Trotzdem haben selbst die Christen bis zum heutigen Tage ihre heiligen Vögel, z. B. die Taube, das Symbol des heiligen Geistes. Auch haben sie die heiligen Tiere nicht vernachlässigt; und die evangelische Zoolatrie mit ihrem Stiere, Adler, Löwen, und Engel - in Wirklichkeit dem Cherub oder Seraph, der feuer-beflügelten Schlange - ist ebenso heidnisch wie die der Ägypter oder Chaldäer. Diese vier Tiere sind in Wirklichkeit die Symbole der vier Elemente, und der vier niedrigen Prinzipe im Menschen. Nichts desto weniger entsprechen sie körperlich und stofflich den vier Konstellationen, welche so zu sagen das Gefolge oder Geleite des Sonnengottes bilden, und welche zur Zeit der Wintersonnenwende die vier Hauptpunkte des Tierkreises einnehmen. Diese vier „Tiere“ sind in vielen römisch-katholischen Neuen Testamenten zu sehen, wo die „Porträte“ der Evangelisten gegeben werden. Sie sind die Tiere von Hesekiels Merkabah.

Ragon bemerkt mit Recht:

Die alten Hierophanten haben die Dogmen und Symbole ihrer Religionsphilosophien so geschickt verknüpft, daß diese Symbole bloß durch die Verbindung und die Kenntnis aller Schlüssel vollständig erklärt werden können.

Sie können bloß annäherungsweise ausgelegt werden, selbst wenn man drei von diesen sieben Systemen entdeckt, nämlich das anthropologische, das psychische und das astronomische. Die zwei Hauptauslegungen, die höchste und die niederste, die geistige und die physiologische, wurden in größter Geheim­haltung aufbewahrt, bis daß die letztere in die Gewalt der Profanen fiel. Soweit in Bezug auf die vorhistorischen Hierophanten, bei denen das, was jetzt rein - oder unrein - phallisch geworden ist, eine ebenso dunkle und geheimnisvolle Wissenschaft war, wie heute die Biologie und Physiologie. Dies war ihr ausschließliches Eigentum, die Frucht ihrer Studien und Ent­deckungen. Die zwei anderen waren jene, welche von den schöpferischen Göttern oder der Theogonie und vom schöpferischen Menschen handelten; das heißt von den idealen und den praktischen Mysterien. Diese Auslegungen waren so geschickt verhüllt und verknüpft, daß es viele gab, welche zwar zur Entdeckung einer Bedeutung gelangten, aber sich vergeblich bemühten, die Bedeutung der anderen zu verstehen, und sie niemals hinreichend enträtseln konnten, um gefährliche Indiskretionen begehen zu können. Die höchsten, die erste und die vierte - Theogonie im Verhältnis zur Anthropogonie - zu ergründen, war nahezu unmöglich. Die Beweise dafür finden wir in der jüdischen „heiligen Schrift“.

Weil die Schlange Eier hervorbringt, wurde sie ein Symbol der Weisheit und ein Emblem der Logoi oder der Selbstgeborenen. Im Tempel zu Philae in Ober-Ägypten wurde aus mit verschiedenem Räucherwerk gemischtem Thon auf kunstvolle Art ein Ei hergestellt. Dieses wurde durch einen besonderen Vorgang ausgebrütet, und eine Cerastes oder Hornviper hervorgebracht. Das­selbe geschah in den indischen Tempeln im Altertum mit der Kobra. Der schöpferische Gott taucht aus dem Eie auf, das aus dem Munde des Kneph hervorgeht, in Gestalt einer geflügelten Schlange, denn die Schlange ist das Symbol der Allweisheit. Bei den Hebräern wurde dieselbe Gottheit durch die fliegenden oder „feurigen Schlangen“ des Moses in der Wüste dargestellt. Bei den alexandrinischen Mystikern wird sie zum Orphio-Christos, dem Logos der Gnostiker.

Die Protestanten versuchen zu zeigen, daß die Allegorie von der ehernen Schlange und den feurigen Schlangen eine direkte Beziehung zu dem Geheim­nis des Christus und der Kreuzigung hat, während sie in Wahrheit eine viel nähere Beziehung zu dem Geheimnis der Zeugung hat, wenn sie von dem Ei mit dem Keim in der Mitte, oder dem Kreise mit seinem Mittelpunkt ge­trennt ist.
Protestantische Theologen möchten uns an ihre Auslegung glauben machen, bloß deshalb, weil die eherne Schlange an einem Pfahle erhöht war!
Hingegen hat sie vielmehr eine Beziehung zu dem ägyptischen Ei, welches aufrecht auf dem dasselbem tragenden heiligen Tau, steht; da das Ei und die Schlange in der alten Verehrung und Symbologie von Ägypten untrennbar sind, und da sowohl die eherne, als die feurigen Schlangen Seraphim waren, die brennenden „feurigen“ Boten oder die Schlangengötter, die Nâgas Indiens. Ohne das Ei war es ein rein phallisches Symbol, aber in Verbindung damit bezog es sich auf die kosmische Schöpfung. Die eherne Schlange hatte keine so heilige Bedeutung, als ihr die Protestanten zuschreiben möchten; auch wurde sie thatsächlich nicht über die feurigen Schlangen verherrlicht, für deren Biß sie bloß ein natürliches Heilmittel war; denn die symbologische Bedeutung des Wortes „ehern“ ist die des weiblichen Prinzipes, und die von „feurig“ oder „golden“ des männlichen Prinzipes.

Erz war ein Metall, welches die niedere Welt symbolisierte . . . . die des Schoßes, in den das Leben gegeben werden sollte . . . . Das Wort für Schlange war im Hebräischen Nachash, aber das ist auch das Wort für Erz.

Es heißt in den Numeri, daß die Juden sich über die Wüste beklagten, in der kein Wasser war, [20] worauf „der Herr feurige Schlangen sandte“, welche sie beißen sollten, und dann, um dem Moses einen Gefallen zu thun, gab er ihm als Heilmittel die eherne Schlange auf einem Pfahle, damit sie dieselbe anblickten; worauf „ein jeder, wenn er die eherne Schlange ansah . . . lebte“(?)
Hierauf sammelte der „Herr“ das Volk an dem Brunnen von Beer, gab ihm Wasser, und das dankbare Israel sang den Gesang, „Spring empor, o Brunnen“.
Wenn der christliche Leser nach einem Studium der Symbologie zu einem Verständnis der innersten Bedeutung dieser drei Symbole, Wasser, Erz und Schlange, und noch einiger anderer, gelangt, in dem Sinne, der ihnen in der heiligen Schrift verliehen ist, so wird er schwerlich geneigt sein, den heiligen Namen seines Erlösers mit dem Geschehnis von der ehernen Schlange in Ver­bindung zu bringen. Die Seraphim ([korrekter Abdruck siehe  Buch]) oder feurigen beflügelten Schlangen sind ohne Zweifel mit der Idee der „Schlange der Ewigkeit - Gott“ verbunden und untrennbar davon, wie es in Kenealys Apocalypse erklärt ist; aber das Wort Cherub bedeutete in einem Sinne auch Schlange, obwohl seine un­mittelbare Bedeutung verschieden ist, denn die Cherubim und die persischen geflügelten Greife ([korrekter Abdruck siehe  Buch]), die Wächter des goldenen Berges, sind ein und dasselbe, und der zusammengesetzte Name der ersteren zeigt ihren Charakter, denn er besteht aus kr ([korrekter Abdruck siehe  Buch]), einem Kreise, und aub oder ob ([korrekter Abdruck siehe  Buch]), einer Schlange und bedeutet daher eine „Schlange in einem Kreise“. Und dies bestätigt den phallischen Charakter der ehernen Schlange, und rechtfertigt Hiskias Zer­stoßen derselben. [21] Verbum satis sapienti!


[20] XXI. 5 ff.

[21] II. Könige, XVIII. 4.