Ganz entschieden nicht. Lieber niemals ihm einen Gedanken widmen und es für immer namenlos lassen, wie es die alten Pantheisten thaten, als die Heiligkeit dieses Ideals der Ideale zu erniedrigen durch das Herabziehen seiner Symbole zu so anthropomorphischen Formen! Hier sieht man wiederum die ungeheure Kluft zwischen dem ansehen und dem semitischen religiösen Gedanken, den zwei entgegengesetzten Polen Aufrichtigkeit und Verstecktheit. Bei den Brâhmanen, welche niemals die natürlichen Fortpflanzungsfunktionen der Menschheit mit einem Elemente von „Erbsünde“ ausgestattet haben, ist es eine religiöse Pflicht, einen Sohn zu haben. Ein Brâhmane der alten Zeit zog sich, nachdem er seine Sendung als menschlicher Erschaffen erfüllt hatte, in das Dickicht zurück und verbrachte den Rest seiner Tage in religiöser Andacht. Er hatte seine Pflicht gegen die Natur, als sterblicher Mensch und als ihr Mitarbeiter, erfüllt und widmete hinfort alle seine Gedanken dem geistigen und unsterblichen Teile seiner selbst, indem er das Irdische als bloße Täuschung, als einen dahinschwindenden Traum betrachtete - was es in der That ist. Bei dem Semiten war es anders. Dieser erfand eine Versuchung des Fleisches in einem Garten Eden und zeigte, daß ein Gott - esoterisch der Versuchen und der Beherrscher der Natur - eine Handlung für immer verfluchte, welche in dem logischen Programme dieser Natur gelegen war. [8] Alles dies exoterisch, so in der Verhüllung und dem toten Buchstaben der Genesis und des übrigen. Zur selben Zeit betrachtete er, esoterisch, die angebliche Sünde und den angeblichen Fall als eine so heilige Handlung, daß er das Organ, den Verüber der Erbsünde, als das geeignetste und geheiligtste Symbol für die Darstellung dieses Gottes erwählte, von dem gezeigt wurde, daß er das Inthätigkeittreten desselben als Ungehorsam und Todsünde brandmarkte!

Wer kann jemals die widerspruchsvollen Tiefen des semitischen Denkens ergründen! Und dies widerspruchsvolle Element minus seiner innersten Bedeutung ist jetzt gänzlich in die christliche Theologie und das christliche Dogma übergegangen! Ob die ersten Kirchenväter die esoterische Bedeutung des hebräischen Testamentes kannten, oder ob nur wenige von ihnen dieselbe bemerkten, während die übrigen in Bezug auf das Geheimnis unwissend blieben, bleibt für die Nachwelt zu entscheiden übrig. Ein Ding ist auf jeden Fall gewiß. Da die Esoterik des Neuen Testamentes vollkommen mit der der hebräischen mosaischen Bücher übereinstimmt; und nachdem gleichzeitig eine Anzahl rein ägyptischer Symbole und heidnischer Dogmen im allgemeinen - zum Beispiel die Dreieinigkeit. - von den synoptischen Büchern und vom heiligen Johannes nachgeahmt und aufgenommen worden ist, so wird es einleuchtend, daß die Gleichartigkeit jener Symbole den Verfassern des Neuen Testamentes, wer immer sie gewesen sein mögen, bekannt war. Sie müssen auch von der Priorität der ägyptischen Esoterik Kenntnis gehabt haben, da sie verschiedene Symbole sich angeeignet haben, welche rein ägyptische Begriffe und Glaubenslehren ihrer äußeren und inneren Bedeutung nach darstellen, und welche sich in dem jüdischen Kanon nicht finden. Eines von diesen ist die Wasserlilie in den Händen des Erzengels, in den frühzeitigen Darstellungen seiner Erscheinung vor der Jungfrau Maria; und diese symbolischen Bilder haben sich bis zum heutigen Tage in der Ikonographie der griechischen und römischen Kirche erhalten.

So geben Wasser, Feuer und das Kreuz, sowie die Taube, das Lamm und andere heilige Tiere mit all ihren Kombinationen esoterisch eine identische Bedeutung und müssen als eine Verbesserung gegenüber dem reinen und einfachen Judentum angenommen worden sein.

[8] Dieselbe Idee wird exoterisch ausgeführt bei den Ereignissen gelegentlich des Auszuges aus Ägypten. Gott der Herr versucht den Pharaoh schwer, und ,,schlägt ihn mit großen Plagen“, damit der König nicht der Strafe entgehe und so keinen Vorwand für einen weiteren Triumph seines ,,auserwählten Volkes“ liefere