La Pluche zeigt Aufrichtigkeit, aber gibt eine traurige Vorstellung von seinen philosophischen Fähigkeiten, wo er seine persönlichen Ansichten über die Monade oder den mathematischen Punkt verkündet. Er sagt:

Ein Punkt genügt, um alle Schulen in der Welt in Aufruhr zu versetzen. Aber, was braucht der Mensch diesen Punkt zu kennen, nachdem die Schöpfung eines solchen kleinen Wesens außerhalb seiner Kraft liegt? Um so viel mehr handelt die Philosophie gegen die Wahrscheinlichkeit, wen sie sich erdreistet, von diesem Punkte, der alle ihre Überlegungen in Anspruch nimmt und stört, zur Erzeugung der Welt überzugehen.

Die Philosophie würde jedoch niemals ihren Begriff einer logischen, universalen und absoluten Gottheit gebildet haben können, wenn sie keinen mathematischen punkt innerhalb des Kreises gehabt hätte, um darauf ihre Spekulationen zu begründen. Nur der geoffenbarte Punkt, der für unsere Sinne nach seinem prägenetischen Erscheinen in der Unendlichkeit und Unerkennbarkeit des Kreises verloren gegangen ist, macht eine Versöhnung zwischen Philosophie und Theologie möglich – unter der Bedingung, daß die letztere ihre rohen materialistischen Glaubenssätze aufgebe. Und eben weil die christliche Theologie so unweise die pythagoreische Monade und die geometrischen Figuren verworfen hat, hat sie ihren selbstgeschaffenen menschlichen und persönlichen Gott hervorgebracht, die ungeheuerliche Quelle, aus der in zwei Strömen die Dogmen der Erlösung und Verdammung fließen. Dies ist so wahr, daß selbst jene Geistlichen, welche Maurer sind und Philosophen sein möchten, in ihren willkürlichen Deutungen den alten Weisen die sonderbare Idee zugeschrieben haben:

Die Monade repräsentierte (bei ihnen) den Thron der allmächtigen Gottheit, gestellt in den Mittelpunkt des Feuerhimmels, um anzudeuten den a. B. a. W. (lies den „allerhöchsten Baumeister aller Welten“). [3]

Eine seltsame Erklärung das, mehr maurerisch als streng pythagoreisch!

Noch bedeutete jemals das „Hierogramm innerhalb eines Kreises oder gleichseitigen Dreieckes die Versinnbildlichung der Einheit der göttlichen Wesenheit“, denn diese wurde durch die Ebene des endlosen Kreises versinnbildlicht. Seine wirkliche Bedeutung war die dreieinige gleiche Natur der ersten differentiierten Substanz, oder die Konsubstanzialität des (geoffenbarten) Geistes, der Materie und der Welt – des „Sohnes“ der beiden – welche hervorgeht aus dem Punkte, dem wirklichen esoterischen Logos oder der pythagoreischen Monade. Denn die griechische Monas bedeutet „Einheit“ in ihrem ursprünglichen Sinne. Jene, welche nicht im Stande sind, den Unterschied zwischen der Monade – der universalen Einheit – und den Monaden oder der geoffenbarten Einheit, sowie auch den zwischen dem immer verborgenen und dem geoffenbarten Logos oder dem Wort zu begreifen, sollten niemals sich mit Philosophie befassen und die esoterischen Wissenschaften bleiben lassen. Es ist unnötig, den gebildeten Leser an Kants Thesis zur Darstellung seiner zweiten Antinomie [4] zu erinnern. Jene welche sie gelesen und verstanden haben, werden klar die Grenze sehen, die wir zwischen dem absolut idealen Universum und zwischen dem unsichtbaren, aber geoffenbarten Kosmos ziehen. Weder die esoterische Philosophie, noch Kant, nicht zu sprechen von Leibnitz, würden jemals zugestehen, daß Ausdehnung aus einfachen oder unausgedehnten Teilen zusammengesetzt sein kann. Aber Theologiephilosophen werden das nicht begreifen. Der Kreis und der Punkt – der letztere sich in den ersteren zurückziehend und in demselben versinkend, nachdem er die ersten drei punkte emaniert und durch Linien miteinander verbunden und so die erste noumenale Grundlage des zweiten Dreieckes in der geoffenbarten Welt gebildet hat – sind immer ein unüberwindliches Hindernis für Theologische Flüge in dogmatische Empyreen gewesen. Kraft dieses archaischen Symbols wird ein männlicher, persönlicher Gott, der Schöpfer und Vater von allem zu einer Ausstrahlung dritten Grades, dem Sephira, welcher als vierter auf der absteigenden Linie und linker Hand von Ain Suph in dem kabbalistischen Baum des Lebens steht. Daher ist die Monade zu einem Vehikel – zu einem „Thron“ erniedrigt!

Die Monade – die Ausstrahlung und Wiederspiegelung bloß des Punktes oder des Logos in der Erscheinungswelt – wird als die Spitze des geoffenbarten gleichseitigen Dreieckes zum „Vater“. Die linke Seite oder Linie ist die Duade, die „Mutter“, betrachtet als das üble, entgegenwirkende Prinzip; [5] die rechte Seite stellt den „Sohn“ dar, den „Gemahl seiner Mutter“ in jeder Kosmogonie, da er eins ist mit der Spitze; die Grundlinie ist die universale Ebene der produktiven Natur, die auf der phänomenalen Ebene Vater-Mutter-Sohn vereinigt, so wie diese in der Spitze in der übersinnlichen Welt vereinigt waren. [6] Durch mystische Umwandlung wurden sie zur Vierheit – das Dreieck wurde zur Tetraktys.

Diese transcendentale Anwendung der Geometrie auf kosmische und göttliche Theogonie – das Alpha und Omega mystischer Auffassung – wurde nach Pythagoras von Aristoteles verkrüppelt. Durch Hinweglassung des Punktes und des Kreises, und durch Außerachtlassung der Spitze verminderte er den metaphysischen Wert der Idee und beschränkte so die Größenlehre auf eine einfache Dreiheit – auf die Linie, die Fläche, und den Körper. Seine modernen Erben, die mit dem Idealismus spielen, haben diese drei geometrischen Figuren als Raum, Kraft und Stoff erklärt – „Potenzen einer ineinander wirkenden Einheit“. Die materialistische Wissenschaft, die nur die Grundlinie des geoffenbarten Dreiecks sieht – die Ebene des Stoffes übersetzt es in der Praxis mit (Vater-)Stoff, (Mutter-)Stoff und (Sohn-)Stoff, und in der Theorie als Stoff, Kraft und Wechselbeziehung.


[3] Pythagorean Triangle, von Rev. G. Oliver, p. 36.

[4] Siehe Kants Kritik der reinen Vernunft, Elementarlehre, II. T., II. Abt., II. B., 2. Hauptst.

[5] Plutarch, De Placitis Philosophorum.

[6] In der griechischen und lateinischen Kirche – welche die Ehe als eines der Sakramente betrachten – stellt der amtshandelnde Priester während der Ehezeremonie die Spitze des Dreieckes dar; die Braut seine linke, weibliche Seite, und der Bräutigam die rechte Seite, während die Grundlinie durch die Reihe der Zeugen, Brautjungfern und Brautführer symbolisiert ist. Aber hinter dem Priester befindet sich das Allerheiligste mit seinen geheimnisvollen Inhalte und symbolischer Bedeutung, innerhalb dessen niemand als die geweihten Priester eintreten sollen. In den ersten Tagen der Christenheit war die Ehezeremonie ein Mysterium und ein echtes Symbol. Jetzt jedoch haben sogar die Kirchen die wahre Bedeutung dieser Symbolik vergessen.