Es läßt sich jedoch leicht zeigen, wieso die mit ihren materialistischen Ansichten vermählten Männer der Wissenschaft immer seit den Tagen Newtons den Versuch wiederholt haben, den Thatsachen und der Wahrheit falsche Masken vorzubinden. Aber ihr Unternehmen wird mit jedem Jahre schwieriger und jedes Jahr kommt auch die Chemie mehr als alle anderen Wissenschaften dem Gebiete des Occulten in der Natur näher und näher. Sie macht sich gerade die Wahrheiten zu eigen, die von den occulten Wissenschaften seit Zeitaltern gelehrt wurden, die aber bisher bitter verspottet worden sind. „Der Stoff ist ewig“, sagt die esoterische Lehre. Aber der Stoff, wie ihn die Occultisten in seinem Laya- oder Null-Zustande auffassen, ist nicht der Stoff der modernen Wissenschaft, auch nicht in dem allerverdünntesten gasförmigen Zustand des letzteren. Herrn Crookes‘ „strahlende Materie“ würde als Stoff der gröbsten Art in dem Gebiete der Anbeginne erscheinen, da Stoff zum reinen Geist wird, bevor er auch nur zu seinem ersten Differentiationspunkt zurückkehrt. Wenn daher der Adept oder Alchimist hinzufügt, daß, obwohl die Materie ewig ist, weil sie Pradhâna ist, die Atome doch mit jedem neuen Manvantara oder Wiederherstellung des Weltalles geboren werden, so ist das kein so großer Widerspruch, wie ein Materialist, der an nichts jenseits des Atomes glaubt, denken möchte. Es ist ein Unterschied zwischen der geoffenbarten und der ungeoffenbarten Materie, zwischen Pradhâna, der anfanglosen und endlosen Ursache, und Prakriti oder der geoffenbarten Wirkung. Der Vers sagt:

Das, was die unevolvierte Ursache ist, wird von den hervorragendsten Weisen mit Nachdruck Pradhâna genannt, die ursprüngliche Grundlage, welche da ist feine Prakriti, nämlich das, was ewig ist, und welches zu gleicher Zeit ein bloßer Vorgang ist und nicht ist.

Was in der modernen Ausdrucksweise als Geist und Materie bezeichnet wird, ist Eins in der Ewigkeit als die beständige Ursache, und ist weder Geist noch Materie, sondern Es - im Sanskrit wiedergegeben durch TAD, „dieses“ - alles, was ist, war oder sein wird, alles, was sich die Einbildungskraft des Menschen vorzustellen fähig ist. Selbst der exoterische Pantheismus des Hindûtumes stellt es besser dar als jemals irgend eine monotheistische Philosophie, denn in herrlicher Sprache beginnt seine Kosmogonie mit den wohlbekannten Worten:

Da war weder Tag noch Nacht, weder Himmel noch Erde, weder Finsternis noch Licht. Und da war nichts anderes wahrnehmbar durch die Sinne oder durch die geistigen Fähigkeiten. Da war damals jedoch das eine Brahma, seinem Wesen nach Prakriti (Natur) und Geist. Denn die zwei Aspekte des Vishnu, die andere sind als sein höchster wesentlicher Aspekt, sind Prakriti und Geist. o Brâhmane. Wenn diese beiden anderen Aspekte von ihm nicht länger vorhanden sind, sondern aufgelöst sind, dann wird dieser Aspekt, aus welchem Form und das Übrige, d. i. die Schöpfung aufs neue hervorgehen, Zeit genannt, o Zweimalgeborener.

Dieses nun, das aufgelöst wird, oder der illusive duale Aspekt von Tat, dessen Wesenheit ewig Eins ist, nennen wir Ewige Materie oder Substanz, formlos, geschlechtslos, unwahrnehmbar, selbst nicht für unsern sechsten Sinn oder das Gemüt, [11] weshalb wir uns weigern, in ihm das zu sehen, was die Monotheisten einen persönlichen, anthropomorphen Gott nennen.
Wie werden diese beiden Sätze - daß „die Materie ewig ist“ und daß „das Atom periodisch und nicht ewig ist“ - von der exakten modernen Wissenschaft betrachtet? Der materialistische Physiker wird sie mit Verachtung kritisieren und verlachen. Der freisinnige und fortschrittliche Mann der Wissenschaft jedoch, der echte und ernste wissenschaftliche Wahrheitssucher, einer wie der ausgezeichnete Chemiker Herr Crookes, wird die Wahrscheinlichkeit beider Behauptungen bestätigen. Denn kaum war der Wiederhall seiner Vorlesung über die „Genesis der Elemente“ verstummt - der Vorlesung, die er vor der chemischen Sektion der British Association bei der Birminghamer Zusammenkunft im Jahre 1887 gehalten hatte, und die jeden Evolutionisten, der sie hörte und las, so in Erstaunen versetzte - als eine andere im März 1888 kam. Wiederum brachte der Präsident der chemischen Gesellschaft vor die wissenschaftliche Welt und die Oeffentlichkeit die Früchte einiger neuen Entdeckungen auf dem Gebiete der Atome, und diese Entdeckungen rechtfertigten die occulten Lehren in jeder Beziehung. Sie sind sogar noch überraschender als die Behauptungen, die er in der ersten Vorlesung aufgestellt hatte, und verdienen mit Recht die Aufmerksamkeit eines jeden Occultisten, Theosophen und Metaphysikers. Es sind das die Worte in seinen „Elementen und Meta-Elementen“, womit er Stallos Vorwürfe und Voraussicht rechtfertigt mit der Furchtlosigkeit eines wissenschaftlichen Gemütes, das die Wissenschaft um der Wahrheit willen liebt, unbekümmert um irgendwelche Folgen für seinen eigenen Ruhm und sein eigenes Ansehen. Wir citieren seine persönlichen Worte:


[11] Siehe in der vorhergehenden Abteilung VII, „Leben, Kraft oder Gravitation“, das Citat aus der Anugîtâ