Aber in dem Glauben, daß alles auf Erden der
Schatten von etwas im Raume ist, glauben sie an kleinere „Atem“, welche
lebendig, intelligent und von allem, außer von dem Gesetze unabhängig,
in einer jeden Richtung während der manvantarischen Perioden wehen. Dies
wird die Wissenschaft verwerfen. Aber was auch immer man aufstellen wird,
um die Anziehung, anders genannt Schwere, zu ersetzen, das Ergebnis wird
das gleiche sein. Die Wissenschaft wird dann ebenso weit von der Lösung
dieser Schwierigkeiten entfernt sein als jetzt, bis sie nicht zu einem
Ausgleiche mit dem Occultismus, und sogar mit der Alchimie kommt - eine
Annahme, die zwar als eine Frechheit betrachtet werden wird, aber nichts
destoweniger eine Thatsache bleibt. Wie Faye sagt:
Etwas fehlt den Geologen, um Geologie des Mondes treiben
zu können, nämlich Astronomen zu sein. Wahrhaftig, es fehlt auch etwas
den Astronomen, um dieses Studium mit Erfolg vornehmen zu können, nämlich,
Geologen zu sein.
Aber er hätte mit noch größerer Schärfe hinzufügen können:
Und das, was ihnen beiden fehlt, ist die Intuition des
Mystikers.
Erinnern wir uns an Sir William Groves weise „Schlußbemerkungen“ über
die letzte Struktur der Materie, oder über die Einzelnheiten der molekularen
Einwirkungen, die, wie er dachte, der Mensch niemals kennen wird.
Viel Schaden ist bereits angerichtet worden durch den
Versuch, die Materie hypothetisch zu zerlegen und die Gestalten, Größen
und Zahlen der Atome und ihre Atmosphären von Wärme, Ether oder Elektricität
zu erörtern. Einerlei ob die Betrachtung von Elektricität, Licht, Magnetismus
u. s. w. als einfacher Bewegungsarten der gewöhnlichen Materie zulässig
ist oder nicht, sicher ist, daß alle vergangenen Theorien die Wirkung
dieser Kräfte in Bewegung aufgelöst haben, und daß alle gegenwärtigen
Theorien sie darein auflösen. Sei es nun, daß wir wegen unserer Vertrautheit
mit der Bewegung andere Eigenschaften auf diese zurückführen als auf die
Sprache, die am leichtesten zu handhaben und zu ihrer Erklärung am geeignetsten
ist, oder sei es, daß sie in Wirklichkeit die einzige Art ist, auf die
unsere Gemüter, als gegensätzlich unterschieden von unseren Sinnen, materielle
Agentien sich vorzustellen fähig sind; sicher ist, daß seit der Zeit,
zu der die mystischen Begriffe von geistigen und außernatürlichen Kräften
zur Erklärung physischer Phänomene angewendet wurden, alle zur Erklärung
derselben ausgedachten Hypothesen sie in Bewegung aufgelöst haben.
Und dann stellt der Gelehrte einen rein occulten Satz auf:
Der Ausdruck „beständige Bewegung“, den ich in diesen
Blättern nicht selten gebraucht habe, ist in sich selbst unbestimmt. Wenn
die hier vorgebrachten Lehren wohlbegründet sind, so ist jede Bewegung
in einem gewissen Sinne beständig. In Massen, deren Bewegung durch gegenseitiges
Aufeinanderprallen gehemmt wird, wird Wärme oder Bewegung der Teilchen
erzeugt; und so dauert die Bewegung fort, so daß, wenn wir es wagen könnten,
solche Gedanken auf das Weltall zu verallgemeinern, wir annehmen müßten,
daß für immer eine und dieselbe Menge von Bewegung eine und dieselbe Menge
von Materie beeinflußt.
[15]
Genau, wie es der Occultismus behauptet, und auf demselben Prinzipe
beruhend, ist:
Wo eine Kraft einer anderen Kraft entgegenwirkt und statisches
Gleichgewicht hervorbringt, wird die Ruhe eines vorher bestandenen Gleichgewichtes
gestört und eine neue Bewegung frei gemacht, die derjenigen äquivalent
ist, die in einen Zustand der Unthätigkeit zurückgetreten ist.
Dieser Vorgang findet Unterbrechungen im Pralaya, ist aber ewig
und unaufhörlich als der „Atem“ selbst dann, wenn der geoffenbarte Kosmos
ruht.
Wenn wir somit annehmen, daß die Attraktion oder Gravitation aufgegeben
werden solle, um aus der Sonne einen ungeheuren Magneten zu machen, -
eine Theorie, die bereits von einigen Physikern angenommen wird - einen
Magneten, der auf die Planeten ebenso einwirkt, wie man es jetzt von der
Attraktion annimmt, bis wohin, oder um wie viel weiter über ihren jetzigen
Standpunkt hinaus mag das die Astronomen führen? Nicht einen Zoll weiter.
Kepler kam auf diese „merkwürdige Hypothese“ schon vor nahezu 300 Jahren.
Er hat die Theorie von der Anziehung und Abstoßung im Weltall nicht entdeckt,
weil diese bereits seit den Tagen des Empedokles bekannt war, von dem
die beiden einander entgegengesetzten Kräfte „Liebe“ und „Haß“ genannt
wurden - Worte, die denselben Gedanken enthalten. Aber Kepler gab eine
ziemlich gute Beschreibung des kosmischen Magnetismus. Daß ein solcher
Magnetismus in der Natur existiert, ist ebenso sicher, als daß die Gravitation
nicht existiert; auf keinen Fall auf die Art wie es von der Wissenschaft
gelehrt wird, die niemals die verschiedenen Arten in Erwägung gezogen
hat, nach denen die doppelte Kraft, die der Occultismus Anziehung und
Abstoßung nennt, innerhalb unseres Sonnensystems, der Erdatmosphäre und
außerhalb des Kosmos wirken kann.
So schreibt der große Humboldt:
Der transsolare Raum hat bisher
noch kein einziges Phänomen gezeigt, das unserem Sonnensystem analog wäre.
Es ist eine Besonderheit unseres Systems, daß die Materie sich in ihr
in Nebelringe kondensiert haben soll, deren Kerne sich zu Erden und Monden
verdichten. Ich sage es nochmals, bisher ist nichts von der Art jemals
außerhalb unseres Planetensystems beobachtet worden.
[16]
Allerdings wurden, seit im Jahre 1860 die
Nebeltheorie aufgetaucht und besser bekannt geworden ist, wie man vermutete,
ein paar gleichartige Phänomene außerhalb des Sonnensystems beobachtet.
Doch hat der große Mann vollständig recht; und weder Erden noch
Monde sind, ausgenommen scheinbar, jenseits unseres Systems
oder von derselben Ordnung der Materie, wie sie sich in unserem Systeme
findet, anzutreffen. So ist die occulte Lehre.
Dies wurde von Newton selbst bewiesen; denn es giebt viele Erscheinungen
in unserem Sonnensystem, die durch das Gesetz der Schwere zu erklären
er nach seinem eigenen Geständnis unfähig war: „solche waren die Gleichartigkeit
der Planetarischen Bewegungsrichtungen, die nahezu kreisförmigen Formen
der Bahnen, und die merkwürdige Übereinstimmung in der Lage der Bahnebenen.“
[17] Und wenn auch nur eine einzige Ausnahme ist, so kann
kein Recht vorhanden sein, das Gesetz der Gravitation als ein universales
Gesetz zu bezeichnen. „Diese Anordnungen“, so sagt man uns, „verkündete
Newton in seinem allgemeinen Scholium als ,das Werk eines intelligenten
und allmächtigen Wesens‘.“ Intelligent mag dieses „Wesen“ sein; was aber
das „allmächtig“ anbelangt, so wäre jeder Grund vorhanden, die Behauptung
zu bezweifeln. Das wäre ein armer „Gott“, der sich mit kleineren Einzelheiten
beschäftigen und das wichtigste sekundären Kräften überlassen wollte!
Die Armseligkeit dieses Argumentes und dieser Logik wird nur von der des
Laplace übertroffen, der bei dem ganz richtigen Versuche, an Stelle von
Newtons „allmächtigem Wesen“ die Bewegung zu setzen, und in Unkenntnis
der wahren Natur der ewigen Bewegung, in ihr ein blindes physikalisches
Gesetz sah. „Könnten nicht diese Anordnungen eine Wirkung der Gesetze
der Bewegung sein?“ fragt er, dabei wie alle unsere Gelehrten vergessend,
daß dieses Gesetz und diese Bewegung ein circulus vitiosus sind,
so lange die Natur von beiden unerklärt bleibt. Seine berühmte
Antwort an Napoleon: „Gott ist eine unnötige Hypothese geworden“ könnte
in richtigem Sinne nur von jemandem gegeben werden, der ein Anhänger der
Philosophie der Vedântisten ist. Sie wird zum reinen Irrtum, wenn wir
die Vermittlung thätiger, intelligenter und mächtiger (aber niemals „allmächtiger“)
Wesen ausschließen, die man „Götter“ nennt.
[15] Correl. Phys. Forces,
p. 173
[16] Siehe Revue Germanique vom 31. Dez. 1860, Art. ,Lettres et
Conversations d‘Alexandre Humboldt.“
|