Was waren einige von diesen angeblichen „Aberglauben?“ Hesiod glaubte zum Beispiel, daß „die Winde die Söhne des Riesen Typhôeus waren,“ die von Aeolus nach Belieben gefesselt und entfesselt wurden, und die polytheistisehen Griechen nahmen mit Hesiod dasselbe an. Warum sollten sie das nicht, nachdem die monotheistischen Juden denselben Glauben hatten, nur mit anderen Namen für die Personen des Schauspieles, und nachdem die Christen bis zum heutigen Tage dasselbe glauben? Die hesiodischen Aeolus, Boreas u. s. w. wurden von dem „auserwählten Volke“ von Israel Kedem, Tzephum, Derum und Ruach Hayum genannt. Was ist da der fundamentale Unterschied? Während den Hellenen gelehrt wurde, daß Aeolus die Winde band und losband, glaubten die Juden ebenso eifrig, daß ihr Herr Gott mit „ Dampf“, der aufgieng „von seiner Nase und verzehrendem Feuer von seinem Munde . . . auf dem Cherub fuhr und daher flog, und schwebte auf den Fittichen des Windes.“ [13] Die Ausdrücke der beiden Nationen sind entweder beides Redefiguren, oder beides Aberglauben. Wir glauben, daß keines von ihnen das ist, sondern daß sie bloß aus einem starken Gefühl für die Einheit mit der Natur und aus einer Wahrnehmungsfähigkeit für das hinter jeder natürlichen Erscheinung liegende Geheimnisvolle und Intelligente entspringen, was die Modernen nicht mehr besitzen. Auch war es nicht „abergläubisch“ von den griechischen Heiden, auf das delphische Orakel zu hören, als dieses Orakel ihnen beim Herannahen der Flotte des Xerxes den Rat gab, „den Winden zu opfern,“ wenn dasselbe bei den Israeliten, die ebenso oft dem Winde und insbesondere dem Feuer geopfert haben, für göttliche Verehrung zu gelten hat. Sagen diese nicht, daß ihr „Gott ein verzehrendes Feuer ist,“ [14] der gewöhnlich als Feuer und „von Feuer umgeben“ erschien, und suchte nicht Elias den „Herrn“ in dem „großen starken Wind und in dem Erdbeben?“ Wiederholen dies nicht nach ihnen die Christen? Opfern sie nicht obendrein bis zum heutigen Tage demselben „Gotte des Windes und des Wassers?“ Jawohl; denn besondere Gebete um Regen, trockenes Wetter, günstige Winde und Beruhigung der Seestürme existieren bis zur Stunde in den Gebetbüchern der drei christlichen Kirchen; und die verschiedenen hundert Sekten der protestantischen Religion bringen sie ihrem Gotte bei jedem drohenden Unheile dar. Die Thatsache, daß dieselben von Jehovah nicht mehr erhört werden, als wahrscheinlich ehemals von Jupiter Pluvius, ändert nichts an der Thatsache, daß diese Gebete an die Kraft oder an die Kräfte gerichtet werden, von denen man vermutet, daß sie die Elemente beherrschen, oder daß diese Kräfte in Heidentum und Christentum identisch sind; oder müssen wir etwa glauben, daß solche Gebete roher Götzendienst und unsinniger Aberglauben bloß dann sind, wenn sie von einem Heiden an sein „Idol“ gerichtet werden, und daß sich der nämliche Aberglaube plötzlich in „rühmenswerte Frömmigkeit“ und „Religion“ verwandelt, sobald der Name des himmlischen Adressaten geändert wird? Aber der Baum wird an seiner Frucht erkannt. Und da die Frucht des Baumes des Christentums nicht besser ist als die des Baums des Heidentums, warum sollte das erstere mehr Ehrfurcht einflößen als das letztere?

Wenn uns daher vom Chevalier Drach, einem jüdischen Convertiten, und vom Marquis de Mirville, einem römisch-katholischen Fanatiker aus der französischen Aristokratie, gesagt wird, daß im Hebräischen der „Blitz“ gleichbedeutend mit „Wut“ ist, und immer vom „bösen“ Geiste gehandhabt wird; daß Jupiter Fulgur oder Fulgurans auch von den Christen Elicius genannt, und als die „Seele des Blitzes“, als sein Dämon gebranntmarkt wird; [15] so müssen wir entweder dieselbe Erklärung und dieselben Definitionen auf den „Herrn Gott von Israel“ anwenden, oder wir müssen auf unser Recht verzichten, die Götter und Glauben anderer Nationen zu schmähen.

Die vorangehenden Sätze sind, nachdem sie thatsächlich von zwei eifrigen und gelehrten römischen Katholiken herstammen, um das Mindeste zu sagen: gefährlich angesichts der Bibel und ihrer Propheten. In der That, wenn Jupiter, der „Hauptdämon der heidnischen Griechen“, seine todbringenden Donnerkeile und Blitze gegen jene schleuderte, die seinen Zorn erregten, so that der Herr Gott des Abraham und Jakob desgleichen. Denn wir lesen:

Der Herr donnerte vom Himmel und der Höchste ließ seinen Donner aus. Er schoss seine Strahlen (Donnerkeile) und zerstreute sie (Sauls Heerscharen); er ließ blitzen, und schreckte sie. [16]

Den Athenern wird zum Vorwurf gemacht, daß sie dem Boreas geopfert haben; und dieser „Dämon“ wird beschuldigt, 400 Schiffe der persischen Flotte an den Felsen des Berges Pelion zum Scheitern und Sinken gebracht zu haben, und so wild geworden zu sein, daß die gesamten Magier des Xerxes ihm kaum entgegenarbeiten konnten durch Darbringung von Gegenopfern an die Thetis. [17] Sehr glücklicherweise findet sich in den Berichten über die christlichen Kriege kein authentisches Beispiel, daß eine gleiche Katastrophe im selben Maßstabe eine christliche Flotte betroffen hätte, infolge der Gebete ihres Feindes - einer anderen christlichen Nation. Aber daran sind nicht diese Schuld, denn eine jede betet ebenso heiß zu Jehovah um die Vernichtung der andern, wie die Athener zum Boreas gebetet haben. Beide nahmen con amore Zuflucht zu einem netten kleinen Stück schwarzer Magie. Da eine solche Zurückhaltung von göttlicher Einmischung schwerlich einem Mangel an Gebeten zuzuschreiben ist, die an den gemeinsamen allmächtigen Gott um gegenseitige Vernichtung gesendet werden, wo sollen wir nun die Scheidelinie zwischen Heiden und Christen ziehen? Und wer kann daran zweifeln, daß nicht das ganze protestantische England jubeln und dem Herrn danken würde, wenn in einem Kriege der Zukunft 400 Schiffe der feindlichen Flotte infolge solcher heiligen Gebete scheitern würden? Was ist da, fragen wir nochmals, für ein Unterschied zwischen einem Jupiter, einem Boreas und einem Jehovah? Kein größerer als dieser: das Verbrechen des nächsten Blutsverwandten, sagen wir des eigenen Vaters, wird immer entschuldigt und oft verherrlicht, während das Verbrechen des Verwandten unseres Nachbars immer mit Vergnügen mit dem Henkertode bestraft wird. Das Verbrechen aber ist dasselbe.
In soweit scheinen die „Segnungen des Christentums“ keinen merklichen Fortschritt in der Moral der bekehrten Heiden bewirkt zu haben.
Das Obige ist keine Verteidigung der heidnischen Götter, noch ist es ein Angriff auf die christliche Gottheit, noch bedeutet es Glauben an die einen oder an die andere. Die Schreiberin ist ganz unparteiisch und verwirft das Zeugnis zu Gunsten von beiden, indem sie zu irgend einem solchen „persönlichen“ und anthropomorphischen Gott weder betet, noch an denselben glaubt, noch ihn fürchtet. Die Parallelen wurden einfach vorgebracht als eine weitere merkwürdige Bekundung des unlogischen und blinden Fanatismus des zivilisierten Theologen. Denn insoweit ist kein sehr großer Unterschied zwischen den beiden Glauben, und gar keiner in ihren beziehungsweisen Einwirkungen auf die Moralität oder geistige Natur. Das „Licht Christi“ scheint heute auf ebenso scheußliche Gestaltungen des tierischen Menschen, wie das „Licht Lucifers“ in der alten Zeit. Der Missionär Lavoisier sagt im Journal des Colonies:

Diese unglücklichen Heiden betrachten in ihrem Aberglauben sogar die Elemente als etwas Verstanderfülltes! . . .  Sie glauben noch immer an ihren Götzen Vâyu - den Gott oder vielmehr den Dämon des Windes und der Luft . . . sie bauen fest auf die Wirksamkeit ihrer Gebete, und auf die Macht ihrer Brâhmanen über die Winde und Stürme.


[13] II. Sam., XXII. 9, 11.

[14] Deut., IV. 24

[15] a. a. O., III. 415.

[16] II. Sam., 14, 15.

[17] Herodot, Polyhymnia. 190. 191