Wenn ein Vedânta Brâhmane der Advaita Sekte gefragt würde, ob er an das Dasein Gottes glaube, würde er wahrscheinlich antworten, wie dem Jacolliot geantwortet wurde – „ich bin selber ‚Gott’“; während ein Buddhist (insbesondere ein singhalesischer) einfach lachen und zur Erwiderung sagen würde: „Es gibt keinen Gott und keine Schöpfung“. Aber die Wurzelphilosophie von beiden, dem advaitischen und dem buddhistischen Gelehrten, ist identisch, und beide haben dieselbe Hochachtung für tierisches Leben, denn beide glauben, daß jedes Geschöpf auf Erden, wie klein und unbedeutend es auch sein mag, „ein unsterblicher Teil ist der unsterblichen Materie“ – wobei Materie für sie eine ganz andere Bedeutung hat, als die, welche sie für den Christen sowohl wie für den Materialisten hat – und daß ein jedes Geschöpf den Karma unterworfen ist.
Die Antwort des Brâhmanen würde sich einem jeden alten Philosophen, Kabalisten und Gnostiker der früheren Zeit aufgedrängt haben. Sie enthält den echten Geist der delphischen und kabalistischen Vorschriften, denn die esoterische Philosophie hat vor Zeitaltern das Problem gelöst, was der Mensch war, ist und sein wird; seinen Ursprung, Lebenskreislauf – unbegrenzbar in seiner Dauer von aufeinander folgenden Inkarnationen oder Wiedergeburten – und seine schließliche Aufsaugung in die Quelle, aus der er ausgegangen war.
Aber nicht die Naturwissenschaft ist es, an die wir uns jemals wenden können mit der Aufforderung, für uns den Menschen als das Rätsel der Vergangenheit oder das der Zukunft zu lösen; denn kein Naturforscher kann uns auch nur sagen, was der Mensch ist, wie er der Physiologie, sowie der Psychologie bekannt ist. In dem Zweifel, ob der Mensch ein Gott oder ein Vieh sei, hat die Wissenschaft ihn jetzt mit dem letzteren in Verbindung gebracht, und leitet ihn von einem Tier her. Sicherlich kann die Aufgabe, das menschliche Wesen als ein irdisches Tier zu analysieren und klassificieren, der Wissenschaft überlassen werden, welche die Occultisten vor allen anderen Menschen mit Verehrung und Hochachtung betrachten. Sie anerkennen ihren Grund und die wundervolle Arbeit, die sie getan hat, den in der Physiologie, und selbst – bis zu einem gewissen Grade – in der Biologie erreichten Fortschritt. Aber die innere, geistige, seelische oder selbst moralische Natur des Menschen kann nicht einem in der Wolle gefärbten Materialismus auf Gnade und Ungnade ausgeliefert werden; denn nicht einmal die höhere psychologische Philosophie des Westens ist bei ihrer gegenwärtigen Unvollständigkeit und Hinneigung zu einem entschiedenen Agnosticismus im Stande, dem inneren Menschen gerecht u werden; insbesondere seinen höheren Fähigkeiten und Wahrnehmungen, und jenen Bewusstseinszuständen, auf der anderen Seite der Straße, für welche solche Autoritäten wie Mill eine starke Linie ziehen und sagen: „Bis hierher und nicht weiter sollst du gehen.“
Kein Occultist würde leugnen, daß der Mensch – zusammen mit den Elefanten und der Mikrobe, dem Krokodile und der Eidechse, dem Grashalme und dem Krystalle in seiner körperlichen Bildung die einfache Hervorbringung der evolutionellen Kräfte der Natur durch eine zahllose Reihe von Umwandlungen ist; aber er stellt die Frage anders.
Nicht gegen zoologische und anthropologische Entdeckungen, die auf den Fossilien von Mensch und Tier beruhen, empört sich jeder Mystiker und an eine göttliche Seele glaubende in seinem Innern, sondern bloß gegen die ungerechtfertigten Schlußfolgerungen, die auf vorgefaßten Theorien aufgebaut und mit gewissen Vorurteilen in Übereinstimmung gebracht worden sind. Die Voraussetzungen der Wissenschaftler mögen oder mögen nicht immer wahr sein; und da einige von diesen Theorien bloß eine kurze Lebensdauer haben, so müssen die aus ihnen gezogenen Folgerungen bei materialistischen Evolutionisten immer einseitig sein. Aber gerade auf Grund solcher sehr vergänglicher Autorität erhalten die meisten von den Männern der Wissenschaft häufig dort Ehrungen, wo sie dieselben am wenigsten verdienen. [3]


[3] Wir verweisen jene, welche den Satz für eine auf die anerkannte Wissenschaft gemünzte Frechheit oder Unerbietigkeit halten möchten, auf Dr. James Hutchinson Stirling’s Werk As regards Protoplasm, welches eine Verteidigung der Lebenskraft ist gegen die Molekularisten – Huxley, Tyndall, Vogt & Co. – und fordern sie auf zu untersuchen, ob die Behauptung wahr ist oder nicht, daß die wissenschaftlichen Voraussetzungen, obwohl sie nicht immer richtig sein mögen, nichtsdestoweniger angenommen werden, um eine Spalte oder ein Loch in irgend einem beliebten materialistischen Steckenpferd auszufüllen. Vom Protoplasma und den Organen des Menschen nach der „Anschauung des Herrn Huxley“ sprechend, sagt der Verfasser: „Wahrscheinlich haben wir in Bezug auf irgend welche Kontinuität im Protoplasma der Kraft, der Form oder der Substanz Lücken genug gesehen. Ja, Herr Huxley selber kann für dieselbe Seite als Beweis angezogen werden. Nicht selten finden wir in seinem Aufsatze Eingeständnisse der Wahrscheinlichkeit, wo Sicherheit allein am Platze ist. Er sagt z. B.: ‚Es ist mehr als wahrscheinlich, daß wir, wenn einmal die Pflanzenwelt gänzlich durchforscht ist, alle Pflanzen im Besitze derselben Kräfte finden werden.’ Wenn ein Schluß als entschieden angekündigt wird, so ist es etwas enttäuschend, wie hier, zu hören, daß die Prämissen erst gesammelt werden müssen (!!). ... Wiederum ist hier eine Stelle, in der man ihn seine eigene ‚Basis’ sich selbst unter den Füßen absägen sieht. Nachdem er uns sagt, daß alle Formen von Protoplasma aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff in ‚sehr komplizierter Verbindung’ bestehen, fährt er fort: ‚Dieser komplizierten Verbindung, deren Natur niemals mit Genauigkeit bestimmt worden ist (!!), wurde der Name Protein beigelegt’. Dies ist offenbar eine Identifikation, auf Herrn Huxleys eigener Seite, von Protoplasma und Protein; und da das, was vom einen gesagt wurde, notwendigerweise auch vom anderen wahr ist, so folgt, daß er zugesteht, daß die Natur des Protoplasma niemals mit Genauigkeit bestimmt worden ist, und daß selbst in seinen Augen der Streitfall noch nicht spruchreif ist. Dieses Zugeständnis wird auch bestätigt durch die Worte: ‚Wenn wir diesen Ausdruck (Protein) mit solcher Vorsicht gebrauchen, wie sie geziemend hervorgehen mag aus unserer Verhältnismäßigen Unwissenheit in Bezug auf die Dinge, für die er steht’.“ ... usw. (pp. 33 und 34, Ausg. 1872, in Erwiderung gegen Herrn Huxley in Yeast).
Das ist der hervorragende Huxley, der König der Physiologie und Biologie, der erwiesenermaßen mit Prämissen und Tatsachen blinde Kuh spielt! Was mag hernach nicht die „Schar der Kleinen“ der Wissenschaft thun.