Die Symbolik der Mond- und Sonnengottheiten ist so unentwirrbar ver­wickelt, daß es nahezu unmöglich ist, solche Glyphen wie das Ei, den Lotus, und die „heiligen“ Tiere von einander zu trennen. Der Ibis z. B. wurde in Ägypten in größter Verehrung gehalten. Er war der Isis geweiht, welche oft mit dem Haupte dieses Vogels abgebildet wird, und ebenso dem Merkur oder Thoth, von dem es heißt, er habe seine Form angenommen, während er dem Typhon entkam. Es gab zwei Arten von Ibissen in Ägypten, wie uns Herodot [18] sagt; eine ganz schwarze, die andere schwarz und weiß. Von der ersten glaubte man, daß sie die geflügelten Schlangen bekämpfe und vertilge, welche jedes Frühjahr aus Arabien kommen und das Land überfallen sollten.

Die andere war dem Monde geweiht, weil die vordere Oberfläche dieses Weltkörpers weiß und glänzend sei, dunkel und schwarz aber jene Seite, welche er niemals der Erde zukehrt. Obendrein tötet der Ibis Landschlangen und richtet die schrecklichste Verheerung unter den Krokodileiern an und schützt dadurch Ägypten davor, daß der Nil von diesen schrecklichen Sauriern allzu unsicher gemacht werde. Man glaubt, daß der Vogel dies bei Mond­schein thue, und so von Isis unterstützt werde, deren siderisches Symbol der Mond ist. Aber die korrektere esoterische Wahrheit, die dieser Volksmythe zu Grunde liegt, ist die, daß Hermes, wie Abenephius zeigt, [19] über die Ägypter unter der Form dieses Vogels wachte, und sie die occulten Künste und Wissenschaften lehrte. Dies bedeutet einfach, daß die ibis religiosa „magische“ Eigenschaften mit vielen anderen Vögeln, insbesondere mit dem Albatros und dem mythischen weißen Schwane, dem Schwane der Ewigkeit oder Zeit dem Kâla­hansa gemein hatte und hat.

In der That, wäre es anders, warum hätten alle alten Völker, welche nicht mehr Narren waren als wir, eine solche abergläubische Furcht vor dem Töten gewisser Vögel haben sollen. In Ägypten wagte einer, der einen Ibis tötete, oder den Goldsperber, das Symbol der Sonne und des Osiris, den Tod und konnte demselben nicht leicht entgehen. Die Verehrung einiger Nationen für Vögel war eine derartige, daß Zoraster in seinen Vorschriften ihren Mord als ein verruchtes Verbrechen verbietet. In unserem Zeitalter lachen wir über jede Art von Wahrsagung. Doch warum sollen soviele Generationen an eine Weissagung durch Vögel geglaubt haben und selbst an Oomantie welche nach Suidas von Orpheus mitgeteilt worden sein soll, welcher lehrte, wie unter gewissen Bedingungen aus dem Dotter und Weißen eines Eies das zu entnehmen sei, was der daraus geborene Vogel in der kurzen Zeit seines Lebens rund um sich gesehen haben würde. Diese occulte Kunst, welche vor 3000 Jahren die größte Gelehrsamkeit und die verwickeltsten mathemathischen Berechnungen erforderte, ist jetzt der tiefsten Erniedrigung verfallen; und heutzutage sind es nur mehr alte Köchinnen und Wahrsagerinnen, welche Dienstmädchen, die einen Mann suchen, aus dem Weißen eines Eies in einem Glas die Zukunft herauslesen.


[18] Euterpe, 75, 76.

[19] De cultu Egypt.