Die beste metaphysische Definition der ursprünglichen Theogonie im Geiste der Vedântisten ist in den „Bemerkungen zur Bhagavad Gîtâ“ von T. Subba Row zu finden. Der Vortragende sagt seiner Zuhörerschaft über Parabrahman, das Unbekannte und Unerkennbare:

Es ist nicht Ich, es ist nicht Nicht-Ich, noch ist es Bewußtsein . . . . . es ist nicht eine mal Âtmâ . . . . . aber, obwohl nicht selbst ein Gegenstand der Erkenntnis, ist es doch im stande, jede Art von Objekt und jede Art von Dasein, welche Gegenstand der Erkenntnis wird, zu tragen und hervorzurufen. . . (Es ist) die eine Wesenheit, aus welcher ein Energiecentrum ins Dasein tritt . . . . (welches er den Logos nennt). [12]

Dieser Logos ist das Shabda Brahman der Inder, welchem er nicht einmal den Namen Îshvara (der „Herr“ Gott) geben will, damit das Wort nicht Verwirrung in den Vorstellungen der Leute anrichte. Er ist der Avalokiteshvara der Buddhisten, das Verbum der Christen in seiner wirklichen esoterischen Bedeutung, nicht in seiner theologischen Entstellung.

Er ist der erste Jñata oder das erste Ego im Kosmos, und jedes andere Ego . . . . ist bloß seine Reflexion und Offenbarung. . . . . . Er existiert in einem latenten Zustand im Schoße des Parabrahman, zur Zeit des Pralaya . . . (Während des Manvantara) hat er sein eigenes Bewußtsein und seine eigene Individualität. . . . . (Er ist ein Energiecentrum, aber) solcher Energiecentren giebt es nahezu unzählige, im Schoße von Parabrahman. Man darf nicht glauben, daß (selbst) dieser Logos (der Schöpfer ist, oder daß er) bloß ein einziges Energiecentrum ist . . . . . Ihre Zahl ist nahezu unendlich. . . . (Dies) ist das erste Ego, welches im Kosmos erscheint, und ist das Ende aller Entwicklung. (Es ist das abstrakte Ego). . . . . Dies ist die erste Offenbarung (oder der erste Aspekt) von Parabrahman. . . . Sobald es als ein bewußtes Wesen ins Dasein tritt . . . . erscheint ihm Parabrahman von seinem objektiven Standpunkt als Mûlaprakriti. Man möge dies wohl beachten, . . . denn hier liegt die Wurzel der Schwierigkeit, die von verschiedenen Schriftsellern über Vedântaphilosophie in Bezug auf Purusha und Prakriti empfunden wurde. . . . Diese Mûlaprakriti ist für ihn (den Logos) so materiell, wie irgend ein materieller Gegenstand für uns materiell ist. Diese Mûlaprakriti ist nicht mehr Parabrahman als das Bündel von Attributen eines Pfeilers der Pfeiler selbst ist; Parabrahman ist eine unbedingte und absolute Realität, und Mûlaprakriti ist eine Art von Schleier, der über dasselbe geworfen ist. Parabrahman selbst kann nicht gesehen werden, wie es ist. Der Logos sieht es bedeckt mit einem Schleier, und dieser Schleier ist die mächtig ausgebreitete kosmische Materie. . . . Nachdem Parabrahman einerseits als das Ego und andererseits als Mûlaprakriti erschienen ist, wirkt es als die eine Energie durch den Logos. [13]

Und der Vortragende erklärt, was er unter diesem Wirken von Etwas, was Nichts ist, obwohl es das All ist, versteht, durch ein schönes Gleichnis. Er vergleicht den Logos mit der Sonne, durch welche Licht und Wärme ausstrahlen, aber deren Energie, Licht und Wärme in irgend welchem unbekannten Zustande im Raume existieren und im Raume bloß als sichtbares Licht und sichtbare Wärme ausgebreitet werden, während die Sonne nur der Vermittler davon ist. Dies ist die erste dreifältige Hypostase. Die vierfältige wird abgeschlossen durch das Energie verleihende Licht, welches von dem Logos ausgegossen wird.

Die hebräischen Kabbalisten stellten es auf eine Art dar, die mit der vedântistischen identisch ist. Ain Suph, so lehrten sie, könnte nicht erfaßt, nicht einem bestimmten Raume angewiesen oder benannt werden, obwohl er die unverursachte Ursache von Allem ist. Daher ist sein Name, Ain Suph, ein negativer Ausdruck, „der Unerforschbare, der Unerkennbare, und der Unbenennbare“. Sie machten daher aus ihm einen schrankenlosen Kreis, eine Sphäre, von der der menschliche Intellekt mit äußerster Anstrengung nur das Gewölbe sehen konnte. In den Worten eines Mannes, der vieles in dem kabbalistischen System höchst gründlich enträtselt hat nach einer von seinen Bedeutungen hin, nach seiner numerischen und geometrischen Esoterik:

Schließt eure Augen und versuchet, von euerem eigenen Vorstellungsbewußtsein aus nach außen bis an die äußersten Grenzen in jeder Richtung zu denken. Ihr werdet finden, daß gleichlange Linien oder Strahlen der Vorstellung sich gleichmäßig nach allen Richtungen erstrecken, so daß die äußerste Anstrengung der Vorstellung in dem Gewölbe einer Kugel ihre Grenze finden wird. Die Begrenzung dieser Kugel wird notwendiger Weise ein großer Kreis sein, und die direkten Gedankenstrahlen in irgend einer Richtung müssen geradlinige Halbmesser des Kreises sein. Dieser muss nun, menschlich gesprochen, die weiteste, allumfassende Vorstellung vom geoffenbarten Ain Suph sein, die sich von selbst als eine geometrische Figur entwickelt, nämlich als ein Kreis mit seinen Elementen des gekrümmten Umfanges und des geradlinigen Durchmessers, der sich in Halbmesser teilt. Daher ist eine geometrische Figur das erste erkennbare Mittel für den Zusammenhang von Ain Suph und Intelligenz des Menschen. [14]

Dieser große Kreis, den die östliche Esoterik auf den Punkt innerhalb des schrankenlosen Kreises reduciert, ist der Avalokiteshvara, der Logos, oder das Verbum, von dem T. Subba Row spricht. Aber dieser Kreis oder geoffenbarte Gott ist uns ebenso unbekannt, ausgenommen durch sein geoffenbartes Weltall, wie das EINE, wenn er auch für unsere höchste Vorstellungskraft leichter oder vielmehr möglicher ist.


[12] The Theosophist, Febr. 1887, pp. 302-3.

[13] Ebenda, p. 304.

[14] The Masonic Review, June 1886