ABTEILUNG IX. DER MOND; DEUS LUNUS, PHOEBE.
Dieses archaische Symbol ist das poetischste, sowie auch das philosophischste von allen Symbolen. Die alten Griechen stellten es in den Vordergrund. und die modernen Poeten haben es bis zur Fadenscheinigkeit abgetragen. Die Königin der Nacht, die in der Majestät ihres. unvergleichlichen Lichtes am Himmel dahinschwebt, alle, selbst den Hesperus, verdunkelt, und ihren Silbermantel über die ganze Sternenwelt ausbreitet, war immer ein Lieblingsstoff aller Dichter der Christenheit, von Milton und Shakespeare herab bis zum letzten Verseschmied. Aber die strahlende Lampe der Nacht mit ihrem Gefolge von unzähligen Sternen sprach bloß zur Phantasie der Profanen. Bis vor kurzem hatten Religion und Wissenschaft mit dem schönen Mythos nichts zu thun. Doch steht die kalte keusche Mondgöttin, die, wie Shelley singt:
in engerer Beziehung zur Erde als irgend ein anderes Gestirn. Die Sonne ist der Geber des Lebens für das ganze Planetensystem; der Mond ist der Lebensspender für unsere Kugel; und die Völker der Vorzeit verstanden und wußten es selbst schon in ihrer Kindheit. Er ist die Königin und er ist der König. Er war König Soma, bevor er in die Phoebe und in die keusche Diana umgestaltet wurde. Er ist vorwiegend die Gottheit der Christen, auf dem Wege der mosaischen und kabbalistischen Juden, wenn auch der civilisierten Welt diese Thatsache für lange Zeit unbekannt geblieben sein mag; thatsächlich immer seitdem der letzte initiierte Kirchenvater sterbend die Geheimnisse der heidnischen Tempel mit sich ins Grab genommen hatte. Für solche Kirchenväter wie für Origenes oder Clemens von Alexandria war der Mond Jehovahs lebendiges Symbol; der Geber des Lebens und der Geber des Todes, der Spender des Daseins - in unserer Welt. Denn wenn Artemis Luna am Himmel und, bei den Griechen, Diana auf Erden war, welche der Kindergeburt und dem Leben vorstand; war sie bei den Ägyptern Hekat (Hekate) in der Hölle, die Göttin des Todes, die Beherrscherin der Magie und der Zaubereien. Mehr als das. Als der personificierte Mond, dessen Erscheinungen dreifaltig sind, ist Diana-Hekate-Luna., die Drei in Einem. Denn sie ist die Diva triformis, tergemina, triceps, mit drei Häuptern auf einem Halse, [1] wie Brahmâ-Vishnu-Shiva. Daher ist sie das Vorbild unserer Dreieinigkeit, die nicht immer ausschließlich männlich gewesen ist. Die Zahl sieben, die in der Bibel eine so hervorragende Rolle spielt, die so heilig ist im siebenten Tage oder Sabbath, kam zu den Juden aus dem Altertume und hatte ihren Ursprung in der vierfältigen Zahl 7, die in den 28 Tagen des Mondmonats enthalten ist, wobei jeder siebenfältige Teil davon durch ein Mondviertel dargestellt wurde. Es ist der Mühe wert, in diesem Werke einen Blick aus der Vogelschau zu geben über den Ursprung und die Entwicklung des Mondmythos und der Mondverehrung im historischen Altertume, auf unserer Seite der Kugel. Ihr früherer Ursprung ist für die exakte Wissenschaft, welche alle Überlieferung verwirft, unauffindbar; während für die Theologie, welche unter Leitung der schlauen Päpste jedem Bruchstücke von Litteratur, das nicht das imprimatur der römischen Kirche trägt, ein Brandmal aufgedrückt hat, ihre archäische Geschichte ein versiegeltes Buch ist. Ob die ägyptische oder die ârisch-indische Religionsphilosophie die ältere ist - die Geheimlehre sagt, daß es die letztere ist - thut in diesem Falle nicht viel zur Sache, da die Mond- und Sonnen-„Verehrung“ die ältesten in der Welt sind. Beide sind am Leben geblieben, und herrschen bis zum heutigen Tage durch die ganze Welt; bei einigen offen, bei anderen - wie zum Beispiel in der christlichen Symbologie - verborgen. Die Katze, ein lunares Symbol, war der Isis geweiht, die in einem Sinne der Mond war, gerade so, wie Osiris die Sonne war, und findet sich oft auf der Spitze des Sistrums in der Hand der Göttin. Dieses Tier war Gegenstand großer Verehrung in der Stadt Bubastis, die beim Tode der heiligen Katzen in tiefe Trauer verfiel, weil Isis als der Mond in dieser Stadt der Mysterien besonders verehrt wurde. Die astronomische Symbolik im Zusammenhang damit wurde bereits in Abteilung I gegeben, und niemand hat sie besser beschrieben als Herr Gerald Massey, in seinen Lectures und in The Natural Genesis. Das Auge der Katze, heißt es, scheint den Mondphasen in ihrer Zunahme und Abnahme zu folgen, und ihre Augen leuchten wie zwei Sterne in der Dunkelheit der Nacht. Daher stammt die mythologische Allegorie, welche die Diana sich unter der Gestalt einer Katze im Mond verbergen läßt, als sie in Gesellschaft von anderen Gottheiten der Verfolgung des Typhon zu entkommen suchte, wie es in den Metamorphosen des Ovid erzählt ist. Der Mond war in Ägypten das „Auge des Horus“, sowie auch das „Auge des Osiris“, der Sonne. Dasselbe gilt vom Kynokephalos. Der hundsköpfige Affe war eine Glyphe für die Darstellung der Sonne und des Mondes der Reihe nach, obwohl der Kynokephalos thatsächlich mehr ein hermetisches als ein religiöses Symbol ist. Denn er ist die Hieroglyphe des Merkur, des Planeten, und des Merkur der alchimistischen Philosophen, welche sagen:Merkur muß immer nahe der Isis sein, als ihr Diener, denn ohne Merkur können weder bis noch Osiris irgend etwas in dem Großen Werke vollbringen. So oft der Kynokephalos mit dem Schlangenstabe, dem Halbmond, oder dem Lotus abgebildet ist, ist er eine Glyphe für den ,,philosophischen“ Merkur; wenn er aber mit einem Rohre, oder einer Pergamentrolle zu sehen ist, steht er für Hermes, den Sekretär und Ratgeber der Isis, wie Hanumâna dasselbe Amt bei Râma ausfüllte. [1] Die Göttin [korrekter Abdruck siehe Buch] unter dem Standbildern des Alkamenes. |