Aber in einem solchen Falle sind die meisten wissenschaftlichen Hypothesen nichts besseres als „Hirngespinste“; sie sind, ausgenommen schlussweise, unverifizierbar, und sind bloß als wissenschaftlichen Notwendigkeiten dienstbar angenommen worden. Weiter vollendete das ideale Dreieck – „als die abstrakte Idee eines dreieckigen Körpers und daher als der Typus einer abstrakten Idee“ – die beabsichtigte doppelte Symbolik und führte sie vollkommen aus. Als ein auf die objektive Idee anwendbares Emblem wurde das einfache Dreieck zu einem Körper. In Stein ausgeführt und nach den vier Himmelsgegenden blickend, nahm es die Gestalt der Pyramide an – des Symboles des phänomenalen Weltalles, welches, an der Spitze der vier Dreiecke, in das noumenale Weltall des Gedankens untertaucht; und als eine „mit drei mathematischen Linien konstruierte imaginäre Figur“ symbolisierte es die subjektiven Sphären – da diese Linien „einen mathematischen Raum einschließen – was gleich ist einem Nichts, das ein Nichts einschließt“. Und dies deshalb, weil für die Sinne und das ungeübte Bewusstsein des Profanen und des Wissenschaftlers alles, was jenseits der Linie der differentiierten Materie – d. h. außerhalb und jenseits des Bereiches auch der geistigen Substanz – liegt, für immer gleich dem Nichts bleiben muss. Es ist Ain Suph – das Nichtding. Doch sind diese „Hirngespinste“ in Wahrheit keine größeren Abstraktionen, als die abstrakten Ideen im allgemeinen in Bezug auf Evolution und physische Entwicklung – z. B. Gravitation, Stoff, Kraft usw. – auf denen die exakte Wissenschaft beruht. Unsere hervorragendsten Chemiker und Physiker verharren ernstlich in dem nicht hoffnungslosen Versuch, der Spur der Protyle oder der Grundlinie des pythagoreischen Dreieckes bis zu ihrem Schlusswinkel zu folgen. Dieses letztere ist, wie wir gesagt haben, die denkbar großartigste Vorstellung, denn es symbolisiert sowohl das ideelle, als auch das sichtbare Weltall. [13] Denn wenn Die mögliche Einheit nur eine Möglichkeit ist als eine Wirklichkeit in der Natur, als Individuum irgendwelcher Art (und da) jeder individuelle natürliche Gegenstand der Teilung fähig ist, und durch die Teilung seine Einheit verliert, oder aufhört, eine Einheit zu sein, [14] so ist dies wahr bloß von dem Bereiche
der exakten Wissenschaft in einer Welt, die ebenso täuschend wie trügerisch
ist. In dem Bereiche der esoterischen Wissenschaft nähert sich die ins
Unendliche geteilte Einheit, anstatt ihre Einheit zu verlieren, mit jeder
Teilung der Ebenen der einzig ewigen WIRKLICHKEIT. Das Auge des Sehers
kann ihr folgen und sie in aller ihrer prägenetischen Herrlichkeit erblicken.
Dieselbe Idee von der Wirklichkeit des subjektiven und der Unwirklichkeit
des objektiven Weltalls findet sich am Grunde der pythagoräischen und
platonischen Lehren nur für die Auserwählten vorbehalten; denn Porphyrius,
wo er von der Monade und Duade spricht, sagt, daß bloß die erstere
als substanziell und wirklich betrachtet wurde, „dieses höchst einfache
Wesen, die Ursache aller Einheit und das Maß aller Dinge“. Bei der Abhandlung über die erste Ursache müssen zwei Dinge in Betracht gezogen werden, die erste Ursache an sich, und die Beziehung und Verknüpfung der ersten Ursache mit dem sichtbaren und unsichtbaren Weltall. [15] Damit zeigt er, daß die alten Hebräer sowie die späteren Araber den Fußstapfen der orientalischen Philosophie folgten, ebenso wie die Chaldäer, Perser, Inder usw. Ihre erste Ursache wurde zuerst bezeichnet durch den triadischen [korrekter Abdruck siehe Buch] Shaddai, den (dreieinigen) Allmächtigen, in der Folge durch das Tetragrammaton, [korrekter Abdruck siehe Buch], YHVH, Symbol der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, [16] und laßt uns hinzufügen, des Ewigen IST oder ICH BIN. Obendrein drückt in der Kabbalah der Name YHVH (oder Jehova) ein Er und ein Sie aus, männlich und weiblich, zwei in einem, oder Chokmah und Binah, und seine oder vielmehr ihre (eine Mehrzahl) Shekinah oder zusammenfassenden Geist (oder Gnade), welche wieder aus der Zweiheit eine Dreiheit macht. Dies zeigt sich in der jüdischen Pfingstliturgie und dem Gebete: „Im Namen der Einheit des heiligen und gesegneten Hû (Er), und seiner She’kinah, des verborgenen und geheimen Hû, gepriesen sei YHVH (die Vierheit) immerdar.“ Hû wird als männlich bezeichnet und YaH als weiblich, zusammen bilden sie den [korrekter Abdruck siehe Buch] d. i. den einen YHVH. Einen, aber von mannweiblicher Natur. Die She’kinah wird in der Qabbalah immer als weiblich betrachtet. [17] Und so wird sie auch in den esoterischen
Purânen betrachtet, denn Shekinah ist nichts weiter als Shakti –
der weibliche Doppelgänger eines beliebigen Gottes – in einem solchen
Falle. Und ebenso war es bei den ersten Christen, deren heiliger Geist
weiblich war, so wie die Sophia bei den Gnostikern. Aber in der Transcendentalen
chaldäischen Kabbalah oder dem Buche der Zahlen, ist Shekinah geschlechtslos
und die reinste Abstraktion, ein Zustand wie Nirvâna, weder Subjekt,
noch Objekt, noch irgend etwas, ausgenommen einer unbedingten GEGENWART. [13] In der Welt der Form, wo die Symbolik ihren Ausdruck in den Pyramiden findet, hat sie in denselben sowohl Dreieck als Quadrat, vier gleiche Dreiecke oder Flächen, vier Punkte der Basis, und den fünften – die Spitze. [14] Pp. 385, 386. [15] a.a. O., von Isaac Meyer, p. 174. [16] P. 175. [17] P. 175. [18] „Die niedrigste Bezeichnung, oder die Gottheit in der Natur, der allgemeinere Ausdruck Elohim, wird mit Gott übersetzt.“ (P. 175.) Derartige neue Werke, wie die Qabbalah des Herrn Isaac Myer, und die des Herrn S. L. MacGregor Mathers, rechtfertigen vollständig unsere Haltung gegen die jehovistische Gottheit. Nicht der transcendentalen, philosophischen und hochmetaphysischen Abstraktion des ursprünglichen kabbalistischen Gedankens – Ain-Suph-Shekinah-Adam-Kadmon, und allem, was folgt – widersetzen wir uns, sondern der Kristallisation von alle diesem in den hoch unphilosophischen, abstoßenden und anthropomorphen Jehovah, die androgyne und endliche Gottheit, für welche Ewigkeit, Allmacht und Allwissenheit in Anspruch genommen werden. Wir kämpfen nicht gegen die Ideale Realität, sondern gegen den grässlichen theologischen Schatten. |