Vor wenigen Jahren sagte der letztcitierte hervorragende
Gelehrte der Welt, daß die Zeit, welche die Erde brauchte, um vom Anfange
einer Krustenbildung bis zu ihrem gegenwärtigen Zustand sich abzukühlen,
nicht mehr als 80 000 000 Jahre betragen konnte.
[11] Wenn die Dauer des Krustenzustandes der Welt bloß 40 000
000 Jahre oder die Hälfte der bereits als möglich zugestandenen beträgt,
und die Sonne nicht älter als 15 000 000 Jahre ist, haben wir da zu verstehen,
daß die Erde einstens von der Sonne unabhängig war?
Nachdem die Alter der Sonne, der Planeten und der Erde, wie sie in den verschiedenen
wissenschaftlichen Hypothesen der Astronomen und Physiker aufgestellt sind,
an anderer Stelle weiter unten gegeben werden, so haben wir genug gesagt,
um die Nichtübereinstimmung zwischen den Dienern der modernen Wissenschaft
zu zeigen. Ob wir nun die fünfzehn Millionen Jahre des Sir William
Thomson oder die tausend Millionen. des Herrn Huxley für die Entwicklung
der Rotation in unserem Sonnensystem annehmen, es wird sich immer daraus
ergeben, daß durch die Annahme, die aus trägem Stoffe zusammengesetzten
und doch durch ihre eigene innere Bewegung bewegten Himmelskörper hätten
im Laufe der Jahrmillionen sich selbst in Rotation versetzt, diese Lehre
der Wissenschaft hinaus läuft auf:
a) Eine offenbare Leugnung des physikalischen
Grundgesetzes, welches besagt, daß „ein Körper in der Bewegung beständig
das Bestreben der Trägheit hat, d. h. des Verharrens in demselben
Zustand der Bewegung oder Ruhe, so lange er nicht durch eine überlegen
wirkende Kraft zu weiterer Thätigkeit angetrieben wird.“
b) Einen ursprünglichen Anstoß, der in einer unveränderlichen Bewegung
gipfelt, innerhalb eines widerstehenden Ethers, der nach Newtons Erklärung
unvereinbar mit einer solchen Bewegung ist.
c) Universale Schwere, die, wie uns gelehrt wird, immer nach einem
Mittelpunkt in geradlinigem Abfalle strebt - als alleinige Ursache der
Revolution des gesamten Sonnensystems, das einen ewigen doppelten Kreislauf
ausführt, nämlich ein jeder Körper um seine Achse und In seiner Bahn.
Eine andere gelegentliche Version ist:
d) Ein Magnet in der Sonne; oder daß die erwähnte Revolution einer
magnetischen Kraft zuzuschreiben sei, welche gerade so wie die Gravitation
geradlinig wirkt und sich im umgekehrten Verhältnisse mit dem Quadrate
des Abstandes ändert.
[12]
e) Das ganze findet nach unveränderlichen und wandellosen Gesetzen
statt, die sich aber nichtsdestoweniger oft als veränderlich erweisen,
wie bei verschiedenen wohlbekannten Launen der Planeten und anderer Körper,
sowie auch, wenn sich die Kometen der Sonne nähern oder sich wieder von
ihr abwenden.
f) Eine motorische Kraft, die immer der Masse proportional ist,
auf die sie einwirkt; die aber unabhängig von der specifischen Natur dieser
Masse ist, welcher sie proportional ist; was auf den Ausspruch Le Couturiers
hinausläuft welcher sagt:
Ohne diese Kraft, die von der genannten Masse unabhängig
und von einer ganz anderen Natur ist als diese Masse, würde die letztere,
einerlei ob sie so groß ist wie der Saturn, oder so klein wie die Ceres,
immer mit derselben Geschwindigkeit fallen.
[13]
Eine Masse obendrein, die ihr Gewicht von
dem Körper herleitet, auf dem sie lastet.
Daher können weder Laplaces Vorstellungen von einem solaren atmosphärischen
Fluidum, das sich über die Bahnen der Planeten hinauserstrecken soll,
noch Le Couturiers Elektricität, noch Foucaults Wärme, [14] noch dies, noch das, jemals
einer der zahlreichen Hypothesen über den Ursprung und Fortbestand der
Rotation dazu verhelfen, aus diesem Eichhörnchenrad zu entkommen - nicht
mehr, als die Theorie der Gravitation selbst. Dieses Geheimnis ist das
Prokrustesbett der Naturwissenschaft. Wenn die Materie passiv ist wie
uns jetzt gelehrt wird, so kann auch von der einfachsten Bewegung nicht
gesagt werden, daß sie eine wesentliche Eigenschaft der Materie sei -
da ja die letztere einfach als eine träge Masse betrachtet wird. Wie kann
nun eine so verwickelte Bewegung, zusammengesetzt und vielfältig, harmonisch
und im Gleichgewicht, dauernd in Ewigkeiten durch Millionen und Millionen
von Jahren, lediglich der ihr innewohnenden Kraft zugeschrieben werden,
wenn die letztere nicht eine Intelligenz ist? Ein physischer Wille ist
etwas neues - eine Vorstellung, der die Alten in der That niemals gehuldigt
hätten! Seit mehr als einem Jahrhundert ist jede Unterscheidung zwischen
Körper und Kraft beseitigt worden. „Kraft ist bloß die Eigenschaft eines
in Bewegung befindlichen Körpers“, sagen die Physiker; „Leben - die Eigenschaft
unserer animalischen Organe - ist bloß das Ergebnis ihrer molekularen
Anordnung,“ antworten die Physiologen. So lehrt Littré:
In dem Schoße der Massenanhäufung, die man einen Planeten
nennt werden alle die Kräfte entwickelt, die der Materie innewohnen .
. . d. h., diese Materie besitzt in sich selbst und durch sich
selbst die Kräfte, die ihr eigentümlich sind . . . und die primär,
nicht sekundär sind. Solche Kräfte sind die Eigenschaft des Gewichtes,
die Eigenschaft der Elektricität, des terrestrischen Magnetismus, die
Eigenschaft des Lebens . . . . Jeder Planet kann Leben entwickeln . .
. so wie die Erde z. B., auf der sich nicht immer eine Menschheit befand,
und die jetzt Menschen trägt (produit).
[15]
Ein Astronom sagt:
Wir sprechen von dem Gewichte der Himmelskörper, aber
nachdem es anerkannt ist, daß das Gewicht mit der Entfernung vom Centrum
abnimmt, so wird es einleuchtend, daß bei einem gewissen Abstand dieses
Gewicht seiner Wirksamkeit nach auf Null reduciert sein muß. Wenn irgend
eine Anziehung herrschen würde, so würde Gleichgewicht herrschen
. . . . Und nachdem die moderne Schule weder ein unten noch ein
oben im universalen Raum anerkennt, so ist es nicht klar, was die
Erde zum Fallen veranlassen sollte, auch wenn es weder Gravitation noch
Attraktion gäbe. [16]
[11] Thomson und Tait, Natural Philosophy.
Und selbst in Betreff dieser Zahlen steht Bischof in Widerspruch mit
Thomson, und berechnet, daß 350 000 000 Jahre erforderlich wären für
eine Abkühlung der Erde von einer Temperatur von 20 000 auf 200 Centigrade.
Dies ist auch die Ansicht von Helmholtz.
[12] Coulombsches Gesetz.
[13] Musée des Sciences, 15. August 1857.
[14] Panorama des Mondes, p. 55.
[15] Revue des Deux Mondes, 15. Juli 1860.
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