Licht wird zur Wärme, und verdichtet sich zu feurigen Teilchen, die, zuerst glühend, zu kalten, harten, runden und glatten Teilchen werden. Und das nennt man Seele, eingekerkert in ihr Gewand von Stoff. [4]

Atome und Seelen waren in der Sprache der Initiierten gleichbedeutend. Die Lehre von den „wirbelnden Seelen“, den Gilgulim, an welche so viele gelehrte Juden geglaubt haben, [5] hatte esoterisch keine andere Bedeutung. Die gelehrten jüdischen Initiierten verstanden unter dem gelobten Lande niemals bloß Palästina, sondern sie meinten dasselbe Nirvâna, wie der gelehrte Buddhist oder Brâhmane – den Schoß des Ewigen EINEN, symbolisiert durch den Abrahams, und durch Palästina als seinen Vertreter auf Erden.
Sicherlich hat kein gebildeter Jude jemals die Allegorie ihrem wörtlichen Sinne nach geglaubt, dass die Körper der Juden in sich ein seelisches Prinzip enthalten, das, wenn die Körper in einem fremden Lande bestattet werden, keine Ruhe finden kann, bevor nicht durch einen Vorgang, der das „Wirbeln der Seele“ genannt wird, der unsterbliche Teil vom neuen den heiligen Boden des „verheißenen Landes“ erreicht.“ [6] Die Bedeutung davon ist jedem Occultisten klar. Man nahm an, dass der Vorgang durch eine Art von Seelenwanderung stattfinde, indem der seelische Funke durch einen Vogel, Vierfüßer, Fisch und durch das allerkleinste Insekt übertragen wird. [7] Die Allegorie bezieht sich auf die Atome des Körpers, von denen ein jedes durch jegliche Form hindurchgehen muß, bevor alle den Endzustand erreichen, der der erste Ausgangspunkt der Reise eines jeden Atoms ist – sein ursprünglicher Layazustand. Aber die ursprüngliche Bedeutung der Gilgulim, oder der „Umwälzung der Seelen“ war die Idee der reinkarnierenden Seelen oder Egos. „Alle Seelen gehen in die Gilgulah“, in einen cyklischen oder Umwälzungsprozess ein; d. h., alle schreiten vorwärts auf dem cyklischen Pfade der Wiedergeburten. Einige Kabbalisten erklären diese Lehre dahin, dass sie nur eine Art von Fegefeuer für die Seelen der Bösen bedeute. Aber dem ist nicht so.
Die Wanderung des Seelenatoms „durch die sieben planetarischen Kammern“ hatte dieselbe mataphysische und physikalische Bedeutung. Sie hatte die letztere, wenn es hieß, dass es sich in Ether auflöse. Selbst Epikur, der Musteratheist und Materialist, wusste so viel von der galten Weisheit, und glaubte so sehr daran, dass er lehrte, dass die Seele – gänzlich unterschieden von dem unsterblichen Geist, wenn die erstere in ihm verborgen umschlossen ist, sowie sie es in jedem Atomteilchen ist – aus einer feinen, zarten Essenz zusammengesetzt sei, welche aus den glattesten, rundesten und feinsten Atomen gebildet ist. [8]
Und dies zeigt, dass die alten Initiierten, denen mehr oder weniger enge das ganze profane Altertum sich anschloss, mit dem Ausdrucke Atom eine Seele, einen Genius oder Engel, den Erstgeborenen der ewigverborgenen Ursache aller Ursachen meinten; und  in diesem Sinne werden ihre Lehren verständlich. Sie behaupteten, ebenso wie es ihre Nachfolger taten, die Existenz von Göttern und Genien, Engeln oder Dämonen, nicht außerhalb des universalen Plenums oder von demselben unabhängig, ist unendlich. Sie gestanden zu und lehrten einen guten Teil von dem, was die moderne Wissenschaft heutzutage lehrt – nämlich die Existenz eines ursprünglichen Weltstoffes, oder einer kosmischen Substanz, die ewig homogen ist, ausgenommen während ihrer periodischen Existenz; dann differentiiert sie sich, allgemein durch den unendlichen Raum ausgebreitet, und bildet stufenweise die Himmelskörper aus sich selbst. Sie lehrten die Umwälzung der Himmel, die Umdrehung der Erde, das heliocentrische System und die Atomwirbel – wobei Atome in Wirklichkeit Seelen und Intelligenzen sind. Diese „Atomisten“ waren spirituelle, höchst transcendentale und philosophische Pantheisten. Sie würden niemals die Vorstellung gefasst oder den Traum geträumt haben von jener ungeheuerlichen widersprechenden Nachkommenschaft, dem Alpe unserer civilisierten Rasse: von unbeseelten stofflichen und sich selbst lenkenden Atomen auf der einen Seite, und von einem außerweltlichen Gott auf der anderen Seite.

Es mag von Nutzen sein, zu zeigen, was nach den Lehren der alten Initiierten die Monade war, und was ihr Ursprung.

Die moderne Wissenschaft erfasste, sobald sie aus ihren Kinderschuhen herauszutreten begann, den großen und für sie bis dahin esoterischen Satz, dass, einerlei ob auf der geistigen, seelischen oder körperlichen Daseinsebene, aus Nichts Nichts werden könne. Es gibt keine Ursache im geoffenbarten Weltalle ohne ihre entsprechenden Wirkungen, sei es im Raume oder in der Zeit; noch kann es eine Wirkung geben ohne ihre vorausgehende Ursache, die selbst wieder ihr Dasein einer noch höheren verdankt – indes die schließliche und unbedingte Ursache dem Menschen für immer eine unbegreifbare ursachenlose Ursache bleiben muß. Aber auch diese ist noch keine Lösung und muß, wenn überhaupt, von den höchsten philosophischen und metaphysischen Standpunkten aus betrachtet werden, wenn anders das Problem nicht besser unaufgeworfen geblieben wäre. Sie ist eine Abstraktion, an deren Rande die menschliche Vernunft – so geübt sie auch in metaphysischen Spitzfindigkeiten sein mag – erzittert und zusammenzufallen droht. Dies kann jedem Europäer, der es unternehmen möchte, das Rätsel des Daseins zu lösen, z. B. durch die Glaubensartikel des wahren Vedantisten bewiesen werden. Er lese und studiere die erhabenen Lehren des Shankarâchârya über den Gegenstand Seele und Geist, und der Leser wird begreifen, was jetzt gesagt ist. [9]

Während dem Christen gelehrt wird, dass die menschliche Seele ein Atem Gottes sei, von ihm zum immerwährenden Dasein geschaffen, mit einem Anfange, aber ohne Ende – und daher niemals als ewig zu bezeichnen – sagt die occulte Lehre: Nichts wird geschaffen, es wird bloß umgewandelt. Nichts kann sich in diesem Weltalle offenbaren – von einer Weltkugel abwärts bis zu einem verschwommenen, flüchtigen Gedanken – was nicht schon vorher im Weltalle gewesen ist; alles auf der subjektiven Ebene ist ein ewiges Ist; so wie alles auf der objektiven Ebene ein Immerwerden ist – weil alles vergänglich ist.


[4] Valentinus’ Esoterische Abhandlung über die Lehre vom Gilgul.

[5] Siehe Mackenzie’s Royal Masonic Cyclopaedia.

[6] Siehe Isis Unveiled, II. 152.

[7] Siehe Mackenzie, a. a. O., dieses Wort.

[8] Isis Unveiled, I. 137

[9] Viveka Châdâmani, übersetzt von Mohini M. Chatterji, als „Das Palladium der Weisheit“. Siehe Theosophist, Juli und August 1886 (Deutsch von Dr. Franz Hartmnn)