Diese Lehre war universal, und es war auch nicht das Gemüt irgend eines Hierogrammatikers, das sie hervorgebracht hat; denn die indischen Avatâras sind ein Beweis für das Gegenteil. Nachdem er hierauf dazu gekommen, „sich klarer zu vergegenwärtigen“, [20] was der „göttliche Vater und Sohn“ bei den Ägyptern gewesen ist; verfehlt de Rougé noch immer, zu erklären und zu verstehen, welcher Art die Funktionen waren, die dem weiblichen Principe in dieser ursprünglichen Zeugung zugeschrieben wurden. Er findet es nicht in der Göttin Neith von Sais. Und doch citiert er die Ansprache des Komturen an den Kambyses, da er diesen König in den saitischen Tempel einführte: ,,Ich machte kund seiner Majestät die Würde von Sais, welches der Aufenthalt von Neith, der großen (weiblichen) Hervorbringerin ist, der Gebärerin des Sonnengottes, welches da ist der Erstgeborene, und welcher nicht erzeugt ist, sondern bloß hervorgebracht“ - und somit die Frucht einer Unbefleckten Mutter ist.

Um wie viel großartiger, philosophischer und poetischer - für jeden, welcher im stande ist, ihn zu verstehen und zu würdigen - ist der wirkliche Unterschied zwischen der Unbefleckten Jungfrau der alten Heiden und der der modernen päpstlichen Auffassung. Bei den ersteren erzeugt und bringt hervor die ewig junge Mutter Natur, das Gegenbild ihrer Vorbilder, der Sonne und des Mondes, ihren „aus der Seele geborenen“ Sohn, das Weltall. Sonne und Mond, als männlich-weibliche Gottheiten, befruchten die Erde, die mikrokosmische Mutter, und die letztere empfängt und gebiert wiederum ihrerseits. Bei den Christen ist der „Erstgeborene“ (primogenitus) in der That erzeugt, d. h. gezeugt (genitus, non factus) und thatsächlich empfangen und geboren: „Virgo pariet“, erklärt die römische Kirche. So zieht diese Kirche das edle geistige Ideal der Jungfrau Marie zur Erde herab, und, indem sie es „von der Erde irdisch“ macht, erniedrigt sie das Ideal, welches sie abbildet, zur niedrigsten der anthropomorphischen Göttinnen der Menge.

Fürwahr, Neith, Isis, Diana, etc., mit was für einem Namen sie auch genannt wurde, war „eine demiurgische Göttin, gleichzeitig sichtbar und unsichtbar, die ihren Platz im Himmel hatte, und die Erzeugung der Arten beförderte“ - mit einem Wort der Mond.

Seine occulten Kräfte und Aspekte sind zahllos, und in einem von diesen wird der Mond bei den Ägyptern zur Hathor, einem anderen Aspekte der Isis, [21] und beide diese Göttinnen werden dargestellt, wie sie den Horus säugen. Man sehe in der ägyptischen Halle im britischen Museum die Hathor verehrt von dem Pharao Thotmes, welcher zwischen ihr und dem Herrn der Himmel steht. Der Monolith war aus Karnac gebracht. Eben diese Göttin hat folgende Aufschrift auf ihrem Throne angebracht: „Die göttliche Mutter und Herrin, oder Königin des Himmels;“ auch der „Morgenstern“, und das „Licht des Meeres“ - Stella Matutina und Lux Maris Alle Mondgöttinnen hatten einen zweifachen Aspekt; der eine war göttlich, der andere höllisch. Alle waren die jungfräulichen Mütter eines auf unbefleckte Weise geborenen Sohnes - der Sonne. Raoul Rochette zeigt die Mondgöttin der Athener, Pallas, oder Kybele, Minerva, oder wiederum Diana, ihr Knäblein auf ihrem Schoße haltend, bei ihren Festlichkeiten angerufen als [korrekter Abdruck siehe  Buch], die „Eine Mutter Gottes“, auf einem Löwen sitzend, und von zwölf Persönlichkeiten umgeben, in welchen der Occultist die zwölf großen Götter erkennt, und der fromme christliche Orientalist die Apostel, oder vielmehr die griechisch-heidnische Prophezeiung derselben.

Sie sind beide im Recht, denn die unbefleckte Göttin der römischen Kirche ist eine getreue Kopie der älteren heidnischen Göttinnen; die Zahl der Apostel ist die der zwölf Stämme, und die letzteren sind eine Personifikation der zwölf großen Götter und der zwölf Zeichen des Tierkreises. Fast jede Einzelnheit des christlichen Dogmas ist von den Heiden entlehnt. Semele, das Weib des Jupiter und die Mutter des Bacchus, der Sonne, ist nach Nonnus ebenfalls „emporgetragen“ oder in den Himmel erhoben nach ihrem Tode, wo sie zwischen Mars und Venus herrscht, unter dem Namen der „Königin der Welt“, oder des Universums, [korrekter Abdruck siehe  Buch]; „bei deren Namen“, wie bei dem Namen der Hathor, Hekate, und anderer Höllengöttinnen, „alle Dämonen erzittern“. [22]

„[korrekter Abdruck siehe  Buch]“. Diese griechische Inschrift auf einem kleinen Tempel, reproduciert auf einem Steine, welchen Reger gefunden und Montfaucon kopiert hat, wie uns De Mirville sagt, teilt uns die überraschende Thatsache mit, daß die Magna Mater der alten Welt ein unverschämtes „Plagiat“ au der unbefleckten jungfräulichen Mutter seiner Kirche war, verübt vom Teufel. Ob so oder umgekehrt, ist nicht von Wichtigkeit. Von Interesse zu bemerken ist nur die vollkommene Übereinstimmung zwischen der archaischen Kopie und dem modernen Original.


[20] Seine klare Vergegenwärtigung ist die, daß die Ägypter den Jehovah (!) und seinen Fleisch gewordenen Erlöser (die gute Schlange), etc. prophezeiten; sogar die, den Typhon mit dem bösen Drachen des Gartens Eden zu identificieren. Und derlei passiert für ernste und besonnene Wissenschaft!

[21] Hathor ist die infernale Isis, die Göttin insbesondere des Westens oder der Unterwelt.

[22] Dies ist aus De Mirville, welcher stolz die Ähnlichkeit verkündet, und der mußte es wissen. Siehe ,,Archéologie de la Vierge Mère“, in seinem Des Esprit. pp. 111-113.