Aber das sind Fälle, die noch der Welt der Materie angehören. Die geistigen Sinne, jene, die auf einer höheren Bewußtseinsebene wirken, werden von der Physiologie a priori verworfen, weil die letztere mit der heiligen Wissenschaft unbekannt ist. Sie beschränkt die Wirkung des Ethers auf Schwingungen, und, indem sie ihn von der Luft trennt - obwohl die Luft einfach differentiierter und zusammengesetzter Ether ist - läßt sie ihn Funktionen annehmen, die mit den speziellen Theorieen des Physiologen übereinstimmen sollen. Aber es liegt mehr wahre Wissenschaft in den Lehren der Upanishaden, wenn dieselben richtig verstanden werden, als die Orientalisten, die sie überhaupt nicht verstehen, zuzugestehen bereit sein werden. Mentale sowohl als auch physische Wechselbeziehungen der sieben Sinne - sieben auf der physischen und sieben auf der mentalen Ebene - werden deutlich erklärt und bestimmt in den Veden, und insbesondere in der Upanishaden genannt Anugîtâ:

Das Unzerstörbare und das Zerstörbare, also ist die doppelte Offenbarung des Selbst. Von diesen ist das Unzerstörbare das existierende (die wahre Wesenheit oder Natur des Selbst die zugrundeliegenden Prinzipien); die Offenbarung als ein Individuum (als ein individuelles Wesen) wird das Zerstörbare genannt. [16]

So spricht der Asket in der Anugîtâ, und ebenso auch:

Jedermann, der zweimalgeboren (initiiert) ist, weiß, daß also die Lehre der Alten ist . . . . . Raum ist das erste Wesen . . . . . Nun hat der Raum (Âkâsha, oder das Ding an sich des Ethers) eine Qualität . . . und von dieser steht es fest, daß sie nur Ton ist . . . (und die) Qualitäten des Tones (sind) Shadja, Rishabha, zugleich mit Gândhâra, Madhyama, Panchama, und außer diesen (ist zu verstehen, sind Roch) Nishâda und Dhaivata (die indische Tonleiter). [17]

Diese sieben Noten der Skala sind die Prinzipien des Tones. Die Eigenschaften eines jeden Elementes, sowie die eines jeden Sinnes sind siebenfältig, und über dieselben nach ihrer Offenbarung auf der materiellen oder objektiven Ebene - die gleichermaßen in sich selbst wieder siebenfältig ist - zu urteilen und zu. dogmatisieren, ist vollkommen willkürlich. Denn bloß von dem SELBST, das sich von diesen sieben Ursachen der Täuschung frei macht, können wir die Erkenntnis (die geheime Weisheit) von den Eigenschaften der Sinnesgegenstände auf ihrer doppelten Ebene der Offenbarung, der sichtbaren und der unsichtbaren, erlangen. Daher heißt es:

Höre mich . . . dieses wunderbare Geheimnis verkünden . . . . Höre auch die erschöpfende Festsetzung der Ursachen. Die Nase und die Zunge und das Auge und die Haut und das Ohr als das fünfte (Sinneswerkzeug), das Gemüt und der Verstand, [18] diese sieben (Sinne) sollten als die Ursachen der (Erkenntnis der) Eigenschaften erkannt werden. Geruch und Geschmack und Farbe, Ton und Berührung als das fünfte, das Objekt der mentalen Operation, und das Objekt des Verstandes (des höchsten geistigen Sinnes oder der höchsten geistigen Wahrnehmungskraft), diese sieben sind die Ursachen des Handelns. Er, der riecht, er, der ißt, er, der spricht, und er, der hört als fünfter, er, der denkt, und er, der versteht, diese sieben sollten erkannt werden als die Ursachen der Agenten. Diese (die Agenten), als im Besitze von Eigenschaften (sattva, rajas, tamas) erfreuen sich ihrer eigenen Eigenschaften, der angenehmen und der unangenehmen. [19]

Die modernen Kommentatoren, denen es nicht gelingt, die feine Absicht der alten Scholiasten zu verstehen, nehmen den Ausdruck „Ursachen der Agenten“ in der Bedeutung, „daß die Kräfte des Riechens u. s. w., wenn sie dem Selbst beigelegt werden, dasselbe als ein Agens, als ein aktives Prinzip erscheinen lassen“ (!), was reine Phantasie ist. Diese „sieben“ verstehen sich als die Ursachen der Agenten, weil „die Objekte Ursachen sind, da ihr Genuß einen Eindruck verursacht“. Esoterisch bedeutet es, daß sie, nämlich diese sieben Sinne, verursacht sind von den Agenten, welche die „Gottheiten“ sind; denn was bedeutet im anderen Falle der folgende Satz, oder was kann er bedeuten? „Somit,“ heißt es, „sind diese sieben (Sinne) die Ursachen der Befreiung“ - d. h. wenn diese Ursachen unwirksam gemacht werden. Und wiederum bedeutet der Satz „unter den Gelehrten (den weisen Initiierten), die alles verstehen, die Eigenschaften, welche in der Stellung (richtiger in der Natur) der Gottheiten sind, jede an ihrem Platze“ u. s. w., einfach, daß die „Gelehrten“ die Natur der Dinge an sich der verschiedenen Erscheinungen verstehen; und daß „Eigenschaften“ in diesem Falle die Eigenschaften der hohen planetarischen oder elementaren Götter oder Intelligenzen bedeuten, welche die Elemente und deren Hervorbringungen beherrschten, und durchaus nicht die „Sinne“, wie der moderne Kommentator meint. Denn die Gelehrten vermuten nicht, daß ihre Sinne irgend etwas mit denselben zu thun haben, irgend mehr, als mit ihrem SELBST.

Dann lesen wir in der Bhagavadgîtâ, wie Krishna, die Gottheit sagt:

Nur einige kennen mich in Wahrheit. Erde, Wasser, Feuer, Luft, Raum (oder Âkâsha, Äther), Gemüt, Verstand und Egoismus (oder die Wahrnehmung aller vorhergehenden auf der illusiven Ebene), . . . dies ist eine niedere Form meiner Natur. Wisse (daß da ist) eine andere (Form meiner) Natur, und höher als diese, die belebt ist, o du mit den mächtigen Armen! und durch die dieses Weltall aufrecht erhalten wird . . . . . Alles dieses ist auf mir aufgereiht, wie Mengen von Perlen auf einem Faden. [20] Ich bin der Geschmack im Wasser, o Sohn der Kuntî! Ich bin das Licht der Sonne und des Mondes. Ich bin . . . Ton (d. i. die occulte Wesenheit, welche allen diesen und den anderen Eigenschaften der verschiedenen erwähnten Dinge zu Grunde liegt“ - Übers.) im Raume . . . der scharfe Geruch in der Erde, der Glanz im Feuer . . . u. s. w. [21]


[16] Kap. XIII; Telangs Übersetzung, p. 292.

[17] Ebenda, Kap. XXXVI; p. 385.

[18] Die Einteilung der körperlichen Sinne in fünf kommt zu uns aus entfernter Vorzeit. Aber kein moderner Philosoph bat, während er die Zahl übernahm, sich gefragt, wieso diese Sinne existieren, d. h. wahrgenommen und auf selbstbewußte Weise gebraucht werden könnten, wenn es keinen sechsten Sinn, die mentale Wahrnehmung geben würde, tun sie aufzuzeichnen und aufzubewahren; und - das gilt für die Metaphysiker und Occultisten - den siebenten, um die geistigen Früchte und die Erinnerung derselben als in einem Buch des Lebens, welches dem Karma angehört, zu bewahren. Die Alten teilten die Sinne in fünf einfach deshalb, weil ihre Lehre; die Initiierten, beim Hören Halt machten, als bei dem Sinne, welcher erst mit dem Beginne der fünften Rasse auf der physischen Ebene entwickelt, oder richtiger gesagt verkrüppelt und auf diese Ebene beschränkt wurde. Die vierte Rasse hatte bereits begonnen, den geistigen Zustand zu verlieren, der in der dritten Rasse in so hervorragender Weise entwickelt war.

[19] Ebenda, Kap. X. pp. 277, 278.

[20] Mundakopanishad, p. 298.

[21] Bhagavadgîtâ, Kap. VII; ebenda, pp. 73, 74