Ohne bei der Betrachtung dieser sehr unwissenschaftlichen Chronologie länger zu verweilen als notwendig, können wir doch ein paar Bemerkungen machen, die sich als zur Sache gehörig erweisen dürften. Die 4 320 lunaren Jahre der Welt – in der Bibel werden die solaren Jahre gebraucht – sind an sich nicht eingebildet, wenn auch ihre Anwendung ganz irrtümlich ist, denn sie sind bloß das entstellte Echo der ursprünglichen esoterischen und späterhin der brâhmanischen Lehre in Bezug auf die Yugas. Ein Tag des Brahmâ ist gleich 4 320 000 000 Jahren, und ebenso lange währt eine Nacht des Brahmâ, oder die Dauer eines Pralaya, nach welchem eine neue „Sonne“ triumphierend über einem neuen Manvantara aufgeht, für die siebenfältige Kette, die sie beleuchtet. Die Lehre war Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung [25] nach Palästina und Europa vorgedrungen, und war in den Gemütern der mosaischen Juden gegenwärtig, welche auf ihr ihren kleinen Cyklus begründeten, obwohl derselbe seinen vollen Ausdruck erst durch die christlichen Chronologen der Bibel erhielt, welche ihn übernahmen, sowie auch den 25sten Dezember, den Tag, an welchem alle solaren Götter sich inkarniert haben sollen. Was Wunder dann, daß der Messias im „lunaren Jahre der Welt 4320“ geboren gemacht wurde? Die „Sonne der Gerechtigkeit und Erlösung“ war wieder einmal aufgegangen und hatte die pralayische Finsternis des Chaos und Nichtseins auf der Ebene unserer objektiven kleinen Kugel und Kette zerstreut. Sobald einmal der Gegenstand der Anbetung bestimmt war, war es leicht, die angenommenen Ereignisse seiner Geburt, seines Lebens und Sterbens mit den zodiakalen Erfordernissen und den alten Überlieferungen in Übereinstimmung zu bringen, wenn sie auch manchmal für diese Gelegenheit etwas umgearbeitet werden mußten.
So wird das, was Kepler als ein großer Astronom gesagt hatte, verständlich. Er erkannte die große universelle Wichtigkeit aller solcher planetarischer Konjunktionen, „deren jede“ – wie er gut gesagt hat – „ein klimakterisches Jahr der Menschheit ist.“ [26] Die seltene Konjunktion von Saturn, Jupiter und Mars hat ihre Bedeutung und Wichtigkeit wegen ihrer gewissen großen Wirkungen, in Indien und China ebenso sehr, wie sie dieselben in Europa hat, auf die betreffenden Mystiker dieser Länder. Und es ist jetzt sicherlich nichts weiter als eine bloße Anmaßung, zu behaupten, daß die Natur einzig Christus vor Augen hatte, als sie ihre (für den Profanen) phantastischen und sinnlosen Konstellationen bildete. Wenn behauptet wird, daß es kein Zufall war, welcher die archaischen Schöpfer des Tierkreises vor Jahrtausenden dahin führen konnte, die Figur des Stieres mit dem Sternzeichen a zu bezeichnen – mit keinem besseren und stärkeren Beweis dafür, daß es prophetisch für das Verbum oder Christus ist, als den, daß das aleph des Stiers der „eine“ war – dann kann dieser „Beweis“ auf mehr als eine Art als seltsam entkräftet nachgewiesen werden. Um einen Anfang zu machen, so existierte der Tierkreis auf jeden Fall vor der christlichen Zeitrechnung; ferner waren alle Sonnengötter – Osiris z. B. – mystisch mit der Konstellation des Stieres in Verbindung gebracht worden und wurden alle von ihren betreffenden Anhängern der „Erste“ genannt. Ferner waren die Kompilatoren der dem christlichen Heilande gegebenen mystischen Beinamen alle mehr oder weniger mit der Bedeutung der Tierkreiszeichen vertraut; und es ist leichter, anzunehmen, daß sie ihre Behauptungen so eingerichtet haben, daß sie zu den mystischen Zeichen paßten, als daß die letzteren als eine Prophezeiung für einen Teil der Menschheit durch Millionen von Jahren geschienen haben sollten, ohne sich um die zahllosen Generationen zu kümmern, welche vorausgegangen waren, noch um jene, welche danach geboren werden sollten.
Man sagt uns:

Es ist nicht einfacher Zufall, der in gewissen Sphären das Haupt dieses Stieres (Taurus), welcher versucht, einen Drachen mit dem Henkelkreuz zurückzustoßen, auf einen Thron gesetzt hat; wir sollten wissen, daß diese Konstellation des Stieres genannt wurde: „die große Stadt Gottes und die Mutter der Offenbarungen“, und auch „der Dolmetsch der göttlichen Stimme“, der Apis Pacis von Hermontis in Ägypten, welcher (wie die Kirchenväter der Welt versichern möchten) Orakel gegeben haben soll, die sich auf die Geburt des Heilandes bezogen. [27]


[25] Siehe Isis Unveiled, II. p. 132.

[26] Der Leser hat sich gegenwärtig zu halten, daß der Ausdruck „klimakterisches Jahr“ mehr als die gewöhnliche Bedeutung hat, wenn er von Occultisten und Mystikern gebraucht wird. Es ist nicht nur eine kritische Periode, während welcher irgend ein großes Ereignis periodisch erwartet wird, entweder in der menschlichen oder in der kosmischen Konstitution, sondern es betrifft gleichermaßen universelle geistige Veränderungen. Die Europäer nannten jedes 63. Jahr das „große klimakterische“, und vermuteten vielleicht mit Recht, daß jene Jahre die Jahre seien, die durch Multiplikation der 7 mit den ungeraden Zahlen 3, 5, 7 und 9 erhalten werden. Aber 7 ist die wirkliche Stufenleiter der Natur im Occultismus, und die 7 muß auf eine ganz verschiedene Art und Weise multipliziert werden, als bis jetzt den europäischen Völkern bekannt ist.

[27] Des Esprits, IV. P. 61