Aber für den Durchschnittsphysiker sind, wie ein Kabbalist bemerkt:

Raum und Kraft und Stoff das, was die Zeichen in der Algebra für den Mathematiker sind: lediglich konventionelle Symbole; oder Kraft als Kraft, und Stoff als Stoff sind ebenso absolut unerkennbar, wie der angenommene leere Raum, in welchen sie aufeinander einwirken sollen. [7]

Symbole repräsentieren Abstraktionen, und auf diese

begründet der Physiker vernunftgemäße Hypothesen über den Ursprung der Dinge ... er sieht drei Erfordernisse in dem, was er Schöpfung nennt: einen Platz, wo geschaffen werden soll; ein Mittel, durch welches geschaffen werden soll; ein Material, aus dem geschaffen werden soll. Und indem er dieser Hypothese durch die Worte Raum, Kraft und Stoff logischen Ausdruck gibt, glaubt er das Dasein von dem bewiesen zu haben, was ein jedes von diesen repräsentiert, wie er sich vorstellt, daß es ist. [8]

Der Physiker, welcher den Raum bloß als eine Vorstellung unseres Gemütes betrachtet, oder als Ausdehnung ohne Beziehung zu den darin enthaltenen Gegenständen, den Locke als weder des Widerstandes noch der Bewegung fähig definiert; der paradoxe Materialist, der dort eine Leere haben möchte, wo er keinen Stoff sehen kann, würde mit der tiefsten Verachtung den Satz verwerfen, daß der Raum ist:

Eine substanzielle, wenn auch (scheinbar eine unbedingt) unerkennbare lebendige Wesenheit. [9]

So ist aber nichtsdestoweniger die kabbalistische Lehre, und so ist die der archaischen Philosophie. Raum ist die wahre Welt, während unsere Welt eine künstliche ist. Er ist die Eine Einheit in ihrer ganzen Unendlichkeit; in ihren grundlosen Tiefen sowie an ihrer trügerischen Oberfläche; einer Oberfläche, die mit zahllosen der Erscheinung angehörigen Universen, Systemen und luftspiegelungsgleichen Welten besäet ist. Nichtsdestoweniger ist für den östlichen Occultisten, welcher ein objektiver Idealist ist, am Grunde, in der wahren Welt, welche eine Einheit von Kräften ist, „ein Zusammenhang aller Materie im Plenum“, wie Leibnitz sagen würde. Dies ist symbolisiert in dem pythagoräischen Dreieck.
Dasselbe besteht aus zehn Punkten, die innerhalb seiner drei Seiten pyramidenartig (von eins zu vier) eingeschrieben sind, und es symbolisiert das Weltall in der berühmten pythagoräischen Dekade. Der obere einzelne Punkt ist eine Monade, und repräsentiert einen Einheitspunkt, welcher die Einheit ist, aus welcher Alles hervorgeht. Alles ist mit ihr von gleicher Wesenheit. Während die zehn Punkte innerhalb des gleichseitigen Dreieckes die Erscheinungswelt darstellen, sind die drei Seiten, welche die Punktpyramide einschließen, die Grenzwälle der noumenalen Materie, oder Substanz, welche dieselbe von der Welt des Gedankens trennen.

Pythagoras betrachtete einen Punkt als der Einheit proportional entsprechend; eine Linie der 2; eine Fläche der 3; einen Körper der 4; und er definierte einen Punkt als eine Monade, welche eine Lage hat, und als den Anbeginn aller Dinge; eine Linie wurde als der Zweiheit entsprechend gedacht, weil sie durch die erste Bewegung aus der unteilbaren Natur hervorgebracht war und die Verbindung zweier Punkte bildete. Eine Fläche wurde der Zahl drei verglichen, weil sie die erste aller Ursachen ist, die sich in Figuren finden; denn ein Kreis, welcher die vornehmste aller runden Figuren ist, enthält eine Dreiheit in Mittelpunkt, Fläche und Umfang. Aber ein Dreieck, welches die erste aller gradlinigen Figuren ist, ist enthalten in einer Dreiheit, und empfängt seine Form entsprechend dieser Zahl; und wurde betrachtet von den Pythagoräern als der Urheber aller unterhalb des Mondes befindlichen Dinge. Die vier Punkte an der Grundlinie des pythagoreischen Dreiecks entsprechen einem Körper oder Würfel, welcher die Prinzipien der Länge, Breite und Dicke vereinigt, denn kein Körper kann weniger als vier äußerste Grenzpunkte haben. [10]

Es wird behauptet, daß „das menschliche Gemüt keine unteilbare Einheit auffassen kann, ohne Vernichtung der Idee mit ihrem Subjekt“. Das ist ein Irrtum, wie die Pythagoräer bewiesen haben, und eine Reihe von Sehern vor ihnen, obwohl eine besondere Übung für die Auffassung notwendig ist, und obwohl das profane Gemüt sie schwerlich begreifen kann. Aber es gibt derlei Dinge wie „Metamathematik“ und „Metageometrie“. Selbst reine und einfache Mathematik geht vom Allgemeinen zum Besonderen vor, vom mathematischen unteilbaren Punkt zu körperlichen Figuren. Die Lehre nahm ihren Ursprung in Indien, und wurde in Europa von Pythagoras gelehrt, welcher, einen Schleier werfend über den Kreis und den Punkt – welche kein lebender Mensch anders definieren kann denn als unbegreifliche Abstraktionen – den Beginn des differentiierten kosmischen Stoffes in die Grundlinie des Dreieckes verlegte. So wurde das letztere zu der frühesten von den geometrischen Figuren. Der Verfasser der New Aspects of Life, bei Besprechung der kabbalistischen Mysterien, entgegnet der Vergegenständlichung, sozusagen, der pythagoreischen Vorstellung und dem Gebrauche des gleichseitigen Dreieckes, und nennt es eine „Missbenennung“. Seine Schlussfolgerung, daß ein fester, gleichseitiger Körper

Einer, dessen Grundfläche sowie auch jede von seinen Seiten, gleiche Dreiecke bilden, - vier gleiche Seiten oder Flächen haben muss, während eine dreieckige Platte ebenso notwendigerweise fünf besitzen wird, [11]

- zeigt im Gegenteile die Großartigkeit der Vorstellung in aller ihrer esoterischen Anwendung auf die Idee der Prägenesis, und der Genesis des Kosmos. Zugegeben, daß ein ideales Dreieck, bezeichnet durch mathematische, imaginäre Linien,

überhaupt keine Seiten haben kann, da es einfach ein Hirngespinst ist, dessen Seiten, wenn ihm solche zugeschrieben werden, die Seiten des Gegenstandes sein müssen, den es konstruktiv darstellt. [12]


[7] New Aspects of Life and Religion, von Henry Pratt, M. D., p. 7, Ausg. 1886.

[8] Ebenda, pp. 7, 8.

[9] Ebenda, p. 9.

[10] Pythagorean Triangle, von Rev. G. Oliver, pp. 18, 19.

[11] P. 387.

[12] P. 387.