Die Anwendung mechanischer Gesetze allein kann niemals den Denker über die objektive Welt hinausbringen; noch wird sie dem Menschen den Ursprung und das schließliche Schicksal des Kosmos enthüllen. Das ist es, wohin die Nebeltheorie die Wissenschaft geführt hat. In nüchterner Tatsache und Wahrheit ist diese Theorie die Zwillingsschwester von der des Ethers, und beide sind die Erzeugnisse der Notwendigkeit; die eine ist ebenso unentbehrlich zur Erklärung der Fortpflanzung des Lichtes, wie die andere zur Erklärung des Problems vom Ursprunge der Sonnensysteme. Die Frage für die Wissenschaft ist die, wieso dieselbe homogene Materie [10] , den Gesetzen des Newtons gehorchend, Körper hervorbringen konnte – die Sonne, die Planeten und deren Satelliten – welche den Bedingungen gleichgerichteter Bewegung unterworfen und dabei aus so ungleichartigen Elementen gebildet sind.
Hat die Nebeltheorie geholfen, das Problem zu lösen, wenn es auch nur auf Körper angewendet wird, die als unbelebt und materiell betrachtet werden? Wir sagen: Ganz entschieden nicht. Welchen Fortschritt hat sie gemacht seit dem Jahre 1811, da zuerst Sir William Herschels Vortrag, mit seinen auf Beobachtung beruhenden Tatsachen, und seinem Nachweise der Existenz von Nebelmaterie, die Söhne der Royal Society „vor Freude jauchzen“ gemacht hat? Seit jener Zeit hat eine noch größere Entdeckung, durch die Spektralanalyse, die Bewahrheitung und Bestätigung von Sir William Herschels Mutmaßung gestattet. Laplace verlangte eine Art von ursprünglichem „Weltstoff“ zum Beweise der Idee einer fortschreitenden Weltentwicklung und eines Weltwachstums. Hier ist er, so wie er schon vor zwei Jahrtausenden dargeboten wurde.
Der „Weltstoff“, jetzt Nebelflecken genannt, war vom höchsten Altertum her bekannt. Anaxagoras lehrte, daß nach der Differentiation die daraus hervorgegangene Mischung verschiedenartiger Substanzen bewegungslos und unorganisiert blieb, bis endlich das „Gemüt“ – wir sagen: die zusammengefasste Körperschaft der Dhyân Chohans – auf sie einzuwirken bekann und ihnen Bewegung und Ordnung mitteilte. [11] Diese Theorie wird jetzt wieder aufgenommen, was den ersten Teil anlangt; der zweite, daß irgend ein „Gemüt“ mitwirke, wird verworfen. Die Spektralanalyse enthüllt die Existenz von Nebeln, die gänzlich aus Gasen und leuchtenden Dämpfen bestehen. Ist das die ursprüngliche Nebelmaterie? Die Spektren enthüllen, so heißt es, die physikalischen Zustände der Materie, welche kosmisches Licht entsendet. Man zeigt, daß die Spektren der auflösbaren und der unauflösbaren Nebelflecke gänzlich voneinander verschieden sind, indem die Spektren der letzteren zeigen, daß der physikalische Zustand derselben der eines glühenden Gases oder Dampfes ist. Die hellen Linien eines Nebels zeigen die Anwesenheit von Wasserstoff und von anderen bekannten und unbekannten Substanzen an. Dasselbe gilt für die Atmosphären der Sonne und der Sterne. Dies führt zu dem unmittelbaren Schlusse, daß ein Stern durch die Verdichtung eines Nebelfleckes entsteht; daß somit sogar die Metalle selbst auf der Erde durch die Verdichtung von Wasserstoff oder irgend einer anderen ursprünglichen Materie, irgend eines Urvettern des Helium vielleicht, oder von irgend einem noch unbekannten Stoff entstanden sind. Dies widerspricht nicht den occulten Lehren. Und das ist das Problem, welches die Chemie zu lösen versucht; und sie muss früher oder später in dem Werke Erfolg haben, sobald sie unfreiwillig oder freiwillig die esoterische Lehre annimmt. Aber wenn das geschieht, so wird dadurch die Nebeltheorie, so wie sie jetzt besteht, vernichtet werden.
Unterdessen kann die Astronomie auf keinerlei Weise, wenn anders sie als exakte Wissenschaft zu betrachten ist, die vorliegende Theorie von der Kindschaft der Sterne annehmen – selbst wenn der Occultismus dies auf seine eigene Weise tut, indem er diese Kindschaft anders erklärt -, weil die Astronomie nicht einziges physikalisches Datum zu Gunsten derselben aufzuzeigen hat. Die Astronomie könnte der Chemie mit dem Beweise der Existenz der Tatsache zuvorkommen, wenn sie einen planetarischen Nebel vorweisen könnte, der ein Spektrum von drei oder vier hellen Linien zeigt, und der sich allmählich verdichtet und in einen Stern verwandelt, dessen Spektrum seiner ganzen Breite nach mit einer Anzahl von dunklen Linien bedeckt ist. Aber
Die Frage nach der Veränderlichkeit der Nebelflecke ist, selbst was ihre Form anbelangt, noch immer eines der Geheimnisse der Astronomie. Die Beobachtungsdaten, die wir bis jetzt besitzen sind ihrem Ursprunge nach zu neu, zu unsicher, um uns irgend eine Behauptung zu gestatten. [12]
Seit der Erfindung des Spektroskopes hat die magische Kraft desselben seinen Jüngern erst eine einzige Verwandlung eines Sternes von dieser Art enthüllt; und selbst diese zeigte unmittelbar das Gegenteil von dem, was als Beweis zu Gunsten der Nebeltheorie notwendig wäre; denn sie enthüllte einen Stern, der sich in einen planetarischen Nebel verwandelte. Wie in The Observatory [13] berichtet wird, zeigte der von J. F. F. Schmidt im Sternbilde des Schwanes entdeckte temporäre Stern im November 1876 ein von sehr hellen Linien unterbrochenes Spektrum. Allmählich verschwanden das kontinuierliche Spektrum und die meisten der Linien, und es blieb schließlich nur eine einzige helle Linie zurück, welche mit der grünen Nebelflecklinie zusammenzufallen schien.
Obwohl diese Umwandlung mit der Hypothese von dem Nebelursprung der Sterne nicht unvereinbar ist, so beruht nichtsdestoweniger dieser eine vereinzelte Fall auf gar keiner Beobachtung, am allerwenigsten auf einer unmittelbaren Beobachtung.

Das Ereignis konnte verschiedenen anderen Ursachen zugeschrieben werden. Nachdem unsere Astronomen geneigt sind zu glauben, daß unsere Planeten das Bestreben haben, in die Sonne hineinzustützen, warum sollte nicht dieser Stern durch die Kollision solcher hineingestürzter Planeten oder, wie viele anregen, durch den Anprall eines Kometen aufgeleuchtet sein? Sei dem wie immer, das einzige bekannte Beispiel einer Sternverwandlung seit dem Jahre 1811 spricht nicht zu Gunsten der Nebeltheorie. Übrigens sind die Astronomen in der Frage dieser Theorie, so wie in allem anderen, verschiedener Meinung.


[10] Hätten sich die Astronomen bei ihrem gegenwärtigen Erkenntnisstand bloß an die Hypothese des Laplace gehalten, welche nur die Bildung des Planetensystems betraf, so hätte aus derselben mit der Zeit etwas wie eine angenäherte Wahrheit entstehen können. Aber die zwei Teile des allgemeinen Problems – der von der Bildung des Weltalls oder von der Bildung der Sonnen und Sterne aus der ursprünglichen Materie, und dann der von der Entwicklung der Planeten rund um die Sonne – beruhen auf ganz verschiedenen Tatsachen in der Natur und werden so sogar von der Wissenschaft selber betrachtet. Sie sind die entgegengesetzten Pole des Seins.

[11] Aristoteles, Physik, VIII. 1.

[12] Hypothèses Cosmogoniques, p. 3, Wolf.

[13] Vol. I, p. 185, citiert von Wolf, p. 3. Wolfs Beweisführung ist hier auszugsweise gegeben.