Aber es ist Zeit, die moderne Naturwissenschaft zu verlassen, und sich der psychologischen und metaphysischen Seite der Frage zuzusenden. Wir möchten nur bemerken, daß den „zwei sehr vernünftigen Postulaten“, die der treffliche Vortragende brauchte, um „einen Blick auf einige wenige von den Geheimnissen zu erhalten, die so dunkel verborgen sind“, hinter dem „Tor des Unbekannten“, ein drittes hinzugefügt werden sollte [34] , - damit kein Angriff darauf Erfolg habe; das Postulat, daß Leibnitz mit seinen Spekulationen auf einer festen Grundlage der Tatsache und Wahrheit stand. Die bewunderungswürdige und gedankenvolle Übersicht dieser Spekulationen, - wie sie John Theodore Mertz in seinem „Leibnitz“ gibt – zeigt, wie nahe dieser die verborgenen Geheimnisse der esoterischen Theogonie in seiner Monadologie gestreift hat. Und doch hat sich dieser Philosoph in seinen Spekulationen schwerlich über die ersten Ebenen, die niedrigen Prinzipien des kosmischen großen Körpers erhoben. Seine Theorie schwingt sich zu keinen luftigeren Höhen als zu jenen des geoffenbarten Lebens, Selbstbewusstseins und Intelligenz empor, und lässt die Gebiete der früheren postgenetischen Geheimnisse unberührt, da sein etherisches Fluidum postplanetarisch ist.
Aber dieses dritte Postulat wird schwerlich von den modernen Männern der Wissenschaft angenommen werden; und wie Descartes werden sie es vorziehen, sich an die Eigenschaften der äußeren Dinge zu halten, welche, wie die Ausdehnung die Erscheinung der Bewegung nicht zu erklären fähig sind, anstatt die letztere als eine unabhängige Kraft anzunehmen. Sie werden in dieser Generation niemals anticartesianisch werden, noch werden sie zugestehen, daß:
D
iese Eigenschaft der Trägheit keine rein geometrische Eigenschaft ist; daß sie auf das Dasein von etwas hinweist in den äußeren Körpern, das nicht bloße Ausdehnung ist.
Dies ist Leibnitzens Idee, wie sie von Mertz analysiert wird, der hinzufügt, daß jener dieses „Etwas“ Kraft nannte, und behauptete, daß äußere Dinge mit Kraft begabt seien, und daß sie, um die Träger dieser Kraft zu sein, eine Substanz haben müssen, denn sie sind keine leblosen und trägen Massen, sondern die Mittelpunkte und Träger der Form – eine rein esoterische Behauptung, nachdem Kraft bei Leibnitz ein aktives Prinzip war – durch welche Schlussfolgerung die Einteilung in Gemüt und Körper hinfällig wird.
Die mathematischen und dynamischen Untersuchungen des Leibnitz würden in dem Gemüte eines rein wissenschaftlichen Fragestellers nicht zu demselben Ergebnis geführt haben. Aber Leibnitz war kein Mann der Wissenschaft im modernen Sinne des Wortes. Wäre er ein solcher gewesen, so dürfte er den Begriff der Energie ausgearbeitet haben, die Ideen von Kraft und mechanischer Arbeit mathematisch definiert haben, und zu dem Schlusse gelangt sein, daß es selbst für rein wissenschaftliche Zwecke wünschenswert ist, Kraft nicht als eine ursprüngliche Größe zu betrachten, sondern als eine Größe, die aus irgend einem anderen Werte abgeleitet ist.

Aber zum Glück für die Wahrheit:

Leibnitz war ein Philosoph; und als solcher hatte er gewisse ursprüngliche Grundsätze, die ihn zu Gunsten gewisser Schlussfolgerungen beeinflussten, und seine Entdeckung, daß äußere Dinge mit Kraft begabte Substanzen sind, wurde sofort zu dem Zwecke benützt, diese Grundsätze anzuwenden. Einer dieser Grundsätze war das Gesetz der Kontinuität, die Überzeugung, daß die Welt verknüpft  ist, daß es keine Lücken und Klüfte gebe, die nicht überbrückt werden könnten. Der Gegensatz der ausgedehnten denkenden Substanzen war ihm unerträglich. Die Definition der ausgedehnten Substanzen war bereits unhaltbar geworden: es war naturgemäß, daß eine ähnliche Untersuchung in Bezug auf die Definition des Gemütes, der denkenden Substanz gemacht wurde.

Die von Leibnitz aufgestellten Einteilungen, so unvollständig und fehlerhaft sie auch vom Stanpunkte des Occultismus sein mögen, zeigen einen Geist metaphysischer Intuition, an den kein Mann der Wissenschaft, nicht Descartes, ja nicht einmal Kant, jemals herangereicht hat. Für ihn bestand immer eine unendliche Abstufung des Gedankens. Nur ein kleiner Teil unseres Gedankeninhaltes, sagte er, erhebt sich zur Klarheit der Apperception, „zum Lichte des vollkommenen Bewusstseins“. Viele bleiben in einem verworrenen oder dunklen Zustande, in einem Zustande der „Perceptionen“; aber sie sind vorhanden. Descartes stritt den Tieren die Seele ab; Leibnitz begabte, wie es die Occultisten tun, „die ganze Schöpfung mit mentalem Leben, welches nach ihm unendlicher Abstufung fähig ist.“

Und dies, wie Mertz mit Recht bemerkt:

Erweiterte mit einem Male das Reich des mentalen Lebens, indem es den Gegensatz zwischen belebtem und unbelebtem Stoff zerstörte; ja es tat noch mehr – es wirkte auf die Vorstellung des Stoffes, der ausgedehnten Substanz zurück. Denn es wurde offenbar, daß äußere oder materielle Dinge die Eigenschaft der Ausdehnung nur für unsere Sinne darboten, nicht für unsere Denkfähigkeiten. Der Mathematiker war, um geometrische Figuren berechnen zu können, gezwungen, dieselben in eine unendliche Zahl unendlich kleiner Teile zu zerlegen, und der Physiker sah keine Grenze für die Teilbarkeit der Materie in Atome. Die Masse, durch welche äußere Dinge den Raum zu erfüllen schienen, war eine Eigenschaft, die sie nur durch die Rohheit unserer Sinne erlangten. ... Leibnitz verfolgte bis zu einem gewissen Grade diese Argumente, aber er konnte sich nicht mit der Annahme zufrieden geben, daß die Materie aus einer endlichen Anzahl sehr kleiner Teile zusammengesetzt sei. Sein mathematischer Verstand zwang ihn, das Argument ins Unendliche fortzuführen. Und was wurde dabei aus den Atomen? Sie verloren ihre Ausdehnung und behielten bloß ihre Eigenschaft des Widerstandes; sie waren die Kraftcentren. Sie wurden auf mathematische Punkte reduziert. ... Aber wenn ihre Ausdehnung im Raume Null war, so war ihr inneres Leben um desto voller. Unter der Annahme, daß innere Existenz, so wie die des menschlichen Gemütes, eine neue Dimension ist, nicht eine geometrische, sondern eine metaphysische Dimension, ... begabte Leibnitz, nachdem er die geometrische Ausdehnung der Atome auf Null reduziert hatte, dieselben mit einer unendlichen Ausdehnung in der Richtung ihrer metaphysischen Dimension. Nachdem es sie in der Welt des Raumes aus dem Auge verloren hatte, musste das Gemüt gewissermaßen in die metaphysische Welt untertauchen, um die wirkliche Wesenheit dessen zu finden und zu erfassen, was im Raume bloß als ein mathematischer Punkt erscheint. ... Wie ein Kegel auf seinem Scheitelpunkt steht, oder eine vertikale Gerade eine horizontale Ebene nur in einem mathematischen Punkte schneidet, sich aber der Höhe und Tiefe nach ins Unendliche erstrecken kann, so haben die Wesenheiten der realen Dinge in dieser physischen Raumwelt nur eine punktartige Existenz; aber sie haben eine unendliche Tiefe inneren Lebens in der metaphysischen Gedankenwelt. [35]

Dies ist der Geist, die echte Wurzel der occulten Lehre und Denkweise. Der "Geist-Stoff" und "Stoff-Geist" erstrecken sich unendlich in die Tiefe, und gleich der "Essenz der Dinge" des Leibnitz liegt unsere Wesenheit der realen Dinge in der siebenten Tiefe; indes der unwirkliche und grobe Stoff der Wissenschaft und der äußeren Welt an dem niedrigsten Ende unserer wahrnehmenden Sinne liegt. Der Occultist kennt die Wertlosigkeit der letzteren.


[34] Vor allem anderen das Postulat, daß es in der Natur nichts derartiges gibt, wie anorganische Substanzen oder Körper. Steine, Mineralien, Felsen, und sogar chemische „Atome“ sind einfach organische Einheiten in tiefer Lethargie. Ihre Schlafsucht hat ein Ende und ihre Trägheit wird zur Tätigkeit.

[35] Ebenda, p. 144.