Eine neue Flut von Licht wird sicherlich auf die Weisheit des alten und mittelalterlichen Occultismus und seiner Jünger geworfen. Denn Paracelsus schrieb dasselbe vor mehr als dreihundert Jahren, im sechzehnten Jahrhundert, wie folgt:

Die Gesamtheit des Mikrokosmos ist potentiell enthalten in dem Liquor vitae, einem Nervenfluidum, . . . . in welchem die Natur, Qualität, Charakter und Essenz der Wesen enthalten ist. [13]
Der Archäus ist eine Essenz, die gleichmäßig in allen Teilen des menschlichen Körpers verteilt ist . . . . Der Spiritus vitae nimmt seinen Ursprung aus dem Spiritus mundi. Da er eine Ausstrahlung des letzteren ist, so enthält er die Elemente aller kosmischen Einflüsse, und ist daher die Ursache, durch die die Einwirkung der Sterne (kosmischen Kräfte) auf den unsichtbaren Körper des Menschen (sein vitales Linga Sharîra) erklärt werden kann. [14]

Hätte Dr. Richardson alle geheimwissenschaftlichen Werke des Paracelsus studiert, so wäre er nicht so oft gezwungen gewesen, zu gestehen: „das wissen wir nicht“, „das ist uns nicht bekannt“, u. s. w. Noch hätte er jemals den folgenden Satz geschrieben, der die besten Teile seiner unabhängigen Wiederentdeckung widerruft.

Es ließe sich Nachdruck darauf legen, daß in diesem Gedankengang nichts weiter als die Theorie von der Existenz des Ethers enthalten ist . . . . von dem angenommen wird, daß er den Raum durchdringt . . . . . Es ließe sich sagen, daß dieser universale Ether den ganzen Organismus des tierischen Körpers durchdringt, sowohl von außen, als auch als Teil einer jeden Organisation. Diese Anschauung wäre physikalisch entdeckter Pantheismus, wenn sie wahr wäre (!!). Sie ist aber nicht wahr, weil sie die Individualität eines jeden individuellen Sinnes zerstören würde. [15]

Wir können das nicht einsehen, und wir wissen, daß es so nicht ist. Der Pantheismus kann „physikalisch wiederentdeckt“ werden. Das ganze Altertum hat ihn gekannt, eingesehen und gefühlt. Pantheismus offenbart sich in der weiten Erstreckung des Sternenhimmels, in dem Atmen der Meere und Ozeane, und in dem Erzittern des Lebens im kleinsten Grashalme. Die Philosophie verwirft den einzigen endlichen und unvollkommenen Gott im Weltalle, die anthropomorphische Gottheit des Monotheisten, so wie sie die Anhänger derselben darstellen. Sie weist, kraft ihres Namens einer Philo-theo-sophia, die groteske Idee von sich, daß die Unendliche, Absolute Gottheit irgendwelche unmittelbare oder mittelbare Beziehung zu den endlichen, trügerischen Entwicklungen des Stoffes haben solle oder vielmehr könne, und kann sich daher nicht ein Weltall außerhalb dieser Gottheit, noch die Abwesenheit dieser Gottheit auch nur von dem kleinsten Stäubchen belebter oder unbelebter Substanz vorstellen. Das bedeutet nicht, daß ein jeder Busch, Baum oder Stein Gott, oder ein Gott ist; sondern bloß, daß ein jedes Stäubchen des geoffenbarten Materiales des Kosmos Gott angehört und Substanz von ihm ist, wie tief es auch gefallen sein mag in seinem cyklischen Kreislaufe durch die Ewigkeiten des beständigen Werdens; und auch, daß ein jedes solches Stäubchen individuell, und der Kosmos kollektiv, ein Aspekt und ein Wahrzeichen dieser universalen Einen Seele ist - welche Gott zu nennen und so die ewige und allgegenwärtige Wurzel und Wesenheit zu beschränken, die Philosophie sich weigert.
Warum der Ether des Raumes oder der „Nervenether“ „die Individualität eines jeden Sinnes zerstören“ solle, scheint für jemanden, der mit der wirklichen Natur dieses „Nervenethers“ unter seinem sanskriten, oder vielmehr esoterischen und kabbalistischen Namen bekannt ist, unbegreiflich zu sein.

Dr. Richardson stimmt folgendem zu:

Wenn wir das Mittel für den Verkehr zwischen uns und der Außenwelt nicht individuell hervorbringen würden, wenn es von außen hervorgebracht und bloß einer einzigen Schwingungsart angepaßt wäre, so wären weniger Sinne notwendig, als wir besitzen: denn, um nur zwei Beispiele anzuführen - der Lichtether ist nicht für den Schall eingerichtet, und doch hören wir sowohl als wir sehen; indessen die Luft, das Mittel der Schallbewegung, nicht das Mittel des Lichtes ist, und wir doch sehen und hören.

Dem ist nicht so. Die Meinung, daß der Pantheismus „nicht wahr ist, weil er die Individualität eines jeden individuellen Sinnes zerstören würde“, zeigt, daß alle Schlußfolgerungen des gelehrten Doktors auf den modernen physikalischen Theorieen beruhen, obwohl er dieselben gerne reformieren würde. Aber er wird finden, daß er das unmöglich ausführen kann, so lange er nicht die Existenz geistiger Sinne an die Stelle des stufenweisen Atrophierens der physischen treten läßt. „Wir sehen und hören“ in Übereinstimmung (natürlich, in Dr. Richardsons Vorstellung) mit den Erklärungen der Erscheinungen des Sehens und Hörens, wie sie ebendieselbe materialistische Wissenschaft liefert, die das Postulat aufstellt, daß wir auf andere Art weder hören noch sehen können. Die Occultisten und Mystiker wissen es besser. Die vedischen Ârier waren mit den Geheimnissen von Ton und Farbe auf der physikalischen Ebene ebenso vertraut wie unsere Physiologen, aber sie hatten auch die Geheimnisse der beiden auf Ebenen bemeistert, die :dem Materialisten unzugänglich sind. Sie kannten eine doppelte Reihe von Sinnen, geistige und materielle. In einem Menschen, der eines oder mehrerer Sinne beraubt ist, werden die übrigbleibenden Sinne desto mehr entwickelt; so wird z. B. der Blinde sein Gesicht durch die Sinne des Fühlens, Hörens u. s. w. wiedererlangen, und der Taube wird im stande sein, mittelst des Gesichtes zu hören, indem er die von Lippen und Mund des Sprechenden ausgesendeten Worte hörbar sieht.


[13] De Generatione Hominis.

[14] De Viribus Membrorum. Siehe Life of Paracelsus, von Franz Hartmann, M. D., F. T. S.

[15] p. 384.