Der größte und verderblichste Irrtum, den die Wissenschaft nach Ansicht der Occultisten begangen hat, liegt in der Idee der Möglichkeit, daß ein solches Ding, wie anorganische oder tote Materie in der Natur existieren könne. Giebt es irgend etwas totes oder anorganisches, das einer Umänderung oder eines Wechsels fähig wäre? fragt der Occultismus. Und giebt es irgend etwas unter der Sonne, das unveränderlich oder wandellos bliebe?

Daß ein Ding tot sei, schließt für dasselbe in sich, daß es einmal lebendig gewesen ist. Wann? In welcher Periode der Weltentstehung? Der Occultismus sagt, daß in allen Fällen die Materie dann am thätigsten ist, wenn sie träge erscheint. Ein Holz- oder Steinblock ist für alle Absichten und Zwecke bewegungslos und undurchdringlich. Nichtsdestoweniger und thatsächlich befinden sich seine Teilchen in unaufhörlicher ewiger Schwingung, die so rasch ist, daß dem physischen Auge der Körper vollständig bewegungslos erscheint; und der räumliche Abstand zwischen jenen Teilchen bei ihrer Schwingungsbewegung ist - von einer anderen Ebene des Daseins und der Wahrnehmung betrachtet ebenso groß wie der, welcher Schneeflocken oder Regentropfen voneinander trennt. Aber der physikalischen Wissenschaft wird das eine Ungereimtheit sein.

Dieser Irrtum ist nirgends besser illustriert als in dem wissenschaftlichen Werke eines deutschen Gelehrten, Professor Philipp Spillers. In dieser kosmologischen Abhandlung versucht der Verfasser folgendes zu beweisen.

Kein Körperstoff, kein Körperstoffatom ist für sich ursprünglich kraftbegabt, sondern absolut tut, und ohne jede Fähigkeit für sich in die Entfernung zu wirken. [2]

Dieser Ausspruch hindert jedoch Spiller nicht daran, einen occulten Lehr- und Grundsatz zu verkünden. Er behauptet die unabhängige Substanzialität der Kraft, und zeigt sie als einen „unkörperlichen Stoff“ oder Substanz. Nun ist Substanz nicht Materie in der Metaphysik, und zum Zwecke des Beweises mag zugestanden werden, daß es für den Gebrauch ein falscher Ausdruck ist. Aber dies ist eine Folge der Armut der europäischen Sprachen, und insonderheit der Spärlichkeit der wissenschaftlichen Ausdrücke. Denn dieser Stoff wird von Spiller mit dem Äther identifiziert. In der Ausdrucksweise der occulten Sprache könnte mit größerer Richtigkeit gesagt werden, daß diese „Kraftsubstanz“ der immer thätige positive Ether - Prakriti - sei; indess der allgegenwärtige alles durchdringende Äther das Ding an sich des ersteren ist, die Grundlage von allem, oder der Âkâsha. Nichtsdestoweniger fällt Stallo über Spiller her, ebenso wie über die Materialisten. Er wird angeklagt der „gänzlichen Mißachtung der fundamentalen Wechselbeziehung zwischen Kraft und Stoff,“ von welchen beiden die Wissenschaft nichts sicheres weiß. Denn dieser „hypostasierte Halbbegriff“ ist, nach der Ansicht aller anderen Physiker nicht bloß unwägbar, sondern auch bar aller kohäsiven, chemischen, thermischen, elektrischen und magnetischen Kräfte, deren aller Quelle und Ursache (nach dem Occultismus) der Äther ist.
Daher zeigt Spiller bei allen seinen Irrtümern mehr Intuition als irgend ein moderner Wissenschafter, vielleicht mit Ausnahme von Dr. Richardson, dem Theoretiker der „Nervenkraft“ oder des Nervenethers, sowie der „Sonnenkraft und der Erdkraft.“ [3] Denn der Äther der Esoterik ist die wahre Quintessenz aller möglichen Energie, und sicherlich sind diesem universalen Agens (das aus vielen Agentien zusammengesetzt ist), alle Offenbarungen von Energie in der materiellen, psychischen und geistigen Welt zuzuschreiben.
Was sind in der That Elektricität und Licht? Wie kann die Wissenschaft wissen, daß die eine ein Fluidum ist und das andere eine „Bewegungsart“? Warum wird kein Grund angegeben, weshalb zwischen ihnen ein Unterschied gemacht werden soll, nachdem beide als Kraftkorrelationen betrachtet werden? Die Elektricität ist ein immaterielles und nichtmolekülares Fluidum, wird uns gesagt - obwohl Helmholtz anders denkt - und der Beweis dafür ist der, daß wir sie auf Flaschen ziehen, accumulieren und in Vorrat stellen können. Dann muß sie einfach Materie sein, aber nicht ein besonderes „Fluidum“. Auch ist sie keine blosse „Bewegungsart“, denn Bewegung könnte schwerlich in einer Leydener Flasche aufbewahrt werden. Was das Licht anbelangt, so ist es eine noch außerordentlichere „Bewegungsart“; denn, „so wunderbar es auch erscheinen mag, das Licht kann (auch) thatsächlich für den Gebrauch aufbewahrt werden,“ wie von Grove vor nahezu einem halben Jahrhundert bewiesen worden ist.
Man nehme einen Stich, der einige Tage lang im Dunklen gehalten wurde, setze ihn dem vollen Sonnenschein aus - das heißt, insoliere ihn durch 15 Minuten; lege ihn an einem dunklen Orte auf lichtempfindliches Papier, und nach Ablauf von 24 Stunden wird er einen Abdruck seiner selbst auf dem lichtempfindlichen Papier zurückgelassen haben, wobei die Weißen als Schwärzen herauskommen . . . . Er scheint dabei keine Grenzen für die Vervielfältigung von Stichen zu geben. [4]


[2] Der Weltäther als kosmische Kraft, p. 4.

[3] Siehe Popular Science Review, Bd. V. pp. 329-34.

[4] Siehe Correlation of Physical .Forces, p. 110