Sehen wir jedoch, welche die drei Arten von Pralayas waren und was der volkstümliche Glaube über dieselben ist. Denn diesmal stimmt derselbe mit der Esoterik überein. Von dem Pralaya, vor welchem vierzehn Manvantaras vergehen, die ebenso viele ihnen vorstehende Manus aufweisen und an dessen Schlusse die nebensächliche oder Brahmâs Auflösung stattfindet, heißt es im Vishnu Purâna (in gedrängter Umschreibung): Am Ende eines Tausends von Perioden von vier Zeitaltern, welches einen Tag des Brahmâ ausmacht, ist die Erde nahezu erschöpft. Der ewige (Avyaya) Vishnu nimmt dann die Eigenschaft des Rudra an, des Zerstörers (Shiva), und vereinigt wieder alle seine Geschöpfe mit sich. Er tritt in die sieben Strahlen der Sonne und saugt alle Gewässer der Erde auf; er läßt die Feuchtigkeit verdunsten und läßt so die ganze Erde vertrocknen. Ozeane und Flüsse, Gießbäche und kleine Ströme werden alle verdunstet. Also mit reichlicher Feuchtigkeit genährt werden die sieben Sonnenstrahlen durch Ausdehnung zu sieben Sonnen, und setzen schließlich die Welt in Feuer. Hari, der Zerstörer aller Dinge, welcher die Flamme der Zeit, Kâlâgni ist, verzehrt schließlich die Erde. Dann atmet Rudra, welcher zum Janârdana wird, Wolken und Regen. [4] Es giebt verschiedene Arten von Pralaya, aber drei Hauptperioden werden in alten indischen Büchern besonders erwähnt. Die erste von diesen, wie Wilson zeigt, heißt Naimittika, [5] die „zufällige“ oder „nebensächliche“, verursacht durch die Zwischenzeiten von Brahmâs Tagen; sie ist die Zerstörung der Geschöpfe, von allem, was lebt und Form hat, aber nicht von der Substanz, welche in statu quo bleibt bis zur neuen Dämmerung nach dieser Nacht. Die zweite heißt Prâkritika und findet am Ende des Zeitalters oder Lebens des Brahmâ statt, wenn alles, was existiert, in das ursprüngliche Element aufgelöst wird, um am Ende dieser längeren Nacht neugestaltet zu werden. Die dritte, Âtyantika, bezieht sich nicht auf Welten oder das Weltall, sondern bloß auf die Individualitäten von einzelnen Menschen. Sie ist somit der individuelle Pralaya oder das Nirvâna, nach dessen Erreichung keine weitere Existenz oder Wiedergeburt möglich ist vor dem Schlusse des Mahâ Pralaya. Die letztere Nacht - welche 311 040 000 000 000 Jahre dauert, mit der Möglichkeit, nahezu verdoppelt zu werden in dem Falle des glücklichen Jîvanmukta, welcher Nirvâna in einer frühen Periode eines Manvantara erreicht - ist lang genug, um als ewig, wenn nicht als endlos betrachtet zu werden. Das Bhâgavata Purâna [6] spricht von einer vierten Art von Pralaya, dem Nitya oder der beständigen Auflösung, und erklärt ihn als die Veränderung, welche unmerklich in jedem Dinge dieses Weltalls, vom Globus bis zum Atom, unaufhörlich stattfindet. Er ist Wachstum und Verfall - Leben und Tod. Wenn der Mahâ Pralaya anbricht, suchen die Bewohner von Svar-loka, der oberen Sphäre, aufgestört durch den Brand, Zuflucht „mit den Pitris, ihren Vorfahren, den Manus, den sieben Rishis, den verschiedenen Ordnungen der himmlischen Geister und den Göttern in Mahar-loka“. Wenn der letztere ebenfalls erreicht ist, so wandern sämtliche oben aufgezählte Wesen ihrerseits aus Mahar-loka aus und begeben sich nach Jana-loka, „in ihren feinen Formen, bestimmt, wiederverkörpert zu werden, mit ähnlichen Fähigkeiten, wie ihren früheren, wenn die Welt am Beginne des folgenden Kalpa wieder erneuert wird“. [7] Wolken, mächtig an Größe und laut donnernd erfüllen den ganzen Raum (Nabhas-tala). Ströme von Wasser herabsendend, löschen diese Wolken die schrecklichen Feuer, . . . und dann regnen sie ununterbrochen durch hundert (göttliche) Jahre, und überfluten die ganze Welt (das ganze Sonnensystem). In Massen herabkommend, in Tropfen, so groß wie Spielwürfel, überziehen diese Regen die Erde, und erfüllen die Mittelregion (Bhuvo-loka) und überschwemmen den Himmel. Die Welt ist jetzt in Dunkelheit gehüllt; alle Dinge, die belebten und die unbelebten, sind zu Grunde gegangen; die Wolken fahren fort, ihre Wasser herabzugießen, und die Nacht des Brahmâ herrscht zu höchst über dem Schauplatze der Verwüstung. [8] Dies ist, was wir in der esoterischen Lehre einen solaren Pralaya nennen. Wenn die Wasser die Region der sieben Rishis erreicht haben, und die Welt, unser Sonnensystem, ein einziger Ozean ist, so halten sie ein. Der Atem des Vishnu wird zu einem starken Wind, der weitere hundert Jahre weht bis alle Wolken zerstreut sind. Der Wind wird dann wieder eingezogen: und Das – Aus dem alle Dinge gemacht sind, der Herr, durch den alle Dinge existieren, Er, welcher da ist unbegreiflich, ohne Anbeginn, der Anfang des Weltalls, ruht, schlafend auf dem Shesha (der Schlange der Unendlichkeit) inmitten der Tiefe. Der Schöpfer ([?] Âdikrit) Ran schläft auf dem Ozean (des Raumes) in der Form des Brahmâ - verherrlicht von Sanaka [9] und den Heiligen (Siddhas) des Jana-loka, und betrachtet von den heiligen Bewohnern des Brahma-loka, die nach endlicher Erlösung streben - versenkt in mystischen Schlummer, die himmlische Personifikation seiner eigenen Illusionen . . . . Dies ist die Auflösung ([?] Pratisanchara), genannt die Nebensächliche, weil Ran ihre nebensächliche (ideale) Ursache ist. [10] Wenn der Universalgeist wacht, lebt die Welt auf; wenn er seine Augen schließt, sinken alle Dinge auf das Bett des mystischen Schlummers. Auf gleiche Art, wie tausend große Zeitalter einen Tag des Brahmâ bilden (im Original ist es Padmayoni, dasselbe wie Abjayoni, der „Lotusgeborene“, nicht Brahmâ), so besteht seine Nacht aus derselben Periode . . . Erwachend am Ende einer Nacht, schafft der Ungeborene . . . das Weltall von Neuem. [11] [4] Buch VI. Kap. III. [5] Im Vedânta und Nyâya wird Nimitta, wovon Naimittika abgeleitet ist, als die bewirkende Ursache erklärt, wenn in Antithese mit Upâdâna, der physischen oder materiellen Ursache. Im Sânkhya ist Pradhâna eine dem Brahmâ untergeordnete Ursache, oder vielmehr Brahmâ ist selbst eine Ursache, die höher steht als Pradhâna. Daher ist „nebensächlich“ eine falsche Übersetzung und sollte dasselbe, wie einige Gelehrte gezeigt haben, mit „idealer“ Ursache wiedergegeben werden: selbst reale Ursache wäre besser gewesen. [6] XII. IV; 35. [7] Vâyu Purâna. [8] Wilson, Vishnu Purâna, VI. III. [9] Der Haupt-Kumâra, oder jungfräuliche Gott, ein Dhyân-Chohan, welches sich weigert zu schaffen. Ein Vorbild des St. Michael, der sich ebenfalls desselben weigert. [10] Siehe die Schlußzeilen der Abteilung „Chaos: Theos: Kosmos.“ [11] Ebenda, IV. |