Dies ist die kosmische und ideale Bedeutung dieses großen Symbols bei den östlichen Völkern. Bei seiner Anwendung auf praktische und exoterische Verehrung jedoch, welche auch ihre esoterische Symbologie hatte, wurde der Lotus mit der Zeit der Träger und Behälter einer mehr irdischen Idee. Keine dogmatische Religion entging jemals dem Schicksale, das geschlechtliche Element in sich zu haben; und bis zum heutigen Tage beschmutzt dasselbe die moralische Schönheit der Wurzelidee der Symbologie. Das folgende ist aus demselben kabbalistischen Manuskript angeführt, das wir bereits bei verschiedenen Gelegenheiten zitiert haben. Auf die gleiche Bedeutung wies hin der Lotus, der in den Wassern des Nils wächst. Die Art seines Wachstums ist besonders geeignet zu einem Symbol der Zeugungsthätigkeiten. Die Blüte des Lotus, welche der Träger des Samens für die Fortpflanzung ist, als Resultat ihres Reifens, steht durch seine mutterkuchenartige Verknüpfung mit der Mutter Erde in Verbindung, oder mit dem Schoße der Isis, durch das Fruchtwasser, das ist, durch den Nilfluß, mittelst des langen seilartigen Stengels, der Nabelschnur. Nichts kann klarer sein als dieses Symbol, und um es in seiner beabsichtigten Bedeutung vollkommen zu machen, ist mitunter ein Kind dargestellt, das auf der Blume sitzt, oder aus derselben hervorkommt. [4] So werden Osiris und Isis, die Kinder des Kronos, oder der endlosen Zeit, in der Entwicklung ihrer Naturkräfte, in diesem Bilde zu den Eltern des Menschen unter den Namen Horus. Wir können nicht genug Nachdruck legen auf den Gebrauch dieser Zeugungsfunktion als einer Grundlage für eine symbolische Sprache, und für eine wissenschaftliche Kunstsprache. Nachdenken über diese Idee führt sofort zur Überlegung des Gegenstandes der schöpferischen Ursache. Man beobachtet, daß die Natur bei ihrer Arbeit ein wundervolles Stück eines lebendigen Mechanismus ausgebildet hat, der von einer hinzugefügten lebendigen Seele gelenkt wird; die Lebensentwicklung und die Geschichte dieser Seele im Bezug auf ihr Woher, ihr Jetzt und ihr Wohin übersteigen alle Anstrengungen des menschlichen Denkvermögens. [5] Das Neugeborene ist ein immer wiederkehrendes Wunder, ein Beweis dafür, daß in der Werkstätte der Gebärmutter eine intelligente schöpferische Kraft die Zusammenfügung einer lebendigen Seele mit einer körperlichen Maschine vermittelt hat. Die staunenerregende Wunderbarkeit dieser Thatsache verbindet eine heilige Weihe mit allem, was mit den Zeugungsorganen in Verbindung steht, als mit der Wohnung und dem Orte eines offenbaren schaffenden Dazwischentretens der Gottheit. Dies ist eine korrekte Wiedergabe der zugrundeliegenden Ideen der alten Zeit, der rein pantheistischen, unpersönlichen und ehrfurchtsvollen Vorstellungen der archäischen Philosophen der vorgeschichtlichen Zeitalter. Sie ist es jedoch nicht, wenn man sie auf die sündige Menschheit, auf die groben mit Persönlichkeit in Zusammenhang stehenden Ideen anwendet. Daher würde kein pantheistischer Philosoph ermangeln, die Bemerkungen, die dem Obigen folgen und welche den Anthropomorphismus der jüdischen Symbologie darstellen, anders als gefährlich für die Heiligkeit der wahren Religion zu finden und als bloß für unser materialistisches Zeitalter passend, welches das unmittelbare Ergebnis und Resultat dieses anthropomorphischen Charakters ist. Denn dies ist der Grundton für den ganzen Geist und die ganze Wesenheit des Alten Testamentes, wie das Manuskript bei der Behandlung der Symbolik der biblischen Kunstsprache erklärt: Daher ist der Ort des Schoßes für den allerheiligsten Platz zu nehmen, für das Sancturn Sanctorum, und den wahrhaftigen Tempel des lebendigen Gottes. [6] Vom Manne wurde der Besitz des Weibes immer als ein wesentlicher Teil seiner selbst betrachtet, um zwei zu einem zu machen, und eifersüchtig als heilig behütet. Selbst der Teil des gewöhnlichen Hauses oder Heims, welcher der Wohnung des Weibes geweiht war, wurde genannt die penetralia, das Geheime oder Geheiligte, und daher die Metapher vom Allerheiligsten, von heiligen Bauwerken, die aus der Idee der Heiligkeit der Zeugungsorgane geschöpft waren. Die Darstellung ist bis zum äußersten getrieben [7] durch die Metapher, daß dieser Teil des Hauses in der heiligen Schrift als der „zwischen den Schenkeln des Hauses“ beschrieben wird, und manchmal ist diese Idee baulich ausgeführt durch die große Thoröffnung der Kirchen, welche zwischen seitlich stehende Strebepfeiler gesetzt ist. Kein solcher Gedanke „bis zum äußersten getrieben“, existierte jemals unter den alten ursprünglichen Âriern. Dies ist erwiesen durch die Thatsache, daß in der vedischen Zeit ihre Frauen nicht abgesondert von den Männern in penetralia oder Zenanas untergebracht wurden. Diese Abschließung begann, als die Mohammedaner - die nächsten Erben der hebräischen Symbolik nach dem christlichen Kirchentum - das Land erobert hatten und ihre Sitten und Gebräuche den Indern allmählich aufzwangen. Das vor- und nachvedische Weib war ebenso frei wie der Mann; und kein unreiner irdischer Gedanke war jemals der religiösen Symbolik der frühzeitigen Arier beigemengt. Die Idee und Anwendung ist rein semitisch. Dies wird bestätigt durch den Verfasser der genannten außerordentlich gelehrten und kabbalistischen Offenbarung, wo er die oben citierten Abschnitte abschliefst, indem er hinzufügt: Wenn mit diesen Organen als Symbolen der schöpferischen Weltkräfte die Idee des Ursprunges der Maße sowie der Zeitperioden verbunden werden kann, dann sollte in der That bei der baulichen Ausführung der Tempel als Wohnungen der Gottheit oder des Jehovah der zum Allerheiligsten oder zum hochheiligsten Platze bestimmte Teil seinen Ehrentitel von der anerkannten Heiligkeit der Zeugungsorgane herleiten, welche als Symbole der Maße sowohl als auch der schöpferischen Ursache betrachtet wurden. Bei den alten Weisen gab es keinen Namen, keine Idee und kein Symbol von einer Ersten Ursache. [3] I. 1(?) [4] In den indischen Purânen ist es Vishnu, der erste, und Brahmâ, der zweite Logos, oder der ideale und der praktische Schöpfer, welche beziehungsweise dargestellt sind, der eine als den Lotus offenbarend, der andere als aus demselben hervorgehend. [5] Jedoch nicht die Anstrengungen der geübten seelischen Fähigkeiten eines Initiierten der östlichen Metaphysik und der Mysterien der schöpferischen Natur. Die Profanen vergangener Zeiten waren es, welche das reine Ideal der kosmischen Schöpfung zu einem Emblem bloß menschlicher Fortpflanzung und geschlechtlicher Verrichtungen erniedrigt haben: die Sendung der esoterischen Lehren und der Initiierten der Zukunft ist es und wird es sein, die ursprüngliche Vorstellung zu befreien und aufs neue zu adeln, die durch ihre rohe und plumpe Anwendung auf exoterische Dogmen und Personifikationen von Seite theologischer und kirchlicher Frömmler so traurig entweiht worden ist. Die schweigende Verehrung del abstrakten oder noumenalen Natur, der einzigen göttlichen Offenbarung, ist die Eine veredelnde Religion der Menschheit. [6] Sicherlich konnten die Worte des alten Initiierten der ursprünglichen Mysterien des Christentums, „Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid“ (1. Korinth, III. 16), nicht in diesem Sinne auf die Menschen angewendet werden; obwohl die Bedeutung unleugbar in dieser Fassung in den Gedanken der hebräischen Kompilatoren des Alten Testamentes existierte. Und hier befindet sich der Abgrund, welcher zwischen der Symbolik des Neuen Testamentes und dem jüdischen Kanon liegt. Diese Kluft wäre geblieben und hätte sich immer erweitert, hätte nicht das Christentum, insbesondere und am unverhülltesten die lateinische Kirche, eine Brücke über dieselbe geschlagen. Das moderne Papsttum hat sie jetzt gänzlich überspannt durch sein Dogma von den zwei unbefleckten Empfängnissen, und durch den anthropomorphischen und zugleich abgöttischen Charakter, den es der Mutter ihres Gottes verliehen hat. [7] Sie wurde so weit getrieben nur in der hebräischen Bibel und bei deren knechtischer Nachschreiberin, der christlichen Theologie
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