der Gott der Toten, in dessen Schoß sie aufgenommen wurden, daher der Limbus der griechischen Christen, oder das Astrallicht

Erst viel später wurde Ptah unter die Sonnengötter gerechnet, und sein Name bedeutet „der, welcher eröffnet“, da er dargestellt wird als der erste, der das Antlitz der toten Mumie entschleiert, um die Seele zum Leben in seinem Innern aufzurufen. Kneph, der ewig Ungeoffenbarte, wird durch das Emblem der Schlange der Ewigkeit dargestellt, welche eine Wasserurne umschlingt, mit ihrem Haupte über den „Wassern“ hangend, welche sie mit ihrem Atem ausbrütet - eine andere Form der ursprünglichen Idee der „Finsternis“, deren Strahl sich auf den Wassern bewegt, etc. Als die Logos-Seele heißt diese Permutation Ptah; als der Logos-Schöpfer wird er Imhotep, sein Sohn, der „Gott mit dem schönen Gesicht“. In ihren ursprünglichen Charakteren waren diese beiden die erste kosmische Duade, Nut, Raum oder „Lufthimmel“, und Nun, die „ursprünglichen Wasser“, die androgyne Einheit, über welcher der verborgene Atem des Kneph war. Und allen von ihnen waren die Tiere und Pflanzen des Wassers geheiligt, der Ibis, der Schwan, die Gans, das Krokodil, der Lotus.

Kehren wir zu der kabbalistischen Gottheit zurück, so ist diese verborgene Einheit Ain Suph ([korrekter Abdruck siehe  Buch]), das Endlose, Grenzenlose, Nicht-existierende ([korrekter Abdruck siehe  Buch]), solange als das Absolute in Oulom, [13] der schrankenlosen und grenzenlosen Zeit war; als solches kann Ain Suph nicht der Schöpfer oder auch der Bildner des Weltalls sein, noch kann Es Aur (Licht) sein. Daher ist Ain Suph auch die Finsternis. Das unveränderlich Unendliche und das unbedingt Schrankenlose kann weder wollen, denken, noch handeln. Um dies zu thun, muß es endlich werden, und es thut dies durch seinen Strahl, der in das Weltenei, oder den unendlichen Raum eindringt und aus demselben als endlicher Gott emaniert. Alles dieses ist dem Strahl überlassen, der in dem Einen verborgen ist. Wenn der Zeitpunkt kommt, so breitet der absolute Wille naturgemäß die Kraft in sich aus, nach dem Gesetze, dessen innere und letzte Wesenheit er ist. Die Hebräer nahmen nicht das Ei als Symbol, sondern setzten dafür die „doppelten Himmel“, denn der Satz „Gott machte die Himmel und die Erde“ würde richtig übersetzt lauten: „In und aus seiner eigenen Wesenheit als aus einem Mutterschoße (dem Weltenei) schuf Gott die zwei Himmel.“

Die Christen jedoch haben die Taube, den Vogel und nicht das Ei, gewählt als Symbol ihres heiligen Geistes.

„Wer immer sich mit Hud, der Mercabah und mit Lahgash (geheime Sprache oder Anrufung) vertraut macht, wird das Geheimnis der Geheimnisse lernen. „Lahgash ist nahezu gleichbedeutend mit Vâch, der verborgenen Kraft der Mantren.


[9] p. 79.

[10] Arnobius, VI. XII

[11] Wir verwenden den Ausdruck als einen allgemein angenommenen und durch den Gebrauch geheiligten und daher dem Leser verständlicheren.

[12] Siehe Dunlap, Sôd: the Mysteries of Adoni, 23.

[13] Bei den alten Juden bedeutete, wie Le Clerc zeigt, das Wort Oulom einfach eine Zeit, deren Anfang und Ende nicht bekannt war. Das Wort ,Ewigkeit“, genau gesprochen, existierte nicht in der hebräischen Sprache in der Bedeutung, die zum Beispiel die Vedântisten dem Parabrahman geben.