Es mag im Vorbeigehen erwähnt werden, daß ein Schriftsteller in der That eine krankhafte Einbildungskraft haben muß, um überall Phallusdienst zu entdecken, wie es McClatchey und Hargrave Jennings thun. Ersterer entdeckt „die alten phallischen Götter, dargestellt unter zwei einleuchtenden Symbolen, dem Khin oder Yang, der das membrum virile ist, und der Khw-an oder Yin, dem pudendum muliebre.“ [3] Eine solche Darstellung erscheint um so seltsamer, als Kwan-Shi-Yin (Avalokiteshvara) und Kwan-Yin, abgesehen davon, daß sie jetzt die Schutzgottheiten der buddhistischen Asketen, der Yogîs von Tibet, sind, die Götter der Keuschheit sind, und ihrer esoterischen Bedeutung nach nicht einmal das, was die Darstellung von Herrn Rhys Davids‘ Buddhism in sich schließt: „Der Name Avalokiteshvara . . . bedeutet ,der Herr, welcher von oben herabblickt‘.“ [4] Ferner ist Kwan-Shi-Yin nicht der „Geist der Buddhas, gegenwärtig in der Kirche“, sondern buchstäblich erklärt bedeutet er „der Herr, welcher gesehen wird“ und in einem Sinne „das göttliche SELBST, welches wahrgenommen wird“ - vom menschlichen Selbst - d. i. der Âtman oder das siebente Prinzip, das in das universale ein­getaucht ist und wahrgenommen wird oder Gegenstand der Wahrnehmung ist von Buddhi, dem sechsten Prinzip oder der göttlichen Seele im Menschen. In einem noch höheren Sinne ist Avalokiteshvara-Kwan-Shi-Yin, wenn er als das siebente universale Prinzip bezeichnet wird, der Logos wahrgenommen von der universalen Buddhi oder Seele als die zusammenfassende Schar der Dhyâni-Buddhas; und er ist nicht der „Geist des Buddha, der in der Kirche gegenwärtig ist“, sondern der allgegenwärtige universale Geist, der in dem Tempel des Kosmos oder der Natur zur Offenbarung gelangt. Diese orientalistische Etymologie von Kwan und Yin steht auf gleicher Stufe mit der von Yogini, was, wie uns Hargrave Jennings sagt, ein Sanskritwort ist, „in den Dialekten ausgesprochen Jogi oder Zogi (!), und . . . gleichwertig ist mit Sena, und genau dasselbe wie Duti oder Dutica“, d. i. eine heilige Prostituierte des Tempels, die als Yoni oder Shakti verehrt wird. [5] „Die Bücher über Moral (in Indien) weisen eine pflichtgetreue Gattin an, die Gesellschaft von Yoginis oder Weibern, die als Sacti angebetet worden sind, zu meiden“. [6] Nach diesem kann uns nichts mehr überraschen. Und wir lächeln daher kaum, wenn wir eine andere alberne Sinnwidrigkeit zitiert finden über „Budh, das ein Name sein soll, „der nicht bloß die Sonne als die Quelle der Zeugung bedeutet, sondern auch das männliche Glied.“ [7] Max Müller sagt in einer Abhandlung über „Falsche Analogien“: „der gelehrteste Sinologe seiner Zeit, Abel Rémusat, . . . behauptet, daß die drei Silben I Hi Wei (im vierzehnten Kapitel des Tao-te-King) Je-ho-vah bedeuten sollten“; [8] und weiter: „Pater Amyot nahm mit Sicherheit an, daß die drei Personen der Dreieinigkeit zu finden seien“ in demselben Werke. Und wenn Abel Rémusat, warum nicht Hargrave Jennings? Jeder Gelehrte wird die Sinnwidrigkeit davon erkennen, jemals in Budh, dem „Erleuchteten“ oder dem „Erwachten“ ein „phallisches Symbol“ zu sehen.


[3] China Revealed, citiert in Hargrave Jennings‘ Phallicism, p. 273

[4] p. 202.

[5] a. a. O., p. 60.

[6] Ebenda.

[7] O‘Brien, Round Towers of Ireland, zitiert von Hargrave Jennings in seinem Phallicisrn, p. 246

[8] Introduction to the Science of Religion, p. 352