Aber dies zu thun erfordert eine schrankenlose Wahrheitsliebe und ein Verzichtleisten auf jenes - wenn auch noch so falsche - Ansehen von Unfehlbarkeit, das die Männer der Wissenschaft unter den unwissenden und seichten, ob zwar gebildeten, Scharen der Laien erlangt haben. Die Vereinigung der beiden Wissenschaften, der archaischen und der modernen, erfordert vor allem ein Verlassen der gegenwärtigen materialistischen Pfade. Sie erfordert eine Art religiöser Mystik und sogar das Studium der alten Magie, was unsere Akademiker sicher niemals unternehmen werden. Die Notwendigkeit ist leicht zu erklären. Geradeso, wie in den alten alchimistischen Werken die wirkliche Bedeutung der darin erwähnten Substanzen und Elemente unter den lächerlichsten Gleichnissen verborgen liegt, ebenso sind die körperlichen, seelischen und geistigen Eigenschaften der Elemente (beispielsweise des Feuers) in den Veden und namentlich in den Purânen unter Allegorieen versteckt, die bloß den Eingeweihten verständlich sind. Wenn sie ohne Bedeutung wären, dann wären in der That alle diese langen Legenden lind Allegorieen über die Heiligkeit der drei Arten von Feuer, und der neunundvierzig ursprünglichen Feuer - personifiziert durch die Söhne von Daksha‘s Töchtern und deren Gatten, den Rishis, „die mit dem ersten Sohne des Brahmâ und seinen drei Nachkommen die neunundvierzig Feuer ausmachen“ - blödsinniges Geschwätz und nichts weiter. Aber dem ist nicht so. Jedes Feuer hat eine bestimmte Verrichtung und Bedeutung in den Welten des Körperlichen und des Geistigen. Es hat ferner seiner wesentlichen Natur nach eine entsprechende Beziehung zu einer der menschlichen Seelenkräfte, abgesehen von seinen scharf bestimmten chemischen und physikalischen Kräften, wenn es in Berührung mit irdisch differentiierter Materie kommt. Die Wissenschaft vermag keine Theorieen über das Feuer an sich zu bieten, wohl aber der Occultismus und die alte religiöse Wissenschaft. Dies zeigt sich sogar in der mageren und absichtlich verhüllten Ausdrucksweise der Purânen, in denen, wie z. B. im Vâyu Purâna, viele von den Eigenschaften der personifizierten Feuer erklärt werden. So ist Pâvaka das elektrische Feuer oder Vaidyuta; Pavamâna das durch Reibung erzeugte Feuer oder Nirmathya; und Shuchi ist das Sonnenfeuer oder Saura [28] - und alle diese sind Söhne des Abhimânin, des Agni (Feuers), des ältesten Sohnes des Brahma und der Svâhâ. Pâvaka wird ferner zum Vater des Havyavâhana, des Feuers der Götter; und Pavamâna zu dem des Saharaksha, des Feuers des Asuras. Nun zeigt alles dieses, daß die Schreiber der Purânen vollkommen vertraut mit den Kräften der Wissenschaft und mit ihren Wechselbeziehungen waren, sowie auch mit den verschiedenen Eigenschaften der letzteren in ihrem Einflusse auf jene seelischen und körperlichen Erscheinungen, die von der Naturwissenschaft nicht geglaubt werden und ihr gegenwärtig unbekannt sind. Sehr natürlich, wenn ein Orientalist, namentlich einer mit materialistischen Neigungen, liest, daß dies bloß Benennungen des Feuers sind, die in den Anrufungen und Ceremonien angewendet werden, so nennt er das „Tântrika-Aberglauben und Mystifikation“; und er giebt sich mehr Mühe, Fehler in der Orthographie zu vermeiden, als die diesen Personifikationen zugehörige geheime Bedeutung zu beachten, oder nach ihrer Erklärung in den physikalischen Wechselbeziehungen der Kräfte zu suchen, soweit sie bekannt sind. Thatsächlich wird den alten Âriern so wenig Kenntnis zugetraut, daß selbst so auffallende Stellen, wie die des Vishnu Purâna, ohne Beachtung bleiben. Nichtsdestoweniger, was kann dieser Satz bedeuten?

Damals existierten Ether, Luft, Licht, Wasser und Erde, einzeln vereinigt mit den Eigenschaften von Ton und dem übrigen, als unterscheidbar nach ihren Qualitäten,. . . aber da sie viele und verschiedene Kräfte besaßen und nicht verbunden waren, konnten sie nicht ohne Verbindung lebendige Wesen schaffen, da sie sich nicht miteinander vereinigt hatten. Nachdem sie sich daher miteinander verbunden hatten, nahmen sie durch ihre gegenseitige Verknüpfung den Charakter einer Masse von gänzlicher Einheit an; und von der Richtung des Geistes, u. s. w. [29]

Das bedeutet natürlich, daß die Verfasser mit Korrelation vollkommen vertraut waren und wohlunterrichtet über den Ursprung des Kosmos aus dem „ungeteilten Prinzipe“, Avyaktânugrahena, als gemeinsam angewendet auf Parabrahman und Mûlaprakriti, und nicht auf „Avyakta, entweder erste Ursache oder erste Materie“, wie Wilson es wiedergiebt. Die alten Initiierten kannten keine „wunderbare Schöpfung“, sondern lehrten die Evolution der Atome auf unserer physischen Ebene und ihre erste Differentiation aus Laya zu Protyle, wie Herr Crookes bedeutsam die Materie oder ursprüngliche Substanz jenseits der Nulllinie genannt hat - dort, wohin wir Mûlaprakriti, das Wurzelprinzip des Weltstoffes und von allem in der Welt, versetzen.


[28] Genannt der „Trinker der Wasser“, indem die Sonnenhitze das Wasser verdunsten macht.

[29] I. II. (Wilson, I. 38.